Skip to main content

Full text of "Natur und Museum"

See other formats


41.  BERICHT 


der 


SENCKENBERGLSCHEN  NATÜRFORSCHENDEN 
GESELLSCHAFT 


FRANKFÜRT  AM  MAIN 


Frankfurt  am  Main 

Selbstverlag  der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft 

1910 


Nachdruck  nur  mit  Quellenangabe  gestattet 
Übersetzungsrecht  vorbehalten 


V     — 


Inhaltsverzeicliiiis. 


Neues  aus  der  S  c  h  a  u  s  a  m  m  1  u  n  g :  Seite 

Das  Flußpferd  (mit  1   Abbildung)  von  E.  Wolf 1 

Riesenhirsch  und  Höhlenbär  (mit  2  Abbildungen)  von  F.  Drever- 

mann 7 

Das  indische  Nashorn  (mit  7  Abbildungen)  von  E.  Marx  u.  A.  Koch  161 
Der  afrikanische  Elefant  (mit  9  Abbildungen)  von  E.  Wolf  .  .  171 
Der  Riesenalk  (mit  2  Abbildungen)  von  0.  zur  Strassen  .  .  184 
Ein  fossiler  Hai  (mit  1  Abbildung)  von  F.  Drevermann  .  .  191 
Im  Grönländischen  Eismeer  (mit  8  Abbildungen)  von  R.  v.  Gold- 
schmidt-Rothschild       241 

Geschenke  aus  der  Ausbeute  der  J.  Deutschen  Tiefsee-Expedition 

(mit  6  Abbildungen)  von  F.  W.  W  i  n  t  e  r 254 

Verteilung  der  Ämter  im  Jahr  1910 12 

V  e  r  z  e  i  c  h  n  i  s  d  e  r  M  i  t  g  1  i  e  d  e  r 14 

Rückblick  auf  das  Jahr  1909  (Mitteilungen  der  Verwaltung)      .  35 

Kassenbericht  über  das  Jahr  1909 41 

Museumsbericht  über  das  Jahr  1909 44 

Zoologische  Sammlung 47 

Botanische  Sammlung 56 

Mineralogische  und  petrographische  Sammlung 58 

Geologisch-paläontologische  Sammlung    .         60 

Lehrtätigkeit  im  Sommerhalbjahr  1909  und  Winterhalbjahr  1909/10 : 

Zoologie 68  194 

Botanik 70  195 

Mineralogie,  Geologie  und  Paläontologie 72  196 

Wissenschaftliche  Sitzungen  : 

0.  zur  Strassen:  Psychologie  der  Insekten     ....  197 

K.  Esche  rieh:  Über  Termiten 199 

R.  Volk:    Biologisches    aus    der    Unterelbe,    insbesondere 
die  Beziehungen    des  Planktons  zur  Selbstreinigung 

des  Stromes  bei  Hamburg 201 

K.  D  e  n  i  n  g  e  r :  Ergebnisse  seiner  Reise  nach  den  Molukken  205 
H.  S  c  h  u  b  0  t  z  :  Zoologische  Ergebnisse  und  Beobachtungen 
während   der   Zentralafrika-Expedition    des   Herzogs 

Adolf  Friedrich  zu  Mecklenburg 208 

L.  Grünhut:    Die  Beziehungen    zwischen    physikalischer 

Chemie  und  Biologie 210 

E.  Strauß;  Tierische  Farbstoffe         211 

R.    Richter:    Die    Entstehung    des    Rheintals    von    der 

Quelle  bis  Mainz 213 

E.  Kaiser:  Die  Entstehung  des  Rheintals  von  Mainz  bis 

Köln 214 


ollZo^ 


—    VI    — 

Seite 
R.  Goldschmidt:  Das  Problem  der  Geschlechtsbestimmung     216 

ß.  Kahn:  Über  schlagende  Wetter 217 

G.  Greim:  Die  Zirkulation  der  Ozeane 218 

H.  Sachs:  Die  Reaktionsfähigkeit  des  Organismus  gegen- 
über artfremden  Stoffen 219 

F.  W.  Winter:    Neuere    Untersuchungen    über   Biologie 
und  Fortptlanzung  der  Foraminiferen,  ein  Bild  aus  der 

Kleinlebewelt 222 

W.  Schau  f:  Über  den  Odenwald 225 

K.    P  r  i  e  m  e  1 :     Über    den    wissenschaftlichen    Wert    der 

Pflege  und  Schaustellung  lebender  Tiere      ....     225 
E.  Wolf:  Die  Inseln  der  Südsee  und  ihre  Bewohner  .     .     228 
Wissenschaftliche  Beiträge: 

M.  Möbius:  Eine  botanische  Exkursion  nach  Algier  und  Tunis 

(mit  8  Abbildungen) 76 

A.  Knoblauch:  Unsere  einheimischen  Salamander  und  Molche 

im  Kreislauf  des  Jahres  fmit  7  Abbildungen) 104 

F.  D  r  e  V  e  r  m  a  n  n  :  Eine  geologische  Forschungsreise  in  die  Sierra 

Morena 123 

P.  Prior:    Die  Diamanten   Deutsch-Südwestafrikas   (mit   2   Ab- 
bildungen)   133 

P.  Sack:    Aus   dem  Leben    unserer  Zuckniücken  (Chironomiden) 

(mit  8  Abbildungen) 229 

A.  Hand  Urs  eh:  Fossile  Wespennester  (mit  1  Abbildung)   .     .     265 
J.  Ziehen:    Die  Darstellung   der  Tiere   in   der   antiken    Kunst 

(mit  11  Abbildungen) 267 

Nekrologe: 

F.W.  Winter:  Anton  Do  hm   und  die  Zoologische  Station 

in  Neapel 142 

F.  Kinkelin  :  Lu  d wig  Becker 152 

A.  Libber tz:  Robert  Koch  (mit  Porträt) 306 

Besprechungen: 

L  Neue  Veröffentlichungen  der  Gesellschaft : 

Abhandlungen    der    Senckenbergischen  Naturforschenden 

Gesellschaft  in  Frankfurt  a.  M. : 
Band  31  Heft  1 :    Riechbahnen ,    Septum    und   Thalamus    bei 

Diclelphis  marsupialis  von  Dr.  Paul  Röthig  (L.  Edintjer)     155 
Die  Farnpflanzen  in  der  Umgegend  von  Frankfurt  a.  M. 

von  J.  M  ü  1 1  e  r  -  K  n  a  t  z  (A.  Knoblauch)    ....     319 
Band   32 :     Festschrift    zum    siebenzigsten    Geburtstag    von 

Wilhelm  Kobelt  am  20.  Februar  1910  (F.Haas)  .     .     156 
IL  Neue  Bücher: 

F.  Kinkel  in:  Vorgeschichte  vom  Untergrund  und  von  der 
Lebewelt  des  Frankfurter  Stadtgebietes.  Eine  geologische 
Skizze  fA.  Knoblauch) 158 


Neues  aus  der  Scliausammlmio-. 


Das  Flußpferd. 

Mit  einer  Abbildung. 

Wer  erinnert  sich  nicht  der  alten  treuen  Hüter,  die  links 
und  rechts  den  Eingang  unseres  früheren  Museums  geziert 
haben.  Der  eine  dieser  Kolosse,  das  Nilpferd,  hat  unterdessen 
den  Flammentod  erlitten ;  der  andere,  ein  suraatranisches  Nashorn, 
mußte  sich  in  unserem  neuen  Museum  bescheiden  in  eine  Nische 
des  Obergeschosses  zurückziehen.  So  haben  wir  gerade  die 
Riesen  unserer  Tierwelt,  die  Dickhäuter,  entbehren  müssen,  bis 
hochherzige  Schenker  es  uns  ermöglicht  haben,  diese  Lücke  mit 
Prachtexemplaren  ihrer  Art  auszufüllen:  ein  mächtiges  Fluß- 
pferd, das  ein  Kunstwerk  der  neueren  Dermoplastik  genannt 
werden  darf,  hat  bereits  Aufstellung  gefunden ;  Rhinozeros  und 
afrikanischer  Elefant  werden  in  Bälde  folgen. 

Rudolf  von  Goldschmidt-Rothschild,  dem  unser 
Museum  in  neuerer  Zeit  so  manche  wertvolle  Schenkung  ver- 
dankt, hat  das  Flußpferd  für  uns  erworben;  im  westafrikanischen 
Oberguinea  wurde  es  erlegt,  und  englische  Präparatoren  haben 
aus  ihm  ein  lebenswahres  Schaustück  geschaffen. 

Die  Zoologie  stellt  das  Flußpferd,  Hippopotamus 
amphibius  L.;  zu  den  Paarzehern,  also  in  die  Nähe  der  Schweine. 
An  jedem  Fuß,  vorn  wie  hinten,  trägt  es  vier  mächtige  Zehen, 
die  beiden  vorderen  etwas  näher  zusammengerückt,  die  seitlichen 
weiter  abstehend,  aber  alle  den  Boden  berührend.  Sein  fast 
3  m  langer  Magen  zerfällt  in  drei  ziemlich  scharf  gesonderte 
Abteilungen,  ein  Hinweis  darauf,  daß  dieses  Tier  auch  mit  den 
Wiederkäuern  nahe  verwandt  ist.  Seine  Beine  sind  plump  und 
kurz;   der  Bauch  hängt  tief  herab;   der  massige  Kopf  mit  den 

1 


—     2     — 

zugespitzten  unscheinbaren  Ohren,  den  kleinen,  mit  stark  ge- 
wölbter Hornhaut  versehenen  Augen  und  den  S-förmigen,  ver- 
schließbaren Nasenlöchern  nimmt  nahezu  ein  Dritteil  der  Körper- 
länge ein.  Auf  der  Oberlippe  zerstreut  stehen  wenige  Borsten, 
die  sich  sonst  nur  noch  als  winzig  kleiner  Haarbüschel  an  dem 
kurzen  Schwänze  finden.  Die  schwarzgraue,  an  einzelnen  Stellen 
hellere  Fleischtöne  aufweisende  Haut  ist  rissig.  Das  ganze 
Äußere  des  Tieres  sowie  seine  unnachahmliche  Stimme  mit  ihren 
brummenden,  grunzenden  und  pustenden,  oft  trompetenartigen 
Tönen  lassen  diesen  Dickhäuter  nicht  gerade  als  eine  Schönheit 
erscheinen.  Aber  so,  wie  er  uns  hier  entgegentritt,  macht  er 
durchaus  nicht  den  Eindruck  der  Plumpheit  oder  Schwerfällig- 
keit, ist  er  nicht  der  träge,  im  Wasser  ruhende  Fettkoloß,  sondern 
ein  wutschnaubender,  kraftstrotzender  Riese,  der  trotz  der  ge- 
ringen Gliederung  seines  Körpers,  die  eigentlich  nur  durch  die 
Falten  an  den  Oberschenkeln  und  in  der  Nackengegend  zum 
Ausdruck  kommt,  einen  nicht  zu  verachtenden  Gegner  darstellt. 
So  mag  er  im  grauen  Altertum  in  den  Arenen  Roms  seineu 
Widersachern  —  Löwen,  Bären  und  anderen  Bestien  —  ent- 
gegengetreten sein;  so  mögen  sich  die  Bullen,  wenn  sie  im 
Frühjahr  um  die  Weibchen  kämpfen,  gegenüberstehen;  so  soll 
das  Flußpferd  auch  in  Augenblicken  blinder  Wut  auf  seine 
Gegner  losstürzen,  Menschen  und  Tiere  mit  seinem  fürchterlichen 
Gebiß  zermalmend.  Noch  immer  ist  es  uns  ein  Rätsel  wie  die 
alten  Römer  trotz  ihrer  primitiven  Hilfsmittel  eine  große  Zahl 
dieser  Tiere  bis  nach  Rom  transportieren  konnten:  denn  selbst 
heutzutage  gelingt  es  nur  selten,  einen  dieser  Dickhäuter,  zumal 
ein  erwachsenes  Exemplar,  in  die  europäischen  Tiergärten  zu 
bringen.  Ist  aber  die  Überführung  erst  einmal  gut  vonstatten 
gegangen,  so  werden  die  Tiere  bald  zahm  und  halten  sich  oft 
jahrzehntelang;  ja  sie  können  sogar  in  der  Gefangenschaft  zur 
Fortpflanzung  gebracht  werden. 

3^2  m  mißt  unser  Bulle  von  der  Schnauze  bis  zur  Schwanz- 
wurzel; 3,20  m  ist  sein  Leibesumfang,  selbst  sein  Hals  weist 
einen  Umfang  von  2V2  m  auf;  1500  kg  mag  wohl  das  Gewicht 
des  lebenden  Tieres  betragen  haben.  Es  ist  also  im  wahren 
Sinn  des  Wortes  ein  Koloß.  Und  doch  sind  schon  Tiere  von 
4 — 5  m  Länge  und  mit  einem  Gewicht  von  2000 — 3000  kg  er- 
legt  worden.      Schon   die  2  cm   dicke   Haut   mit   der   darunter 


p^ 


p^ 


_     4     — 

liegenden  8— 16cm  mächtigen,  melir  flüssigen  als  festen  Fett- 
schicht, die  als  sogenannter  „Seeknhspeck"  für  die  Eingeborenen 
einen  hochgeschätzten  Leckerbissen  bildet,  wiegt  bei  diesen 
Riesen  500 — 600  kg.  Nilpferdpeitschen,  aus  Längsstreifen  der 
abgezogenen  Haut  hergestellt,  haben  schon  zur  Pharaouenzeit 
eine  bedeutsame  Rolle  gespielt,  und  durch  die  Buren  lernten  die 
Eingeborenen  wie  die  Zugtiere  Südafrikas  diese  Marterwerk- 
zeuge in  gleich  unliebsamer  Weise  kennen. 

Aus  dem  weitaufgerissenen  Rachen  starrt  uns  ein  Gewirr 
von  Zähnen  entgegen,  die  aber  in  der  sichersten  Weise  ineinander- 
greifen und  für  ihre  Zwecke  vortrefflich  angepaßt  sind.  Oben 
und  unten  sehen  wir  jederseits  zwei  wurzellose,  nach  vorn  ge- 
richtete Schneidezähne,  von  denen  der  innere,  bei  unserem 
Exemplar  22  cm  lang,  den  äußeren  überragt,  und  je  einen  Eck- 
zahn, von  welchen  der  untere,  hier  30  cm  messend,  die  drei- 
bis  vierfache  Länge  des  oberen  besitzt.  Die  Backenzähoe, 
jederseits  sechs  bis  sieben  oben  und  unten,  sind  im  Unterkiefer 
von  dem  Fleischwulst  der  Zunge  nahezu  vollständig  verdeckt 
und  treten  deshalb  nur  im  Oberkiefer  deutlich  hervor. 

Wie  arbeitet  nun  dieser  absonderliche  Mechanismus?  Der 
untere  Eckzahn,  der  ein  Gewicht  von  2 — 3  kg  erreichen  kann, 
erscheint  außen  tief  gerieft  und  ist  ziemlich  stark  nach  ein- 
wärts gebogen.  An  der  Spitze  zeigt  seine  Innenseite  eine  spiegel- 
glatte Fläche;  die  entsprechende  Gegenfläche  findet  sich  auf 
der  Außenseite  des  oberen  Eckzahns.  Beide  Zähne  sind  fort- 
während im  Wachsen  begriffen ;  doch  durch  die  andauernde  Be- 
nützung werden  sie  auch  in  gleicher  Weise  wieder  abgeschliffen. 
Hierdurch  weist  jede  Seite  ein  vorzüglich  funktionierendes 
Scherenpaar  auf,  mit  dem  das  Tier  selbst  die  zähesten  Stengel 
der  verschiedenartigen  Wasserpflanzen,  die  es  täglich  zentner- 
weise verzehrt,  abzuschneiden  vermag.  Die  Schneidezähne,  deren 
untere  ebenfalls  die  oberen  weit  an  Größe  übertreffen,  greifen 
nicht  über-,  sondern  zwischeneinander  und  weisen  deshalb  auch 
die  abgenutzten  Flächen  an  den  Seiten  auf.  Ihnen  fällt  das 
Ausreißen  und  Festhalten  der  Nahrung  zu,  so  daß  nur  noch  das 
Zerkleinern  und  Zermalmen  derselben  den  Backenzähnen  vor- 
behalten bleibt. 

Paläontologische  Funde  bezeugen,  daß  das  Flußpferd  zur 
Tertiär-  und  Quartärzeit  in  noch  gewaltigeren  Arten,  wie  auch 


in  Zwergformen,  sogar  Süd-  und  Mitteleuropa  —  auch  unsere 
Mainebene  — ,  ja  selbst  das  ferne  Indien  bevölkert  hat.  Eine 
noch  lebende  Zwergform,  die  höchstens  eine  Länge  von  2  m 
erreicht,  wurde  im  Innern  von  Liberia  in  Westafrika  aufgefunden. 
Heutzutage  ist  das  Flußpferd  auf  Zentralafrika  zuiückgedrängt. 
Noch  vor  ungefähr  hundert  Jahren  hat  dieses  Riesentier  ganz 
Afrika  bewohnt  und  sich  vereinzelt  selbst  noch  im  Unterlauf 
des  Nils  gezeigt.  Daher  rührt  auch  der  Name  Nilpferd.  Nicht 
so  einfach  ist  der  zweite  Teil  dieses  Namens  zu  erklären ;  denn 
mit  einem  Pferd  hat  das  Tier  nicht  die  geringste  Ähnlichkeit. 
Noch  früher  war  es  bis  hinab  nach  Südafrika  der  unumschränkte 
Herrscher  der  afrikanischen  Flüsse  und  Seen,  vor  dem  selbst 
die  gierigen  Krokodile  zurückschreckten,  und  dem  auch  auf  dem 
Lande  kein  Geschöpf  entgegenzutreten  gewagt  hat.  Nur  der 
Mensch  suchte  seit  alten  Zeiten  auch  hier  seine  Oberhoheit 
durchzusetzen.  Aber  weder  die  Jäger  der  Pharaonen,  die,  wie 
noch  heute  manche  Eingeborenenstämme,  das  Tier  unerschrocken 
mit  Harpunen  angriffen,  noch  die  Fallgruben  oder  vergifteten 
Fallhölzer  der  westafrikanischen  Völker  konnten  es  in  seiner 
Existenz  bedrohen.  Erst  das  Feuergewehr,  Pulver  und  Blei, 
haben  unter  den  Flußpferden  in  verheerender  Weise  aufgeräumt. 
Haut  und  Zähne,  namentlich  die  Eckzähne,  die,  nachdem  die 
Schmelzschicht  abgebeizt  ist,  ein  sehr  hartes  Elfenbein  liefern, 
bilden  vielbegehrte  Handelsartikel,  und  so  haben  bereits  in 
wenigen  Jahrzehnten  Jagdlust  und  Geldgier  diese  gewaltigen 
Tiere  dezimiert.  Bald  werden  wir  auch  sie,  wie  schon  so  manchen 
anderen  ihrer  ehemaligen  Heimatgenossen,  auf  die  schwarze  Liste 
derjenigen  Tiere  setzen  müssen,  von  denen  die  Krone  der  Schöp- 
fung sich  rühmen  kann,  sie  vollständig  vernichtet  zu  haben. 
Als  ausgezeichnete  Schwimmer  und  Taucher,  die  es  dank  ihrer 
gewaltigen  Lungen  bis  zu  fünf  Minuten  unter  Wasser  aushalten 
können,  sowie  infolge  der  ihnen  eigenen  Scheu  und  Schlauheit 
werden  die  Flußpferde  aherdings  noch  einige  Zeit  ihr  Dasein 
fristen;  aber  ihr  völliger  Untergang  scheint  unabwendbai". 
Auch  die  neueste  Entdeckung  Robert  Kochs,  daß  wie  die 
Krokodile  so  auch  diese  Tiere  als  Zwischenwirte  der  Erreger 
der  Schlafkrankheit  in  Betracht  kommen,  läßt  uns  dieses  un- 
aufhaltsame Schicksal  nicht  weniger  bedauerlich  erscheinen. 
Möge  es  den  gegenwärtigen,  eifrigen  Bestrebungen  gelingen,  für 


Riesenhirsch,  Cerviis  (Megaceros)  euryceros  Aldrovandi. 


—     7     — 

die  bedrohte  Tierwelt  Afrikas  Schutz reservate  zu  schaffen, 
in  denen  die  verschiedenen  Vertreter  dieser  einzigartigen  Fauna 
in  voller  Freiheit,  ähnlich  wie  die  letzten  Reste  der  großen 
Büffelherden  in  Nordamerika,  leben  können  und  so  wenigstens 
vor  der  vollständigen  Ausrottung  bewahrt  bleiben. 

E.  Wolf. 

Riesenhirsch  und  Höhleubär. 

Mit  2  Abbildungen. 

Zwei  stattliche  Tiere  der  Vorzeit  sind  in  den  letzten 
Monaten  im  Lichthof  neu  aufgestellt  worden :  der  Riesenhirsch, 
tiefdunkel  gefärbt  von  dem  irischen  Torfmoor,  unter  dem  er 
gelegen  hat,  stolz  aufgerichtet  mit  dem  mächtigen  Schaufelgeweih, 
und  ein  alter,  ausgewachsener  Höhlenbär,  dessen  Skelett  an 
Frische  mit  dem  eines  rezenten  Tieres  wetteifert,  hell  gefärbt 
von  dem  Hühlenlehm  der  Tiroler  Kalkalpen.  Beide  sind  Charakter- 
tiere (Leitfossilien)  der  Diluvialzeit;  beide  mögen  oft  genug 
miteinander  gerungen  haben ;  beide  sind  sie  schließlich  vom 
Menschen  gejagt  und  ausgerottet  worden. 

Der  Riesenhirsch,  Cervus  {Megaceros)  eui'ijceros  Aldro- 
vandi,*)  war  zur  Diluvialzeit  weit  verbreitet.  Seine  Reste  finden 
sich  in  besonderer  Menge  in  Irland  und  zwar  in  einer  mergeligen 
Süß  Wasserschicht  direkt  unter  den  gewaltigen  Torflagern,  die 
große  Teile  der  Insel  bedecken.  Mehr  vereinzelt  sind  die  Funde 
in  Großbritannien,  in  ganz  Frankreich  und  Deutschland  (auch 
in  unserer  Gegend  ist  der  Riesenhirsch  mit  Sicherheit  nach- 
gewiesen), Belgien,  Dänemark  und  Österreich ;  wieder  häufiger 
sind  sie  in  Ungarn  und  Oberitalien,  endlich  im  europäischen 
Rußland,  besonders  im  Wolgagebiet,  und  als  äußerster  östlicher 
Vorposten  in  Sibirien.  Bei  einer  so  großen  Verbreitung  ist  es 
natürlich,  daß  sich  auch  beim  Riesenhirsch  wie  bei  seinen  rezenten 
Verwandten  eine  Anzahl  von  Rassen  herausgebildet  hat,  die 
sich  besonders  nach  der  Gestalt  des  Geweihes  voneinander 
unterscheiden  lassen.  Dieses  besteht  beim  männlichen  Tiere 
(das  weibliche  trug  kein  Geweih)  aus  gewaltigen  Schaufeln  mit 
lang  auslaufenden  Spitzen   am  Rande,    deren  größter  Abstand 


')  Literaturangaben  in  der  hier  besonders  benutzten  Arbeit  von 
K.  Hescheler  „Der  Riesenhirsch".  Neujahrsblatt  der  Naturforschenden 
Gesellschaft  in  Zürich.  1909,  111.  Stück. 


bei  unserem  Skelett  fast  3  m  beträgt,  bei  dem  riesigsten  bisher 
bekannten  Exemplar  aber  fast  4  m  erreicht.  Selbst  dieser  im- 
posante Kopfschmuck,  neben  dem  jeder  Hirsch  oder  Elch  der 
Gegenwart  uns  klein  erscheint,  wurde  jährlich  abgeworfen  und 
in  wenigen  Monaten  neu  gebildet;  denn  die  tiefen  Furchen  und 
Eindrücke  auf  den  Schaufelflächen  rühren  von  Blutgefäßen  her 
und  stammen  aus  der  Zeit,  als  das  Geweih  während  der  Neu- 
bildung noch  mit  Bast  bedeckt  war. 

Fast  alle  in  europäischen  Museen  aufgestellten  Skelette 
und  Geweihe  des  Riesenhirschs  stammen  aus  Irland,  wo  sie 
sich  an  einzelnen  Stellen  so  häufig  finden,  daß  es  besondere 
Sammler  gibt,  die  mit  langen  Eisenstaugeu  den  Torf  und  Letten 
durchstechen  und  da,  wo  sie  auf  einen  Widerstand  stoßen, 
nachgraben.  Wie  kommen  diese  Mengen  der  großen  Tiere  nun 
gerade  in  die  eine  Lettenschicht?  Da  sich  außerdem  Süßwasser- 
schuecken  und  -Muscheln  darin  finden,  läßt  sich  leicht  feststellen, 
daß  die  Schicht  am  Grunde  von  flachen  Seen  abgelagert  wurde, 
die  zur  Diluvialzeit  weite  Strecken  von  Irland  bedeckten.  Mau 
darf  vielleicht  annehmen,  daß  ganze  Rudel  von  Rieseuhirscheu, 
vielleicht  von  Wölfen  (oder  vom  Menschen?)  gejagt,  im  Wasser 
Zuflucht  gesucht  haben  und  in  dem  zähen  Lehm  versunken  sind. 
Der  schwei-e  Hauptschmuck  hinderte  durch  sein  Gewicht  die 
Tiere,  sich  aus  dem  Morast  herauszuarbeiten.  So  erklärt  sich 
leicht  auch  die  Tatsache,  daß  die  Überreste  weiblicher  Tiere 
viel  seltener  als  die  der  männlichen  gefunden  werden. 

War  der  Riesenhirsch  ein  Zeitgenosse  des  Menschen  ? 
Man  hat  eine  durchlöcherte  Rippe  des  Tieres  aus  Irland  als 
Beweis  für  eine  Verwundung  durch  Lanze  oder  Pfeil  ansehen 
wollen;  sicherer  ist  ein  Fund  in  England,  wo  in  der  gleichen 
Schicht  Riesenhirschknochen  mit  Steinwerkzeugen  gefunden 
worden  sind.  Die  Annahme,  daß  der  Mensch  das  prachtvolle 
Tier  gejagt  hat,  ist  also  gerechtfertigt.  Als  reine  Vermutung 
muß  es  aber  bezeichnet  werden,  daß  der  Riesenhirsch  in  Deutsch- 
land bis  ins  Mittelalter  hinein  gelebt  haben  soll.  Im  Nibelungen- 
lied erschlägt  Siegfried  auf  der  Jagd  auch  ,, einen  grimmen 
Scheich",  und  da  man  kein  Tier  des  deutschen  Urwaldes  kennt, 
das  etwa  mit  dieser  Bezeichnung  gemeint  sein  könnte,  hat  man 
an  den  Riesenhirsch  gedacht.  Die  große  UnWahrscheinlichkeit 
dieser  Annahme  geht  jedoch  schon  daraus  hervor,  daß  ein  Ge- 


—     10    — 

weihträger  von  so  gewaltiger  Gestalt  niemals  ein  Waldbewoliner 
gewesen  sein  kann,  wie  das  übrige  in  derselben  Strophe  des 
Nibelnngenliedes  erwähnte  Wild,  Wisent,  Elch  und  Auerochs. 
Irland  war  wohl  die  letzte  Zufluchtsstätte  des  Riesen- 
hirschs.  Er  gelangte  dorthin  über  die  Landbrücken,  die  da- 
mals noch  England  mit  dem  Kontinent  und  mit  Irland  ver- 
bunden haben.  Hier  hat  er  bis  an  die  Grenze  der  Gegenwart 
gelebt ;  in  Deutschland  wie  überhaupt  in  Mitteleuropa  aber  muß 
er  als  ein  Charaktertier  der  Diliivialzeit  gelten. 

Das  gleiche  gilt  von  dem  Höhlenbär,  ürsus  spelaeus 
Rosenmüller.  ^)  Seine  Reste  haben  sich  in  manchen  Höhlen, 
ganz  besonders  in  Schwaben,  in  solcher  Menge  gefunden,  daß 
man  viele  Wagenladungen  fortfahren  konnte.  Auch  die  Tisch- 
oferhöhle  bei  Kufstein,  aus  der  unser  Skelett  stammt,  enthielt 
die  Reste  von  zahlreichen  Individuen,  unter  denen  diejenigen 
von  ganz  alten,  sowie  von  weiblichen  und  jungen  Tieren  stark 
vorwiegen.  Der  Erforscher  der  Höhle  Prof.  M.  Schlosser  in 
München  glaubt,  daß  nur  ganz  alte  Bären  die  Höhle  aufgesucht 
haben,  um  darin  zu  verenden,  und  ferner  weibliche  Individuen, 
um  zu  Wölfen.  Denn  der  schlechte  Zugang  zur  Höhle  er- 
schwerte das  Einbringen  der  Beute  ganz  außerordentlich,  und 
es  wurden  in  der  Tat  nur  wenige  Reste  von  Beiitetieren  ge- 
funden (Rentier,  Steinbock  u.  a.).  Hier  haben  die  Höhlenbären 
also  wohl  nicht  dauernd  gehaust,  wie  man  dies  bei  vielen  an- 
deren Höhlen  für  ganze  Reihen  von  Generationen  annehmen  darf. 

Trotz  seiner  mächtigen  Größe,  welche  die  des  Eisbären 
und  des  grauen  Bären  Nordamerikas  erreicht  und  übertrifft, 
war  der  Höhlenbär  wie  die  Mehrzahl  seiner  jetzt  lebenden  Ver- 
wandten vorzugsweise  ein  Pflanzenfresser.  Außerdem  fand  er 
aber  mit  seinen  Zeitgenossen,  dem  Höhlenlöwen,  der  Höhlen- 
hyäne und  dem  Höhlenwolf,  reiche  Beute  in  den  undurchdring- 
lichen Wäldern  Mitteleuropas.  Sicherlich  hat  auch  der  Mensch 
der  Diluvialzeit  mit  ihm  gekämpft,  und  oft  mag  er  ihn  in  hartem 
Ringen  aus  den  Höhlen  des  Kalkgebirges  vertrieben  haben,  um 
selbst  darin  Schutz  vor  den  Unbilden  der  Witterung  zu  suchen. 

^)  Vergl.  die  Arbeit  von  M.  Schlosser  „Die  Bären-  oder  Tischofer- 
höhle  im  Kaisertal  bei  Kufstein."  Abhandl.  der  Kgl.  Bayer.  Akademie  der 
Wissenschaften.  XXIV,  2,  München  1909. 


—   11   — 

Man  findet  über  der  Schicht  des  Höhleolehms,  in  der  die  Skelette 
und  Einzelknochen  der  Raubtiere  und  ihrer  Beute  gefunden 
werden,  häufig-  eine  andere  mit  menschlichen  Artefakten,  mit 
Feuerstätteu,  mit  den  Beutetieren  und  Resten  des  Menschen. 
Ja  in  einzelnen  Höhlen  geben  uns  mehrere  über  einander 
folgende  Ausfüllungsschichten  mit  ihren  Einschlüssen  ein  ganz 
genaues  Bild  langer  Zeiten  wieder  und  werden  zu  wichtigen 
Dokumenten  längst  verschwundener  Klimaperioden  und  ihrer 
Tierwelt. 

Der  Mensch  benutzte  alles  vom  Höhlenbären ;  sein  Fell 
diente  zur  Kleidung,  sein  Fleisch  als  Speise  (man  kennt  an- 
gebrannte Knochen  des  Höhlenbären,  auch  unser  Museum  be- 
sitzt einen  solchen);  seine  Zähne  wurden  durchlöchert  und  als 
Halsschmuck  aufgereiht  getragen,  und  dem  Unterkiefer  schlug 
der  Mensch  den  hohen  Gelenkfortsatz  ab,  benützte  diese  Stelle 
als  Griff  und  spaltete  nun  durch  einen  geschickten  Schlag  mit 
dem  spitzen  Eckzahn  die  markhaltigen  Röhrenknochen  seiner 
Beute.  Ob  der  Höhlenbär  durch  den  Menschen  ausgerottet 
worden  ist,  ist  nicht  erwiesen ;  jedenfalls  tritt  zu  Beginn  der 
Gegenwart  überall  der  viel  kleinere  braune  Bär  an  seine  Stelle. 

F.  Drevermann 


12 


Protektoriii :  Ihre  Majestät  die  Kaiserin. 


Verteilung  der  Ämter  im  Jahre  1910. 


Direktion : 

San. -Rat  Dr.  E.  lloedi^er,  I.  Direktor  1   >V.  Melber,  Kassier 

Dr.  A.  V.  AVeiiiberg-,  II.  Direktor  i   Gen. -Konsul  Stadtrat  A.  v.  Metzler, 

Dipl.-Ing.  P.  Prior,  I.  Schriftführer  Kassier 

A.  Siebert,  II.  Schriftführer  Jnstizrat  Dr.  F.  Berg,  Konsulent 

VerAvaltiiug : 

Die  Verwaltung    besteht    satzungsgemäß    aus    den    arbeitenden  Mit- 
gliedern, deren  Namen  im  Mitgliederverzeichnis  mit  *  versehen  sind 

Abgeordu.  zur  Kommissiou  der  vereinigten  Bibliotheken: 
Prof.  Dr.  H.  Reicheubach 

Bücher-Kommission : 

Prof.  Dr.  F.  Richters,  Vorsitzender         Prof.  Dr.  Vi.  Scliauf 
Prof.  Dr.  M.  Möbius  '   Prof.  Dr.  0.  zur  Strassen 

Prof.  Dr.  H.  Reich enbacli  \   Dr.  (i.  Wahl 

Redaktion  der  Abhandlungen : 

W.  Melber,  Vorsitzender  I   Prof.  Dr.  M.  Möbius 

Prof.  Dr.  0.  Boettger  Prof.  Dr.  H.  Beichenbach 

Prof.  Dr.  L.  v.  Hejden  |  Prof.  Dr.  0.  zur  Strassen 

Redaktion  des  Berichts: 

Prof.  Dr.  A.  Knoblauch,  Vorsitzender       Dipl.-Ing.  P.  Prior 
Dr.  A.  y.  Weinberg  F.  W.  Winter 

Lehrkörper: 

(Prof.  Dr.  H.  Reichenbach 
Zoologie Prof.  Dr.  0.  zur  Strassen 

I  Dr.  E.  Wolf 

Botanik Prof.  Dr.  M.  Möbius 

Mineralogie Prof.  Dr.  W.  Seh  auf 

,,     ,     .         ,  T.  V     .  ,     •  f  Pr«^-  Dr.  F.  Kinkelin 

Geologie  und  Paläontologie r^     ^   ,x 

^  "  \  Dr.  F.  Drevermaun 


—     13     — 


Miiseums-Kommission:  ^^?o    ^y^s 

Die  Sektionäre  und  der  II.  Direktor  ^^^^    9 

Sektionäre: 

„,.,-.  .         ,  Ol   1  x^  [  Pi'of-  Dr-  H.  Reichenbacli 

Vergleichende  Anatomie  und  fekelette .     .     .     .   ^  _        t,,   c,      ,,    , 
*  l  Frau  M.  Soudheim 

Säugetiere Prof.  Dr.  W.  Kobelt 

Vögel Komm. -Rat  R.  de  Neufville 

Reptilien  und  Batrachier Prof.  Dr.  0.  Boett^er 

Fische A.  H.  Wendt 

^,                     ,    .,,         .  f  Prof.  Dr.  L.  y.  Heyden 

Koleopteren  und  Allgemeines 1    i    w  • 

\       .A.9      TT  \?lö 

Hymenopteren A.  Weis 

Lepidopteren Dr.  J.  Guide 

Dipteren Dr.  P.  Sack 

Neuropteren,  Orthopteren  und  Hemipteren    .     .  Dr.  J.  Guide 

Krustazeen Prof.  Dr.  F.  Richters 

Mollusken Prof.  Dr.  W.  Kobelt 

Wirbellose   Tiere    mit   Ausschluß    der   Arthro- 
poden und  Mollusken Prof.  Dr.  H.  Reichenbacli 

(  Prof.  Dr.  M.  Möbius 

Botanik {  nw  n.- 

\  M.  Durer 

Mineralogie Prof.  Dr.  W.  Schauf 

^    ,     .         ,  ^  ,          ,     .  (  Prof.  Dr.  F.  Kiukeliu 

Geologie  und  Paläontologie p^.^j_  P^.  ^^  g^^^^ 


Direktor  des  Museums: 

Prof.  Dr.  0.  zur  Strassen 


Eustos  d.  zool.  Sammluug: 

Dr.  E.  Wolf 


Kustos  d.geol. -pal.  Sammlung: 
Dr.  F.  Drevermann 


Bibliothekar : 
Dr.  G.  Wahl 


Bibliotheksekretär ; 
Th.  Hassler 


Konservatoren : 
Adam  Koch 
August  Koch 
Christian  Strunz 


Techniker : 
Rudolf  Moll 

Handwerker : 
Markus  Burkhard 


Lehrlinge 
Christian  Kopp 
Joseph  Lengle 


Bureau : 
Frl.  M.  Pixis,  Vorsteherin 
„     M.  Göbel 
,     M.  Eiider 


Hausmeister 
Berthold  Diegel 


14     — 


Verzeichnis  der  Mitglieder. 

I.  Ewige  Mitglieder. 

An  Stelle  der  Entrichtung  eines  Jahresbeitrages  haben 
manche  Mitglieder  vorgezogen,  der  Gesellschaft  ein  Kapital 
zu  schenken,  dessen  Zinsen  dem  Jahresbeitrag  min- 
destens gleichkommen,  mit  der  Bestimmung,  daß  dieses 
Kapital  verzinslich  angelegt  werden  müsse  und  nur  die  Zinsen 
für  die  Zwecke  der  Gesellschaft  zur  Verwendung  kommen  dürfen. 

Solche  Mitglieder  entrichten  demnach  auch  über  den  Tod 
hinaus  einen  Jahresbeitrag  und  werden  nach  einem  alten  Sprach- 
gebrauch als  „Ewige  Mitglieder"  der  Gesellschaft  bezeichnet. 

Vielfach  wird  diese  altehrwürdige  Einrichtung,  die  der 
Gesellschaft  einen  dauernden  Mitgliederstamm  sichert 
und  daher  für  sie  von  hohem  Werte  ist,  von  den  Angehörigen 
verstorbener  Mitglieder  benützt,  um  das  Andenken  an  ihre  Toten 
bleibend  in  dem  Senckenbergischen  Museum  wach  zu 
halten,  zumal  die  Namen  sämtlicher  „ewigen  Mitglieder"  nicht 
nur  den  jedesmaligen  Jahresbericht  zieren,  sondern  auch  auf 
M  a  r  m  0  r  t  a  f  e  1  n  in  dem  Treppenhause  des  Museums  mit  goldenen 
Buchstaben   eingegraben   sind. 

Simon  Moritz  v.  Betlimaiiu     1827  G.  H.  Hauck-Stee^    1848 

Georg  Heinr.  Schwendel     1828  Dr.  J.  J.  K.  Buch     1851 

Joh.  Friedr.  Aut.  Helm     1829  G.  v.  St.  George     1853 

Georg  Ludwig  Goiitard     1830  J.  A.  Gruiieliiis    1853 

Frau  Susanna  Elisabeth  Bethmann-  P.  F.  Chr.  Kroger     1854 

Holweg    1831  I   Alexander  Gontard    1854 

Heinrich  Mylius  sen.     1844  M.  Frhr.  v.  Bethmann     1854 
Georg  Melchior  Mjlius    1844            |   Dr.  Eduard  Riippell     1857 

Baron  Amschel  Mayer  v.  Roth-  Dr.  Th.  Ad.  Jak.  Em.  Müller     185» 

Schild     1845  Julius  Nestle     1860 

Joh.  Georg  Schmidhorn     1845  Eduard  Finger     18G0 

Johann  Daniel  Sonchay     1845  Dr.  jur.  Eduard  Souchay     1862 

Alexander  v.  Bethmann     1846  J.  N.  Grällendeich     1864 

Heinrich  v.  Bethmann     184(5  E.  F.  K.  Büttner     1865 

Dr.  jur.  Rat  Fr.  Schlosser     1847  K.  F.  Krepi)     1866 

Stephan  v.  (iuaita     1847  Jonas  Mylius     1866 

H.  L.  Döbel  in  Batavia     1847  Konstantin  Fellner     1867 


Anmerkung:  Nach  dem  Mitglieilerbestand  vom  1.  Januar  1910. 


15 


Dr.  Herniauii  v.  Meyer    1869 
W.  D.  Soemnierring    1871 
J.  G.  H.  Petsch     1871 
Beruhard  Dondorf    1872 
Friedrich  Karl  Rücker    1874 
Dr.  Friedrich  Hesseuber?    1875 
Ferdinand  Laiiriu     1876 
Jaliob  Bernhard  Rikoff    1878 
Joh.  Heinr.  Roth     1878 
J.  Ph.  Nikol.  Manskopf    1878 
Jean  Noe  du  Fay     1878 
Gg.  Friedr.  3Ietzler     1878 
Frau     Louise    Wilhelmine    Euiilie 
Gräfin  Bose,   geb.  Gräfin  von 
Reichenbach-Lessonitz    1880 
Karl  August  Graf  Bose     1880 
Gust.  Ad.  de  Neufville     1881 
Adolf  Metzler    1883 
Joh.  Friedr.  Koch    1883 
Joh.  Wilh.  Roose     1884 
Adolf  Soenimerriuj?     1886 
Jacques  Reiss    1887 
Dr.  Albert  von  Reinach    1889 
Wilhelm  Metzler    1890 
*Albert  von  Metzler     1891 
L.  S.  Moritz  Frhr.  v.  Bethniann  1891 
Victor  Moessinger    1891 
Dr.  Ph.  Jak.  Cretzschmar    1891 
Theodor  Erckel    1891 
Georg  Albert  Keyl    1891 
Michael  Hey     1892 
Dr.  Otto  Ponfick     1892 
Prof.  Dr.  Gg.  H.  v.  3Ieyer    1892 
Fritz  NeumüUer     1893 
Th.  K.  Soemmerring     1894 
Dr.  med.  P.  H.  Pfefferkorn    1896 
Baron  L.  A.  v.  Löwenstein     1896 
Louis  Beruus     1896 
Frau  Ad.  von  Brüning     1896 
Friedr.  Jaenuicke     1896 
Dr.  phil.  Willi.  Jaennicke     1896 
P.  A.  Kesselnieyer     1897 
Chr.  G.  Ludw.  Vogt     1897 
Anton  L.  A.  Hahn    1897 
Moritz  L.  A.  Hahn     1897 
Julius  Lejeune    1897 
Frl.  Elisabeth  Schultz     1898 


Karl  Ebenau    1898 

Max  YOU  Guaita    1899 

Walther  vom  Rath     1899 

Prof.  D.  Dr.  Moritz  Schmidt    1899 

Karl  von  Gruuelius     1900 

Dr.  jur.  Friedrich  Hoerle     1900 

Alfred  von  Neufville    1900 

Wilh.  K.  Frhr.  v.  Rothschild    1901 

.Marcus  M.  Goldschmidt     1902 

Paul  Siegm.  Hertzog    1902 

Prof.  Dr.  Julius  Ziegler     1902 

Moritz  von  Metzler     1903 

Georg  Speyer     1903 

Arthur  von  Gwiuner     1903 

Isaak  Blum     1903 

Eugen  Grumbach-Mallebrein     1903 

*Robert  de  Neufville     1903 

Dr.  phil.  Eugen  Lucius    1904 

Carlo  Frhr.  v.  Erianger     1904 

Oskar  Dyckerhoff    1904 

Rudolph  Sulzbach     1904 

Johann  Karl  Majer    1904 

Prof.  Dr.  Eugen  Askenasy     1904 

D.  F.  Heynemaun     1904 

Frau  Amalie  Kobelt    1904 

*Prof.  Dr.  Wilhelm  Kobelt    1904 

P.  Hermann  v.  Mumm     1904 

Philipp  Holzmanu     1904 

Prof.  Dr.  Achill  Andreae     1905 

Frau  Luise  Yolkert     1905 

Karl  Hoff    1905 

Sir  Julius  Wernher  Bart.     1905 

Sir  Edgar  Speyer  Bart.     1905 

J.  A.  Weiller    1905 

Karl  Schaub    1905 

W.  de  Neufville    1905 

Arthur  Sondheimer    1905 

Dr.  med.  E.  Kirberger    1906 

Dr.  jur.  W.  Schöller    1906 

Beued.  M.  Goldschmidt    1906 

A.  Wittekind    1906 

Alexander  Hauck    1906 

Dr.  med.  J.  Gutteuplan     1906 

Gustav  SteUwag     1907 

Christian  Knauer     1907 

Jean  Joh.  Val.  Andreae    1907 

Hans  Bode    1907 


16 


Karl  von  Metzler    1907 

Moritz  Ad.  Ellissen     1907 

Adolf  vou  Grunelius    1907 

Conrad  Binding    1908 

Line.  M.  Oppenlieiiner    1908 

W.  Seefried     1908 

Ch.  L.  Hallgarten     1908 

Gustav  Schiller    1908 

Rosette  Merton     1908 

Carl  E.  Klotz     1908 

Julius  von  Arand     1908 

Georg  Frhr.  v.  Holzliausen    1908 

Dr.  med.  J.  H.  Bockenlieimer     1908 

J.  Creizenach     1908 

*A.  H.  Wendt     1908 

Paul  Reiss  ,  1909 

Hermann  Kahn     1909 


Henry  Selignian     1909 
Wilhelm  Jacob  Rohmer     1909 
Deutsche  Gold-  und  Silber-Scheidc- 

Anstalt    1909 
Heinrich  Lotichius    1909 
Frau  Marie  Meister     1909 
Dr.  med.  Heinrich  Hoffmann     1909 
Dr.  med.  Karl  Kaufmann     1909 
Fritz  Hauck     1909 
Kom.-Rat  Eduard  Oeliler     1909 
Sara  Bender     1909 
August  Bender    1909 
Eugene  Hoerle     1909 
Theodor  Alexander     1909 
Leopold  Sonnemann     1909 
Moritz  Ferd.  Hauck     1909 


II.    Beitragende  Mitglieder. 

(Die  arbeitenden  Mitglieder  sind  mit  *  bezeichnet.) 


Abraham,  Siegmund,  Dr.  med.    1904 

Abt,  Jean     1908 

Adam,  W.,  Zollinspektor     1909 

Adelsberger,  Paul  S.  1908 

Adler,  Arthur,  Dr.  jur.     1905 

Adler,  Franz,  Dr.  phil.     1904 

Albert,  August     1905 

Albert,  K.,  Dr.  phil.,  Amöneburg    1909 

Albrecht,  Julius,  Dr.     1904 

Alexander,  Franz,  Dr.  med.     1904 

Almeroth,  Hans,  stud.  rer.  nat.     1905 

Alt,  Friedrich     1894 

*Alten,  Heinrich    1891     " 

♦Alzheimer,    A.,    Professor    Dr.  med., 

München     1896 
Amschel,  Frl.  Emy     1905 
Amson,  L.  S.,  Dr.  jur.    1907 
Andre,  C.  A.     1904 
Andreae,  Albert    1891 
Andreae,  Frau  Alharda     1905 
Andreae,  Arthur     1882 


Andreae,  Heinrich  Ludwig     1904 
*Andreae,  Hermann.  Bankdir.      1873 
Andreae,  J.  M.     1891 
Andreae,  K.,   ßapallo     1906 
Andreae,  Richard     1891 
Andreae,  Richard  jr.  1908 
Andreae,  Rudolf     1878 
Andreae,  Viktor    1899 
*Andreae-v.  Grunelius,  Alhard    1899 
Andreae-Lemrae,  Frau  Elise     1891 
Andreas,  Gottfried    1908 
Andresen,  Job.  Karl,  Konsul    1906 
Antz,  Georg,  Zahnarzt    1908 
Apfel,  Eduard     1908 
Apolant,  Hugo,  Prof.  Dr.  med.    1903 
Armbrüster,  Gebr.     1905 
Askenasy,  Alexander     1891 
Auerbach,  L.,  San. -Rat  Dr.     1886 
Auerbach,  M.,  Amtsger.-Rat  Dr.    1905 
*Auerbach,  S.,  Dr.  med.     1895 
Auffarthsche  Buchhandlung     1874 


Anmerkung.  Es  wird  höflichst  gebeten,  Veränderungen  der  Woh- 
nung oder  des  Titels  u.  dergl.  dem  Bureau  der  Senckenbergischen  Natur- 
forschenden Gesellschaft,  Viktoria-Allee  7,  mitzuteilen. 


17     — 


Aumhammer,  Julius     1903 
Avellis,  Georg,  San. -Hat  Dr.    1904 
Bacher,  Karl     1904 
Baer,  Jos.  I^Ioritz,  Stadtrat    1873 
Baer,  I\Iax,  Generalkonsul     1897 
Baer,  M.  H.,  Justizrat  Dr.     1891 
Baer,  Simon  Leop.,      1860 
Baer,  Theodor,  Dr.  med.     1902 
Baerwald,  A.,  Dr.  med.     1901 
Baerwindt,  Franz,  San. -Rat  Dr.    1901 
Bangel,  Rudolf     1904 
V.  Bardeleben,  Fr.,  Generalmajor  z.  D. 

1900 
*Bardorff,  Karl,  San. -Rat  Dr.     1864 
Barndt,  Wilhelm     1902 
de  Bary,  August,  Dr.  med.     1903 
de  Bary,  J.,  Geh.  San.-Rat  Dr.    1866 
de  Bary,  i^arl  Friedrich     1891 
de  Bary-Jeanrenaud,  S.  H.     1891 
de  Bary- Osterrietb,  Job.  Heinr.     1909 
*Bastier,  Friedrich     1892 
Bauer,  Max     1906 
Bauer,  Moritz  Tob.     1908 
Bauer-Weber,  Friedrich     1907 
V.    Baumgarten,    A.,    Kaiserl.   Russ. 

Kanimerherr  u.  Generalkonsul, 

Wirkl.  Staatsrat,  Exzell.    1904 
Baumstark,    R.,    Dr.  med.,    Homburg 

V.  d.  H.     1907 
Baunach,  Robert     1900 
Baur,  Karl,  Dr.  med.     1904 
Bechhold,  J.  H.,  Dr.  phil.     1885 
Beck,  Karl,  Dr.  med.     1905 
Becker,  F.  Ph.,  Dr.  med.     1905 
Becker,  H.,  Prof.  Dr.  phil.     1903 
Beer,  Frau  Berta     1908 
Beer,  Emil     1908 
Beer,  Gustav,  stud.  med.     1908 
Behrends,  Robert,  Ingenieur     1896 
Behrends-Schmidt,  Karl,  Konsul    1896 
Behringer,  Gustav     1905 
*Beit,  Eduard,  Kommerzienrat     1897 
Benario,  Jacques,  Dr.  med.    1897 
Bender,  Gustav     1909 
Bender,  Otto,  Dr.  med.,  München    1908 
Berend,  Frau  Paula,  Dr.     1905 
Berg,  Alexander,  Dr.  jur.     1900 


*Berg,  Fritz,  Justizrat  Dr.     1897 

Berghaus,  W.,  Stabsarzt  Dr.    1907 

Berlizheimer,  Sigmund,  Dr.  med.  1904 

Bernus,  Louis     1909 

Berthold,  Frl.  Berta     1903 

Bessunger,   Karl     1909 

Besthorn,  Otto     1908 

v.  Bethmann,  Frhr.  S.  Moritz     1905 

Beyfuß,   Leo     1907 

Bibliothek,  Kgl.,  Berlin  1882 

Binding,  Gustav     1904 

Binding,  Karl     1897 

Binding,  Theodor     1908 

Bing,  Albert     1905 

Bingel,  Adolf,  Oberarzt  Dr.    1907 

Bischheim,   Bernhard     1907 

Bittel-Böhm,  Theodor     1905 

Bittelmann,  Karl     1887 

Blank,  Oskar     1909 

Bleibtreu,  Ludwig     1907 

Bleicher.  H.,  Stadtrat  Prof.  Dr.  1903 

*Blum,  Ferd.,  Prof.  Dr.  med.     1893 

Blum,  Frau  Lea     1903 

Blumenthal,  Adolf     1883 

*Bluraenthal,  E.,  San.-Rat  Dr.     1870 

Blümlein.  Viktor  B.     1909 

Bode,  H.,  Gerichtsassessor  Dr.     1908 

Bode,    Paul,    Dr.  phil.,    Direktor   der 

Klingeroberrealschule     1895 
Boeckh,  A.,  Generaloberarzt  Dr.    1906 
*Boettger,  Oskar,  Prof.  Dr.  phil.  1874 
Böhm,  Henry,  Dr.  med.     1904 
Böhme,  John     1904 
Boller,  Wilhelm,  Prof.  Dr.  phil.   1903 
V.  Boltog,  Hans     1908 
Bonn,  Sally     1891 
Bonn,  William  B.     1886 
Borchardt,  Heinrich     1904 
Borgnis,  Alfred  Franz     1891 
Borgnis,  Karl    1900 
Brach,  Frau  Natalie     1907 
Braun,  Franz,  Dr.  phil.     1904 
Braun,  Leonhard,  Dr.  phil.     1904 
Braun,  Wunibald,  Kom.-Rat     1903 
Braunfels,  0.,    Geb.  Kom.-Rat    1877 
Brechenmacher,  Franz     1906 
Breitenstein,  Walter,  Ingenieur    1908 

2 


18 


Brenilel,  Martin.  Prof.  Dr.  phil.   1908 

Brendel,  Wilhelm     1906 

Brentano-Brentano,  Josef     190ß 

Briel,  Heinrich     1906 

Brodnitz,  Siegfried,  Dr.  med.     1897 

Brönner,  Frau  Pauline     1909 

Brück,  Richard,  Rechtsanwalt    1906 

Brückmann,  Karl     190:5 

Brugger,  E.,  Generaloberarzt  Dr., 
Kassel    1904 

V.  Brüning,  G..  Dr.  phil..  General- 
direktor, Höchst     1903 

Bucher,  Franz     1906 

Bücheier,  Anton,  Dr.  med.     1897 

Budge,  Siegfried     1905 

Buecking,  Wilhelm     1908 

Bullnheimer,  Fritz,  Dr.  phil.     1904 

Burehard,  Karl,  Bergassessor     1908 

Burchard,  Kurt.  Prof.,  Dr.  jur.    1904 

Burgheim,  Gustav,  Justizrat  Dr.   1905 

V.  Büsing-Orville,  Frhr.  Adolf    1903 

Bütschly,  Wilhelm     1891 

Büttel,  Wilhelm     1878 

Cahen-Brach,  Eugen,  Dr.  med.    1897 

Cahn,  Albert     1905 

Cahn,  Heinrich     1878 

Cahn,  Paul     1903 

Cahn,  S.,  Konsul     1908 

Canne,  Frau  Anna     1905 

Canne,  Ernst,  Dr.  med.     1897 

Cante,  Cornelius     1906 

*Carl,  August,  San.-Rat  Dr.     1880 

Cassel,  B.  B.     1905 

Cassian,  Heinrich     1908 

Cayard,  Karl     1907 

Cayard,  Frau  Louise     1909 

V.  Chappuis ,  Hermann  ,  General  - 
leutnant  z.  D.,  Exzellenz  1904 

Christ,  Fritz     1905 

Cnyrim,  Adolf,  Dr.  jur.     1909 

Cnyrini,  Ernst     1904 

Cohen,  Eduard   1900 

Creizenach,  Ernst     1906    -^ 

Cullmann,  Rudolf     1905 

Cunze,  D.,  Dr.  phil.     1891 

Curti,  Theodor     1905 

Curtis,  F.,  Prof.  Dr.  phil.     1903 


Dambitsch,  Arthur     1907 

Dannehl,  P.,  Oberstabsarzt,  Dr.    1909 

Daube,  (i.  L.     1891 

Daube,  Kurt,  San.-Rat     1906 

Deckert,  Emil.  Prof.  Dr.  phil.    1907 

Degener-Böniiig,  Emil     1906 

Deguisne  K  ,  Prof.  Dr.  phil.     1908 

Delkeskamp,  Rudolf,  Dr.  phil.     1904 

Delliehausen,  Theodor     19U4 

Delosea,  S.  R.,  Dr.  med.     1878 

Demmer,  Theodor,  San.-Rat  Dr.  1897 

Deutsch,  Adolf,  Dr.  med.     1904 

Diener,  Richard     1905 

Diesterweg,  Moritz     1883 

Dietze,  Karl     1870 

Ditmar,  Karl  Theodor     1891 

Ditter,  Karl     1903 

Doctor,  Ferdinand     1892 

Dondorf,  Karl     1878 

Dondorf,  Otto     1905 

Donner,  Karl  Philipp     1873 

Dreves,  Erich,  Justizrat  Dr.     1903 

Drory,  William,  Direktor     1897 

Drory,  William,  Dr.  phil.     1904 

Drüner,  L.,  Stabsarzt  Dr.,  Trier   1904 

Du  Bois,  Georg,  Dr.  phil.     1906 

Duden,  P.,  Prof.  Dr.  phil..  Höchst  1906 

Duracke,  Paul     1909 

Duncan,  Frl.  Elisabeth     1909 

*  Dürer,  Martin     1904 

Ebeling,  Hugo,  Dr.  med.     1897 

Ebenau,  Fr.,  Dr.  med.    1899 

Eberstadt,  Albert     1906 

V.  Eckartsberg,  Emanuel,  Major  1908 

Eckert,  Frau  Marie     1906 

Eckhardt,  Karl,  Bankdirektor    1904 

*Edinger,  L.,  Prof.  Dr.  med.  1884 

Egan,  William     1891 

*Ehrlich,    P.,    Geh.    Ober- Med. -Rat 

Prof.  Dr.     1887 
Eichengrün,  Ernst     1908 
V.  Eichhorn,  Hermann,  Kommandieren- 
der General  d.  XVIII.  Armee- 
korps, Exzellenz     1905 
Eichmeyer,  Hermann.  Generaldirektor, 

Bensberg     1907 
Eierniann.  Arnold,  Dr.  med.     1897 


19 


*Ellinger.  Leo,  Kommerzienrat    1891 

Ellinger,  Philipp,  stud.  rer.  nat.  1907 

Ellinger,  Rudolf,  Dr.  jnr.    1907 

Embden,  Gustav,  Prof.  Dr.  med.    1907 

Emmerich,  Friedrich  H.     1907 

Emmerich,  Jakob    1907 

Emmerich,  Otto     1905 

Emlers,  M.  Otto     1891 

Engelhard,  Karl  Phil.     1873 

Engelhardt,  Otto,  Hofheim  i.  T.  1908 

Engert,  Heinrich,  1907 

Epstein,  Jak.  Herm.     1906 

Epstein,  Jos.,  Prof.  Dr.  phil.     1890 

Epstein,  Wilhelm,  Dr.  phil.    1907 

Eschelbach,  Jean     1904 

Ettlinger,  Albert,  Dr.  med.     1904 

Euler,  Rudolf,  Direktor    1904 

Enrich,  Heinrich,  Dr.  phil.     1909 

Ewald,  W.,  Privatdozent  Dr.  med.  1907 

Eyssen,  Remigius  Alex.     1882 

v.Fabricius,  Ph.,  Geh.  San.-Rat  Dr.  1907 

Fade,  Louis,  Direktor     1906 

Fay,  0.  F.     1904 

Feis,  Oswald,  Dr.  med.     1903 

Feist,  Fr.,  Prof.  Dr.  phil.,  Kiel    1887 

Feist,  Louis     1906 

Fellner,  Johann  Christian     1905 

Fellner,  Otto,  Dr.  jur.     1903 

Fester,  August,  Bankdirektor     1897 

♦Fischer,  Bernh.,  Prof.  Dr.  med.    1908 

Fischer,  Karl     1902 

Fischer,  Ludwig     1902 

Flaecher,  F.,  Dr.  phil.,  Höchst     1908 

Fleck,  Otto,  Oberförster     1903 

Fleisch,  Karl     1891 

Flersheim,  Albert     1891 

Flersheim,  Martin    1898 

Flersheim,  Robert     1872 

Flesch,  Karl,  Stadtrat  Dr.  jur.    1907 

*Flesch,  Max,  Prof.  Dr.  med.    1889 

Flinsch,  Heinrich,  Stadtrat     1866 

Flinsch,  W.,  Kommerzienrat    1869 

Flörsheim,  Gustav     1904 

V.  Flotow,  Frhr.  Theodor,     1907 

Flügel,  Josef,  Limburg     1907 

de  la  Fontaine,  Ernst,  Reg.-Rat  1907 

Forchheimer,  Arthur    1908 


Forchheimer,  Frau  Jenny     1903 
Forst,  Karl,  Dr.  phil.     1905 
*Franck,  Ernst,  Direktor    1899 
Frank,  Franz,  Dr.  phil.    1906 
Frank,  Heinrich,  Apotheker     1891 
Fresenius,   A.,    San.-Rat  Dr.,   Jugen- 

heim     1893 
Fresenius,  Eduard,  Dr.  phil.   1906 
Fresenius,  Philipp,  Dr.  phil.     1873 
*Freund,  Mart.,  Prof.  Dr.  phil.    1896 
Freyeisen,  Willy     1900 
*Fridberg,   R.,  San.-Rat    Dr.     1873 
Fries,  Heinrich     1905 
Fries  Sohn,  J.  S.    1889 
Fries,  Wilhelm,  Dr.  phil.     1907 
Fries-Dondorf,  Jakob    1906 
Fritzmann,  Ernst,  Dr.  phil.    1905 
Frohmann,  Herbert     1905 
Fromberg,  Leopold     1904 
Fuld.  Adolf,  Dr.  jur.     1907 
Fulda,  Heinrich,  Dr.  med.    1907 
Fulda,  Karl  Herm.     1877 
Fulda,  Paul     1897 
Fünfgeld,  Ernst     1909 
*Gäbler,  Bruno,  Landger.- Direkt.  1900 
Gans,  Adolf     1897 
Gans,  Fritz     1891 

Gans,  L.,  Geh.  Kom.-Rat  Dr.  phil.  1891 
Gans,  Ludwig,  W.     1907 
Gaurn,  Fritz  1905 
Geelvink,  P.,   Dr.  med.     1908 
Geiger,  B.,  Justizrat  Dr.     1878 
Geisow,  Hans,  Dr.  phil.     1904 
Geist,  George,  Dr.  med.  dent.    1905 
V.  Geldern,   Frau    Gräfin    Friederica, 

Dr.  med. .   1904 
*Gerlach,  Karl,  Dr.  med.     1869 
Gerlach,  Karl     1903 
Gerth,  H.,  Dr.  phil.     1905 
Getz,  Moritz     1904 
Gillhausen,  Karl     1905 
Gins,  Karl    1906 

Glöckler,  Alexander,  Ingenieur    1909 
Glogau,  Emil  August     1904 
Gloger,  F.,  Dipl.-Ing.     1908 
Goering,  Viktor,  Direktor  des  Zoolog. 

Gartens     1898 

2* 


—     20     — 


V.  Goldammer,  F.     1903 

Goldschmid,  J.  E.     1901 

Goldschmidt,  Edgar,  Dr.  med.     1908 

Goldschmidt,  Julius     1905 

Goldschmidt,  M.  S.     1905 

Goldschniidt,  R. ,  Prof.  Dr.  phil., 
München     1901 

V.  Goldschmidt  -  Rothschild  ,  Frhr. 
Max,  Generalkonsul     1891 

*v.  Goldschmidt-Rothschild,  R.     1907 

Goll,  Richard     1905 

Gombel,  Wilhelm     1904 

V.  Gordon,  R.,  Hauptmann  a.  D.  1908 

Gottschalk,  Joseph,  8an.-Rat  Dr.    1903 

Graebe,  Karl,  Prof.  Dr.  phil.     1907 

Grandhomme,  Fr.,  Dr.  med.     1903 

Graubner,  Karl,  Höchst     1905 

Greb,  Louis    1903 

Greef,  Ernst     1905 

Greif!,  Jakob,  Rektor     1880 

Grieser,  Ernst     1904 

Grimm,  Otto,  Geh.  Reg.-Rat  Bürger- 
meister   1907 

Grosch,  K.,  Dr.  med  ,  Offenbach  1904 

Grosse,  Gottfried     1907 

Groß,  Otto,  Dr.  med.    1909 

Großmann,  Emil,  Dr.  med.     1906 

Grüder,  Paul,  Referendar    1906 

V.  Grunelius,  Eduard     1869 

V.  Grunelius,  Max     1903 

Grünewald,  August,  Dr.  med.    1897 

Grüters,  August,  Prof.    1907 

*Gulde,  Johann,  Dr.  phil.     1898 

V.  Günderrode,  Frhr.  Waldemar    1905 

Günther,  Oskar    1907 

Günzburg,  Alfred,  Dr.  med.     1897 

Guttenplan,  Frau  Lily     1907 

Haack,  Karl  Philipp     1905 

Haag,  Ferdinand     1891 

Haas,  F.,  stud.  rer.  nat.,  Heidelberg 
1906 

Haas,  Ludwig,  Dr.    1906 

Häberlin,  E.  J.,  Justizrat  Dr.    1871 

Haeckel,  Georg,   Mil.-Int.-Rat    1907 

Haeffner,  Adolf,  Direktor     1904 

*Hagen,  B.,  Hofrat  Dr.  med.    1895 

Hagens,  K.,  Wirkl.  Geh.  Ober-Justiz- 


rat u.  Oberlandesgerichts-Prä- 

sident  Dr.,  Exzellenz    1900 
Hahn,  Julius    1906 
Hahn,  Otto,  Baurat    1908 
Hahn-Opiticius,  FrauM.,  Dr.  med.  1907 
Hahne,  A.,  Stadtschulrat,  Hanau  1908 
Hallgarten,  Fritz,  Dr.  phil.     1893 
Hamburger,   K.,    Geh.  Justizrat    Dr. 

1891 
Hamburger,     Frl.    Klara,    Dr.   phil., 

Heidelberg     1906 
Ilappel,  Fritz     1906 
Harbers,  Adolf,  Direktor     1903 
V.  Harling,  Oberförster,  Rod  a.  d.  Weil 

1906 
v.Harnier,  E.,  Geh.  Justizr.  Dr.    1866 
Hartmann,  Eugen,  Professor     1891 
Hartmann,  Johann  Georg     1905 
Hartmann,  Karl     1905 
Hartmann,    M.,    Geh.  8an.-Rat    Dr., 

Hanau     1908 
Hartmann-Bender,  Georg     1906 
Hartmann-Kempf,  Rob.,  Dr.  phil.   1906 
Haßlacher,  Franz    1905 
Hauck,  Georg     1898 
Hauck,  Max     1905 
*  Hauck,  Otto     1896 
Haurand,  A.,  Geh.  Kom.-Rat    1891 
Haus,  Rudolf,  Dr.  med.     1907 
Häuser,  Adolf,  Justizrat     1909 
Hausmann,  Franz,  Dr.  med.     1904 
Hausmann,  Friedrich,  Prof.     1907 
Hausmann,  Julius,  Dr.  phil.     1906 
Heerdt,  Rudolf,  Direktor     1906 
Heichelheim,  Sigmund,  Dr.  med.    1904 
Heicke,  Karl,  Stadtgartendirektor  1903 
Heilbrunn,  Ludwig,  Dr.  jur.    1906 
Heilmann,  Heinrich     1906 
Heinemann,  Frau  Adele    1909 
Heintzenberg,  Erwin,  Offenbach  1908 
Heinz,  Philipp    1907 
Heinz-Jung,  Frau  Emmy     1907 
Heister,  Ch.  L.    1898 
Hemnierich,  Wilh.,  Hauptmann    1907 
Henrich,  K.  F.,  Geh.  Kom.-Rat     1873 
Henrich,  Ludwig     1900 
Henrich,  Rudolf     1905 


—     21     — 


Heraus,  Heinrich,  Hanau    1889 

*Hergenliahn,  Eugen,  Dr.  med.     1897 

Hertzog,  Adolf,  Gerichtsassessor  1907 

Hertzog,  Frau  Anna    1908 

Hertzog,  Georg     1905 

flerxheimer,  Frau  Fanny     1900 

Herxheinier,  G.,  Prof.  Dr.  med  ,  Wies- 
baden   1901 

*Herxheimer,  Karl,  Prof.  Dr.  med.  1898 

Herz,  Alphonse  J.     1906 

Herz-Mills,  Ph.  Jak  ,  Direktor    1903 

Herzberg,  Karl,  Konsul  1897 

Herzog,  Ulrich,  Dr.  med.     1908 

Hesdörffer,  Julius,  Dr.  med.     1903 

Hesse,  Hermann    1900 

V.  Hessen,  Prinz  Friedrich  Karl, 
Hoheit     1907 

Hessenberg,  Walter     1908 

Heß,  Arnold,  Dr.  phil.,  Höchst    1908 

Heuer,  J'rl.  Anna,  Cronberg    1909 

Heuer,  Ferdinand    1909 

Heuer  &  Schoen     1891 

Heußenstamm,    Karl,    Bürgermeister 
a.  D.  Dr.  jur.     1891 

*v.  Heyden ,   Lukas,     Prof.  Dr.  phil., 
Major  a.  D.     1860 

V.  Heyder,  Georg     1891 

Hinkel,  August    1906 

Hirsch,  Ferdinand     1897 

Hirsch,  Frau  Lina     1907 

Hirsch,  Raphael,  Dr.  med.    1907 

Hirschberg,  Max,  San.-Rat  Dr.     1892 

Hirschfeld,  Albert     1909 

Hirschfeld,  Otto  H.     1897 

Hirschhorn,  Fritz     1905 

Hirschler,  Leopold     1903 

Hobrecht,  Frl.  Annemarie     1907 

Höchberg,  Otto     1877 

Hochschild,  Leo     1908 

Hochschild,  Philipp,  Dr.     1907 

Hochschild,  Salomon    1906 

Hochschild,  Zachary,  Kom.-Rat    1897 

Hock,  Fritz,  Architekt     1907 

Hoerle,  Fräulein  Cecile     1907 

Hoerle,  Julius    1907 

Hoff,  Alfred,  Konsul     1903 

Hoff  mann,  Paul     1908 


Hofmann,  Otto     1905 
Hohenemser,  Frau  Mathilde     1908 
Hohenemser,  Moritz  W.     1905 
Hohenemser,  Otto,  Dr.  med.     1904 
Hohenemser,    Robert,   Dr.  jur.    1905 
Höhne,  Fritz,  Oberarzt  Dr.     1908 
Hell,  Joseph  &  Co.     1905 
Holland,  Frau  Dora     1908 
Holz,  August     1909 
Holz,  Wilhelm    1907 
Holzmann,  Eduard     1905 
Homberger,  Ernst,  Dr.  med.     1904 
Homburger,  A.,  Dr.  med.,  Heidelberg 

1899 
Homburger,  Michael     1897 
Homm.  Nikolaus    1906 
Hopf,  Karl     1909 

Horkheimer,  Anton,  Sladtrata.D.  1906 
Horkheiraer,  Fritz     1892 
Horn,  Hans,     1906 
Horstmann,  Frau  Elise     1903 
Horstmann,  Georg     1897 
V.  Hoven,  Franz,  ßaurat     1897 
*Hübner,  Emil,  Dr.  med.     1895 
Huck,  August     1900 
Hupertz,    Eduard,    Oberstaatsanwalt, 

Geh.  Oberjustizrat  Dr.     1905 
Hüttenbach,  Frau  Lina     1909 
Jacobi-Borle,  Frau  Sophie     1909 
Jacquet,  Hermann     1891 
Jaffe,  Gustav  1905 
Jaffe,  Theophil,  San.-Rat  Dr.     1905 
Jaeger-Manskopf,  Fritz     1897 
Jäger,  Alfred,  Dr.  phil.     1903 
*Jassoy,  Augusr,  Dr.  phil.     1891 
Jassoy,  Frau  Ida     1908 
Jassoy,  Julius     1905 
Jassoy,  Ludwig  Wilhelm     1905 
Jay,  Frau  Sophie     1903 
Jelkmann,  Fr.,  Dr.  phil.     1893 
Jenisch,  C,  Dr.  phil,  Mainkur    1908 
Hlig,  Hans,  Direktor     1906 
Job,  Wolfgang,  Konsul    1907 
Jordan  -  de  Rouville,  Frau  L.  M.    1903 
Josephthal,  Karl     1908 
Istel,  Frau  Charlotte,  Paris     1908 
Jung,  Frau  Emilie     1907 


—     22 


Junge,  Bernhard    1907 
Jungmann,  Eduard     1897 
Junior.  Karl     1903 
Jureit,  J.  C.    1892 
Kahn,  Bernhard     1897 
Kahn,  Ernst,  Dr.  med.     1897 
Kahn,  Julius    19Ü6 
Kalb,  Moritz    1891 
Kalberiah,  Fritz,  Dr.  med.    1907 
*Kallmorgen,  Wilh.,  Dr.  med.    1897 
Käßbacher,  Max    1909 
Katzenellenbogen,  Albert,  Dr.  jur.  1905 
Katzenstein,  Edgar     1906 
Kauleu,  Ernst,  Amtsrichter     1908 
Kaj'ser,  Heinrich,  Dr.  med.     1903 
Kayser,  Karl     1906 
Kaysser,  Fritz     1899 
Kaysser,  Frau  Georgine     1909 
Keller,  Adolf     1878 
Keller,  Ernst,  Direktor  des  Lehrerin- 
nenseminars    1907 
Keller,  Otto  1885 
Kessler,  Hugo     1906 
Kilb,  Jean,  Skobeleff     1909 
Kindervatter,  Gottfried     1906 
*Kinkelin,  F.,   Prof.    Dr.  phil.      1873 
Kirchheim,  S.,  Stadtrat  Dr.  med.  1873 
Kissner,  Heinrich     1904 
Klein,  Walter,  Amtsgerichtsrat  1906 
Kleinschnitz,  Franz     1909 
Kleyer,  Heinr.,  Kommerzienrat  1903 
Kliewer,  Job.,  Gewerberat     1907 
Klimsch,  Eugen    1906 
Klinghardt,  Franz,  cand.  geol.    1908 
Klitscher,  F.  Aug.    1878 
Knauer,  Jean  Paul     1906 
Knickenberg,  Ernst,  Dr.  med.    1897 
^Knoblauch,  A.,  Prof.  Dr.  med.    1891 
Knoblauch,  Frau  Johanna    1908 
Knoblauch,  Paul,  Dr.  med.     1905 
Knodt,  Georg     1909 
Koch,  Karl     1902 
Koch,  Louis     1903 
Koch -V.  St.  George,  Frau  A  L.    1891 
Köhler,  Frl.  Emilie,  Hofheim  i.  T    1907 
Köhler,  Hermann,  Kom.-Rat     1891 
Kohn,  Julius,  Dr.  med.     1904 


Kohn,  Karl,  Direktor     1909 
Kohnstamm,  0.,  Dr.  med.,  Königstein 

1907 
KöUe,  Karl,  Stadtrat     1905 
Kömpel,  Eduard,  Dr.  med.     1897 
König,  Albert,  San.-Rat  Dr.    1905 
König.  Ernst,  Dr.  phil ,  Höchst  1908 
König,  Karl,  Dr.  med.     1904 
V.  Königswartcr,  Baron  H.,     1891 
Königswerther,  Heinrich     1906 
Könitzers  Buchhandlung     1893 
Könitzer,  Oskar     1906 
Künitzer-Jucho,  Frau  Lisa     1907 
Körner,  Erich,  Prof.    1907 
Köster,  E.  W.,  Direktor   1908 
Koßmann,  Alfred,  Bankdirektor  1897 
Koßmann,  Heinrich     1908 
Kotzenberg,  Karl,  Konsul     1903 
Kovvarzik,  Joseph     1898 
Kraemer-Wüst,  Julius     1908 
Kramer,  Frau  Emma     1908 
Kramer,  Robert,  Dr.  med.     1897 
Krekel,  E.,  Forstmeister,  Hofheim  i.  T. 

1904 
V.  Kremski,  Maximilian,  Major     1908 
Kreuscher,  Jakob     1880 
Kreuzberg,  August     1905 
Küchler,  Eduard     1886. 
Küchler,  Fr.  Karl     1900 
Kugler,  Adolf     1882 
Kuhlmann.  Ludwig     1905 
Kulimann,  Karl     1904 
Künkele,  H.     1903 
Kutz,  Arthur,  Dr.  med.     1904 
Labes,  Philipp,  Dr.  jur.,  Direktor  1905 
*Lachmann,  Beruh.,  San.-Rat  Dr.  1885 
Ladenburg,  August     1897 
Ladenburg,Ernst,  Kommerzienrat  1897 
Lampe,  Ed..  San.-Rat  Dr.     1897 
Lampe,  J.  D.  W.    1900 
Landauer,  Fredy     1905 
Landauer,  Max    1907 
Lapp,  Wilhelm,  Dr.  med.     1904 
*Laquer,  Leopold,  San.-Rat  Dr.    1897 
Lauch,  Jean     1909 
Laurenze,  Ad.,  Großkarben    1903 
Lauter,  W.,  Dr.  ing.  h.  c.     1908 


—     23     — 


Lauterbach,  Ludwig     19U3 

Lehmann,  Leo     1903 

Lehranstalt  für  Zollbeamte  d.  Provinz 

Hessen-Nassau,  Kgl.    1907 
Leisewitz,  Gilbert     1903 
Leitz,  Ernst     1908 
Lejeune,  Adolf,  Dr.  med.     1900 
Lejeune,  Alfred     1903 
Lejeune.  Ernst     1905 
V.  Leonhardi,  Frhr.  M.,    Großkarben 

1904 
*Lepsius,  B.,  Prof.  Dr.  phil.,  Berlin  1883 
Leser, W.,  Oberlandesger.-RatDr.  1907 
Leser,  E.,  Geh.  San.-Rat.  Prof.  Dr.  1908 
Leuchs-Mack,  Ferdinand     1905 
Levi,  Adolf     1907 
*Levy,  Max,  Prof.Dr.  phil,  1893 
*Libbertz,  A.,  Geh.  San.-Rat  Dr.    1897 
Liebmann,  Jakob,  Justizrat  Dr.  1897 
Liebmann,  Louis,  Dr.  phil.     1888 
Liermann,  Otto,  Dr.  phil.,  Direktor  des 

Wöhler-Realgymnasiums   1907 
Lilienfeld,  Sidney,  Dr.  med.    1907 
V.   Lindequist,    Oskar,   Generaloberst 

u.  Generaladjutant  Sr.  Majestät 

d.  Kaisers  u  Königs.  Exzellenz, 

Berlin    1900 
Lindheimer,  L.,  Justizrat  Dr.     1905 
Lindley,  William,  Baurat     1904 
Linke,  Franz,  Dr.  phil.     1909 
Lipstein,  Alfred,  Dr.  med.     1908 
Lismann,  Karl,  Dr.  phil.    1902 
Livingston,  Frau  Emma     1897 
Livingston,  Frl.  Rose     1903 
Loew,  Siegfried    1908 
Lorentz,  Guido,  Dr.  phil..  Höchst  1907 
*Loretz,  Wilh.,  San.-Rat   Dr.     1877 
Lotichius,  Alfred,  Dr.  jur.    1908 
Löwe,  Hermann    1908 
Löwenstein.  Simon    1907 
zu    Lövvenstein- Wertheim-Rosenberg, 

Prinz  Johannes,   Kleiaheubach 

1907 
Lucae,  Frl.  Emma     1908 
Lucius,  Frau  Maximiliane     1909 
Luraschi,  Frl.  Ernesta     190B 
Lüscher,  Karl     1905 


Lust,  Heinrich  Friedrich     1905 

Lußmann,  Konrad     1907 

Maier,  Herrn.  Heinr.,  Direktor    1900 

Maier-Livingston,  E.,  Dr.  med.    1909 

Majer,  Alexander     1889 

Manskopf,  Nicolas     1903 

Mappes,  Heinrich,  Generalkonsul  1905 

Marx,  Eduard    1907 

*Marx,  E.,   Stabsarzt  Prof.  Dr.    1900 

Marx,  Hermann,  Dr.  pbil.     1908 

Marx,  Josef     1907 

Marx,  Karl,  Dr.  med.     1897 

V.  Marx,  Heinrich,  Falkenhof     1908 

V.  Marx,  Frau  Mathilde     1897 

Matthes,  Alexander     1904 

Matti,  Alex.,  Stadtrat  Dr.  jur.     1878 

May.  Adam     1908 

May,  Franz  L.,  Dr.  phil.     1891 

May,    Hans  Robert     1909 

May,  Martin     1866 

May,  Martin,  jun.     1908 

May,  Robert     1891 

Mayer,  Frl.  J.,  Langenschwalbach 

1897 
Mayer,  Ludo,  (ieb.  Kom.-Rat     1903 
Mayer,  Martin,  Jnstizrat  Dr.     1908 
Mayer,  Norbert     1908 
V.  Mayer,  Freiherr  Adolf     1903 
V.  Mayer,  Eduard,     1891 
V.  Mayer,  Freiherr  Hugo     1897 
Mayer-Dinkel,  Leonhard     1906 
V.  Meister,   Herbert,    Dr.  phil.,    Sind- 

lingen     1900 
V.  Meister,  Wilhelm,    Reg. -Präsident 

Dr.  jur.,  Wiesbaden     1905 
Melber,  Friedrich,  Konsul     1903 
*Melber,  Walter     1901 
Meuges,  Joseph,  Buchschlag     1909 
Merton,  Alfred,  Direktor     1905 
Merton,    Eduard,   Rittnerthaus     1909 
*Merton,  Hugo,  Dr.  phil.,  Heidelberg 

1901 
Merton,  Walter,  Direktor    1906 
Merton,  W^ilhelm  Dr.  phil.  h.  c.     1878 
Mettenheimer,  Beruh.,  Dr.  jur.    1902 
*v.  Mettenheimer,  H.,  Dr.  med.  1898 
Metzger,  L.,  Dr.  med.    1901 


—     24     — 


Metzler,  Hugo     1892 

Meyer,  Otto     1907 

Meyer,  P.,  Ober-Re^.-Rat  Dr.  jur.  1903 

Meyer,  Richard,  Dr.  jur.     1909 

*v.  Meyer,  Edward,  Dr.  med.     1893 

Meyei-Petsch,  Eduard     1906 

Michels,  Eduard     1909 

Minjon,  Hermann     1907 

Minjon,  Frau  Sophie     1898 

Minoprio,  Heinrich     1907 

Minoprio,  Karl  Gg.    1869 

*Möbius,  M.,  Prof.  Dr.  phil.     1894 

Moessinger,  W.    1891 

Moricinski,(j.,  Oberstabsveterinär  1909 

Mosessohn,  Sally,  Dr.  phil.     1904 

Mouson,  August     1909 

Mouson,  Jacques     1891  ,^ 

Müller,  Adolf,  Isenburg     1907 

Müller,  Eduard     1909 

*Müller,  Karl,  Berginspektor     1903 

Müller,  Max,  Fabrikdirektor     1909 

Müller,  0.  Victor,  Dr.  med.    1907 

Müller,  Paul    1878 

Müller-Knatz,  Frau  Hedwig     1909 

Müller  Sohn,  A.     1891 

Mumm  V.  Schwarzenstein,  A.     1869 

Mumm  V.  Schwarzenstein,  Fr.    1905 

Nassauer,  Max,  Dr.  phil.     1905 

Nassauer,  Frau  Paula     1909 

Nathan,  S.     1891 

♦Naumann,  Edmund,  Dr.  phil.    1900 

Nebel,  August,  San  .-Rat  Dr.    1896 

Neher,  Ludwig,  Baurat     1900 

Neisser,  Frau  Emma     1901 

*Neisser,  Max,  Prof.  Dr.  med.      1900 

Nestle,  Hermann     1900 

Nestle,  Richard     1891 

Nestle,  Wilhelm     1903 

Neubauer,  Josef,  Dr.  med.  vet.    1908 

Neuberger,  Julius,  Dr.  med.     1903 

Neubronner,   J.,    Dr.   phil.,    Cronberg 

1907 
Neubürger,  Otto,  Dr.  med.     1891 
Neubürger,  Th.,  Geh.San.-RatDr.  1860 
de  Neufville,  Eduard     1900 
*de  Neufville,  Robert,  Kom-.Rat  1891 
de  Neufville,  Rud.,  Dr.  phil.     1900 


v.  Neufville,  Adolf     1896 

V.  Neufville,  G.  Adolf     1896 

V.  Neufville,   Karl,     1900 

V.  Neufville,  Kurt     1905 

Neumann,  Paul,  Dr.  jur.     1905 

Neumann,  Theod.,    Dr.  phil.     1906 

Neustadt,  Adolf    1903 

Niederhofheim,  Heinr.A.,  Direktor  1891 

Nies,  L.  W.     1904 

v.  Obernberg,  Ad.,  Stadtrat  a.  D.  Dr. 

jur.    1870 
Obernzenner,  Julius     1905 
Ochs,  Hermann     1873 
Ochs,  Richard,  Direktor     1905 
Oehler,  Rudolf,  Dr.  med.     1900 
Oehmichen,  Hans,  Dipl.  Berging.  1906 
Oelsner,  Hermann,  Justizrat  Dr.    1906 
0hl,  Philipp    1906 

Oppenheim,  Eduard,  Bankdirekt.    1905 
Oppenheim,  Moritz     1887 
Oppenheim,  Paul,  Dr.  phil.     1907 
Oppenheimer,  Benny     1903 
Oppenheimer,  Joe,  Dr.  jur.     1905 
Oppenheimer,  Frau  Leontin    1909 
Oppenheimer,  0.,  Dr.  med.     1892 
Oppenheimer,  Oskar  F.     1905 
Opperaiann,  E.,  Dr.  phil..  Höchst  1907 
d'Orville,  Eduard     1905 
Osann,  Ernst,  Dr.  med.     1908 
Osann,  Fritz,  Oberstabsarzt  Dr.  1909 
Osterberg,  Frl.  D.,  Königstein     1908 
Osterrieth  -  du  Fay,  Robert     1897 
Ostreich,  Frau  Anna,  Utrecht    1901 
Oswalt,  H.,  Justizrat  Dr.     1873 
Pabst,  Ciotthard     1904 
Pachten,  Ferd.,  Dr.  jur.     1900 
Paehler,  Franz,  Dr.  phil.    1906 
V.  Panhuys,  Henry,  Generalkonsul  1907 
Parrisius,  Alfred,   Dr.   phil.     1904 
Passavant,  Philipp     1905 
Passavant,  Rudy     1905 
V.  Passavant,  G.  Herm.     1903 
V.  Passavant -Gontard,  R.,  Geh.  Kom- 

merzienrat     1891 
Peipers,  August     19Ü5 
Peters,  Hans     1904 
Petersen,  Ernst,  Dr.  med.     1903 


—     25     — 


♦Petersen,  Th.,  Prof.  Dr.  phil.  1873 
Pfaff,  Frau  Maria     1906 
Pfeffel,  August     1869 
Pfeiffer,  Ludwig     1901 
Pfeiffer-Belli,  C.W.     1903 
Pfungst,  Arthur,  Dr.  phil.     1900 
Philippsohn,  Frl.  Paula,  Dr.  lued.  1907 
Picard,  Lucien     1905 
Pinner,  Oskar.  San.-Rat  Dr.    1903 
Plieninger,  Th.,  Gen.-Üirektor     1897 
Pohle,  L  ,  Prof.  Dr.  phil.     1903 
Ponfick,  Wilhelm.  Dr.  med.     1905 
Popp,  Georg,  Dr.  phil.     1891 
Poppelbaum,  Hartwig.     1905 
Posen,  Eduard,   Dr.  phil.     1905 
Posen,  Sidney     1898 
*Priemel,  Kurr,  Dr.,  Direktor  des  Zoo- 
logischen Gartens     1907 
*Prior,  Paul,  Dipl.-Ing.    1902 
Propach,  Robert    1880 
Prösler,  J.  Wilhelm     1906 
Przyrembel,  Julius,  Direktor     1908 
Pust,  H ,    Oberstabsarzt    Dr.,    Offen- 
bach   1908 
Quincke,H.,Geh.Med.-RatProf.Dr.l90S 
Quincke,  H  ,  Oberlandesger. -Rat  1903 
Raab,  A.,  Dr.  phil.    1891 
Ransohoff,  Moritz,  San.-Rat  Dr.    1907 
Eatazzi,  Karl     1905 
Ravenstein,  Simon     1873 
Rawitscher,  Ludwig,  Landgerichtsrat 

Dr.     1904 
Reh,  Robert     1902 
*Rehn,  H.,  Geh.  San.-Rat  Dr.     1880 
Rehn,L.,  Geh.  San.-Rat  Prof.  Dr.  1893 
Reichard,  A.,  Dr.  phil.,  Helgoland  1901 
Reichard,  Frl.  E.     1907 
Reichard-d'Orville,  Georg     1905 
*Reichenbach,  H.,  Prof.  Dr.  phil.  1872 
V.  Reichenbach-Lessonitz,  Frau  Gräfin 
Amelie,   geb.    Freiin    Göler    v. 
Ravensburg     1903 
Reidenbach,  Friedr.   Wilh.     1908 
Rein,  Frl.  Ella     1908 
V.  Reinach,  Frau  Antonie     1905 
Reinartz,  Karl,  Dipl.-Ing.     1908 
Reinert,   Frau  Martha,     1909 


Reiss,  A.,  Gerichtsassessor  Dr.     1906 

Reiss,  Ed..  Dr.  med.,  München     1903 

Reiss,  Emil,  Dr.  med.    1907 

Reiss,  Frl.  Sophie     1907 

Rennau,  Otto     1901 

Reutlinger,  Jakob     1891 

Richter,  Johannes     1898 

Richter,  Rudolf,   Dr.  phil.     1908 

♦Richters,  F  ,  Prof.  Dr.  phil.  1877 

Riese,  Frau  Karl     1897 

Riese,  Otto,  Baurat     1900 

Riesser,  Eduard     1891 

Rintelen,  Franz,  Dr.  phil.,  Swakopmund 

1904 
Ritsert,    Eduard,  Dr.  phil.     1897 
Ritter,  Hermann,  Baurat     1903 
Roediger,   Frl.  Anna     1908 
*Roediger,  Ernst,  San.-Rat  Dr.     1888 
Roediger, "Paul,    Justizrat  Dr.     1891 
Roger,   Karl,  Bankdirektor     1897 
Böhmer,  AVilhelm     1901 
Rolfes,  Werner     1908 
Kollmann,  Ludwig     1906 
Ronnefeld.  Adolf     1905 
Ronnefeld,  Friedrich     1905 
Roos,  Heinrich     1899 
Roos,  Israel,  Dr.  phil.     1905 
Roques,  Adolf.,  Dr  phil.     1900 
Roques-Mettenheimer,  Etienne    1897 
*Rörig,  Ad.,  Dr.  med.  b.c.,  Forstmeister 

a.  D.     1897 
Rose,  Christian     1905 
Rosenbaum,  E.,  San.-Rat  Dr.     1891 
Rosenbaum-Canne,  Frau  Marie    1907 
Rosenbusch.  Eduard     1907 
Rosengart,  Jos.,  Dr.  med.     1899 
Rosenhaupt,  Heinrich,  Dr.  med.    1907 
Rosenthal,   Rudolf,    Dr.  jur.,     1897 
Rößler,  Frl.  Charlotte    1907 
Rößler,  Friedrich,  Dr.  phil.    1900 
Rößler,  Heinrich,  Prof.  Dr.  phil.  1884 
Rößler,  Hektor     1878 
Roth,  Karl,  Medizinalrat  Dr.     1903 
Rother,  August     1903 
Röthig,    Paul,    Dr.  med.,    Charlotten- 
burg    1908 
Rothschild,  D.,  Dr.  med.,  Soden  1904 


26     — 


Rothschild,  Otto,  Dr.  med.     1904 

Rover,   August     1909 

Rühle,  Karl     1908 

Riiland,  Karl,  Offenbach     1908 

Rumpf,  Gustav  Andreas,  Dr.  phil.  1905 

Ruppel,  Sigwart,  Prof.     1908 

Ruppel,   W.,    Prüf.  Dr.  phil.,   Höchst 

1903 
Sabarly,  Albert     1897 
Sachs,  Hans,  Prof.  Dr.  med.     1903 
Sachs-Hellmann,  Moritz     1909 
*Sack,  Pias,  Dr.  phil.     1901 
Salomon,    Bernhard,   Prof.     1900 
Saloschin,  P.,  Ingenieur     1909 
Sandhagen,  Wilhelm     1873 
Sarg,  Francis  C.  A.,  Konsul     1906 
♦Sattler,  Wilh.,  Stadtbauinsp.     1892 
Sauerländer,  Robert     1904 
*Schäffer- Stuckert,    Fritz,    Dr.  dent. 

surg.     1892 
Schaffnit,    Karl,   Dr.  phil.,    Rödelheim 

1903 
Scharff,  Charles  A.     1897 
Scharff,   Julius,   Bankdirektor     1900 
Schaub,  Alfred     1909 
*Schauf,  Wilh.,  Prof.  Dr.  phil.     1881 
Schaumann,  Gustav,  Stadtrat    1904 
Scheib,  Adam     1905 
Scheller,  Karl     1897 
Schepeler,  Hermann    1891 
Schepeler.  Remi     1909 
Scherenberg,  Fritz,    Polizei-Präsident 

1905 
Scherlenzkj-,  Karl  August     1905 
Scheuermann,  W.,  Geh.  Justizrat  1909 
Scheven,  Otto,  Dr.  med.    1907 
Schiechel,  Wax,  Dipl.-lng.     1909 
Schiermann -Steinbrenk,  Fritz     1903 
Schiff,  Ludwig     1905 
Schild,  Eduard  1904 
Schild,  Rudolf.  Dr.  med.     1903 
Schleich,  Wilhelm    1908 
Schlesinger,    Theodor  Heinrich     1907 
Schleußner,   Friedr.,   Direktor     1900 
Schleußner,  Karl,  Dr.  phil.     1898 
Schloßmacher,  Karl.  jiin.     1906 
Schlund,  Georg     1891 


Schmick ,    Rudolf,    Geb.  Oberbaurat, 

München     1900 
Schmidt,  Frau  Anna     1904 
Schmidt.  H.,  Kloppenheim     1908 
Schmidt,  J.  J.,    San. -Rat  Dr.    1907 
Schmidt- Benecke,  Eduard     1908 
Schmidt-de  Neufville,  Willy,  Dr.  med. 

1907 
Schmidt-Diehler,  W.     1908 
Schmidt-Polex,  Anton     1897 
*Schmidt-Polex,  Fritz,  Dr.  jur.     1884 
Schmidt-Polex,  K.,  Justizrat  Dr.  1897 
Schraiedicke  ,    Otto  ,    Generalarzt  Dr. 

1906 
Schmitt,  H.,  Dr.  med.,  Arheiligen  1904 
Schmitz,  Ernst.  Dr.  med.     1908 
Schmölder,  P.  A.     1873 
*Schnaudigel,  Otto,  Dr.  med.     1900 
Schneider,  Gustav  M.     1906 
Scholl.  Franz,  Dr.  phil..  Höchst  1908 
Scholz,  Bernhard,  Dr.  med.     1904 
Schott,  Alfred,  Direktor     1897 
Schott,  Sigmund     1906 
Schott,  Theod.,  Prof.  Dr.  med.     1903 
Schrauth,  Heinrich     1908 
Schrey,  Max     1905 
Schuenemann,  Theodor     1908 
Schüler,  Max    1908 
Schulz,  Karl     1905 
Schulz-Euler,  Karl  Fr.     1906 
Schulze-Hein,  Hans   1891 
Schumacher,  Peter,  Dr.  i)hil.     1905 
Schuster,  Bernhard     1891 
Schuster,  Bernhard,  Dr.  meil.     1908 
Schuster,  Paul,  Dr.  med.     1908 
Schuster-Rabl,  F.  W.     1905 
Schwarte,  Karl     1909 
Schwartze,  Erich.  Dr.  phil.     1907 
Schwarz,  Arthur     1909 
Schwarz.  Ernst,  stud,  jihil.     1908 
Schwarz,  Frau  Ernestine     1907 
Schwarz,  Georg  Ph.  A.     1878 
Schwarzschild,  Martin     1866 
Schwarzschild-Ochs,  David     1891 
Scriba,  Eugen,  Dr.  med.     1<S97 
Scriba.  L.,  Höchst     1890 
Seckel,  Hugo,  Dr.  jnr.     1909. 


—     27     — 


Seeger,  G.,  Architekt     1893 
Seeger,  Oskar     1904 
Seeger,  Willy     1904 
Seibert,    A.,    Amtsgerichtsrat,    Offen- 
bach 1909 
Seibert,    W.,   Hauptlehrer,    Offenbach 

1909 
Seidler,  August,  Hanau     1906 
*Seitz,  A.,  Prof.  Dr.  phil.,  Darmstadt 

1893 
Seitz,  Heinrich     1905 
Seligmann,    Milton,   Amtsrichter  Dr. 

1905 
Seligmann,  Rudolf     1908 
Sendler.    Alexander,    Dr.  phil.     1909 
Seufiert,  Theod.,    San.-ßat  Dr.     1900 
Sexauer,  Fritz,  Dr.  med.     1908 
Sichel,  Ignaz     1905 
Sidler,  Karl     1905 

*Siebert,  A.,  Gartenbaudirektor  1897 
Siebert,  Arthur,  Konsul     1900 
Siegel,  Ernst,  Dr.  med.    1900 
Siesmayer,  Philipp     1897 
Simon,  Friedrich,  Dr.  phil.  1908 
Simon,    Julius,    Geh.  Justizrat  Ober- 
landesgerichtsrat Dr.     1907 
Simonis,  Eduard     1907 
Simons,  Walter,  Major     1907 
Simrock,  Karl,  Dr.  med.     1907 
Singer,  Fritz,  Dr.  phil.,  Offenbach  1908 
Sioli,  Emil,  Prof.  Dr.  med.    1893 
Sippel,  Albert,    Prof.  Dr.  med.     1896 
Sittig,  Edmund,  Prof.     1900 
Solm,  Richard,  Dr.  med.     1903 
Sommer,  Julius.  Direktor     1906 
Sommerhoff,  Louis     1891 
Sommerlad,  Friedrich     1904 
♦Sondheim,  Frau  Maria     1907 
Sondheim,  Moritz     1897 
Spieß,  Gustav,  Prof.  Dr.  med.      1897 
Sporleder,  Oskar,  Buchschlag     1905 
Stavenhagen,  Julius    1909 
V.  Steiger,  Baron  Louis     1905 
V.    btein ,    Frau    Baronin    Karoline , 

Pröbstin     1909 
Stern,  Adolf     1906 
Stern,  Frau  Johanna     1901 


Stern,  Mayer     1905 
*Stern,  Paul,  Dr.  jur.     1905 
Stern,  Richard,  Dr.  med.     1893 
Stern,  Willy     1901 
Sternberg,  Paul     1905 
Stettheimer,   Eugen     1906 
Stiebel,  Karl  Friedrich     1903 
V.  Stiebel,  Frau  Hermine     1903 
Stock,  Wilhelm    1882 
Stoecker,  Georg     1909 
Stoeckicht,  Karl     1905 
Stolzenhayn,  Frl.  ^^largarethe    1907 
Straus,  F.,  Dr.  med.     1904 
Strauß,  Eduard,  Dr.  phil.     1906 
Strauß,  Ernst     1898 
Strauß,  J.,  Tierarzt,  Offenbach    1908 
Strauß-EUinger,  Frau  Emma     1908 
Stroof,  Ignatz,  Dr.  phil.     1903 
Strupp,    Louis,  Geh.  Kom.-Rat    1908 
Sturm,  August     1908 
Sturm,  Otto     1907 
Sulzbach,  Emil     1878 
Sulzbach,  Karl,  Dr.  jur.     1891 
SzamatOlski,  Dagobert     1905 
Tabbert,  Georg    1909 
Tecklenburg,  Wilhelm,  Assessor  1907 
*Teichmann,  Ernst,  Dr.  phil.    1903 
„Tellus",  Aktiengesellschaft  für  Berg- 
bau und  Hüttenindustrie    1907 
Textor,  Karl  W.     1908 
Thebesius,L.,  Gen.-Konsul  Dr.jur.  1900 
Theiß,  Wilhelm,  Reg.-Baumstr.     1907 
Thilenius,    Otto,    Geh.  San.-Rat  Dr., 

Soden  i.  T.    1907 
Thoma,  Phil.     1893 
Thoms,    Heinrich,    Dr.  phil.,    Kreis- 
tierarzt    1904 
Trauner,  August     1908 
Treupel,  Gustav,  Prof.  Dr.  med.    1903 
Trier,  Bernhard    1909 
Trier,  Frau  Berta     1908 
Trier,  Julius     1908 
Trommsdorff,  Wilhelm  1909 
Trost,  Fritz     1897 
Turk,  Frl.  Berta    1909 
Ulimann,  Albert     1905 
Ulimann,  Karl,  Dr.  phil.     1906 


—     28 


Ulrich,  Otto,  Direktor     1902 
Uth,  Franz,  Jastizrat  Dr.,  Hanau  1907 
Varrentrapp,  A.,  Geh.Reg.-Rat,  Bürger- 
meister a.  D.  Dr.  jur.    1900 
Velde,  August,  Prof.  Dr.     1908 
Velde,  Frl.  Julie,  Oberlehrerin     1902 
V.  d.  Velden,  Wilh.,  Bankdirektor  1901 
Vogler,   Karl,   Dr.   phil.     1903 
Vogt,  H.,  Prof.  Dr.  med.     1908 
*Vohsen,  Karl,   San.-Rat  Dr.     1886 
Voigt,  W.,  Prof.  Dr.  phil.,  Bonn  1908 
Vollmar,  Otto,  Baumeister     1907 
Vorster,  Karl     1907 
Vossen,   Fritz     1909 
Voß,  Otto,  Prof.  Dr.  med.,     1907 
Vowinckel.  Martin     1891 
Wachsmuth,  Hans,  Dr.  med.     1907 
V^achsmuth,  ß.,  Prof.  Dr.  phil.    1907 
Wagener,  Alex     1904 
Wagner,  Gottfried     1905 
*Wahl,  Gustav,  Dr.  phil.     1907 
Walthard,  Max,  Prof.  Dr.  med.    1908 
V.  Wartensleben,  Frau  Gräfin  Gabriele, 

Dr.  phil.     1902 
Weber,  Eduard,  Direktor     1907 
W^eber,  Heinrich,  Dr.  med.     1897 
Weidmann,   Hans,     1905 
Weiller,  Emil     1906 
Weiller,  Jakob  H.     1891 
Weiller,  Lionel     1905 
*v.  Weinberg,  Arthur.  Dr.  phil.     1897 
V.  Weinberg,  Karl,  Gen. -Konsul  1897 
Weinrich,  Philipp  1908 
Weinschenk,  Alfred     1903 
Weinsperger,  Friedrich     1906 
Weintraud,  W.,  Prof.  Dr.  med.,  Wies- 
baden    1909 
nVeis,  Albrecht     1882 
Weis,  Julius,   Montigny     1897 
Weisbrod,  Aug.,  Druckerei    1891 
Weismann,  Daniel     1902 
Weismantel,  0.,  Prof.  Dr.  phil.    1892 


Weller,  Albert,  Dr.  phil.     1891 
Wendt,  Bruno,  Dr.  jur.,     1909 
Wernecke,  Paul,  Baurat     1908 
Werner,  Felix     1902 
Wertheim,  Julius     1909 
Wertheim,  Karl,  Justizrat     1904 
Wertheim,  Max     1907 
Wertheimber,  Julius     1891 
Wertheimber  -  de  Bary,  Ernst     1897 
Wertheimer,  Otto,  Dr.  phil.     1905 
Wetzel,  Heinrich,   Bensheim     1864 
Wetzlar-Fries,  Emil     1903 
Wiederhold,  Kurt,  Dr.  phil.,  Mainkur 

1904 
Wiesbader,  Julius     1906 
*v.  Wild,  Rudolf,  Dr.  med.    1896 
Wilhelmi,  Adolf     1905 
Wilhelm! -Winkel,  Gustav     1907 
Willemer,  Karl,  Dr.  med.     1905 
Winkler,  Hermann,  Direktor     1909 
Winter,   Frau  Gertrud     1908 
*Winter,  Friedrich  W.    1900 
Winterhalter,  Frl.  E.,  Dr.  med.    1903 
Winterwerb,  Rud.,  Dr.  jur.,    1900 
Witebsky,  Michael,  Dr.  med.     1907 
Wittich,  E.,  Dr.  phil,  Darmstadt  1898 
Wirth,  Richard,  Dr.     1905 
Wolff,  Ludwig,  Dr.  med.     1904 
Wolfskehl ,     Ed. ,     Reg.  -  Baumeister, 

Darmstadt  1907. 
Wollstätter  jun.,  Karl     1907 
Wormser,  S.  H.,  Bankdirektor  1905 
Wronker,  Hermann     1905 
Wurmbach,  Julius     1905 
Wurmbach,  P.,  Landgerichtsrat    1908 
Wüst,  Geoig     1908 
Wüst,  Hermann     1908 
Zeiß-Bender,  Louis,  Konsul     1907 
Zeltmann,  Theodor    1899 
Zerban,  Eugen     1908 
Ziegler,  Karl     1905 
Zimmer,  J.  Wilh..  Stadtrat     1907 


—     29     — 

III.  Aiißerordeutliche  Elireuniitglieder. 

1900  Wallot,  Paul,  Prof.,  Dr.  phil.  h.  c,  Geh.  Hof-  und  Baurat  in  Dresden 

1907  Adickes,  Franz,  Dr.  med.  et  jiir.  h.  c,  Oberbürgermeister  in  Frankfurt  a.  M. 

1907  V.  Erlanger,  Freifrau  Karoline  in  Nieder-Ingelbeim 

1907  V.  (jrunelius,  Adolf  in  Frankfurt  a.  M. 

1907  V.  Metzler,  Albert,  Stadtrat  in  Frankfurt  a.  M. 

1907  Schiff,  Jakob  H.  in  New  York 

1908  Reiss,  L.  H.  in  Frankfurt  a.  M. 

1908     Ziehen,  Julius,  Dr.  phil.,  Stadtrat  in  Frankfurt  a.  M. 

IV.  Korrespondierendes  Ehrenmitglied. 

1866     Rein,  J.  J.,  Dr.  phil..  Geh.  Regierungsrat,  Professor  der  Geographie  an 
der  Universität  Bonn 

y.    Korrespondierende  Mitglieder. 

1850  Scheidel,  Sebastian  Alexander  in  Bad  Weilbach 

1860  AVeinland,  Christ.  Dav.  Friedr  ,   Dr.  phil.  in  Hohen-Wittlingen  bei  Urach 

1860  Weismann,   August,    Dr.  phil,  Wirkl.  Geh.  Rat,    Exzellenz,   Prof.    der 
Zoologie  und  Direktor  des  zool.  Instituts  der  Universität  Freiburg  i.  B. 

1862  Steffan,  Phil.,  Dr.  med.  in  Marburg 

1862  Deichler,  J.  Christ.,  Dr.  med.  in  Jugenheim 

1868  Hornstein,  F.,  Dr.  phil.,  Prof.  in  Kassel 

1872  Westerlund,  Karl  Agardh,  Dr.  phil.  in  Ronnebj",  Schweden 

1872  Hooker,  Sir  Jos.  Dalton,  Dr.,  früher  Direktor  des  botanischen  Gartens 

in  Kew  bei  London 

1873  Günther,  Albert,  Dr.,  früher  Keeper  of  the  Department  of  Zoology  am 

British  Museum  (N.  H.)  in  London 
1873     Sclater,  Phil.  Lutley,  Secretary  of  the  Zoological  Society  in  London 
1873     Schwendener,  Simon,  Dr.,  Geh.  Reg.-Rat,  Prof,  der  Botanik  und  Direktor 

des  bot.  Instituts  der  Universität  Berlin 
1873     Fries,  Th.,  Dr.  Prof.  in  Upsala 

1873  Schweinfurth,  Georg,  Prof.,  Dr.  in  Berlin 

1874  Gasser,  Emil,  Dr.  med..  Geh.  Med. -Rat,  Prof.  der  Anatomie  und  Direk- 

tor des  anat.  Instituts  der  Universität  Marburg 

1875  Bütschli,  Johann  Adam  Otto,  Dr.  phil..  Geh.  Hofrat,  Prof.  der  Zoologie 

und  Direktor  des  zool.  Instituts  der  Universität  Heidelberg 

1876  Liversidge,  Archibald,    Dr.,   Prof.  der  Chemie   und  Mineralogie  an  der 

Universität  Sidney 
1876     Meyer,  Adolf  Bernhard,  Dr.  med..  Geh.  Hofrat  in  Berlin 
1876     Wetterhan,  J.  D.  in  Freiburg  i.  Br. 
1878     Chun,  Karl,  Dr.,  Geh.  Rat,  Prof.  der  Zoologie  und   Direktor  des  zool. 

Instituts  der  Universität  Leipzig 

Anmerkung.  Es  wird  höflichst  gebeten ,  Veränderungen  des  Wohn- 
ortes oder  des  Titels  u.  dergl.  dem  Bureau  der  Senckenbergischen  Naturfor- 
schenden Gesellschaft,  Viktoria-Allee  7,  mitzuteilen. 


-     30     — 

1880  Jickeli,  Karl,  Dr.  phil.  in  Hermannstadt 

1881  Snellen,  P.  C.  F.  in  Rotterdam 

1882  Retowski,    Otto,  Staatsrat,  Konservator  an  der  Kaiserl.  Eremitage  in 

St. -Petersburg 
1882     Retzius,  lilagnus  Gustav,  Dr.  med.,  Prof.  emer.  in  Stockholm 

1882  Russ,  Ludwig,  Dr.  in  Jassy 

1883  Koch,  Robert,  Prof.,  Dr.  med.,  Wirkl.  Geh.  Rat,  Generalarzt  I.  Kl.  ä  la  suite 

des  Sanitätskorps,  O.Mitglied  des  K.  Gesundheitsamts,  Exzellenz  in  Berlin 
1883  Loretz,  Mart.  Friedr.  Heinr.  Herm.,  Dr.  phil..  Geh.  Bergrat  in  Berlin 
1883     Ranke,    Johannes,    Dr..    Prof.   der    Anthropologie    an    der    Universität 

München,  Generalsekretär  der  Deutschen  anthropol.  Gesellschaft 
1883     Jung,  Karl,  Kaufmann  in  Frankfurt  a.  M. 

1883  Boulenger,  George  Albert,  F.  R.  S..  I.  Class  Assistant  am  British  Museum 

(N.  H.),  Department  of  Zoology,  in  London 

1884  Lortet,    Louis,   Dr.,    Prufesseur   de   Parasitologie   et    de  Microbiologie 

ä   la   Faculte   de  Medecine  in  Lyon 

1884     Prinz  Ludwig  Ferdinand  von  Bayern,  Kgl.  Hoheit,  Dr.  med.  in  Nymphenburg 

1884  V.  Koenen,  Adolf,  Dr.,  Geh.  Bergrat,  emer.  Prof.  der  Geologie  und  Paläonto- 
logie in  Göttingen 

1884     Knoblauch,  Ferdinand  in  Noumea,  Neukaledonien 

1886     V.  Bedriaga,  Jacques,  Dr.  in  Florenz 

1886  Koerner,  Otto,  Dr.  med.,  Prof.  der  Ohrenheilkunde  an  der  Universität  Rostock 

1887  Schinz,   Hans,    Dr.  phil.,   Prof.  der  Botanik   und   Direktor   des    botan. 

Gartens  der  Universität  Zürich 
1887     Stratz,  C.  H.,  Dr.  med.  im  Haag,  Holland 
1887     Breuer,  H.,  Dr.,  Prof..  Direktor  des  Realgymnasiums  in  Wiesbaden 

1887  Hesse,  Paul,  Kaufmann  in  Venedig 

1888  V.  Kimakowicz,  Mauritius,  Kustos  der  zool.  Abteilung  des  Museums  des 

Siebenbürgischen  Vereins  für  Naturw.  in  Hermannstadt 
1888     Rzehak,   Anton,   Prof.  der  Paläontologie   und   Geologie    an    der    tech- 
nischen Hochschule  in  Brunn 

1888  Reuss,  Johann  Leonhard,  Kaufmann  in  Kalkutta 

1889  Roux,  Wilhelm,  Dr.  med..  Geh.  Medizinalrat,   Prof.  der  Anatomie  und 

Direktor  des  anat.  Instituts  der  Universität  Halle  a.  S. 

1890  V.  Berlepsch,  Graf  Hans  auf  Schloß  Berlepsch,  Hessen-Nassau 

1890  Fritsch,  Anton  Johann,  Dr.,  Prof.  der  Zoologie  und  Kustos  der  zool. 
und  paläont.  Abteilung  des  Museums  der  Universität  Prag 

1890  Haacke,  Joh.  Wilh.,  Dr.  phil.,  Oberlehrer  in  Lingen  am  Emskanal 

1891  Engelhardt,  Hermann,  Hofrat,  emer.  Prof.  in  Dresden 

1891  Fischer,  Emil,  Dr.  phil..  Geh.  Regierungsrat,  Prof.  der  Chemie  und 
Direktor  des  chemischen  Instituts  der  Universität  Berlin 

1891  Hartert,  Ernst,  Dr.  phil..  Curator  in  charge  of  the  Zoological  Museum 
in  Tring,  Herts. 

1891  Strubell,   Adolf,    Prof.,    Dr.   phil.,    Privatdozent    der   Zoologie    an    der 

Universität  Bonn 

1892  Beccari,  Eduard,  Prof.  emer.  m  Florenz 

1892     van  Beneden,  Eduard,  Dr.,  Prof.  der  Zoologie  an  der  Universität  Lüttich 


—     31     — 

181)2     Engler,  Heinrich  Gustav  Adolf,  Dr.,  Geh.  Eeg.-K.at,  Professor  der  Botanik 

und  Direktor  des  bot.  Gartens  und  des  bot.Museums  der  Universität  Berlin 
1892     Haeckel,  Ernst,  Prüf.  Dr.,  Wirkl.  Geh.  Rat,  Exzellenz,  in  Jena 
1892     Nansen,  Fridtjof,  Dr.,  Prof.  der  Ozeanographie  in  Christiania 
1892     Schulze,  Franz  Eilhard,  Dr..  Geh.  Reg. -Rat,  Professor  der  Zoologie  und 

Direktor  des  zoologischen  Instituts  der  Universität  Berlin 
1892     Straßburger,  Eduard.  Dr.  phil.  Geh.  Reg. -Rat,   Prof.  der  Botanik  und 

Direktor  des  bot.  Gartens  der  Universität  Bonn 
1892     Sueß,    Eduard,    Dr.,  Prof.  der  Geologie  und  Direktor  des  geologischen 

Museums  der  Universität  Wien 
1892     Waldeyer,  Heinrich  Wilhelm  Gottfried,  Dr ,  Geh.  Med.-Rat,    Prof.  der 

Anatomie  und  Direktor  des  anat.  Instituts  der  Universität  Berlin 
1892     Fleischmann,  Karl,  Konsul,  Kaufmann  in  Guatemala 
1892     Bail,   Karl    Adolf   Emmo    Theodor,    Prof,    Dr..    Gymnasial  -  Oberlehrer 

a.  D.  in  Danzig 

1892  Conwentz,  Hugo  Wilhelm,  Prof.,  Dr.,  Direktor  des  westpreuss.  Provinzial- 

Museums,  staatlicher  Kommissar  für  Naturdenkmalpflege  in  Danzig 

1893  Verworn,  Max,  Dr.  med.,  Prof.  der  Physiologie  und  Direktor  des  physiol. 

Instituts  der  Universität  Göttingen 
1893     Koenig,  Alexander  Ferd.,    Prof.,    Dr.   phil.,  Privatdozent   der   Zoologie 
an  der  Universität  Bonn 

1893  Liermann,  Wilh.,  Prof.  Dr.  med.,  Leibarzt  Seiner  Hoheit  des  Herzogs 

von  Anhalt,  Direktor  des  Kreiskrankenhauses  in  Dessau 

1894  Urich,   F.  W.,   Secretary   of   the   Trinidad   Field   Naturalists'   Club   in 

Port  of  Spain,  Trinidad 

1894  Douglas,  James,  President  of  the  Copper  Queen  Company  ,,  Arizona"  in 
New  York 

1894  Pagenstecher,  Arnold,  Dr.  med.,  Geh.  San. -Rat,  Inspektor  des  natur- 
historischen Museums  in  Wiesbaden 

1894     Dreyer,  Ludwig,  Dr.  phil.  in  AViesbaden 

1894  Dyckerhoff,  Rudolf,  Dr.  ing.,  Fabrikbesitzer  in  Biebrich  a.  Rh. 

1895  Kraepelin,    Karl   Mathias    Friedrich,    Prof.,   Dr.,    Direktor    des    natur- 

historischen Museums  in  Hamburg 
1895     ßolau,   Heinrich,    Dr.,   früher  Direktor  des    zool.  Gartens   in  Hamburg 
1895     Kükenthal,  Willy,  Dr.  phil,  Prof.  der  Zoologie  und  Direktor  des  zool. 

Instituts   und    Museums  der  Universität  Breslau 
1895     V.  Behring,   Emil,    Dr.   med.,   Wirkl.    Geh.    Rat,    Exzellenz,    Prof.   der 

Hygiene  an  der  Universität  Marburg 

1895  Murray,   Sir  John,    Dr.  phil..    Director    of    the    Challenger   Expedition 

Publications  Office  in  Edinburgh 

1896  Scharff,  Robert,  Dr.  phil..  Keeper  of  the  Science  and  Art  Museum  in  Dublin 
1896     Bucking,    Hugo,    Dr.  phil.,   Prof,  der   Mineralogie    an   der   Universität 

Straßburg  i.  E. 

1896  Greim,  Georg,  Dr.  phil ,  Prof.  der  Geographie  an  der  technischen  Hoch- 
schule in  Darmstadt 

1896  Möller,  Alfred,  Dr.  phil ,  Prof.,  Oberforstmeister  und  Direktor  der  Forst- 
akademie Eberswalde 


-     32     — 

1896  Lepsius,  Richard,  Dr.  phil,  Geh.  Oberbergrat,  Prof.  der  Geologie  und 
Mineralogie  an  der  technischen  Hochschule  und  Direktor  der  geolo- 
gischen Landesanstalt  für  das  Großherzogtuni  Hessen  in  Darmstadt 

1896  V.  Mehely,  Lajos,  Prof.,  Kustos    des  Nationahnuseunis   in  Budapest 

1897  Verbeek,  Rogier  Diederik  Marius,  Dr.  phil.,  Ing.  im  Haag,  Holland 
1897     Voeltzkow,  Alfred,  Prof.,  Dr.  phil.  in  Berlin 

1897     Rüst,  David,  Dr.  med.  in  Hannover 

1897  Kaiser,   Heinr.,  Dr.,  Geh.  Reg.-Rat,   Prof.  an  der  tierärztlichen  Hoch- 
schule in  Hannover 

1898  V.  Ihering,  H.,  Prof.,  Dr.,  Direktor  des  Museums  in  Säo  Paulo 
1898     Forel,  A.,  Dr.  med.,  Prof.  in  Chigny  bei  Morges,  Kanton  Waadt 
1898     Sarasin,  Fritz,  Dr.  in  Basel 

1898     Sarasin,  Paul,  Dr.  in  Basel 

1898  Schmiedeknecht,  Otto,  Prof.,  Dr.  in  Blankenburg,  Thüringen 

1899  Kossei,    Albrecht,    Dr.  med..  Geh.  Hofrat,  Prof.    der   Physiologie    und 

Direktor  des  physiologischen  Instituts  der  Universität  Heidelberg 
1899     Stirling,  James,  Government  Geologist  of  "Victoria  in  Melbourne 
1899     Le  Souef,  Dudley,  Director  of  the  Acclimatisation  Society,  Royal  Park 

in  Melbourne 
1899     Martin,  Charles  James,  Dr.,  Director  of  the  Lister  Institute  of  Preventive 

Medicine  in  London 
1899     Strahl,  H.,   Dr.  med..  Geh.  Med.-Rat,  Prof.  der  Anatomie  und  Direktor 

des   anat.  Instituts  der  Universität  Gießen 
1899     Fischer,  Emil,  Dr.  med.  in  Zürich 
1899     Lenz,  H.,  Prof.,  Dr.  phil.,  Direktor  des  naturhistor.  Museums  in  Lübeck 

1899  Schenck,  H.,  Dr.  phil..  Geh.  Hofrat,  Prof.  der  Botanik  und  Direktor  des 

bot.  Gartens  in  Darmstadt 

1900  Dönitz,  Wilhelm,  Prof.,  Dr.  med.,  Geh.  Med.-Rat  in  Charlottenburg 
1900     Ludwig,  H.,  Dr.  phil..  Geh.  Reg.-Rat,  Prof.  der  Zoologie  und  Direktor 

des  zool.  Instituts  und  Museums  der  Universität  Bonn 

1900  Munk,  Herm. ,  Dr.  med.,  Prof.  der  Physiologie  an  der  Uni- 
versität Berlin 

1900     Fresenius,  Heinrich,  Dr.  phil.  Geh.  Regierungsrat,  Prof.  in  Wiesbaden 

1900     Zinndorf,  Jakob  in  Offenbach 

1900     Montelius,  Oskar,  Dr.,  Prof.  in  Stockholm 

1900  Becker,  Jorge,  Direktor  in  Valencia 

1901  Thilo,  Otto,  Dr.  med.  in  Riga 

1901  Nissl,  Franz,  Dr.  med.,  Prof.  der  Psychiatrie  und  Direktor  der  psychia- 
trischen Klinik  der  Universität  Heidelberg 

1901     v.  Wettstein,  Rieh.,  Dr.,  Prof.  der  Botanik  in  Wien 

1901  Steindachner ,  Franz,  Dr.  phil..  Geh.  Hofrat,  Intendant  des  K.  K. 
naturhist.  Hofmuseums  in  Wien 

1901  v.  Graff,  Ludw.,  Dr.,  Hofrat,  Prof.  der  Zoologie  und  Direktor  des 
zool.  Instituts  der  Universität  Graz 

1901     Döderlein,  Ludw.,  Dr.,  Prof.  d.  Zoologie  a.  d.  Universität  Straßburg 

1901     Simroth,  Heinr.,  Dr.,  Prof.  in  Leipzig 

1901     Schillings,  C.  G.,  Prof.  in  Berlin 


—     33     — 

1901  Lampert,  Kurt,  Prof.,  Dr.,  Oberstudienrat  und  Vorstand  des  Kgl  Natu- 
ralien-Kabinetts in  Stuttgart 

1901  Friese,  Heinrich,  Dr.  phil.  in  Schwerin 

1902  Treboul,  E.,   President  de  la  Societe   nationale   des  sciences  naturelles 

et  mathematiques  in  Cherbourg 

1902     Schneider,  Jakob  Sparre,  Direktor  des  Museums  in  Tronisö 

1902  Kaiser,  E.,  Dr.,  Ueh.  Reg.-Rat,  Prof.  der  Geologie  und  Paläontologie 
und    Direktor  des  geol.  Instituts  der  Universität  Marburg 

1902  Spengel,  J.  W.,  Dr.,  Geh.  Rat,  Prof.  der  Zoologie  und  Direktor  des 
zool.  Instituts  der  Universität  Gießen 

1902     Oredner,  Herrn.,  Dr.,  Prof.,  Geh.  ßergrat  in  Leipzig 

1902     Reis,  Otto  M..  Landesgeolog  in  München 

1902  Notzny,  Albert,  Bergwerksdirektor  und  Bergassessor  auf  Heinitzgrube 
in  Beuthen 

1902  Beyschlag,  Franz,  Prof.,  Dr  ,  Geh.  Bergrat,  Direktor  der  geol.  Landes- 
anstalt in  Berlin 

1902     Schmeisser,  K.,  Berghauptiiiann  und  Oberbergauits-Direktor  in  Breslau 

1902     de  Man,  J.  G.,  Dr.  in  lerseke,  Holland 

1902  Boveri,  Theod.,  Dr.,  Prof.  der  Zoologie  und  Direktor  des  zool.  Instituts 
der  Universität  Würzburg 

1902     Weidmann,  Karl,  Kgl.  Torfverwalter  in  Carolinenhorst,  Pommern 

1902     Oestreich,  Karl,  Dr.,  Professor  a.  d,  Universität  Utrecht 

1902  Preiss,  Paul,  Geometer  in  Ludwigshafen 

1903  Weber,  Max,  Dr.,  Prof.  der  Zoologie  und  Direktor  des  zool.  Instituts 

in  Amsterdam 
1903     Fürbringer,  Max,    Dr.,  Geh.  Hofrat,    Prof.  der  Anatomie  und  Direktor 

des  anatomischen  Instituts  der  Universität  Heidelberg 
1903     de  Vries,  Hugo,  Dr.,  Prof.  der  Botanik  in  Amsterdam 
1903     Schlosser,  Max,  Prof.  Dr., II.  Konservator  der  paläont.  Sammlungin  München 
1903     Klunzinger,  B.,  Dr.,  Prof.  emer.  in  Stuttgart 

1903  V.  Schröter,  Guido,  Konsul  des  deutschen  Reiches  in  San  Jose,  Costa-Rica 

1904  Vigener,  Anton,  Apotheker  in  Wiesbaden 

1904  Wolterstorff,  W.,  Dr.,  Kustos  des  naturhistor.  Museums  in  Magdeburg 

1904  du  Buysson,  Vicomte  Robert  in  Paris 

1904  Albert  Fürst  von  Monaco,  Durchlaucht  in  Monte  Carlo 

1904  Brauer,  August,  Prof.,  Dr.,  Direktor  des  Kgl.  zool.  Museuuis  in  Berlin 

1905  Hauthal,  Rudolf,  Prof.,  Dr.,  Direktor  des  Römermuseums  in  Hildesheim 
1905  Hagenbeck,  Karl  in  Stellingen  bei  Hamburg 

1905     V.  Linstow.  Otto.  Dr.  med.,  Generaloberarzt  a.  D.  in  Göttingen 
1905     Langley,  J.  N.,  Prof.,  Dr    in  Cambridge 
1905     Lob,  Jacques,  Prof.,  Dr.  in  Berkeley,  Calilornien 

1905  Haberlandt,  Gottlieb,  Dr.,  Prof.  der  Botanik  und  Direktor  des  bot. 
Gartens  der  Universität  Graz 

1905  Ehlers,  E.,   Dr.,    Geh.  Rat,    Prof.  der  Zoologie   und  Direktor   des  zool. 

Instituts  der  Universität  Göttingen 

1906  Witzel,   Louis,    Rittergutspächter   in   Comuna   Prundu   Judetul  Jefov, 

Rumänien 

3 


—     34     — 

1906  di  Monterosato,  Marchese  Tom.  All.  in  Palermo 

1906  Dewitz,  J.,  Dr.  in  Metz 

1907  Buchner,  E.,  Prof ,  Dr.  phil.  in  Berlin 
1907  Barrois,  Charles,  Dr.,  Prof,  in  Lille 

1907     Bumpns,    Hermon    C,  Dr.,    Prof.,    Direktor   des  Amercian  Museum    uf 

Natural  History  in  New  York 
1907     Fischer,  Gustav,  Dr.  phil.  et  med.,  Verlagsbuchhändler  in  Jena 
1907     V.  Groth,    Paul,    Dr.  phil.,    Geh.  Hofrat,   Prof.    der    Mineralogie    und 

Direktor  des  Mineralogischen  Instituts  der  Universität  München 
1907     Hertwig,  Oskar.  Dr.  med.,  Geh.  Med. -Rat,  Prof.  der  vergl.  Anatomie  und 

Direktor  des  anatomisch-biologischen  Instituts  der  Universität  Berlin 
1907     Hertwig,    Richard,     Dr.    phil.,    Geh.    Hofrat,    Prof.    der    Zoologie    und 

Direktor  des  zoologischen  Instituts  in  München 
1907     Lankester.    Sir  Edwin  Ray,  K.  C.  B.,  F.  R.  S.  in  London 
1907     Pfeffer,  Wilhelm,  Dr.  phil..  Geh.  Rat,  Prof.  der  Botanik  und  Direktor 

des  botanischen  Instituts  und  Gartens  der  Universität  Leipzig 
1907     Steinmann,    Gustav,   Dr.  phil.,    Geh.  Bergrat,    Prof.  der   Geologie   und 

Direktor  des  geologisch-paläontologischen  Instituts  der  Universität  Bonn 
1907     Treub,    Melchior,    Dr.  phil.,    Prof.,  Direktor   des   botanischen   Landes- 
instituts in  Buitenzorg 
1907     Wiesner,  Julius,  Dr.  phil..  Geh.  Hofrat,  Prof.  der  Botanik  und  Direktor 

des  ptlanzenphysiologischeu  Instituts  der  L'niversität  Wien 

1907  Zirkel,  Ferdinand,  Dr.  phil..  Geh.  Rat,  Prof.  der  Mineralogie  und  Direktor 

des  mineralogischen  Instituts  der  Universität  Leipzig 

1908  Sterzel,  J.  T.  Dr..  Prof.,  Direktor  des  Naturhistorischen  Museums  der 

Stadt  Chemnitz 
1908     Stromer-v.  Reichenbach,  E.,  Dr.,  Prof.,  Privatdozent  der  Geologie  und 

Paläontologie  an  der  Universität  München 
1908    Lucanus,  L.,  Sanitätsrat  Dr.  in  Hanau 
1908     Nies,  August,  Prof.  Dr.  phil.  in  Mainz 
1908     Schnitze,    Leonhard    Siegmund,    Dr.  phil.,   Prof.  d.  Geographie    an    der 

Universität  Jena 

1908  Klemm,  Gustav,  Dr.  phil.,  Prof.  der  Geologie,  Großh.  Hess.  Landesgeolog 

in  Darmstadt 

1909  Kammerer.  Paul,  Dr.  phil.,  Assistent  der  zoolog.  Abteilung  der  biolog. 

Versuchsanstalt  in  Wien, 
1909     Rayleigh,  The  right  Hon.  Lord,  P.C.,  0.  M..  Kanzler  der  Universität 

Cambridge,  Professor  der  Naturphilosophie  in  Witham,  Essex 
1909     Darwin,  Francis,  F.  R.  S.,  M.  A.  in  Cambridge. 
1909     Darwin,  Sir  Georg  Howard,   K.  C.  B.,    Professor  der  Astronomie  und 

experimentellen  Philosophie  in  Cambridge 
1909     V.  Gwinner,  Arthur,  Direktor  der  Deutschen  Bank  in  Berlin 
1909     Ahlborn,  Fr..  Prof.  Dr.  in  Hamburg 
1909     Usborn.  Henry  Fairlield,  L.  L.  D.,  Hon.  Sc.  D.  Cantab.,  Präsident  des 

American  Museum  of  Natural  History  in  New  York. 


—     35 


Rückblick  auf  das  Jahr  1909. 

Mittel  hingen  der  Yerwaltiing. 

Das  verflossene  Jahr  hat  der  Gesellscliaft  durch  den  am 
20,  März  1909  erfolgten  Tod  des  Direktors  des  Museums  Prof. 
Dr.  Fritz  Römer  einen  außerordentlich  schweren  Verlust 
gebracht.  Das  verdienstvolle  Wirken  des  Entschlafenen,  der 
seit  1.  November  1900  an  unserem  Museum  tätig  gewesen  ist, 
hat  der  II.  Direktor  Prof.  Marx')  bei  der  letzten  Jahresfeier 
zu  würdigen  versucht.  Römers  Bibliothek,  besonders  reich 
an  Sonderabdrücken  aus  den  G-ebieten  der  Zoologie,  vergleichen- 
den Anatomie  und  Entwickelungsgeschichte,  ist  von  seinen 
Freunden  erworben  und  in  dankenswerter  Weise  dem  Museum 
überwiesen  worden. 

Zum  Direktor  des  Museums  wurde  durch  Beschluß  der 
Verwaltung  vom  17.  September  1909  Prof.  Dr.  Otto  L.  zur 
Strassen,  seither  a.  o.  Professor  der  Zoologie  au  der  Uni- 
versität Leipzig  berufen  Er  hat  sein  Amt  am  1.  Januar  d.  Js. 
angetreten. 

Die  Zahl  der  beitragenden  Mitglieder,  die  zu  Anfang  des 
abgelaufenen  Jahres  1052  betrug,  ist  auf  1081  angestiegen; 
verstorben  sind  23,  ausgetreten  31,  in  die  Reihe  der  ewigen 
Mitglieder  übergetreten  3,  dagegen  neu  eingetreten  86  bei- 
tragende Mitglieder. 

Des  am  17.  April  verstorbenen  außerordentlichen  Ehren- 
mitgliedes Dr.  jur.  Wilhelm  Freiherr  von  Erlang  er  in 
Nieder-Ingelheim  und  des  am  30.  Mai  verstorbenen  arbeitenden 
Mitgliedes,   des   Geheimen  Kommerzienrates  Eduard   Oehler 


')  jFritz  K  ö  m  e  r ,  sein  Leben  und  sein  Wirken"  (mit  Porträt) 
4Ü.  Bericht  der  Senckenbergischen  Naturfurschenden  Gesellschaft.  S.  9' 
Frankfurt  a.  M.     (Selbstverlag  der  Gesellschaft)   1909. 

3* 


—     36     — 

hat  bereits  der  letztjährige  Bericht  gedaclit,  ebenso  der  ver- 
storbenen korrespondierenden  Mitglieder  Geh.  Med. -Rat  Prof. 
Dr.  Th.  W.  Engel  man  u-Berlin,  Polizeirat  a.  D.  M.  Kuschel- 
Gnliran,  Wirkl.  Geh.  Adniiralitätsrat  Prof.  Dr.  G.  von  Neu- 
ni aye r- Neustadt  a.  H.,  Verleger  E.  Sp and el- Nürnberg  und 
Prof.  H.  G.  Seeley- London. 

Aus  der  Zahl  der  korrespondierenden  Mitglieder  wurden 
uns  ferner  durch  den  Tod  entrissen  am  26.  September  Geh. 
Reg. -Rat  Prof.  Dr.  Anton  D  o  h  r  n  ,  der  Begründer  und  Direktor 
der  Zoologischen  Station  in  Neapel  (korrespondierendes  Mitglied 
seit  1892)  und  am  22.  November  1909  Oberingenieur  Ludwig 
Becker- Wandsbek,  der  von  1878  bis  1885  unserer  Verwaltung 
als  arbeitendes  Mitglied  angehört  hat  und  bei  seinem  Wegzug 
von  Frankfurt  m  die  Reihe  der  korrespondierenden  Mitglieder 
übergetreten  war. 

Am  12.  Dezember  verstarb  unser  außerordentliches  Ehren- 
mitglied, der  frühere  preußische  Kultusminister,  Staatsminister 
Dr.  L.  Ho  lie -Berlin. 

Am  7.  Juli  1909  verschied  in  München  der  Kunstmaler 
Fritz  Hauck  (Mitglied  seit  1905).  Er  hat  durch  letztwillige 
Verfügung  der  Gesellschaft  ein  Kapital  von  M.  100000. —  ver- 
macht, mit  der  Bestimmung,  zwei  in  München  bezw.  in  Karlsruhe 
lebenden  Künstlern  eine  lebenslängliche  Rente  von  M.  2500. — 
auszuzahlen.  P'ritz  Hauck  war  am  13.  September  1852  zu 
Frankfurt  a.  M.  als  jüngster  Sohn  des  hiesigen  Bankiers  Georg 
Hauck,  eines  intimen  Freundes  unseres  Eduard  Rüppell, 
geboren.  Ursprünglich  für  das  Bankfach  bestimmt,  war  er 
mehrere  Jahre  im  Auslande  und  im  väterlichen  Geschäfte  tätig; 
doch  entsprach  dies  nicht  seinen  Neigungen.  Deshalb  widmete 
er  sich  späterhin  ganz  der  Kunst  und  studierte  die  Malerei  im 
hiesigen  Städelschen  Kunstiustitut,  in  Karlsruhe  und  München. 
Dann  trieb  es  ihn  hinaus  in  die  Welt.  Als  Landschaftsmaler 
hat  er  auf  zahlreichen  Reisen  in  fremden  Erdteilen,  in  Nord- 
und  Südamerika,  auf  den  westindischen  Inseln,  in  Ostasien, 
Australien  und  Afrika,  die  Motive  zu  seineu  Bildern  gefunden, 
die  wie  seine  Kilimaudjaro- Studien,  seine  Wasserfälle  und 
Steppenlandschaften  aus  Deutsch-Ostafrika  ein  hervorragendes 
Künstlertalent  bekunden.  Auf  seineu  Reisen  hat  er  auch  manche 
Schätze  an  Natui'alien  "esamnielt  und  sie  unserem  Museum  als 


^    B1    -^ 

Geschenk  überwiesen.  Zwei  Ölgemälde  der  Meeresfauna  in 
den  Korallenriffen  und  Schwammbänken,  die  Hauck  nach 
eigenen  Studien  1905  in  Nassau  auf  den  Bahanm-Inseln  gemalt 
hat,  schmücken  das  Treppenhaus  des  Museums.  Durch  seine 
letztwillige  Verfügung  hat  Fritz  Hauck  sein  warmes  Interesse 
an  unserer  Gesellschaft  und  seine  Freude  an  dem  Aufblühen 
unseres  neuen  Museums  zum  Ausdruck  gebracht.  Zur  bleiben- 
den Erinnerung  an  seine  hochherzige  Stiftung  ist  sein  Name  in 
die  Liste  unserer  ewigen  Mitglieder  eingetragen  worden. 

In  die  Reihe  der  ewigen  Mitglieder  wurden  ferner  aufge- 
nommen: Rentmeister  Theodor  Alexander,  Frau  Sara 
Bender,  Eugene  Hoerle,  Sanitätsrat  Dr.  Karl  Kauf- 
mann, Frau  Marie  Meister,  Justizrat  Paul  Reiss  und 
die  Deutsche  Gold-  und  Silber-Scheideanstalt,  sowie  die  Ver- 
storbenen: August  Bender,  Moritz  Ferdinand  Hauck, 
Geh.  Sanitätsrat  Dr.  Heinrich  H  o  f  f  m  a  n  n  ,  Hermann  Kahn, 
Heinrich  L  o  t  i c  h i  u  s ,  Geh.  Kommerzienrat  E  d  u a r  d  0  e  h  1  e r , 
Wilhelm  Jakob  Rolimer,  Henry  Seligmann  und  Leo- 
pold S  0  n  n  e  m  a  n  n . 

Die  Zahl  der  ewigen  Mitglieder  ist  somit  im  Berichtsjahr 
von  189  auf  156  angestiegen.  Manche  der  neu  eingetretenen 
ewigen  Mitglieder  sind  seither  beitragende  Mitglieder  gewesen. 
Die  Verstorbenen  haben  Jahre-  und  Jahrzehnte  lang  der  Gesell- 
schaft angehört,  und  zu  ihrem  bleibenden  Gedächtnis  haben 
die  Hinterbliebenen  in  pietätvoller  Gesinnung  ihre  Namen  in  die 
Liste  unserer  ewigen  Mitglieder  eintragen  lassen.  Es  zeigt  sich 
hierin  deutlich  die  treue  Anhänglichkeit  und  das  tiefe  Interesse 
an  unserer  Gesellschaft,  der  von  ihrer  Gründung  im  Jahre  1817 
an  zahlreiche  Frankfurter  Familien  nunmehr  durch  mehrere 
Generationen  angehören. 

Zu  arbeitenden  (Verwaltungs-)  Mitgliedern  wurden  er- 
nannt: Kommerzienrat  Eduard  Beit,  Rudolf  von  Gold- 
schmidt-Rothschild,  Otto  Hauck-von  Metzler,  Dr.  phil. 
Hugo  M  ertön,  Dr.  phil.  Kurt  Priemel,  Direktor  des  Zoo- 
logischen Gartens,  und  Dr.  phil.  Arthur  von  Weinberg, 
Mitglied  des  Kgl.  Instituts  für  experimentelle  Therapie. 

Zu  korrespondierenden  Mitgliedern:  Prof.  Dr.  Ahlborn- 
Hamburg,  Francis  Darwin  und  Sir  George  Howard 
D  a  r  w  i  n  -  Cambridge ,      A  r  t  h  u  r      v  o  n     G  w  inner-  Berlin , 


-     38     - 

Dr.  pliil.  Paul  Kammere  r- Wien,  Prof.  He,  my  P'air  field 
0 shorn- New  York  und  Lord  Ra^'leij^li,  Kanzler  der  Uni- 
versität Cambridge. 

Prof.  Dr.  L.  von  Hey  den  wurde  von  der  Nederland- 
sche  Entomologische  Vereeniging  in  Rotterdam  durch  die 
Ernennung  zum  Ehrenmitglied  ausgezeichnet. 

Am  20.  Februar  wurde  Dr.  Eugen  Wolf,  seither  Assistent 
der  zoologischen  Abteilung  des  Museums,  zum  Kustos  ernannt. 
Er  beteiligte  sich  vom  23.  Februar  an  im  Auftrage  der  Ge- 
sellschaft an  der  Hanseatischen  Süd  see -Expedition, 
die  zur  Erforschung  der  dortigen  Korallen-Inseln  ausgesandt 
wurde,  und  ist  am  24.  November  glücklich  und  mit  reicher 
Ausbeute  zurückgekehrt.  Die  Teilnahme  an  dieser  Expedition 
wurde  hauptsächlich  durch  das  Entgegenkommen  der  hiesigen 
Firma  Teil  us,  Aktiengesellschaft  für  Bergbau  und  Hütten- 
industrie, und  durch  die  eifrigen  Bemühungen  unseres  arbeiten- 
den Mitglieds  Dr.  E.  Naumann  ermöglicht,  wofür  wir  auch  an 
dieser  Stelle  unseren  verbindlichsten  Dank  aussprechen  möchten. 

Am  24.  Februar  fand  die  ordentliche  Generalversammlung 
statt.  Sie  genehmigte  nach  dem  Antrag  der  Revisionskom- 
mission die  Rechuungsablage  für  1908  und  erteilte  dem  I.  Kas- 
sierer A.  Andreae-von  Grunelius  Entlastung.  Der  vor- 
gelegte Voranschlag  für  1909,  der  in  Einnahmen  und  Ausgaben 
mit  M.  88  045.—  balanzierte,  wurde  genehmigt.  Nach  dem 
Dienstalter  schieden  aus  der  Kommission  aus:  Konsul  Etienne 
R  0  q  u  e  s  -  M  e  1 1  e  n  h  e  i  m  e  r  und  August  L  a  d  e  n  b  u  r  g.  An 
ihre  Stelle  wurden  gewählt:  Charles  A.  Schar  ff  und  Moritz 
von  Metz  1er.  Der  Revisionskommission  für  1909  gehören 
ferner  an:  Arthur  Andreae  als  Vorsitzender,  Hermann 
Nestle,  Adolf  von  Neufville  und  Wilhelm  Stock. 

Am  7.  April  kam  zum  neunzelmtenmal  der  im  Jahre  1828 
gestiftete  So  mm  erringpreis  zur  Erteilung  und  wurde  Dr. 
Paul  Kam  merer  in  Wien  zuerkannt. 

Am  20.  März  feierte  die  Gesellschaft  mit  zahlreichen 
anderen  hiesigen  Korporationen  in  der  Aula  der  Akademie  den 
hundertsten  Geburtstag  Georg  Varren trapps;  am  13.  Juni 
nahm  sie  teil  an  dem  Festakt  des  Ärztlichen  Vereins  zur  Er- 
innerung an  den  hundertsten  Geburtstag  Heinrich  Hoff- 
manns,  des  Dichters  des  „Struwwelpeter",  der  wie  Varren- 


—    39     — 

trapp  unserer  Verwaltung  lange  Jahre  hindiircli  als  eifriges 
Mitglied  angehört  hat.  Der  Universität  Cambridge  überbrachten 
zu  ihrer  großartigen  Jahrhundertfeier  der  Geburt  Darwins 
vom  22.  bis  24.  Juni  der  I.  Direktor  und  Dr.  M  er  ton  als 
Delegierte  die  Grüße  der  Gesellschaft,  die  selbst  am  13.  Februar 
eine  Dar  win -Feier  veranstaltet  hat.  Bei  dieser  Feier  hielt 
Gell.  Hof  rat  Prof.  Dr.  Richard  Her  twig  aus  München  die 
Gedächtnisrede ;  sie  ist  in  dem  letztjährigen  Bericht  nieder- 
gelegt. Bei  der  Feier  des  fiinfzigjährigen  Bestehens  des  Vereins 
für  Naturkunde  zu  Offenbach  am  20.  Mai  war  die  Gesellschaft 
durch  Prof.  von  Hey  den.  bei  dem  fünfzigjährigen  Jubiläum 
des  Freien  Deutschen  Hochstiftes  am  7.  November  duich  den 
I.  Direktor  vertreten.  Am  21.  Oktober  feierten  die  näheren 
Freunde  unseres  hochverdienten  Sektionärs  der  entomologischen 
Abteilung-,  Albrecht  Weis,  dessen  siebzigsten  Geburtstag. 

Der  Tagung  der  Deutschen  Zoologischen  Gesell- 
schaft zu  Pfingsten  des  Jahres  und  der  in  der  IIa  veranstalteten 
Ausstellung  von  Flugorganen  bei  Tieren  und  Pflanzen  gedenkt  der 
Museumsbericht. 

In  der  Sitzung  vom  1.  Dezember  1909  hat  die  Veiwaltung 
Kenntnis  von  einem  Vertrag  genommen,  den  die  Administration 
der  Dr.  Senckenbergischen  Stiftung  mit  dem  Magistrat  betr.  Ge- 
währung einer  städtischen  Subvention  für  die  Sencken- 
bergische  Bibliothek  abzuschließen  beabsichtigt.  Der  Ver- 
trag sieht  für  zehn  Jahre  eine  jährliche  Subvention  von  M  15000 
vor,  die  zur  Bestreitung  eines  Teils  der  Verwaltuugskosten  und 
zur  Anschaffung  von  Büchern  bestimmt  ist,  mit  der  Maßgabe, 
daß  ein  Abgeordneter  des  Magistrats  in  die  Kommission  für  die 
vereinigten  Bibliotheken  eintritt,  und  daß  die  Anschaffung  medi- 
zinischer Werke  einschließlich  Buchbinderkosten  in  der  Höhe 
von  M.  3750 —  auf  Vorschlag  des  Magistratsabgeordneten  erfolgt. 
Die  aus  dem  städtischen  Zuschuß  angeschafften  Bücher  gehen 
in  den  Besitz  der  Dr.  Senckenbergischen  Stiftung  über.  Die 
Senckenbergische  Naturforschende  Gesellschaft  verpflichtet  sich 
ebenso  wie  der  Physikalische,  Ärztliche  und  Geographische  Verein 
und  wie  die  Stiftung  selbst,  für  die  Dauer  des  Vertragsverhältnisses 
mindestens  die  gleichen  Beträge  zur  Ergänzung  der  Bibliothek 
aufzuwenden  wie  seither  (für  die  Gesellschaft  sind  dies  jährlich 
M.  5700.—}  und  zu  den  steigenden  Gehalten  des  Bibliothekars, 


—     40     — 

desBibliotbeksekretärs  und  der  Hilfsbeamten  gemäß  dem  Gehalts- 
regulativ für  die  Beamten  der  Stadtbibliothek  beizutragen.  Die 
Administration  der  Dr.  Senckenbeigischen  Stiftung  hat  dagegen 
die  Verpflichtung  übernommen,  ihre  Bücherbestände  nur  im  Ein- 
verständnis mit  sämtlichen  beteiligten  Vereinen  aus  der  Biblio- 
thek herauszunehmen,  eine  Verpflichtung,  die  die  Vereine  unter- 
einander bereits  in  dem  Vertrag  vom  10.  Februar  1860  ein- 
gegangen waren.  Der  Vertrag  zwischen  der  Stiftungsadmini- 
stration und  dem  Magistrat  soll,  wenn  er  die  Genehmigung  der 
Stadtverordnetenversammlung  findet,  am  1.  April  1910  in  Kraft 
treten.  ^) 

Nach  zweijähriger  Amtszeit  sind  satzungsgemäß  aus  der 
Direktion  ausgeschieden :  der  II.  Direktor  Stabsarzt  Prof.  Dr. 
E.  Marx  und  der  II.  Schriftführer  F.W.Winter.  An  ihre  Stelle 
wurden  für  die  Jahre  1910  und  1911  Dr.  A.  von  Weinberg 
und  Gartenbaudirektor  A.  Siebert  gewählt. 


')  Die  vSradtverordnetenversiuniuIung  hat,  in  ihrer  Sitzung'  vom  S.  Februar 
1910  den  Antrag  des  Magistrats  mit  der  Abänderung  genehmigt,  daß  die 
jährliche  Subvention  für  die  Senckenbergische  Bibliothek  von  M.  läüOO  auf 
M.  lUOÜO  herabgesetzt  wird. 


41     — 


^ 

C7) 

CO 

o 

1^ 

aj 

1 

1 

I 

, 

1—1 

on 

CO 

O 

on 

iC 

r^ 

r^ 

Uh 

rM 

1 

'^ 

yj 

CO 

1 

' 

' 

' 

CM 

CD 

CO 

CM 

1-1 

cx) 

' 

00 

CO 

-^ 

^ 

^_^ 

CO 

:r) 

, 

^ 

'O 

CD 

CQ 

[^ 

CD 

CO 

00 

r^ 

. 

o 

CM 

CD 

1—1 

o 

1^ 

T— ( 

»— < 

w- 

O 

CD 

■n 

Oi 

CM 

C^I 

o 

ai 

T—t 

CM 

lO 

T— H 

CM 

S 

L^ 

<-> 

lO 

L^ 

a: 

T^J 

-X 

O 

-f 

L^ 

L^ 

L^ 

•^ 

uu 

CM 

CD' 

'X! 

CD 

■_J 

cC' 

O 

X, 

lO 

o 

CO 

o 

CO 

CO 

CO 

o 

CD 

r- 

CM 

CO 

t— 1 

CD 

■X! 

1—1 

tH 

CM 

1— I 

CO 

-* 

tH 

l^ 

1—1 

tad     °    k^    >V  C  O      O 

S)0^1e-SWc^^c2 

S  i  ?  ■?•  T  2  'f  -E 1  ^  .5    -IS 

>  o  m    =c  g-    ^  jr  .^-  „-  Co  -s^    •  2   >  ■     ■  W 

Of:  ^  p  3    «         M  be  cQ    S    is  CO 

I        |!1lliiä-3li  =  lit' 
5  "  'll-i-i  s  i  e  111:1  s-il. 11 

aPMPc«,^    -^    Äoj    .^    aa+3    o    ? 


Oh    o- 


•ra  o  CO  [>  00 

X  O  1— I  CO  lO 

cvi  o  [^  O  lO 

^  -^  lO  -^  CD 


—     42     — 


Übersicht  dei*  Eiiiiialiiiieii  niid  Ansoaben 

Eiunahmeii 


j 

M. 

Pf. 

Saldo  des  Zinseu-Kontos 

• 

21212 

15 

Beiträge-Konto        

... 

24  092 

25 

Erträarnis  der  Bosestiftnne  in  1908      .... 

M  901 

27 

Eintrittsgelder-Konto 

1  385 

50 

Abhandinngen  und  Berichte 

8  890 

09 

(inkl.  Geschenk    von  Frau  ßaron    von 

Erlanger 

M.  äöOO) 

Sonstige  Einnahmen 

281 

81 

Ferner    wurden    verbraucht    zu  Lasten 

olgender 

Konten  ; 

V.  Reinach-Stiftnng-Konto 

1  212 

57 

V.  Söiumerring-Freis-Konto        

521 

1027 

109 



Saninilunt>'en-Konto 

50 

Versicherungs-Reserve-Konto 

70 

Reparaturen-Konto 

6  782 

82 

An  Geschenken  und  Legaten  gingen  ein  und  wurden  in 

Obligationen  angelegt : 

Justizrat  Paul  Reiss,  ewig.  Mitgl.  .     .     .  M. 

1000.— 

W.  Jakob  Rohnier,         „         „        .     .     .    „ 

1000.- 

Henry  Seligiuann,           „          „        .     .     .    „ 

1000.— 

Hermann  Kahn,              „          „        .     .     .    „ 

1000.— 

DeutscheGold-u. Silber-Scheide- Anst..ew.M.  „ 

1000.— 

Heinrich    Lotichius,    ew.  Mitgl.      .     .     .    „ 

600.— 

Frau  Marie  Meister.      „         „        .     .     .    „ 

1000.- 

Geh. RatDr.H. Hoffmann, „         „        .     .     .    „ 

500  — 

Geh. Korn. -RatE. Oehler.  „         „        .     .     .    „ 

5000.— 

San. -Rat  Dr, Kaufmann,  „         „        .     .     .    „ 

1000.— 

Eugene  Hoerle,               „         „        .     .     .    , 

1000.— 

August  Bender  u.  Frau  Sara  Bender,         „ 

lOüO.— 

Theodor  Alexander,   ewig.  Mitgl 

1000.— 

M. 

1()1(  HJ.— 

An    Geschenken  für   Naturalien  gingen  ein  um 

wurden 

für  1910  zurückgestellt: 

Sir  Julius  Wernher M 

5000.— 

Theodor  Alexander      „ 

850.— 

Zurückvergütung  einer  Erbschaftssteuer 

800.— 

M.  S 

500.— 

M 

6650.— 

95  416 

66 

—     43     — 

vom  1.  Januar  bis  31.  Dezember  1909. 

Ausgaben 


Unkosten-Konto 

Saldo  des  Gehalt-Kontos        

„        „     Vorlesungen-Kontos 

„        „     Bibliothek-Kontos 

Abhandinngen  und  Berichte       

Naturalien- Konto 

V.  Reinach-Stiftung-Konto 

V.  Sömiuerring-Preis-Konto 

Sammlungen- Konto 

Versicherungs-Reserve-Konto 

Reparaturen- Konto        

Ferner  Rücklagen  auf  folgende  Konten  : 

Versicherungs-Reserve-Konto 

Sammlungen-Konto 

Pensions-Konto 

Reparaturen- Konto         

Überschaß  an  Gewinn-  und  Verlust-Konto 


M. 

Pf. 

23  559 

24  716 
3  910 
8  604 

10  031 

7  714 

1212 

521 

99 

90 

'?^ 

06 

1H 

36 

57 

1027 

50 

109 

70 

0  782 

82 

1  000 
1000 

— 

2  200 
2  000 



— 

1    1026 

37 

95  416 


66 


—    44     — 


Miiseiiiusbericlit. 

Welch  reges  Interesse  das  Publikum  fortdauernd  unserem 
Museum  entgegenbringt,  geht  deutlich  aus  der  Zahl  der  Besuche)- 
im  verflossenen  Jahre  hervor:  vom  1.  Januar  bis  Hl.  Dezember 
1909  wurden  68012  Personen  gezählt.  Auch  zahlreiche  Studenten 
verschiedener  Fakultäten,  meist  unter  Führung  ihrer  Lehrei-, 
sowohl  von  unseren  Nachbaruniversitäten  Heidelberg  und  (-Jießen 
als  auch  von  entfernter  gelegenen  wie  Göttingen,  Stuttgart  und 
'riiV)ingen  besichtigten  eingehend  unser  Museum.  Für  viele 
Vereine  von  hier  und  aus  der  Umgegend  wurden,  namentlicdi 
auf  Wunsch  des  Ausschusses  für  Volksvorlesungen,  wie  in  früheren 
Jahren  besondere  Führungen  veranstaltet.  Der  Besuch  von 
Seiten  der  hiesigen  Schulen  hat  sich  außerordentlich  gesteigei't, 
da  viele  Lehrer  dazu  übergegangen  sind,  ihren  naturgeschicht- 
lichen Unterricht  durch  Demonstrationen  im  Museum  zu  er- 
gänzen. Aber  nicht  nur  die  ausgestellten  Schauobjekte  sondern 
auch  der  Museumsbau  in  seiner  inneren  Einrichtung,  seine 
Schränke  sowie  unsere  Aufstell ungspriuzipien  veranlaßten  in 
vermehrter  Zahl  einzelne  Sachverständige  wie  auch  mehrgliederige 
Kommissionen,  unser  Museum  aufzusuchen.  Zahlreiche  Fach- 
gelehrte (siehe  die  einzelnen  Abteilungen)  benutzten  unsere 
wissenschaftlichen  Sammlungen  zu  eingehenderen  Studien. 
Während  der  Ferienzeit  war  in  allen  Abteilungen  eine  größere 
Anzahl  von  Studierenden  der  Naturwissenschaften  beschäftigt. 
Ihre  Tätigkeit,  die  für  uns  eine  willkommene  Hilfe  bildet,  kam 
zugleich  ihrer  eigenen  weiteren  Ausbildung  zustatten. 

Nachweis  von  Literaturangaben  wurde  siebenmal  erteilt; 
Bestimmung  eingesandter  Tiere  und  Pflanzen,  namentlich  von 
Schädlingen  aus  der  Insektenwelt  bezw.  PÜanzenkrankheiten, 
erfolgte  in  24  Fällen.  Auf  technische  Fragen  bezogen  sich  neun 
Auskünfte. 


—     45     — 

Mannigfaltige  Veranstaltungen  wie  Sängerfest,  IIa,  wissen- 
schaftliche Kongresse  und  Kurse,  die  im  vergangenen  Jahie  in 
Frankfurt  abgehalten  wurden,  nahmen  die  Räumlichkeiten  des 
Museums  (Festsaal,  Hörsäle  und  Laboratorien)  oft  in  weit- 
geliendem  Maße  in  Anspruch. 

Zu  besonderer  Freude  gereichte  es  uns,  daß  die  Deutsche 
Zoologische  Gesellschaft  in  der  Pfingstwoche  vom  31.  Mai 
bis  4.  Juni  ihre  XiX.  Jahresversammlung  in  unserem  Museum 
abhielt,  um  nach  19jäliriger  Pause  zum  zweiten  Male  an  dem 
Orte  ihrer  Gründung  zu  tagen.  79  Vertreter  der  Zoologie  aus 
allen  Teilen  Deutschlands  und  aus  dem  Auslande  waren  hier 
zu  ernster  Arbeit  vereinigt.  In  besonderen  Führungen  wurden 
unsere  Sammlungen  und  sonstigen  Einrichtungen  eingehend  be- 
sichtigt. Konnten  wir  auch  der  Prüfung  unserer  Arbeit  in  den 
letzten  Jahren  durch  diese  berufensten  Sachverständigen  ruhig 
entgegensehen,  so  erfüllte  es  uns  doch  mit  hoher  Befriedigung,  daß 
(las  Urteil  von  allen  Seiten  günstig  und  anerkennend  ausgefallen  ist. 

Die  Übernahme  einer  besonderen  Ausstellungsabteilung  in 
der  Ha  (Juli  bis  Mitte  Oktober)  nahm  für  mehrere  Monate  alle 
verfügbaren  Kräfte  des  Museums  in  Anspruch.  ITuter  der  sach- 
kundigen Leitung  Dr.  H.  M  er  tons  gelang  es  trotz  der  kurzen 
zur  Verfügung  stehenden  Zeit,  eine  Ausstellung  zu  schaffen,  die 
den  Erwartungen  in  jeder  Weise  entsprochen  hat.  Au  einer 
großen  Zahl  präparierter  rezenter  wie  vorweltlicher  Tiere,  sowie 
an  Pflauzensamen,  an  zahlreichen  Modellen,  Erklärungskarten 
und  Tafeln,  durch  Wort  und  Bild,  wurden  die  Entwickelung 
des  Flugvermögens  im  Pflanzen-  und  Tierreich,  sowie  die  ver- 
schiedenen Flugarten  wie  Gleitflug,  Segelflug  usw.  vorgeführt. 
Durch  diese  Zusammenstellung  ist  es  nicht  nur  gelungen,  die 
Ausstellungsbesucher  in  die  Flugprobleme  einzuführen;  sie  hat 
auch  den  Praktikern  und  Theoretikern  der  Aeronautik  manche 
fruchtbare  Anregung  gegeben. 

Da  sich  namentlich  für  die  geologisch- paiäontologische 
Abteilung  die  Anschaft'iing  verschiedenartiger  Schränke  als  not- 
wendig erwiesen  hat,  unternahm  Dr.  F.  Dr  ever  mann  ins- 
besondere zum  Studium  dieser  Fi-age  eine  Besichtigungsreise 
an  das  naturhistorische  Museum  in  Brüssel. 

Des  Ablebens  des  Direktors  Prof.  Römer  und  der  Be- 
rufung  Prof.   zur   Strassens   an  seme  Stelle,   sowie  der  Er- 


—     46     — 

neununo;  Dr.  Wolf s  zum  Kustos  der  zoologischeu  Abteilung  des 
Museums  haben  bereits  die  Mitteilungen  der  Verwaltung  gedacht. 
Im  Bureau  trat  am  15.  April  Frl.  M.  Göbel  zur  Unterstützung 
der  Vorsteherin  ein. 

Größere  bauliche  Veränderungen  fanden  nur  in  den  Kojen 
statt,  indem  zwei  der  bestehenden  kleineren  Kojen  zu  einer 
größeren  vereinigt  wurden. 

In  verschiedenen  Abteilungen  unserer  Schausammlung  sind 
die  Schränke  überfüllt,  worunter  die  Übersichtlichkeit  sehr  zu 
leiden  hat.  Auch  in  der  Lehrsammlung  ist  ein  eiheblicher 
Raummangel  eingetreten,  so  daß  sich  die  Neuanschaffung  einer 
großen  Anzahl  von  Schlanken  als  ein  immer  dringenderes  Be- 
dürfnis erweist.  Leider  stehen  uns  vorderhand  nicht  die  nötigen 
Mittel  zur  Verfügung,  um  diesem  Übelstande  abzuhelfen.  Durch 
die  Schenkung  eines  E'ensterschrankes  für  Planktontiere  nebst 
dem  dazugehörigen  Material  hat  sich  Dr.  H.  M  er  ton  ein  großes 
Verdienst  um  diesen  Teil  der  Sammlung  erworben. 

Dank  der  Geschicklichkeit  unseres  Technikers  ß.  Moll 
war  der  Bau  eines  zweiten  Projektionsapparates  möglich,  der 
im  kleinen  Hörsaal  Aufstellung  gefunden  hat.  Derselbe  kann 
infolge  seiner  leichten  Transportfälligkeit  auch  bei  den  wissen- 
schaftlichen Vorträgen  im  Festsaal  zu  den  verschiedenartigsten 
Projektionen  Verwendung  finden.  Im  kleinen  Laboratorium  wurde 
in  Anbetracht  seiner  vermehrten  Benützung  durch  Lehrer  und 
sonstige  freiwillige  Mitarbeiter  eine  Ergänzung  des  Inventars 
und  der  wissenschaftlichen  Ausrüstung  notwendig.  Für  die 
lusektenabteilung  wurde  in  unserer  Werkstatt  ein  Schwefel- 
kohlenstoffapparat konstruiert,  der  es  ermöglicht,  54  Insekten- 
kasten gleichzeitig  zu  desinfizieren.  Auch  sonstige  Inventarstücke, 
wie  Tische,  Tritte,  kleinere  Schränke  usw.,  wurden  in  größerer 
Anzahl  von  unserem  Handwerker  angefertigt.  Im  Hofe  hat 
sich  die  Anbringung  eines  Verschlages  unter  dem  schon  vor- 
handenen Glasdach  als  nützlich  erwiesen. 

Auch  unsere  Druckerei  war  lebhaft  in  Anspruch  genommen. 
Aus  derselben  gingen  allein  60000  Adressen,  24000  Einladungs- 
karten, 4000  Postkarten  mit  Aufdruck,  1000  Zirkulare  und 
über  10000  größere  und  kleinere  Etiketten  hervor. 

Ein  Bild  unseres  verstorbenen  Direktors  Prof.  Römer 
für   das  Sitzungszimmer    verdanken    wir   der   Malerin    Fräulein 


~     47     — 

B.  Sondheini.  Das  Direktiouszimnier  erhielt  von  Professor 
Dr.  A.  Knoblauch  durch  ein  aus  den  dreißiger  Jahren  des 
vorigen  Jahrhunderts  stammendes,  kleines  Aquarell  unseres  alten 
Museums  einen  künstlerischen   Wandschmuck. 

1.    Zoologische  Sammlung. 

Die  Vermehrung  der  Schau-  und  der  Lehrsammlung  bewegte 
sich  im  verflossenen  Jahr  in  engen  Grenzen.  Einerseits  sind  die 
wenigen  zur  A^erfüguiig  stehenden  Schränke  in  allen  Abteilungen 
zum  großen  Teil  überfüllt ;  andererseits  waren  die  verfügbaren 
Arbeitskräfte,  die  ohnehin  infolge  des  Todes  von  Prof.  Römer 
und  der  Abwesenheit  Dr.  Wolfs  stark  überlastet  waren,  auch 
noch  durch  unsere  Ausstellung  auf  der  IIa  und  die  Vorbereitungen 
zum  Zoologentag  in  hohem  Maße  in  Anspruch  genommen. 

Umsomehr  ist  es  anerkennend  hervorzuheben,  daß  unsei'e 
freiwilligen  Mitarbeiter  Frau  L.  Cayard  (Histologie),  Frl. 
E.  Fellner  (Insekten),  Frl.  E.  Pf  äff  (Histologie  und  vergl. 
Anatomie),  E.  Cnyrim  (vergl.  Anatomie),  E.  Creizenach 
(Skelette),  E.  Müller  (Lepidopteren),  Lehrer  A.  Noll  (Haus- 
bibliothek) und  Lehrer  H.  Stridde  (Histologie)  auf  ihren  Ge- 
bieten überaus  dankenswertes  geleistet  haben  und  auch  jederzeit 
bei  allen  anderen  vorkommenden  Arbeiten  zur  Hilfe  bereit  waren. 
Auch  Frau  Geheim  rat  Leser,  Frl.  G.  Oswalt  und  Frl.  A.  Roe- 
diger  haben  sich  tatkräftig  an  den  Museumsarbeiten  beteiligt. 

Dr.  Wolf  begleitete  als  Zoolog  die  Hanseatische  Südsee- 
Expedition  und  brachte  nach  ^/4Jähriger  Abwesenheit  von  allen 
größeren  Inselgruppen  der  Südsee  reiches  Material  mit,  das 
zum  größten  Teil  sortiert  vorliegt,  dessen  abschließende  Bear- 
beitung aber  wohl  noch  Jahre  beanspruchen  wird.  Besonders  reich 
ist  die  Ausbeute  an  Reptilien,  z.  T.  auch  an  Amphibien,  unter 
den  Insekten  vor  allem  an  Orthopteren,  ferner  an  Spinnen,  Krus- 
tazeen,  Würmern  und  Coelenteraten.  Unter  den  letzteren  sind 
namentlich  die  Korallen  und  Schwämme  gut  vertreten.  In  den 
meisten  der  erwähnten  Gruppen  dürfte  uns  also  später  leichliches 
Tauschmaterial  zur  Verfügung  stehen.  Vor  allem  wird  das 
gesammelte  Material  auch  in  Hinsicht  auf  die  Tiergeographie 
wünschenswerte  Aufschlüsse  ergeben. 

Unsere  Konservatoren  Adam  Koch  und  August  Koch 
unternahmen  eine  mehr  wöchentliche  Saramelreise  nach  Helgoland 


—     48     — 

und  erlangten  in  mühevoller  Arbeit  eine  reiche  Ausbeute  der 
dort  brütenden  nordischen  Vögel  für  unsere  das  Nordpolarleben 
veranschaulichende  Koje. 

Unter  ausschließlicher  oder  teilweiser  Benützung  von  Ma- 
terial aus  unseren  wissenschaftlichen  Sammlungen  sind  folgende 
Arbeiten  veröffentlicht  worden : 

F.  Haas:  Neue  und  wenig  bekannte  Lokalformen  unserer 
Najaden.  Nachrichtsblatt  der  Deutsch.  Malakozoologischen  Ge- 
sellsch.,  Jahrg.  1909,  Heft  1,  Beil.  2  und  Heft  3,  Beil.  3. 

L.  von  Hey  den:  Coleoptera,  gesammelt  von  0.  Bam- 
berg 1908  in  der  Mongolei.  Entomologische  Blätter,  5.  Jahrg., 
S.  157—161,  Schwabach  1909. 

W.  K  0  b  e  1 1 :  Genus  Vivipara  Moutf .  in  M  a  r  t  i  n  i  -  C  h  e  m  - 
nitz:  System.  Konchylienkabinett,  2.  Aufl.    Nürnberg  1909. 

Derselbe:  Roßmäßlers  Iconographie  der  Land-  und 
Süßwassermollusken,  Neue  Folge  Bd.  15,  Lief.  1  —  4,  Wies- 
baden 1909. 

Derselbe  und  G.  Winter:  Die  Philippinischen  Land- 
schnecken, Genus  Cochlostyla  in  Semper:  Die  Philippinen 
(unter  Benützung  unserer  v.  Möllendorff sehen  Cochlostylen- 
sammlung). 

M.  J.  Surcouf:  Tabanides  nouveaux  de  l'Afrique  occi- 
dentale.     Bulletin   du  Museum  d'histoire  naturelle,   Paris  1909. 

Derselbe:    Tabanides   nouveaux   de   Madagascar;    ebenda. 

Zahlreiche  Zuwendungen,  die  den  verschiedenen  Abtei- 
lungen unserer  zoologischen  Sammlung  zugegangen  sind,  ver- 
danken wir  folgenden  Schenkern  :  I.  A  m seh el -Melbourne,  R. 
Andreae,  Ingenieur  A.  Askenasy,  Generalkonsul  M.  Baer, 
Frl.  B.  Bagge-St.  Blasien,  0.  Bagge,  Dr.  F.  Brancsik, 
Prof.  E.  Brau  dis-Traonic,  Geh.  Kommerzienrat  0.  Braunfels, 
Generalobeiarzt  R.  B  r  u  g  g  e  r  -  Kassel,  Förster  L.  B  u  d  d  e  -  Schwan- 
heim, M.  Burkar d,  Kommandant  E,  Caziot-Nizza.  S. 
Clessin- Regensburg,  E.  Drevermann -Battenberg,  M.  Dürer, 
Frl.  E.  B^ellner,  Geh.  Regierungsrat  EMtzau- Kassel,  Prof. 
M.  Flesch,  C.  Franz- Breslau,  Flersheim-Heß,  Dr.  W. 
Fries,  D.  G eye  r -Stuttgart,  R.  von  Goldschmid t-Roth- 
schild,  A.  von  Grunelius.  L.  von  Guaita,  F.  Haag, 
cand.  rer.  nat.  F.  Haas,  stud.  rer.  nat.  Hägemeier-Heidel- 
berg,    K.    Hagen  beck- Stellingen,     F.    Hashagen- Bremen, 


—     49     — 

K.  Hebeling,  Frau  W.  Heerdt,  Dr.  W.  Hein -München, 
Prof.  K.  H  e  1 1  e  r  -  Dresden ,  Landrat  F.  von  Heimburg- 
Wiesbaden,  Prof.  L.  von  Heyden,  H.  Jacquet,  W.  Israel- 
Gera,  W.  Jungraann,  J.  Kilb-Skobeleff,  Prof.  W.  Kobelt- 
Schwanheim,  A.  Koch,  C.  Koch,  Dr.  H.  Krapf,  Dr.  G. 
Krapf,  F.  Külz- Marburg,  Frau  Krebs,  Prof.  R.  Lauter- 
bor u  -  Ludwigshafen ,  J.  L  e  n  g  1  e  ,  Freiherr  M.  von  L  e  o  n  - 
hardi- Großkarben,  Dr.  H.  Lotz- Berlin,  Dr.  E.  Luring, 
Stabsarzt  Prof.  E.  Marx,  J.  M enges,  Dr.  H.  Merton, 
A.  L.  Montandon-Bukarest,  E.  Müller,  W.  von  Möllen- 
dorff,  Baurat  L.  Neher,  Kommerzienrat  R.  de  Neufville, 
Dr.  B.  Pari  si -Mailand,  von  PI  oennies-Buitenzorg,  Dr.  A. 
R  e  i c  h  a  r  d  -  Helgoland,  Dr.  F.  R  i  n  t  e  1  e  u -Swakopmund,  Sanitäts- 
ratE.Roediger,  Dr.  Ruby-Marburg,  Intendanturrat L.  Schal- 
lehn -Straßburg,  A.  Schiff  er  li-Sempach,  Dr.  E.  Schreiber- 
Gürz,  Oberleutnant  Schulze -Bonn,  J.  Seeth,  Prof.  A.  Seitz- 
Darmstadt,  F.  Simon,   F.  Sommerlad,   Dr.  P.  Stern,  Frl. 

E.  Strebel -Zweibrücken,  Prof.  H.  St  re  bei- Hamburg,  H. 
S  u  t  e  r  -  Auckland ,  Prof.  E.  Van  hoffen-  Berlin  ,  Lehrer 
Völker-Moicht  b.  Marburg.  Stadt.  Völkermuseum,  T.  Ulrich- 
Pforzheira,  A.  Weis,  A.  H.  Wendt-St.  Goar,  F.  Winter, 
Zoologischer  Garten. 

Unsere  Hausbibliothek,  speziell  die  Separatensammlung, 
wurde  auch  im  letzten  Jahre  wieder  bedeutend  vermehrt  und 
zwar  durch  Zuwendungen  von :  Akademie  für  Sozial-  und  Handels- 
wissenschaften, Dr.  C.  Apstein-Kiel,  F.  Bastier,  Dr.  Bi ed er- 
mann-Imhoof- Eutin,  Prof.  F.  B lochmann- Tübingen,  C. 
Boettger,  Dr.  F.  Dr  ever  mann.  Geh.  Med. -Rat  Prof.  W. 
E  n  g  e  1  m  a  n  n  -  Berlin ,  Dr.  V.  Franz-  Helgoland ,  Freies 
Deutsches  Hochstift,  Geh.  Hof  rat  Prof.  M.  Für  bring  er- 
Heidelberg, Dr.  E.  Gaupp-E'ieiburg  i.  B.,  Dr.  Grüner- Bern, 
Prof.  A.  Gutzner,  Prof.  L.  von  Heyden,  Dr.  A.  Jassoy, 
Kaiser-Friedrich-Gymnasium,   Dr.  P.  Kammerer- Wien,  Prof. 

F.  Kinkel  in,  Prof.  C.  B.  Kinn  zing  er -Stuttgart,  Prof.  A. 
Knoblauch,  Prof.  W.  Kobelt-Schwanheim,  Prof.  E.  Kor- 
s che It- Marburg,  Piof.  M.  Künike-Bonn,  Prof.  A.  Lang- 
Zürich,  Dr.  A.  Li  v  ersidge- Sidney,  Mein  hold  &  Söhne- 
Dresden,  Prof.  Me  unier- Antwerpen,  L.  A.  Montandon- 
Bukarest,  Prof.  M.  Möbius,  Dipl. -leg.  P.  Prior,  Sanitätsrat 

4 


-     50     — 

E.  Roediger,  Dr.  P.  Sack,  Prof.  G.  0.  Sars-Christiania, 
Dr.  F.  Sarasiu-Basel,  Dr.  R.  S.  Scharf  f- Dublin,  Dr.  C. 
Sclileußner,  Dr.  0.  Sclimidtgeu-Mainz,  W.  Seiffert- 
Stuttgart,  Geh.  Rat  I.  W.  Speu  gel -Gießen,  Prof.  0.  L.  zur 
Strassen,  Prof.  G.  Steinmann- Bonn,  Dr.  0.  Thilo -Riga, 
G.  B.  Teubn  er -Leipzig,  Dr.  G.  Tornier-Berlin,  Dr.  K.  W. 
Verhoeff-Bonn,  Dr.  G.  Wahl,  A.  Weis,  F.  W.  Winter, 
A.  Wo  er  1- Leipzig,  Prof.  0.  Zacharias -Plöhn.  Im  Tausch 
erhielten  wir  Schriften  von:  Dr.  P.  Adloff- Königsberg,  Dr. 
Breßlau -Straßburg,  Dr.  E.  Gaupp-Freiburg  i.  B.,  Dr.  V. 
Hack  er- Stuttgart,  Dr.  R.  H  es  se- Tübingen,  Prof.  A.  Jakobi- 
Tübingen,  Prof.  E.  Marenz eller- Wien,  Dr.  G.  von  Mark- 
tanner-Turner  et  scher- Graz,  Prof.  J.  Meisenheimer- 
Marburg,  Dr.  0.  Schmidtgen -Mainz,  Prof.  H.  Spemann- 
Rostock,  Dr.  A.  St  euer- Innsbruck,  Prof.  W.  Voigt-Bonn 
Dr.  B.  Wan  doli  eck- Dresden. 

1.  Säugetiere. 

Die  in  der  Schausammlung  zur  Verfügung  stehenden 
Schränke  sind  vollkommen  besetzt,  so  daß  vorläufig  nur  noch 
an  die  Aufstellung  größerer  Tiere,  die  im  Lichthof  Unterkunft 
finden,  gedacht  werden  kann.  Hierfür  kommen  vor  allem  die 
großen  Dickhäuter  in  Betracht,  von  denen  wir  ein  prächtiges 
Flußpferd  Rudolf  v.  G  o  1  d  s  c  h  m  i  d  t  -  R  o  t  h  s  c  h  i  l  d  verdanken . 
Von  seinen  zahlreichen  Schenkungen  fanden  ferner  ein  Zebra, 
ein  schwarzer  Wolf  aus  Canada  und  ein  Zobel  sowie  der  Kopf 
eines  männlichen  Wapiti  mit  sehr  starkem  Geweih  in  der  Schau- 
sammlung Aufstellung.  Von  Baurat  L.  Neher  wurde  uns  ein 
Pärchen  des  amerikanischen  Bibers  zum  Geschenk  gemacht, 
das  längere  Zeit  im  hiesigen  Zoologischen  Garten  lebte  und 
durch  seine  Nagearbeit  an  Stämmen  allgemeines  Interesse 
erregte.  Unsere  Sammlung  an  anthropoiden  Affen  ist  durch 
ein  Geschenk  von  Direktor  J.  Seeth  um  ein  Männchen  und 
Weibchen  des  Cliimpansen  {Anthropopithecus  troglodytes  L.)  ver- 
mehrt worden ;  durch  Kauf  erlangten  wir  vom  Naturhistorischen 
Museum  in  Wiesbaden  Männchen  und  Weibchen  einer  anderen 
Chimpansenart  (Anthropopithecus  tschego  Duvern).  Einen  höchst 
interessanten  Bastard  zwischen  Löwe  und  Tiger  verdanken  wir 
unserem     korrespondierenden     Mitglied     Karl     Hagenbeck- 


—     51     — 

Stellingen.  Unsere Beuteltiersammlungerhieltvon Freiherrn M.  von 
Leouliardi  einen  willkommenen  Zuwachs  durch  zwei  Männchen 
von  Peragale  lagotis  Reid  aus  Australien.  Die  übrigen  Neuerwerbun- 
gen stammen  größtenteils  aus  dem  hiesigen  Zoologischen  Garten. 
Unsere  Konservatoren  sind,  den  neuesten  Fortschritten 
der  Dermoplastik  Rechnung  tragend,  zur  direkten  Abmodellierung 
des  abgehäuteten  Tierkörpers  tibergegangen,  um  dadurch  den 
zu  präparierenden  Tieren  die  größte  Naturtreue  zu  sichern. 
In  der  wissenschaftlichen  Abteilung  wurde  die  Sammlung  der 
Bälge  revidiert  und  katalogisiert.  Eine  Koje  für  nordisches 
Polarleben  ist  in  Angriff  genommen  worden.  Das  Tiermaterial, 
das  in  ihr  Verwendung  findet,  verdanken  wir  fast  ausschließlich 
R.  von  Gold  sc  hmidt-Roth  Schild. 

2.  Vögel. 

Der  Sektionär  war  im  Verein  mit  den  Konservatoren  in 
erster  Linie  darauf  bedacht,  die  Bälgesammlung  zu  ordnen. 
Unsere  sämtlichen  Vogelbälge  sind  jetzt  in  50  nummerierten 
Pappkasten  eingereiht  und  katalogisiert.  Diese  Bälgesammlung 
bildet  nunmehr  mit  den  in  den  Schränken  untergebrachten  aus- 
gestopften Vögeln  die  wissenschaftliche  ornithologische  Abteilung. 
Hiermit  ist  die  Aufstellung  dieser  im  4.  Stock  unseres  Museums 
untergebrachten  Sammlung  beendet.  Konservator  Adam  Koch  hat 
einen  Katalog  der  ornithologischen  Schausammlung  fertig  gestellt. 

Aus  der  Reihe  der  Schenkungen  sind  hervorzuheben :  eine 
große  Anzahl  von  Vögeln  aus  allen  Erdteilen  als  Geschenk  des 
Sektionärs,  eine  reichhaltige  Kollektion  von  Bälgen  aus  dem 
asiatischen  Rußland  (Audishan)  von  Jean  Kilb-Skobeleff  und 
eine  Sammlung  ausgestopfter  deutscher  Vögel  von  Leo  von 
Guaita.  Auch  von  der  Neuen  Zoologischen  Gesellschaft  haben 
wir  als  Geschenk  oder  durch  Kauf  eine  Reihe  wertvoller  Vögel 
erworben.  Von  W.  S chlüt er- Halle  wurden  aus  Mitteln  der 
Cretzschmarstiftung  mehrere  uns  fehlende  Vogelarten  angekauft. 
Durch  Tausch  mit  J.  Mich  el- Bodenbach  in  Mähren  und 
A.  Fischer- Augsburg  erlangten  wir  eine  größere  Zahl  der 
dortigen  Lokalformen. 

3.  Reptilien  und  Batracliier. 

Durch  Geschenke,  Tausch  und  Kauf  floß  der  Sammlung 
reiches    Material   zu,    das    zum   großen  Teil  vom  Zoologischen 

4* 


—     52     — 

Garten  stammt.    Auch  Freiherrn  M.  von  Leon  hard  i  verdanken 

wir  wieder   eine   ansehnliche  Kollektion  australischer  Reptilien. 

Verschiedene  Arten    aus   Dalmatien    erhielten   wir   von   Dr.  E. 

Schreiber  in  Görz.     Leider  konnte  das  eingelaufene  Material 

wegen   Erkrankung    des    Sektionärs    noch   nicht   bestimmt   und 

eingereiht  werden. 

4.  Fische. 

Die  Sammlung  der  deutschen  Süßwasserfische  wurde  durch 
den  Sektionär  um  mehrere  Arten  vermehrt.  Dr.  W.  Hein- 
München  schenkte  interessante  biologische  Präparate.  Zahlreiche 
Zuweisungen  aus  dem  Aquarium  des  Zoologischen  Gartens  ver- 
anlaßten  uns,  eine  besondere  Abteilung  für  Aquarien- 
fische anzulegen. 

5.  Tunikateu. 

Gut  konservierte  Exemplare  von  Salpa  zonaria  verdanken 
wir  Dr.  W.  Hein -München.  Dr.  H.  M  ertön  stiftete  für  die 
Planktonsammlung  zahlreiche  Salpen  und  Pyrosomen. 

6.  Mollusken. 

Die  Neuordnung  der  wissenschaftlichen  Sammlung  wuide 
begonnen,  wobei  uns  C.  Boettger  behilflich  war.  Doch  reichte 
der  neue  dreiteilige  Schrank  nur  für  einen  Teil  der  europäischen 
Heliciden  aus  den  Sammlungen  Roßmäßlers,  von  Möllen- 
dorffs  und  Kobelts.  F.Haas  ordnete  die  Zentralsammlung 
der  Najaden,  die  durch  zahlreiche  Geschenke  in  erfreulicherweise 
gewachsen  ist.  Durch  die  Arbeiten  von  Prof.  Kobelt  und  F.Haas 
(s.  S.  48)  vermehrten  sich  die  Originale  unserer  Sammlung  in 
den  Genera  Vhnpara,  Cochlosti/la  und  Unio.  Von  H.  Suter- 
Auckland  erwarben  wir  käuflich  eine  vollständige  Kollektion 
kleiner  neuseeländischer  Seekonchylien  und  Endodontiden,  unter 
denen  sich  viele  Kotypen  Suters  befinden.  Im  Tausch  mit 
einer  größeren  Anzahl  von  Sammlern  konnte  vor  allem  unsere 
Najadensammlung  bedeutend  vergrößert  werden.  D.  Geyer- 
Stuttgart  hatte  die  Freundlichkeit,  die  Vallonien  unserer  Samm- 
lung zu  revidieren. 

Um  die  im  letzten  Bericht  erwähnten  wissenschaftlichen 
Bestrebungen  weiter  fördern  zu  können,  ist  die  Vervollständi- 
gung unserer  Zentralsammluug  der  Najaden  durch  Mate- 
rial aus  dem  ganzen  paläarktischen  Gebiete,  besonders  aber  aus 


—     53     — 

Nord-  und  Ostdeutschland,  unerläßlich.  Wir  bitten  um  Über- 
lassung derartigen  Materiales,  eventuell  im  Tausch.  Durch  die 
Neuordnung  der  von  MöU  end orff  sehen  Dublettensammlung 
sind  wir  imstande,  den  Tauschverkehr  in  vollem  Maße  wieder 
aufzunehmen  ;  auch  Separata  der  Arbeiten  Prof.  Kobelts  können 
auf  Wunsch  im  Tausch  abgegeben  werden. 

Den  Zuwachs  der  Handbibliothek  der  konchyologischen 
Sektion  verdanken  wir  den  Herren:  P.  Bartsch,  G.  Bollinger, 
E.  Caziot,  H.  Dali,  Ph.  Dankenberg,  P.  Ehrmann, 
W.  Evans,  L.  German,  F.  Haas,  W.  Kobelt,  T.  Kormos, 
Melville  und  Ponssonby,  C.  Po  Hon  era,  M.  Shepman, 
E.  A.  Smith,  H.  Strebel  und  0.  Wohlberedt. 

7.  Insekten. 

Auch  im  verflossenen  Jahre  konnte  die  Aufstellung  einer 
Insekten-Schausammlung  noch  nicht  in  Angriff  genommen  wer- 
den, da  für  die  nötigen  Schränke  keine  genügenden  Mittel  zur 
Verfügung  stehen.  Es  konzentrierte  sich  daher  die  Arbeit  der 
Sektionäre  auf  die  wissenschaftliche  Sammlung.  Der  Sektionär 
für  Koleopteren  Prof.  von  Hey  den  revidierte  nnd  ordnete  in 
der  paläarktischen  Abteilung  die  Dyticiden  und  Staphyliniden. 
Das  im  vorigen  Jahre  von  0.  Bamberg  gekaufte  Käfer- 
material aus  der  Mongolei  wurde  vom  Sektionär  bearbeitet 
(s.  S.  48). 

Unter  den  zahlreichen  Geschenken  sind  einige  Typen  von 
Prof.  K.  Heller-Dresden  hervorzuheben,  nämlich  RJdnoscapha 
dolosa  Heller  von  Kaiser-Wilhelms-Land,  Gymnopholus  weiskei 
Heller  von  Neuguinea  und  Mecopiis  kühni  Heller  von  den  Key- 
Inseln.  Von  Prof.  von  Heyden  wurden  fünf  fehlende  Staphy- 
linidengattungen  durch  Tausch  erworben;  fünf  weitere  seltene 
Staphjiiuiden  konnten  im  Tausch  mit  Lehrer  Luze  in  Wien  er- 
langt werden.  Eine  Anzahl  unbenannter  Staphylinen  bestimmte 
Dr.  Beruhauer-Grüuburg  in  Oberösterreich. 

In  der  Abteilung  für  Hymenopteren  wurde  durch  den  Sek- 
tionär A.  Weis  das  unbestimmte  Material,  in  der  Hauptsache 
aus  der  Ausbeute  Dr.  Mertons  von  den  Key-Inseln  und  den 
Schenkungen  des  Freiherrn  von  Leonhardi  bestehend,  an 
eine  größere  Anzahl  von  Spezialisten  zur  Bearbeitung  übersandt. 
Es  übernahmen  Dr.  H.  Friese-  Schwerin  die  Bienen  (neu  Mega- 


—     54     — 

chile  mertom),  Kustos  A.  H  a  n  d  1  i  r  s  c  h  -  Wien  die  Bembexarten, 
Dr.  E.  Strand -Berlin  Cerceris,  Sphex  und  Sceliphron  (neu 
Sphex  mertofd),  Yicomte  R.  du  Buys  son- Paris  die  Falteu- 
wespen  (neu  Belotiogaster  leonhardii  und  Folistcs  ineriojii)^ 
E.  Frej'-Geßner-Genf  die  Scoliiden  und  Prof.  0.  Schmiede- 
knecht-Blankenburg  i.  Th.  die  Ichneumoniden. 

Den  interessantesten  Zuwachs  verdankt  die  Abteilung 
Freiherrn  M.  von  Leonhardi  durch  eine  Reihe  von  Arten 
(<?  und  $)  der  Gattung  Thijnnus  sowie  durch  eine  Anzahl  der 
merkwürdigen  Honigameisen  {Camponotus  iiiflatus  Lubb.)  aus 
Australien. 

Dr.  P.  Sack  übergab  aus  unserer  Dipterensammlung  Prof. 
T.  Hermann-Erlangen  die  Asiliden  zur  Bestimmung  und  die 
T3'pen  dieser  Gruppe  von  Wiedemann  und  Jaen nicke  zur 
Revision.  Unter  den  Gescheuken  ist  eine  größere  Sammlung  von 
Fliegen  aus  Palästina  und  Ägj'pten  durch  A.  Weis  hervorzuheben. 

Die  übrigen  Abteilungen  unterstehen  Dr.  J.  Guide.  In 
die  Abteilung  für  Lepidopteren  trat  E.  Müller  als  Mitarbeiter 
ein.  Er  hat  die  Seraper  sehe  Schmetterlingssammlung  von  den 
Philippinen,  die  wir  als  ganz  hervorragendes  Geschenk  Geh.Koramer- 
zienrat  0.  Braunfels  und  Dr.  P.  Stern  verdanken,  revidiert  und 
die  Ausbeute  Dr.  Mertous  von  den  Key-Inseln  in  Präparation 
genommen.  Vom  Sektionär  wurde  die  Sammlung  der  exotischen 
Hj'drocoriden  in  vier  Kasten  neu  aufgestellt.  Von  dem  Material 
der  Mertonreise  bearbeitet  Dr.  R.  Shelf  or  d -Oxford  die  Blattiden 
und  Dr.  Fr.  Werner-Wien  die  Mantiden.  Aus  unserer  Lokal- 
fauna verdient  das  Auftreten  der  Wasserwanze  Aphelocheirus 
aestivalis  Fabr.  in  der  Nidda  bei  Rödelheim  uml  das  Vorkommen 
der  Klapperheuschrecke  {Psophus  stridulus  L.)  auf  Sandstellen 
bei  Mitteldick  (August  bis  Oktober)  besondere  Erwähnung. 
Auch  diese  Abteilung  verdankt  Freiherrn  M.  von  Leonhardi 
eine  reiche  Sendung  von  Insekten  aus  Zentralaustralien.  Käuflich 
erworben  wurde  eine  Anzahl  Hemipteren  von  A.  L.  Montandon - 
Bukarest,  ferner  24  Arten  von  Hydrocoriden  und  42  Arten  von 
Cicadiden  von  0.  Staudinger-Blasewitz-Dresden. 

8.  Krustazeen. 

Durch  die  eifrige  Mithilfe  zahlreicher  Naturfreunde  konnte 
für  die  sonst  seltenen  Branchipoden  eine  Reihe  neuer  Fundorte 


—     55     — 

in  der  Umgebung  Frankfurts  festgestellt  werden.  Durch  die 
Freundlichkeit  von  Prof.  E.  Vanh offen- Berlin  erhielten  wir 
verschiedenes  Material  aus  der  Ausbeute  der  Gaußexpedition, 
namentlich  aus  der  Gruppe  der  Ostrakoden.  Durch  Kauf  von 
Dr.  W.  V er hoeff- Dresden  gelangte  eine  weitere  Serie  von 
Landisopoden.  die  zahlreiche  Typen  und  Originale  enthält,  in 
unseren  Besitz. 

9.  Aracliuoideii  und  Myriopoden. 

Das  eingelaufene  Spinnenmaterial  übernahm  wiederum 
Dr.  E.  Strand- Berlin  zur  Bearbeitung.  Freiherr  M.  vonLeon- 
hardi  schenkte  mehrere  Spinnen  und  Skorpione  aus  Zentral- 
Australien  und  Südwestafrika.  Zahlreiche  Diplopoden  und 
Chilopoden  wurden  zur  Ergänzung  der  früheren  Erwerbungen 
von  Dr.  W.  Verhoef f-Dresden  augekauft. 

10.  Würmer. 

Durch  Vermittelung  von  Dr.  K.  Priemel  erhielten  wir 
eine  seltene  Distomeeuart  {Gastrodiscus  polymasios  Leuckart) 
aus  dem  Zebra,  die  für  uns  um  so  wertvoller  ist,  als  in  unseren 
Abhandlungen  Bd.  XII  Sonsinoi  eine  eingehende  Arbeit  über 
diesen  Wurm  veröffentlicht  hat.  Durch  Tausch  mit  dem  zoo- 
logischen Institut  der  Universität  Graz  gelangten  wir  in  den 
Besitz  zahlreicher  Schnittpräparate  von  Turbellarien. 

11.  Ecliiuodermeii. 

Einige  seltene  Formen  verdanken  wir  Prot.  Vanh  offen - 
Berlin  aus  dem  Material  der  Gauß- Expedition. 

12.  Coeleiiteraten. 

Dr.  H.  M ertön  schenkte  eine  große  Anzahl  von  Quallen 
für  die  Planktousammliing. 

13.  Protozoen. 

Durch  die  Freundlichkeit  von  Prof.  M.  Flesch  gelangten 
wir  in  den  Besitz  einer  Schnittserie  von  Miescherschen  Schläuchen, 
eines  Parasiten  aus  der  Halsmuskulatur  des  Schafes.  Wegen 
der  Übernahme  des  zootoraischen  Kurses  konnte  Frau  Sond- 
heim ihre  Studien  über  Protozoen  in  afrikanischen  Schlamm- 
kulturen während  des  Sommers  nur  in  beschränktem  Maße  fort- 
setzen; doch  hat  sie  dieselben  jetzt  wieder  in  vollem  Umfang 
aufgenommen. 


—     56     — 

14.  Vergleichende  Anatomie. 

Das  eingelaufene  Material,  vorwiegend  aus  dem  Zoologischen 
Garten  und  aus  dem  Schlachthof  stammend,  konnte  wegen  Über- 
füllung der  Schränke  nur  teilweise  zu  Schausammlungsobjekten 
verarbeitet  werden  und  wurde  daher  hauptsächlich  der  wissen- 
schaftlichen Sammlung  zugewiesen,  wo  es  als  Tausch-,  Arbeits- 
und Vergleichsmaterial  von  großem  Wert  ist. 

In  der  Skelettsammlung  hat  E.  Creizenach  begonnen, 
die  Sctiädelsammlung  neu  zu  ordnen  und  zu  revidieren.  Außer 
mehieren  kleineren  Skeletten  wurden  das  Skelett  des  Ehinozeros 
und  ein  Pferdeskelett,  Geschenk  des  Kommerzienrat  R.  de  Neuf- 
ville,  präpariert. 

15.  Mikro.skopisclic  Präparate. 

Die  Sammlung,  besonders  ihre  histologische  Abteilung,  wurde 
im  veiflossenen  Jahre  wesentlich  bereichert.  Zahlreiche  Schnitte 
durch  tierische  Organe,  nach  verschiedenen  Methoden  konserviert 
und  gefärbt,  bilden  eine  erfreuliche  Grundlage  zu  einer  Samm- 
lung für  Demonstrations-  und  Lehrzwecke,  die  wir  der  eifrigen 
Tätigkeit  unserer  freiwilligen  Mitarbeiter  verdanken.  Prof. 
M.  Flescli  schenkte  uns  eine  große  Anzahl  mikroskopischer 
Präparate.  Hiervon  sind  Originalbelege  zu  wissenschaftlichen 
Publikationen  sowie  Schnittserieu  durch  früheste  Entwickelungs- 
stadien  höherer  Säugetiere  besonders  wertvoll. 

II.  Botanische  Sammlung. 

Die  x4.rbeiten  in  der  Schausammlung  sind  so  weit  fort- 
geschritten, daß  die  Aufstellung  in  den  meisten  Schränken  zu 
Ende  geführt  werden  konnte.  Das  Herbarium  ist  durch  Sammeln 
einheimischer  Pflanzen,  Tausch  und  Kauf  wesentlich  vermehrt 
worden.  Ebenso  wurde  die  wissenschaftliche  und  Lehrsamm- 
luug  durch  konserviertes  Pflanzenmaterial,  mikroskopische  Prä- 
parate und  Abbildungen  vergrößert.  Allen  Zweigen  der  Sammlung 
ist  auch  die  Reise  zustatten  gekommen,  die  Prof.  Möbius  mit 
Unterstützung  durch  das  A skenasy -Stipendium  (siehe  S.  76) 
im  März  und  April  nach  Algier   und   Tunis   unternommen   hat. 

An  den  Arbeiten  im  Museum  beteiligte  sich  regelmäßig 
wie  seit  mehreren  Jahren  C.  Koch  als  freiwilliger  Mitarbeiter. 
Zeitweilige    Beihilfe    leisteten    W.   Junormann    und    Fräulein 


—     57     — 

M.  Frank.  Mehrfach  wurde  die  Hilfe  der  Sektionäre  zur 
Bestimmung  von  Pflanzen,  Pflanzenkrankheiten  und  zu  Gut- 
achten über  den  Hausschwamm  in  Anspruch  genommen.  Dr. 
M.  Schenck  in  Siegen  erhielt  auf  seinen  Wunsch  aus  dem 
Herbarium  die  Gramineengattuug  Elymus  zum  Studium  und 
zur  Revision. 

Reichliches  Pflanzenmaterial  ging  für  die  Schau-  uud  die 
wissenschaftliche  Sammlung  von  folgenden  Personen  und  In- 
stituten ein:  cand.  med.  F.  Altstadt,  I.  M.  Andreae,  Frl. 
B.  Bagge- St.  Blasien,  Botanisches  Institut-Berlin,  Botanisches 
Institut-Hamburg,  M.  Challand,  Prof.  Dingler- AschaSen- 
burg,  C.  Fle  seh  jr.,  Dr.  Ch.  H.  Guide,  Schulinspektor  Hahne- 
Hanau,  Gg.  Har  tm  ann-Niederhöchstadt,  Prof.  L.  v.  Hej-den, 
Med. -Rat  Hey  1- Darmstadt,  W.  Jungmann,  Obergärtuer  0. 
Kraus,  C.  Koch,  Freiherr  M.  von  L  e  o  n  h  a  r  d  i  -  Großkarben, 
E.  Merck- Darmstadt,  R.  Moll,  Neid  linger,  Palmen- 
garten, W.  Paeckelmann-Elberfeld.  E.  Petsch-Manskopf , 
Dr.  M.  Plaut -Marburg,  Sanitätsrat  E.  Roediger,  Prof.  H. 
Schenck-Darmstadt,  Dr.  E.  Wolf.  Von  den  Geschenken 
sind  besonders  hervorzuheben:  eine  große  Sammlung  von  meist 
tropischem  Pflanzenmaterial,  das,  in  Spiritus  konserviert,  sowohl 
für  die  wissenschaftliche  als  auch  für  die  Schausammlung  wert- 
voll ist  (H.  Hahne),  größere  Sammlungen  von  Farbstoffdroguen 
(I.  M.  Andreae)  und  Gerbstoffdroguen  (C.  Koch),  drei  große 
Palmenstämme  von  Aremja  saccharifera,  Livistona  australis  und 
Phoenix  farinifera  (Palmengarten),  merkwürdige  Dornen  von 
Acacia- kvttn  (H.  Schenck). 

Das  Herbarium  erhielt  ein  sehr  wertvolles  Geschenk  in 
Gestalt  des  außerordentlich  reichhaltigen  und  besonders  durch 
Abnormitäten  ausgezeichneten,  aus  30  Faszikeln  bestehenden 
Herbariums  von  Gefäßkryptogameu  des  verstorbenen  Herrn  J. 
Müller- Kn  atz.  Seiner  Witt  we,  die  uns  nach  dem  Testament 
des  Entschlafenen  diese  Sammlung  übergeben  hat,  sei  der  Dank, 
den  wir  dem  Stifter  nicht  mehr  abstatten  können,  auch  an 
dieser  Stelle  ausgesprochen.  Durch  Kauf  und  Tausch  erwarb 
das  Herbarium  50  —  60  Exemplare  von  Leonhardt-Nossen 
und  durch  Tausch  50  Exemplare  von  Kaulfuß- Nürnberg. 

Abbildungen  von  Pflanzen  schenkten:  B.  Hai dy- Wies- 
baden,  J.  Hetzel,    W.  Jungmann,    C.  Koch,    Professor  H. 


—     58     — 

Schenck-  Darmstadt,  H.  S c h w a r z b e r g.  Auch  diesen  C4ebei-n 
sagen  wir  unseren  besten  Dank,  namentlich  Herrn  J.  Hetzel 
für  eine  Sammlung  von  etwa  400  Tafeln  kolorierter  Pflanzen- 
abbilduugen  aus  älteren  Werken. 

Für  die  Handbibliothek  erhielten  wir  Beiträge  durch: 
F.  Altschul,  Botanisches  Institut-Zürich,  Chemische  Fabrik- 
Flörsheim,  M.  Dürer,  Prof.  L.  von  Heyden,  Prof.  M. 
Möbius.J.  Müller-Knatz,  stud.  ret.  nat.  F.  Ra  witsch  er- 
Freiburg  i.  B.,  Smithsonian  Intitution- Washington,  Buchhandlung 
von  0.  Weigel- Leipzig.  Aus  diesen  Zuwendungen  sei  besonders 
Strasburg  er  „Botanisches  Praktikum",  2.  Aufl.  1902  (große 
Ausgabe),  geschenkt  durch  F.  Altschul  und  F.  Ra  witscher, 
hervorgehoben. 

III.  Mineralogische  und  i)etrograi)hische  Sammlmig. 

In  der  Schausammlung  wurden  an  den  Schränken  Schilder 
mit  Inhaltsangaben  unter  Glasplatten  angebracht.  Auch  inner- 
halb der  einzelnen  Glaspulte  wurde  jede  Gruppe  zur  leichteren 
Orientierung  durch  gedruckte  Etiketten  markiert.  An  den 
Museumsarbeiten  hat  sich  wie  in  früheren  Jahren  Berginspektor 
K.  Müller  in  dankenswerter  Weise  beteiligt. 

Der  spanischen  Studienreise  Dr.  Drevermanns  ver- 
danken wir  eine  größere  Anzahl  von  Mineralien  und  Gesteinen, 
darunter  16  Handstücke  von  Zinnobersorten  nebst  einem  großen 
Zinuoberblock;  stud.  rer.  nat.  H.Ewald  brachte  einige  Erze 
von  El  Mola  am  Ebro  mit,  Prof.  Mö  bius  Gips  von  Gabes  in  Tunis. 

Als  Schenker  von  Mineralien,  Gesteinen  und  Metallen  sind 
dankend  zu  erwähnen:  Frau  M.  Borgnis,  Rechtsanwalt  L. 
Braunfels,  F.  Br  es  tel- Altenhein,  Lehrer  Burk,  E.  Creize- 
nach,  J.  Fritz- Hanau,  Schulinspektor  Dr.  Halme-Hanau, 
Rektor  Henze,  Prof.  F.  Horns tein-Kassel,  Prof.  Lopriore- 
Catania,  Metallgesellschaft  Frankfurt,  Dr.  H.  von  Metten- 
heimer,  Berginspektor  K.Müller,  E.  Pet sch-Manskopf , 
Dipl.-Ing.  P.  Prior,  Dr.  R.  Richter,  San. -Rat  E.  Roediger, 
Oberförster  Roßmäßler,  Prof.  W.  Seh  auf. 

Besonders  wertvolle  Schenkungen  erhielten  wir  von  C, 
Ditter  (Schaustücke  von  Achat,  Gips,  Zinkblende  u.  a.),  Bank- 
direktor A.  von  G  winner- Berlin  und  Bezirksgeologen  Dr. 
H.  Lotz- Berlin. 


—     59     — 

A.  von  G  w  i  n  D  e  r  hat  wiederum  eine  große  Serie  von 
ausgezeichneten  Stufen  und  einzelnen  Mineralien  für  die  Schau- 
sammlung gestiftet:  ein  Riesenexemplar  von  Chalcedon  mit 
Wassereinschluß  von  Uruguay,  angeblich  Brasilien ;  drei  Dia- 
manten von  Deutsch-Süd  Westafrika ;  Quarz  mit  Gold  von  Bere- 
sowsk;  eine  schöne  Kollektion  von  22  geschliffenen  Edelsteinen, 
darunter  auch  künstliche  Rubine  —  diese  Sammlung  fand  auf 
einer  sammtbeschlagenen  Platte  mit  schwarzen  Etiketten  in 
Golddruck  im  Mineraliensaal  bei  den  Diamanten  Aufstellung; 
Smaragd  auf  Glimmerschiefer  aus  dem  Ural ;  eine  herrliche 
Gruppe  von  Kalkspat  (R  3.  |- R  3),  Bleiglanz  (doOdo.O),  Kupfer- 
kies (+£)  und  Dolomit,  auf  Dolomitgestein  aufgewachsen,  von 
Jopliu  in  Missouri;  eine  große  Mansfelder  Gipsplatte  mit  einer 
Menge  von  klaren  Kristallen  bedeckt  (doP.  doPdo.  P.  -P.  |P:o  ;  z.  T. 
Zwillinge  nach  ^oPdo)  ;  Topas  aus  dem  Nertschinsker  Gebiet, 
40:  7-1- :  5^  cm  (doP.  doP2.  oP)  ;  Kalkuranit  von  Schwarzenberg ;  eine 
mächtige  Granitplatte  von  Striegau,  dicht  mit  Orthoklasen  be- 
setzt (M,  T,  P,  x),  die  mit  Strigovit  und  Epidotnädelchen  be- 
deckt sind;  Epidot  mit  Asbest  und  Apatit  von  der  Knappen- 
wand; Pyrargyrit  von  Andreasberg  in  Höhlungen  von  Arsen- 
kugeln (Pseudomorphosen  von  Arsenkies  nach  Arsen) ;  Quarz 
und  Ziunwaldit,  angeblich  Phlogopit,  von  Zinnw^ald ;  Wulfenit 
von  Bleiberg;  Steinsalz  aus  Sizilien;  eine  Adulargruppe  aus 
den  Alpen;  Coelestin  von  Put  in  Bay,  großer  Kristall  mit 
Px».  Pdo.  xPxi.  3oP2. 

Dr.  H.  Lotz  erfreute  die  Gesellschaft  mit  einem  228  kg 
schweren  Eisenmeteoriteu  von  Gibeon  in  Südw^estafrika.  Das 
Geschenk  ist  um  so  mehr  zu  begrüßen,  als  wir  überhaupt  noch 
keinen  größeren  ganzen  Meteoriten  besaßen,  aber  von  den 
Eisen  von  Gibeou,  die  wahrscheinlich  zu  demselben  Fall  wie 
Mukerop  gehören,  vor  drei  Jahren  eine  schöne  geätzte  Platte 
erworben  hatten.  Zum  Vergleich  wurde  eine  kleine  Stelle  des 
Blocks  angefeilt,  poliert  und  geätzt. 

Im  September  wurde  uns  durch  die  Zuweisung  der  großen 
Sammlung  des  Senators  F.  J.  Kessler  (1806  bis  1889)  ein 
hochherziges  Geschenk  zuteil.  Die  Sammlung  enthält  mehrere 
tausend  Nummern,  durchweg  sorgfältig  etikettiert  und  mit  der 
Seitenzahl  der  11.  Auflage  von  Naumann-Zirkels  „Ele- 
menten der  Mineralogie"  versehen.    Eine  gründliche  Duichsicht 


—     60     — 

war  dem  Sektionär  noch  nicht  möglich ;  doch  kann  jetzt  schon 
mitgeteilt  werden,  daß  in  der  Sammlnng  zahlreiche,  treffliche 
Stücke  vorhanden  sind,  besonders  von  alten,  aufgelassenen 
Gruben.  Die  besten  Sachen  sollen  der  Scliausammlung  mit  der 
Etikette  „Sammlung  Senator  Friedrich  Jakob  Kessler" 
eingereiht,  andere  in  der  wissenschaftlichen  Sammlung  unter- 
gebracht werden.  Das  übrige  wird  vorläufig  in  seinen  Schränken 
verbleiben  und  kann  als  Tauschmaterial,  für  Praktika  etc.  Ver- 
wendung finden.  Zu  dieser  Schenkung  gehören  auch  128  exakt 
gearbeitete  Kristallmodelle  aus  Holz  oder  parafiugetränktem 
Gips,  an  denen  die  einfachen  Formen  bei  Kombinationen  oft 
durch  verschiedene  Farben  markiert  sind. 

Von  den  Erwerbungen  durch  Kauf  mögen  besonders  zwei 
Benitoite  (BaTiSiaOe)  genannt  sein,  für  deren  außergewöhn- 
liche kristaliographische  Bedeutung  auf  die  Arbeit  von  Hla- 
watsch  im  Zentralblatt  für  Mineralogie  1909  hinzuweisen  ist. 
Von  Afadagaskar  stammt  ein  wunderbar  zonar  aufgebauter 
Turmalinquerschnitt  (80  bis  100  mm)  mit  trigonalem  rotem  Kern 
und  zahlreichen  hell-  und  dunkelgrünen  Schichten ;  das  Pracht- 
stück steht  vor  einem  Spiegel  im  großen  Schauschrank. 

Prof.  Klemm -Darmstadt  stellte  der  Gesellschaft  wieder 
sechs  sehr  instruktive  Gesteinsplatteu  aus  dem  Odenwald  gegen 
Erstattung  der  Schleifkosten  zur  Verfügung.  Durch  Tausch 
erhielten  wir  einige  Mineralien  von  Prof.  Yabe  und  Lehrer 
H.  Menge. 

Die  Sammlung  mikroskopischer  Gesteinspräparate  wurde 
um  80  Schliffe  von  Sedimenten  und  kristallinen  Schiefern  ver- 
mehrt. 

IV.   Geologisch-paläoiitologische  Sammluns;. 

Auch  im  verflossenen  Jahre  wurde  die  Vervollständigung 
und  Verbesserung  der  Schausammlung  in  erster  Linie  ange- 
strebt. Die  ersten  Erklärungstafeln,  Zeichnungen  und  zahl- 
reiche neue  Etiketten  geben  hiervon  Zeugnis.  Nebenher  ging 
die  Durcharbeitung  der  wissenschaftlichen  Sammlung,  die  bei 
einzelnen  Abteilungen  gut  vorwärts  schritt. 

Es  erhielten  Sammlungsmaterial  zur  Bestimmung  resp. 
wissenschaftlichen  Bearbeitung:  Oberbergrat  Prof.  L.  von 
Amm  on- München    (Seeigel   aus   dem   oberen   Jura    von   Eich- 


—     61     — 

statt),  Dr.  K.  A  u  d  r  e  e  -  Karlsruhe  {AH/iroplevra  aus  dem  Carbou 
von  Saarbrücken),  Prof.  H.  Engelhardt-Dresden  (zahl- 
reiche Flürslieimer  Pflanzeu),  stud.  R.  Ewald -Heidelberg 
(Amnioniten  aus  der  Trias  Spaniens),  Dr.  C.  Gaillard- 
Lyon  (oligozäne  Vogelreste  aus  dem  Quercy),  Prof.  A.  de 
Gros  sou  vre- Bourges  (Limneen  und  Plauorben  des  Maiuzer 
Beckens),  cand.  rer.  nat.  F.  Haas -Heidelberg  (Kouchylien 
von  Mosbach,  Diluvium),  Prof.  W.  Kilian-Greuoble  (Tithon 
von  Cabra,  Prov.  Grauada),  Prof.  I.  Lörenthey-Budapest 
(sämtliche    Krabben   aus   dem    Rupelton    von   Flörsheim),     Prof. 

E.  Philipp!- Jena  (rätische  Fossilien  von  Sumatra),  Prof.  M. 
Schlosser- München  (eiuzelne  Knociien  aus  dem  Fajüm).   Dr. 

F.  Seh öüdorf -Hannover  (Seesterne  aus  dem  rheinischen  Devon 
und  amerikanischen  Carbon),  Prof.  E.  Strom  er- von  Rei- 
chen bach- München  (die  Krokodilreste  und  verkieselte  Hölzer 
aus  dem  Fajüm,  sowie  die  Reste  von  Janassa  aus  dem  Kupfer- 
schiefer), Dr.  A.  Till -Wien  (die  Rhyncholithen  der  Strunz- 
scheu  Sammlung  aus  dem  Muschelkalk  von  Bayreuth),  Dr.  A. 
Smith  Wood  ward- London  (fossiler  Fisch  ohne  Fundortangabe). 

Auf  Wunsch  von  Prof.  Sterzel- Chemnitz  nahm  Prof. 
Kinkelin  die  Bestimmung  der  im  dortigen  Albert-Museum  be- 
findlichen Säugetierreste  von  Mosbach  etc.  vor. 

Der  Sektionär  widmete  sich  ferner  der  Bearbeitung  der 
vom  städtischen  Tiefbauamt  im  Norden  und  Osten  der  Stadt 
ausgeführten  Grabungen,  von  denen  namentlich  die  Anlage  des 
Osthafens  wichtige  geologische  Aufschlüsse  mit  sich  brachte. 
Prof.  Kinkelin  gab  auf  Ersuchen  des  Tief bauamts  geologische 
Gutachten  über  die  Schichtenfolge  und  über  ein  Brauukohlenflöz 
im  Cyrenenmergel  des  Osthafengeländes  ab.  Er  hat  außerdem 
auf  Anregung  des  Architekten-  und  Ingenieurvereins  und  mit 
Unterstützung  des  Tiefbauamts  zur  Herstellung  der  begleitenden 
Tafeln  eine  zum  größten  Teil  auf  eigenen  25jährigen  Studien 
fußende  zusammenfassende  Darstellung  über  den  Untergrund 
Frankfurts  veröffentlicht.')  In  dieser  Schrift  spiegelt  sich  deut- 
lich wieder,  in  welch  hohem  Maße  der  Verfasser  von  1884  bis 
heute  in  seinen  geologischen  Lokalstudien  von  den  Beamten 
des  Tief  bauamts,    hoch  und  niedrig,  unterstützt  worden  ist, 

'j    F.    Kinkelin,     „Vorgeschichte   vom    Untergrund    und    von    der 
Lebewelt  des  Frankfurter  Stadtgebietes".  Frankfurt  a.  M.  (J.  Rosenheim)  1909. 


—    62     — 

und  welche  Fülle  von  Material  aus  dem  Untergrund  des  Frank- 
furter  Stadtgebietes   unser  Museum  dem  Tiefbauamt   verdankt. 

Folgende  weitere  Publikationen  behandeln  ganz  oder  teil- 
weise Material  aus  dem  Museum : 

E.  Da  que  und  E.  Krenkel:  Jura  und  Kreide  in  Ost- 
Afrika.  Neues  Jahrbuch  für  Mineralogie,  Beil.  Bd.  28,  H.  1, 
S.  150—232.    Stuttgart  1909. 

E.  Richter:  Beiträge  zur  Kenntnis  devonischer  Trilobiten 
aus  dem  Rheinischen  Schiefergebirge.  Vorbericht  zu  einer  Mono- 
graphie der  Trilobiten  der  Eifel.  Dissertation.  Marburg  1909, 
96  Seiten. 

F.  Schöndorf:  Paläozoische  Seesterne  Deutschlands  1. 
Die  echten  Ästenden  der  rheinischen  Grauwacke.  Palaeouto- 
graphica,  Bd.  56,  S.  37-112,  Taf.  7—11.  Stuttgart  1909. 

Derselbe:  Die  fossilen  Seesterne  Nassaus.  Jahrbuch  des 
Nassauischen  Vereins  für  Naturkunde,  Bd.  62,  S.  7 — 46,  Taf. 
2-5,  Wiesbaden  1909. 

Derselbe :  Organisation  und  Aufbau  der  Armwirbel  von 
Onychaster,  ebenda,  S.  47  —  63,  Taf.  6. 

A.  Till:  Die  fossilen  Cephalopodengebisse.  Jahrbuch  der 
k.  k.  geologischen  Reichsanstalt,  Bd.  58,  1908,  Heft  4,  S.  573— 
608,  Wien  1909. 

Derselbe :  Neues  Material  zur  Ammonitenfauna  des  Kelloway 
von  Villany  (Ungarn).  Verhandlungen  der  k.  k.  geologischen 
Reichsanstalt  1909,  Nr.  8,  S.  191. 

Die  reiche  Vermehrung  der  geologisch-paläontologischen 
Sammlung  ist  auf  den  Gemeiusiun  folgender  Persönlichkeiten 
zurückzuführen  :  Ingenieur  A.  A  s k  e n a s y,  Werkführer  J.  B  a  ch- 
mann-Langenbochum,  J.  Bas  quitt- Ofienbach,  Kommer- 
zienrat  E.  Beit,  Berggewerkschaf  tskasse  -  Bochum,  Direktor 
Bonhöte- Oberrosbach,  Frau  M.  Borgnis,  Architekt  0. 
Bräutigam,  Lehrer  0,  Burk,  E.  Creizenach,  Bauaufseher 
Dobbert,  Prof.  L.  E  dinger,  stud.  R.  Ewald -Heidelberg, 
Dr.  Foucar,  K.Fischer,  Geh.  Kom. -Rat  Dr.  L.  Gans,  Lehrer 
K.  Geib- Kreuznach,  Bankdirektor  A.  von  G winner- Berlin, 
cand.  rer.  uat.  F.  Haas -Heidelberg,  Bürgermeister  Hahn- 
Waldböckelheim,  Gh.  Heister,  Rektor  A.  Henze,  Philipp 
Holzmann  &  Co.,  Prof.  F.  Hornstein-Kassel,  Apotheker 
W.  Huss- Schwäbisch  Gmünd,  Dr.  A.  Jassoy,  W.  Jungmann, 


—     6H     — 

Erben  von  Senator  Kessler,  Prof.  F.  Kinkelin,  A.  Koch, 
Direktor  C.  Köller-Sötenicli,  Redakteur  H.  König- Heidelberg, 
Direktor  Körner,  Bergreferendar  Kredel-Bonn,  P.  Kuhn, 
Baurat  H.  Lindley,  Frl.  F.  Marx,  Dr.  H.  Mer ton- Heidel- 
berg, Dr.  H.  von  Mettenheime r,  Prof.  M.  Möbius,  Berg- 
inspektor K.  Müller,  Frl.  M.  Müller,  Museum  für  Völker- 
kunde, Frau  A.  Nassauer,  Direktor  Reis  er  t-Dettingen  a.  M., 
Dr.  R.  Richter,  Prof.  F.  Richters,  H.  Roos,  C.  Rosen- 
berg, Oberförster  Roßmäß  1er- Eisenbach,  Prof.  M.Schlosser- 
München,  C.  Schmitgen-Berncastel,  Prof.  Seh  wer  tschlager- 
Eichstätt,  Siegle  sehe  Güterverwaltung-Friedenfels,  Verleger 
E.  Sp  an  del -Nürnberg,  Ingenieur  B.Spitzer,  Dr.  E.  Stroof, 
G.  T  a  b  b  e  r  t ,  Städtisches  Tief  bauamt,  Dr.  K.  T  o  r  1  e  y  -  Iserlohn, 
A.  Trauner,  Oberlehrer  E.  Vogel -Graudenz,  Frau  Baron 
Gaston  de  Vinck- Chateau  la  Hooghe  bei  Ypres,  Baron 
Wo  Iff- Bonn,  F.  Wünneman  n-Bingen,  Ingenieur  A.Zimmer, 
J.  Zinn  dor f- Offenbach. 

1.  Säugetiere  und  Vögel. 
Im  Lichthof  wurden  die  frei  montierten  Skelette  eines 
Riesenhirschs  und  eines  Höhlenbären  aufgestellt.  Der  Zuwachs 
durch  Geschenke,  Tausch  und  Kauf  stammt  aus  dem  Tertiär 
von  Süddeutschland,  Südfrankreich  und  Samos,  sowie  aus  dem 
Diluvium  von  Nord-  und  Süddeutschland  und  Tirol.  Besondere 
Erwähnung  verdienen  die  im  Tausch  erworbenen  Extremitäten 
von  Hipparion  gracile  Kaup  und  eine  große  Anzahl  Höhlen- 
bärenknochen von  ganz  jugendlichen  Individuen,  ein  Geschenk 
von  Prof.  Schlosser- München. 

2.  Reptilien  und  Batrachier. 

Das  Skelett  des  Noihosaurus,  das  im  vorigen  Jahre  von 
0.  Hauck-v.  Metzler  geschenkt  worden  ist,  wird  aus  dem 
Gestein  frei  präpariert,  eine  Arbeit,  die  den  Präparator  etwa 
^li  Jahr  in  Anspruch  nehmen  wird. 

Die  wertvollste  Erwerbung  des  Jahres  ist  die  St  run  z- 
sche  Sammlung  von  Saurierresten  aus  dem  Muschelkalk  von 
Bayreuth,  die  Kommerzienrat  E.  Beit  dem  Museum  geschenkt 
hat.  Sie  enthält  eine  große  Zahl  von  Schädelresten,  Unter- 
kiefern und  anderen  Skeletteilen  von  Nothosaurus,  Ichthyo- 
saurus,   Plesiosaurus ,    Anomosaurus,    Ta7iystrophaeus    und    vor 


—     64     — 

allem  Placodus  und  C//amod/(s.  Durch  dieses  glänzende  Ge- 
schenk rückt  das  Museum  in  die  vorderste  Reihe  aller  Samm- 
lungen, was  die  Saurier  der  Vorzeit  angeht,  und  wird  speziell 
in  den  seltenen  Reptilien  des  Muschelkalkes  von  keiner  Samm- 
lung übertroffen.  Ein  Teil  der  wertvollsten  Stücke  war  längere 
Zeit  in  einer  Sonderausstellung  vereinigt. 

Eine  weitere  großartige  Schenkung  von  Sir  J.  Wernher- 
London  hat  es  der  Gesellschaft  ermöglicht,  je  ein  freimontiertes 
Skelett  von  Pelonensles,  Steneosaurus  und  Metriorlnjnchns  für 
das  Museum  anzukaufen.  Sie  stammen  von  Peterborough  wie 
der  schöne  Opltlhalniosannis  und  Crtjptoclidus,  die  bereits  im 
Lichthof  aufgestellt  und  der  Freigebigkeit  desselben  Gönners 
zu  verdanken  sind.  Als  Geschenk  unseres  korrespondierenden 
Mitgliedes  Prof.  Horn  stein -Kassel  erhielten  wir  eine  Platte 
mit  Tierfährten  sowie  mehrere  Gipsabgüsse  solcher  Platten  aus 
dem  Buntsandstein  von  Karlshafen. 

3.  Fische. 

Die  Neuerwerbungen  stammen  aus  dem  Perm  der  Saar- 
gegend und  von  Richelsdorf,  dem  Juia  von  Süddeutschland  und 
England,  der  Kreide  von  Norddeutschland,  Schlesien  und  Schweden 
und  dem  Tertiär  von  Süddeutschland,  Oberitalien  und  England. 
Hervorzuheben  sind  drei  schöne  Fische  aus  dem  Plattenkalk 
von  Eichstätt,  ein  Geschenk  von  Dr.  H.  Merton,  und  ein 
großer  Dapeditts  aus  dem  schwarzen  Jura  Schwabens,  den  Bank- 
direktor A.  von  G  w  i  n  n  e  r  geschenkt  hat. 

4.  Mollusken. 

Fräulein  ß.  Turk  ordnete  wie  im  Vorjahre  die  alttertiären 
Gastropoden;  durch  ihre  fleißige  Mitarbeit  ist  die  Durchbestim- 
mung und  Katalogisierung  dieser  Gruppe  am  weitesten  fortge- 
schritten. Rektor  A.  Henze  hat  die  Kreideversteiuerungen  z.T. 
neu  geordnet  und  bestimmt;  er  wurde  dabei  von  dem  Schüler 
H.  Herxheimer  unterstützt,  der  auch  dem  Sektionär  beim 
Einordnen  der  Kessl ersehen  Sammlung  behilflich  war.  Die 
Neuerwerbungen  stammen  aus  dem  Silur  Englands  und  Nurd- 
deutschlands  (erratisch),  dem  Devon  des  Rheinlands,  von  Böhmen 
und  Südfrankreich,  dem  Carbon  von  Westfalen,  der  Trias  von 
Süddeutschland,  Tirol,  Spanien  und  Japan,  dem  Jura  von  Nord- 
und  Süddeutschland,  England    und  Frankreich,    der  Kreide  von 


—     65     — 

Norddeutschland ,  Frankreich,  Schweden,  Algier,  Syrien  und 
Nordamerika,  dem  Tertiär  von  Nord-  und  Süddeutschland,  Nord- 
uud  Südfraukreich,  Kleinasien  und  Ägypten,  dem  Diluvium  von 
England.  Hervorzuheben  sind  mehrere  prachtvolle,  große  Schau- 
stücke für  die  Schrankaufsätze,  eine  lang  ersehnte  Erwerbung, 
die  Prof.  L.  E dinger  ermöglicht  hat,  ein  herrliches  Cerithium 
(jiganteum  Lamarck,  ein  Geschenk  von  Bankdirektor  A.  von 
Gwinuer,  sowie  einige  große,  noch  unpräparierte  fossilreiche 
Platten,  die  von  Werkführer  J.  Bachmann-Langenbochum 
und  Apotheker  W.  Huß-Schwäb.  Gmünd  geschenkt  wurden. 
Durch  großen  wissenschaftlichen  Wert  zeichnet  sich  die  Suite 
aus,  die  auf  Veranlassung  und  Kosten  von  Dr.  J.  Stroof  durch 
stud.  R.  Ewald-Heidelberg  in  der  Trias  von  Mora  am  Ebro 
gesammelt  wurde.  Schließlich  sei  noch  eine  gute  Serie  paläo- 
zäner  Gastropoden  erwähnt,    die   im   Tausch   erworben   wurde. 

5.  Arthropoden. 

Die  Trilobiten-Sammlung  befindet  sich  in  schnellem  Wachs- 
tum dank  der  Rührigkeit  Dr.  R.  Richters,  der  diese  Gruppe 
einer  durchgreifenden  Neubearbeitung  unterzieht.  Eine  be- 
sondere Zuwendung  seitens  der  Gesellschaft  ermöglichte  die 
Unterstützung  seiner  Bestrebungen  durch  den  Ankauf  zahl- 
reicher Trilobiten.  Der  Zuwachs  an  Arthropoden  stammt  aus 
dem  Cambrium  und  Silur  von  Böhmen,  Südfrankreich,  England 
und  Nordamerika,  sowie  dem  Erraticum  Norddeutschlands,  dem 
Devon  des  Rheinlandes,  von  Böhmen  und  dem  Bosporus,  dem 
Carbon  der  Saargegend  und  dem  Jura  von  Süddeutschlaud. 
Besondere  Hervorhebung  verdient  ein  vollständiges  Pracht- 
exemplar von  Bronteus  gramdatus  Goldfuß  aus  dem  Mitteldevon 
von  Iserlohn,  ein  Geschenk  von  Dr.  K.  Torley  daselbst.  Von 
Dr.  P.  Sack  wurden  die  Bernstein-Insekten  geordnet. 

6.  Brachiopoden,  einschl.  Bryozoen  und  Würmer. 

Der  Zuwachs  kommt  aus  dem  Silur  von  England,  dem 
Devon  des  Rheinlands,  von  Böhmen  und  vom  Bosporus,  der 
Trias  von  Süddeutschland  und  Tirol,  dem  Jura  von  Südfrankreich, 
der  Kreide  von  Schweden  und  Spanien,  dem  Tertiär  von  Nord- 
deutschland und  Südfrankreich.  Hervorzuheben  ist  das  Geschenk 
von  großen,  schönen  Platten  für  die  Schausammlung  durch  E. 
Creizenach  und  Prof.  L.  Edinger. 

5 


—     66     — 

7.  Ecliiuodermen. 

Neu  erworben  wurden  zahlreiche  Stücke  aus  dem  Silur 
von  Norddeutschlaud  (Erraticum)  und  Südfrankreich,  dem  Devon 
des  Rheinlands,  der  Trias  Deutschlands,  dem  Jura  Nord-  und 
Süddeutschlands  und  Frankreichs,  der  Kreide  von  Norddeutsch- 
land, Schlesien,  Belgien,  Frankreich,  Spanien,  England,  Schweden 
und  Algier  und  dem  Tertiär  von  Westfalen,  Frankreich  und 
Ägypten.  Durch  hohen  wissenschaftlichen  Wert  ragen  hervor 
ein  prächtiger  Ctenocrinus  aus  dem  Devon  von  Oberstadtfeld, 
ein  Geschenk  von  A.  H.  Wendt,  ein  vorzüglicher  Goniaster 
aus  der  englischen  Kreide,  den  E.  Cr  ei  ze  nach  schenkte,  so- 
wie eine  Platte  mit  zwei  kleinen  Seeigeln  aus  dem  weißen  Jura 
von  Eichstätt,  die  das  Museum   durch  Dr.  H.  M ertön  erhielt. 

8.  Coelenteraten. 

Das  neue  Material  stammt  aus  dem  Cambrium  Nord- 
amerikas, dem  Silur  von  Südfrankreich,  dem  Devon  der  Rhein- 
lande und  von  Nordamerika,  der  Kreide  Norddeutschlands  und 
dem  Tertiär  des  Rheinlandes,  von  Frankreich  und  Kleinasien. 
Besondere  Erwähnung  verdient  die  prachtvolle  Platte  mit  25 
Dictyophyton  nodosum  Hall  aus  dem  Oberdevon  des  Staates 
New  York,  ein  Geschenk  von  Prof    L.  E dinger. 

9.  Protozoen. 

Es  wurden  im  Tausch  Foraminiferen  und  Radiolarien  aus 
verschiedenen   Horizonten   Japans   und  aus    dem    französischen 

Tertiär  erworben. 

10.  Pflanzen. 

Als  Geschenk  erhielt  das  Museum  fossile  Pflanzen  aus  dem 
Carbon  von  Böhmen,  Westfalen  und  dem  Saargebiet,  aus  der 
Trias  von  Bayreuth  und  Tirol,  aus  dem  Tertiär  von  Öningen 
und  Spitzbergen,  sowie  aus  dem  Diluvium  und  Alluvium  vom 
Rhein  und  aus  der  Pfalz.  Hervorzuheben  ist  die  hervorragende 
Suite  von  Pflanzen  aus  dem  Rät  von  Bayreuth,  die  mit  der 
Sammlung    Strunz   von  Kom.-Rat   E.  Beit   geschenkt  wurde. 

11.  Lokalsammlung-. 

Die  Ankäufe  und  Aufsammlungen  an  den  benachbarten 
Fundorten  wurden  fortgesetzt  und  lieferten  reichen  Zuwachs 
an   Fauna   und   Flora.     Dazu   kamen   als   Geschenke   Fossilien 


—     67     — 

aus  deu  linksrlieiiiisclien  Meeressaiideu  imd  Cyreuenmergelii,  aus 
den  Braunkohlen  des  Vogelsbergs  und  ganz  besonders  aus  den 
oberpliozäneu  Sauden  des  Klärbeckens  und  anderer  Orte.  Hier 
verdient  das  Entgegenkommen  des  städtischen  Tiefbauamtes 
und  seiner  Beamten,  sowie  die  Mitarbeit  von  Ingenieur  A. 
Askenas}^  besondere  Hervorhebung.  Als  wertvolle  Geschenke 
sind  aufzuführen :  zahlreiche  Blattabdrücke  aus  dem  Polier- 
schiefer von  Kettenbach  von  Oberförster  Roßmäßler-Eisen- 
bach,  eine  schöne  Platte  mit  mehreren  Pinna  rngosa  Lud- 
wig von  K.  Fischer  und  zahlreiche  Süßwasserkonchj^lien  aus 
dem  Offenbacher  Hafen  von  J.  Z  i  n  n  d  o  r  f  daselbst. 

Der  Sektionär  ordnete  und  bestimmte  die  Mosbacher 
Säugetierfauna  neu,  die  beim  Umzug  in  Verwirrung  geraten 
war,  ebenso  die  Fossilien  aus  dem  Mainzer  Becken,  wobei  Lehrer 
L.  Laut  er  bach  ihn  unterstützte.  Er  stellte  weiter  die  von 
Prof.  Engelhar  dt -Leipzig  bearbeitete  Flora  des  Hupeltons 
von  Flörsheim  in  der  Schausammlung  aus.  Die  Süßwasser- 
konchylien  aus  dem  Offenbacher  Hafen  wurden  von  Fräulein 
B.  Tüik  frisch  konserviert. 

12.  Allg'eiueiue  Geologie. 

Zahlreiche  Geschenke  von  Gesteinsstücken  gingen  ein,  die 
besonders  die  Tätigkeit  des  fließenden  Wassers  und  der  Meeres- 
brandung klar  erkennen  lassen. 

13.  Praktische  Oeologie. 

Diese  Abteilung  wurde  neu  begründet ;  sie  erhielt  als  erste 
Geschenke  geschliffene  Gesteinsplatten  und  Proben  der  Bausteine 
Frankfurts,  als  deren  Geber  die  Sieglesche  Güterverwaltung 
in  Friedenfels  und  Philipp  Holz  mann  &  Co.  genannt  seien. 

Anschauungsmaterial  (Bilder,  Tafeln),  sowie  Bücher  für  die 
Sektionsbibliothek  wurden  geschenkt  von  E.  C reize  nach, 
K.  Fischer,  Frau  Oh.  Ist el- Paris,  Lehrer  Reich-Nerchau, 
Prof.  Schm eil- Heidelberg,  Lehrer  H.  Schwarzberg,  Prof. 
Stromer -von  Reichenbach-  München  und  Dr.  K.  T  o  r  1  e  y  - 
Iserlohn.  Hervorgehoben  sei  eine  Serie  von  über  hundert  Pho- 
tographien von  Lehrer  H.  Schwarzberg,  die  zur  Illustrierung 
der  verschiedensten  allgemein-geologischen  Fragen  dienen. 


5* 


—     68     — 


Lehrtätigkeit  im  SoiiiiDerlialbjalir  1909. 

I.  Zoologie. 

Eine  vorübergehende  Erkrankung  Prof.  Reich enb ach s, 
der  Tod  Prof.  Römers  und  die  unvorhergesehene  Teilnahme 
Dr.  Wolfs  an  einer  Forschungsreise  nach  der  Südsee  haben 
unmittelbar  vor  Beginn  des  Sommerhalbjahrs  eine  Änderung  der 
Dispositionen  für  die  zoologischen  Vorlesungen  und  Kurse  not- 
wendig gemacht.  Dr.  H.  M  er  ton  und  Frau  M.  Sondheim 
übernahmen  die  Abhaltung  des  zoologischen  Praktikums,  Ober- 
lehrer Dr.  P.  Sack  die  Leitung  der  Exkursionen,  während  die 
angekündigten  Vorlesungen  über  „Bau  und  Leben  der  Insekten" 
bedauerlicherweise  ausfallen  mußten. 

Das  zoologische  Praktikum  (zootomisch-raikroskopischer 
Übungskurs)  wurde  Dienstags  und  Freitags  von  4—6  Uhr  im 
großen  Laboratorium  abgehalten.  An  ihm  nahmen  10  Lehrer 
hiesiger  Schulen,  2  Privatgelehrte  und  7  Damen  teil.  In  28  Kursen 
wurden  unter  Zugrundelegung  des  Küken  thalscheu  Leitfadens 
sämtliche  neun  Stämme  des  Tierreichs  durchgearbeitet.  Nach 
einleitenden  Vorträgen  erhielten  die  einzelnen  Praktikanten  Ver- 
treter der  wichtigsten  Ordnungen  in  frischem  und  konserviertem 
Zustand  zugeteilt  und  wurden  angeleitet,  die  Präparation  des 
Materials  selbständig  vorzunehmen.  Die  auf  solche  Weise  ge- 
wonnenen Kenntnisse  des  anatomischen  Baues  der  Tiere  wurden 
ergänzt  und  vertieft  durch  die  mit  der  makroskopischen  Präpa- 
ration Hand  in  Hand  gehende  mikroskopische  Untersuchung 
einzelner  Gewebe  und  Organe  (Haut,  Darm,  Geschlechtsdrüsen  u.  a.) 
in  selbstangefertigten  frischen  Präparaten  und  durch  das  Studium 
mikroskopisch-histologischer  Präparate  aus  der  Sammlung  des 
Museums. 


^     69     -- 

Das  im  Kurs  verwandte  Material  an  Seetieren  (Quallen, 
Korallen,  Seesterne,  Seeigel.  Tintenfische,  Haie  usw.)  wurde 
von  den  Zoologischen  Stationen  zu  Triest  und  Rovigno  bezogen, 
mit  denen  die  Gesellschaft  im  Tauschverkehr  steht.  Bei  der 
Beschaffung  des  übrigen  Materials,  soweit  es  nicht  wie  Blut- 
egel, Krebse,  Fische,  Tauben  u.  a.  käuflich  zu  erhalten  ist  oder 
wie  Insekten,  Schnecken  und  Muscheln,  Frösche  und  Eidechsen 
auf  Exkursionen  gesammelt  werden  konnte,  waren  besonders  der 
Direktor  des  Zoologischen  Gartens  Dr.  K.  Priemel  und  Lehrer 
H.  Stridde  behilflich. 

Die  zoologischen  Exkursionen  sollten  die  Teilnehmer 
mit  der  Kleiutierwelt  der  nächsten  Umgebung  Frankfurts  be- 
kannt machen  und  ihnen  praktische  Anleitung  zum  Sammeln, 
Konservieren  und  besonders  zum  Beobachten,  selbständigen  Be- 
stimmen und  Züchten  der  Tiere  geben.  Im  ganzen  wurden 
10  Exkursionen  unternommen,  an  die  sich  Besprechungen  des 
gesammelten  Materials  anschlössen.  Die  Zahl  der  Teilnehmer 
betrug  15. 

Die  erste  Exkursion  (12.  Mai)  führte  an  den  Luderbach. 
Von  der  Königswiese  aufwärts  wurden  der  Bach  selbst  sowie 
die  benachbarten  toten  Arme  und  Tümpel  abgesucht.  Das 
Wasser  lieferte  eine  gute  Ausbeute  an  Chironoraiden,  Egeln, 
(Aulastoma  gulo,  NepheUs  vulgaris^  Clepsine  sexocidata^  Piscicola) 
und  Culicidenlarven,  darunter  die  sehr  seltene  Mochlonyx  velutinus 
Ruthe.  In  Baumstümpfen  fanden  sich  zahlreiche  Insekten- 
larven, besonders  Larven  von  Tipuliden.  Am  26.  Mai  wurden 
die  Tümpel  und  Wasserläufe  bei  Seckbach  durchsucht,  wobei 
eine  große  Anzahl  Wasserschnecken  und  Muscheln  (Pisidium 
fossarimim,  CahiciiUna  laciistris)  erbeutet  und  zahlreiche  An- 
siedelungen des  Röhrenwurmes  (Tubifex  rividorum)  beobachtet 
wurden.  Eine  Exkursion  nach  dem  Buchrainweiher  am  9.  Juli 
lieferte  eine  reiche  Ausbeute  an  Plankton,  darunter  zahlreiche 
niedere  Krebse  (Daphnien,  Ctjclops,  Diaptomus,  Gamnmrus), 
außerdem  die  Eikapseln  des  Pferdeegels  (Nejjhelis  vulgaris]. 
Auf  dem  Ausflug  nach  Ginnheim  am  16.  Juli  wurden  außer 
einem  prächtigen,  54  cm  langen,  aber  nur  etwa  1  mm  dicken 
Exemplar  des  gemeinen  Drahtwurmes  (Wasserkalb,  Gordius 
aquaticus)  die  Larven,  Puppen  und  Imagines  zahlreicher  Arten 


^     70     — 

von  Ziickfußmücken  erbeutet,  die  in  langsam  fließenden  oder 
stehenden  Gewässern  als  Fischflitter  von  großer  wirtschaftlicher 
Bedeutung  sind.  An  der  Grastränke  fanden  sich  am  30.  Juli 
die  Larven  von  fünf  verschiedenen  Waffenfliegen  (Stratiomyiden). 
Die  Ausbeute  an  Insekten,  deren  Fang  diese  Exkursion  besonders 
galt,  war  infolge  des  windigen  und  kiihlen  Wetters  nur  eine 
geringe.  Reiches  Material  an  Kiefenfuß  (Apus  cancriformis) 
lieferte  eine  Exkursion  nach  Bischofsheim  am  11.  August. 
Während  dieser  merkwürdige  Krebs  im  Freien  nur  wenige 
Wochen  lebend  zu  finden  ist,  gelang  es  einem  der  Kursteilnehmer, 
in  seinem  Aquarium  sechs  von  den  bei  dieser  Exkursion  ge- 
fangenen Tieren  ganz  ungewöhnlich  lauge  (bis  zum  30.  November) 
am  Leben  zu  erhalten.  Die  beiden  Exkursionen  nach  Nied  am  18. 
und  25.  August  galten  dem  Aufsuchen  von  Wasserkäfern,  die  sich  in 
zwei  dicht  an  der  Straße  gelegeneu,  leicht  zugänglichen,  größeren 
Wasseransammlungen  in  Menge  finden.  Die  Larven  von  Libellen 
und  Ephemeriden  waren  ein  willkommenes  Material  für  mikro- 
skopische Untersuchungen.  Bei  einer  Exkursion  nach  den  Nied- 
armen  zwischen  Rödelheim  und  Sossenheim  am  1.  September 
zeigte  die  E^auna  bereits  einen  herbstlichen  Charakter;  die  Daph- 
nien trugen  schon  Ephippien  mit  Dauereiern.  Außerdem  wurden 
in  den  Niedarmen  verschiedene  Fische  und  Batrachier,  in  den 
Wiesengräben  Gcmimarns  fhiviatilis  in  großer  Zahl  gesammelt. 
Die  letzte  Exkursion  wurde  bei  sonnigem  Herbstwetter  am 
9,  September  nach  Enkheim-Seckbach  unternommen  und  galt 
dem  Insektenfang.  Erfreulich  war  die  Zahl  der  auf  den  Wald- 
wiesen gesammelten  Libellen,  Hymenopteren  uud  Dipteren.  In 
den  Wassertümpelu  fanden  sich  zahlreiche  Wasserkäfer  {Dyticvs 
margiiialis,  Gyrinus  usw.)  und  seltene  Insektenlarven  {Hexatoma 
pellucens,  Dicranota  bimacuJata  usw.). 

Bei  dem  reichen  Material  aus  den  verschiedensten  Giuppen 
der  wirbellosen  Tiere,  das  gesammelt  und  besprochen  wurde, 
fanden  die  Teilnehmer,  meist  Lehrer  und  Lehrerinnen,  vielfache 
Anregung  für  den  naturwissenschaftlichen  Unterricht  in  ihren 
Klassen. 

II.  Botanik. 

Die  V  0  r  1  e s  u  n  g  e  n  über  Ernährungsphysiologie  der  Pflanzen 
(Prof.  M.  Mo  bins)  wurden   Dienstags    und  Freitags  von  6—7 


—    71     — 

Uhr  im  kleinen  Hörsaal  abgehalten  und  von  45  Zuhörern  und 
Zuhörerinnen  besucht.  Gegenstand  der  30  Vorträge  war:  Auf- 
nahme und  Verarbeitung  der  Kohlensäure  aus  der  Luft  unter 
dem  Eiufluß  des  Lichts  bei  grünen  Pflanzen ;  Aufnahme  des 
Stickstoffs  und  der  übrigen  Elemente  durch  die  Wurzeln ;  Auf- 
nahme, Aufstieg  und  Verdunstung  des  Wassers;  Stoffwechsel, 
Bildung  und  Verbrauch  der  Reservestoö'e ;  abweichende  Eruäh- 
rungsverhältnisse  bei  Humuspflanzen,  Schmarotzern  und  soge- 
nannten Insektivoren ;  Atmung  und  Gährung.  Die  meisten 
der  besprochenen  Erscheinungen  wurden  an  Experimenten  ge- 
zeigt und  der  Vortrag  durch  Demonstration  lebenden  und  toten 
Pflanzenmaterials,  mikroskopischer  Präparate  und  dergleichen 
unterstützt.  Dabei  wurde  auch  die  wichtigste  Literatur  auf- 
gelegt und  besprochen. 

Ungefähr  alle  14  Tage  wurden  am  Samstag  nachmittag 
botanische  Exkursionen  in  die  Umgebung  Frankfurts 
unternommen,  um  die  Hörer  der  Vorlesung  und  andere  Teil- 
nehmer mit  der  hiesigen  Flora  und  Vegetation  näher  bekannt 
zu  machen  und  sie  mancherlei  biologische  Erscheinungen  im 
Freien  beobachten  zu  lassen.  Bei  den  meisten  Exkursionen,  zu 
denen  sich  in  der  Regel  12 — 20  Teilnehmer  eingefunden  hatten, 
wurde  der  Dozent  durch  den  vortrefflichen  Kenner  der  Frank- 
furter Flora  M.  Dürer  unterstützt. 

Die  erste  Exkursion  (8.  Mai)  führte  von  der  Oberschwein- 
stiege nach  Oberrad  und  war  auf  die  Frühlingsflora  gerichtet; 
eine  zweite  (22.  Mai)  galt  dem  Besuch  des  Vilbeler  Waldes,  wo 
Bayiunculus  lanuginosus  u.  a.  reichlich  gefunden  wurde.  Auf 
einem  Ausflug  von  Kelsterbach  nach  der  Unterschweinstiege  am 
5.  Juni  konnten  mannigfaltige  Vegetationen  beobachtet  werden, 
z.  B.  die  Sandflora  bei  Kelsterbach,  die  Ufer-  und  Wassei- 
pflanzen  am  Main,  die  Farne  des  Waldes,  Dictanmus  albus  u.  a 
Die  vierte  Exkursion  wurde  am  29.  Juni  von  Cronberg  aus 
nach  Falkenstein  und  ins  Reichenbachtal  unternommen  und 
brachte  eine  sehr  reiche  Ausbeute  an  Pflanzen  der  Gebirgsflora. 
Ein  Ausflug  am  7.  August  galt  besonders  dem  Studium  der  Sumpf- 
und  Wasserpflanzen,  wozu  die  Gegend  bei  Dornheim  gute  Ge- 
legenheit bot.  Zwei  weitere  Exkursionen  lehrten  die  Sandflora 
von   Arheiligen-Wixhausen    (21.  August)   und    die  Pflanzenwelt 


—     Tl     — 

des  Mainufers  auf  dem  Wege  von  Niederrad  nach  Schwanheim 
(4.  September)  kenneu.  Die  letzte  kleinere  Exkursion  am  18. 
September  war  leider  durch  Regen  gestört ;  sie  wurde  in  den 
Frankfurter  Stadtwald  (bis  Isenburg)  unternommen,  um  Pilze 
zu  sammeln,  die  reichlich  und  aus  den  verschiedensten  Familien 
des  Systems  gefunden  wurden. 

Das  botanisch-mikroskopische  Praktikum  war 
im  letzten  Sommer  nur  für  Geübtere  bestimmt,  im  besonderen 
für  solche,  die  an  dem  Kursus  für  Anfänger  schon  früher  teil- 
genommen hatten.  Es  sollte  zur  Einführung  in  das  Studium 
der  Kr^'ptogamenkunde  dienen.  Zu  diesem  Zweck  wurde  das 
teils  von  dem  Leiter  des  Kurses  gesammelte,  teils  aus  dem 
Botanischen  und  Palmeiigarten  beschaffte  Material  mikroskopisch 
untersucht  unter  kurzgefaßten  Erläuterungen  und  Demonstrationen 
an  Wandtafeln  und  Zeichnungen.  Jeder  Kursteilnehmer  stellte 
sich  seine  Schnitte  selbst  her  und  konnte  sich  bei  deren  Auf- 
bewahrung eine  Sammlung  sonst  schwierig  zu  erlangender  Ob- 
jekte anlegen.  Das  Praktikum  wurde  Mittwochs  von  3—  6  Uhr 
im  großen  Laboratorium  abgehalten ;  die  Zahl  der  Teilnehmer, 
meistens  Lehrer,  betrug  10.  In  17  Kursen  wurden  zunächst 
die  Fortpflanzungsorgane  der  Angiospermen  (Hirtentäschel , 
Capsella  hursa  paston's)  und  Gymnospermen  (Kiefer,  f^inffs)  unter- 
sucht; hierauf  folgten  die  Gefäßkryptogamen  i^Lycopodium,  Sela- 
ginella,  Isoetes,  Equiseium^  Farne,  Pilularia^  Salvinia^  Axolld), 
die  Moose  {Sphagmim,  verschiedene  Laub-  und  Lebermoose, 
besonders  Marchantia),  Algen  (Rot-  und  Brauntange,  einzelne 
Grünalgen),  Pilze  (verschiedene  Asco-,  Basidio-  und  Phycomyceten) 
und  Flechten. 

Außerdem  wurden  auf  Wunsch  des  Vorstandes  der  Frauen- 
sclmle  Montags  von  8-4  Uhr  im  kleinen  Hörsaal  für  einige 
Kindergärtnerinnen  und  Schülerinnen  des  Instituts  Steimer  Vor- 
träge über  „Pflanzenbiologie"  gehalten,  in  denen  an  der 
Hand  von  Experimenten  und  anderen  Demonstrationen  die 
Grundbegriffe  der  Ernährung  und  des  Wachstums  der  Pflanzen 
erklärt  wurden. 

III.   31iiieraloi^ie. 

Die  petrographischen  Vorlesungen  (Prof.  W.  Schauf) 
behandelten  die  wichtigsten  Gesteinsarten  und  deren  Entstehung. 


—     73     — 

Sie  wurden  Mittwochs  von  6 — 7  Uhr  im  kleineu  Hörsaal  ab- 
gehalten und  waren  recht  gut  besucht.  Nachdem  im  voraus- 
gegangenen Winter  in  einem  allgemeinen  Teil  die  vulkanischen 
Erscheinungen,  gesteinsbildenden  Mineralien  und  deren  optische 
Eigenschaften,  die  Natur  der  Tiefen-  und  Ergußgesteine,  sowie 
die  Ursache  dieser  Faziesbildung,  die  Kontaktmetamorphose  u.  a. 
besprochen  worden  waren,  beschäftigten  sich  die  Sommervor- 
lesungen vorwiegend  mit  der  Systematik  der  Eruptivtypen, 
während  den  kristallinen  Schiefern  und  Sedimenten  nur  wenige 
Stunden  gewidmet  werden  konnten.  Auch  hier  wurden  die 
genetischen  Prozesse,  magmatische  Differentiation,  Schlieren- 
bildung, Pneumatolyse  usw.  in  den  Vordergrund  gestellt  und 
nur  die  Haupttypen  der  Eruptivmassen  eingehend  charakterisiert. 
Die  Übereinstimmung  der  ältereu  und  jüngeren  Ergußgesteine 
wurde  stets  betont;  von  „Ganggesteinen"  wurden  nur  wohl  charak- 
terisierte Typen  erwähnt.  Taunus,  Spessart  und  Odenwald 
dienten,  wenn  irgend  möglich,  als  Ausgangspunkte  für  die  Ge- 
steinsstudien. Die  Verwendung  zu  Bau-  und  ornamentalen 
Zwecken  fand  gebührende  Beachtung. 

10  —  15  Mikroskope  standen  für  jede  Vorlesung  zur  Ver- 
fügung. Zur  Demonstration  des  geologischen  Auftretens  und 
der  Absonderuügserscheinungen  diente  eine  große  Zahl  schema- 
tischer  Zeichnungen. 

IV.   Geologie  und  Paläontologie. 

Die  Vorlesungen  Dr.  F.  Drevermanus  über  den  Taunus 
und  sein  Vorland  (Donnerstags  von  7 — 8  Uhr  im  kleinen  Hör- 
saal) waren  im  wesentlichen  erläuternde  Begleitworte  zu  den 
von  dem  Dozenten  veranstalteten  Exkursionen  und  dienten 
dazu,  die  vorausgegangene  Wintervorlesung  zu  ergänzen  und 
zu  vertiefen. 

Die  Exkursionen,  sieben  au  der  Zahl,  wurden  in  dei' 
Regel  an  Sonntagen  unternommen.  Am  9.  Mai  wurde  vor- 
mittags der  große  Dy  ckerh  of  f  sehe  Steinbruch  am  Heßler  bei 
Wiesbaden  besucht  (reiche  Fundorte  im  Hydrobienkalk  und  den 
«larüber  liegenden  Mosbacher  Sauden).  Am  Nachmittag  zeigten 
die  Steinbrüche  bei  Sounenberg  mit  ihren  steil  aufgerichteten, 
gefalteten  und  von  quarzgefüllten  Rissen  durchschwärmten  Se- 
ricitgneisen   deutlich   den   Gegensatz   zwischen   diesen   Taunus- 


—     74     — 

gesteinen  und  den  flach  gelagerten  Schichten  des  Vorlandes. 
Ein  Ausflug  am  Samstag  den  15.  Mai  fiihite  in  die  Rupeltou- 
ginbe  bei  Flörsheim  (Absatz  aus  tieferem  Meer:  Besprechung 
der  eigenartigen  Fauna  und  Flora)  und  in  den  Kalkbruch  am 
Wege  nach  Hochheim.  In  den  geschichteten  Cerithienkalkeu 
wie  auch  in  den  stockförmig  aufragenden  Algenkalken  dieses 
Bruches  konnte  eine  Fülle  von  Brackwasser-  und  einge- 
schwemmten  Landkonchylien  gesammelt  werden.  Am  18.  Juni 
wurde  von  Butzbach  aus  eine  Exkursion  nach  Oppershofen,  wo 
eine  versteinerungsführende  Scholle  des  ünterdevous  aus  der 
tertiären  und  diluvialen  Decke  herausragt,  und  nach  Münzenberg 
zum  Studium  der  dortigen  „Blätterquarzite"  unternommen.  An 
beiden  Punkten  ist  trotz  Regens  und  Sturms  mit  gutem  Erfolg 
gesammelt  worden.  Um  auch  die  vulkanischen  Gesteine  der 
Nachbarschaft  zu  erläutern,  führte  Prof.  Seh  auf  am  20.  Juni 
zahlreiche  Teilnehmer  in  die  Basaltbrüche  von  Steinheim  bei 
Hanau  und  besprach  an  Ort  und  Stelle  das  Auftreten  und  die 
Erscheinungsweise  des  Basalts  und  des  Halbopals.  Am  Samstag 
den  26.  Juni  ging  es  zu  einer  zweitägigen  Exkursion  mit  der 
Bahn  nach  Niederselters,  von  dort  zu  Fuß  nach  Vilmar,  wo  am 
Wege  steil  aufgerichtete  Devonschichten  und  Diabase  angesehen 
wurden.  In  Vilmar  selbst  fand  eine  eingehende  Besichtigung 
des  großen  Marmorwerks  statt,  in  dem  mächtige  Blöcke  uralten 
RiSkalkes  aus  den  Felsen  herausgesägt  und  als  „Marmor"  ver- 
arbeitet werden.  Am  Nachmittag  führte  der  Weg  von  Station 
Friedrichsegen  nach  der  Grube  hinauf,  wo  Direktor  Leuschner 
die  Teilnehmer  willkommen  hieß  und  in  den  gastlichen  Räumen 
des  Kasinos  bewirtete.  Ein  Vortrag  von  Direktor  Glocke- 
meier erläuterte  die  zahlreichen  ausgestellten  Gangstufen  und 
ihr  Auftreten.  Nachdem  in  Braubach  übernachtet  worden  war, 
wurde  am  nächsten  (Sonntag-)  Vormittag  zuerst  ein  benach- 
barter Fundort  im  Unterdevon  mit  gutem  Erfolg  besucht  und 
nachmittags  die  Höhe  von  Bornig  unweit  St.  Goarshausen  er- 
stiegen. Der  weite  Blick,  den  diese  Höhe  über  die  Terrassen 
des  Rheintals  bietet,  zeigt  deutlich,  wie  der  Rhein  sich  allmäh- 
lich und  mit  langen  Pausen  das  enge  Bett  gegraben  hat,  in 
dem  er  heute  tief  zu  den  Füßen  der  Lorelej'  dahinfließt.  Mit 
einer  fröhlichen  Dampferfahrt  nach  Bingen  schloß  diese  Ex- 
kursion ab. 


—     75    — 

Am  15.  August  wurde  die  in  der  Geologie  berühmte  Gegend 
von  Alzey  aufgesucht.  Unter  Fiihrung  des  Lehrers  Th.  Crecelius 
aus  Lonsheim  wurden  die  verschiedenen  Aufschlüsse  besichtigt 
und  Versteinerungen  in  Hülle  und  Fülle  gesammelt.  Besonders 
interessant  waren  die  Stellen,  an  denen  der  Meeressand  mit 
mächtigen  Blöcken  untermischt  ist,  welche  die  Brandungswoge 
vom  Uferfelsen  abgerissen  hat.  Hier  bieten  Austern  und  andere 
Küstentiere  ein  Bild  dar,  als  ob  das  Meer  eben  erst  den  Platz 
verlassen  hätte.  Am  Samstag  den  4.  September  wurde  noch 
ein  kleinerer  Spaziergang  nach  dem  Gelände  des  neuen  Ost- 
hafens unternommen,  wo  die  gewaltigen  Ausschachtungen  den 
tertiären  Untergrund  (Cyrenenmergel)  und  die  darüberliegenden 
Mainschotter  mit  einer  ganzen  Musterkarte  von  Gesteinen  der 
durchflossenen  Gegenden  zeigen.  Im  Anschluß  an  diese  Be- 
sichtigung erläuterte  Direktorial-Assistent  Dr.  S.  We  Ick  er  vom 
städtischen  historischen  Museum  in  eingehender  Weise  die 
reichen  neolithischen  Funde  von  Wohngruben  und  anderen 
Zeichen  der  frühen  Anwesenheit  des  Menschen  in  der  Frank- 
furter Gegend. 

Die  Vorlesungen  waren  von  69  Hörern  und  Hörerinnen 
besucht;  bei  den  Exkursionen  schwankte  die  Zahl  dei-  Teil- 
nehmer zwischen  20  und  40. 


—     76    — 


Eine  botanische  Exkursion  nacli  Algier 
und  Tunis. 


Mit  8  Abbildungen 

von 
Martin  Möbius. 


Wenn  man  vom  westlichen  Deutschland  aus  nach  Osten 
reist,  so  kann  man  bis  an  die  Ostküste  Sibiriens  kommen,  ohne 
daß  sich  die  Vegetation  wesentlich  verändert :  der  Wechsel  von 
Laub-  und  Nadelwäldern  mit  Wiesen  wird  uns  bis  dorthin  be- 
gleiten, und  in  den  vorkommenden  Arten  der  Pflanzen  wird 
sich  nur  eine  ganz  allmähliche  Veränderung  zeigen.  Wenn  wir 
aber  unsere  Reise  von  demselben  Ausgangspunkt  nach  Süden 
richten,  so  können  wir  in  drei  Tagen  ebensoviele  deutlich  von- 
einander unterschiedene  Vegetationszonen  kenneu  lernen.  Wir 
gelangen  nämlich  in  einem  Tage  aus  dem  nördlichen  Waldgebiet 
in  das  Mittelmeergebiet ;  wir  fahren  am  zweiten  Tage  über  das 
Mittelmeer  und  treffen  an  Afrikas  Nordküste  zwar  noch  sehr 
ähnliche  Verhältnisse  wie  an  der  Südküste  Europas  an ;  aber 
ein  dritter  Tag  bringt  uns  über  das  Atlasgebirge  an  den  Nord- 
rand der  Wüste  Sahara,  in  eine  wesentlich  neue  Vegetations- 
zone. Von  diesem  Ge.sichtspunkt  aus  hatte  ich  schou  längst  die 
Absicht,  eine  solche  botanische  Exkursion  zu  unternehmen,  die 
nun  im  Frühjahr  1909  zur  Ausführung  kam.  Wenn  ich  meine 
Reise  nach  Algier  und  Tunis,  die  sechs  Wochen  in  Anspruch 
nahm,  auch  nur  als  einen  flüchtigen  Besuch  dieser  Länder  be- 
zeichnen kann,   so  möchte  ich  doch  versuchen,  die  gewonnenen 


—     77     — 

Eindrücke  in  Kürze  hier  wiederzugeben  ohne  Ansprach  darauf, 
etwas  wesentlich  Neues  zu  bringen.^) 

In  diesem  Jahre  dauerte  in  Deutschland  der  Winter 
noch  den  ganzen  März  hindurch.  Wir  fuhren  am  10.  dieses 
Monats  von  Frankfurt  ab  und  fanden  bis  Lyon  noch  viel  Schnee 
auch  in  den  unteren  Regionen  liegen;  von  frischem  Grün  sahen 
wir  bei  dieser  Stadt  die  ersten  Spuren.  Südliche  Vegetation 
mit  den  immergrünen  Eichen,  Oliven,  Eukalyptusbäumen  usw. 
tat  sich  zuerst  bei  Arles  auf,  das  wir  wegen  der  interessanten 
Reste  aus  dem  römischen  Altertum  nicht  unbesucht  lassen 
wollten.  Vor  Marseille  hat  man  sogar  schon  den  Vorgeschmack 
des  Steppen-  und  Wüstencharakters  der  Vegetation,  wenn  der 
Zug  durch  die  steinige,  mit  einzelnen  Sträuchern  und  Gräsern 
bewachsene  Ebene  der  sogenannten  Crau^)  fährt.  Abe;-  südliche 
Wärme  war  auch  hier  noch  nicht  zu  finden :  in  Marseille  waren,  damit 
die  Menschen  ihr  Bedürfnis,  im  Freien  zu  sitzen,  befriedigen 
konnten,  vor  einigen  Cafes  auf  der  Straße  Ofen  neben  den 
Tischen  aufgestellt.  Hier  schifften  wir  uns  am  Mittag  des 
14.  März  auf  einem  französischen  Dampfer  ein  und  erreichten 
nach  einer  Fahrt  von  27  Stunden,  die  im  Golfe  du  Lyon  durch 
Kälte,  Wind  und  Regen  recht  unangenehm  wurde,  die  Stadt 
Algier.  Die  herrliche  Lage  dieser  Stadt  ist  beiühmt,  und  in 
seinem  arabischen  Teil  bietet  Algier  dem  Europäer  viel  Inter- 
essantes; aber  in  rein  botanischer  Hinsicht  findet  der  nicht  viel 
Neues  hier,  der  die  Riviera  kennt,  da  ja  die  nördlichen  und 
südlichen  Küsten  des  westlichen  Mittelmeers  in  der  Vegetation 
einander  sehr  ähnlich  sind.  Ich  erwähne  deshalb  von  unserem 
Aufenthalt  in  Algier  nur  den  Besuch  des  wundervollen  botanischen 


^)  Zur  Ausführung  der  Reise  erhielt  ich  von  der  Senckenbergischen 
Naturforschenden  Gesellschaft  das  im  Jahre  1908  zum  ersten  Mal  erteilte 
Askenasy-Stipendium,  das  von  den  Hinterbliebenen  des  im  Jahre  1903  ver- 
storbenen a.  0.  Professors  der  Botanik  zu  Heidelberg  Eugen  Askenasy 
zur  Förderung  botanischer  Untersuchungen  und  Reisen  gestiftet  worden  ist. 
Ich  ergreife  gern  die  Gelegenheit,  sowohl  denen,  die  das  Stipendium  gestiftet, 
als  auch  denen,  die  es  zu  vergeben  haben,  an  dieser  Stelle  meinen  verbind- 
lichsten Dank  auszusprechen. 

*)  Eine  gute  Beschreibung  der  Grau  findet  man  in  dem  Buche  von 
Charles  Martins  „Von  Spitzbergen  zur  Sahara"  (deutsche  Ausgabe,  Jena 
1868.  2.  Bd.,  S.  135).  Nach  Martins  stammt  das  Wort  Crau  von  dem  kel- 
tischen „crai",  das  Stein  bedeutet, 


-     78     — 

Gartens  in  der  Vorstadt  Mustapha  infeiieur,  da  mau  außerhall) 
der  Tropen  schwerlich  etwas  Ähnliches  finden  wird.  Vor  mehr  als 
60  Jahren  wurde  er  als  Versuchsgarten  für  die  Kultur  tropischer 
und  anderer  Pflanzen  angelegt  und  soll  in  Zukunft  mehr  zu 
einem  Park  eingerichtet  werden.  Näher  beschreiben  will  ich 
ihn  nicht,  weil  dies  bereits  von  verschiedener  Seite,  aber  mit 
dem  gleichen  Ausdruck  der  Bewunderung  geschehen  ist.')  Man 
findet  dort  Plätze,  die  den  Besucher  geradezu  in  die  Tropen 
versetzen :  so  üppig  und  mannigfaltig  entwickelt  sich  hier  die 
Vegetation.  Da  stehen  mächtige  Palmen  verschiedener  Art. 
gewaltige  Bäume  von  Ficus,  Ceiba  u.  a.  Bombaceen,  mit  Lianen 
behangen  und  noch  Raum  lassend  für  einen  reichen  Pflanzen- 
wuchs auf  dem  Boden.  Den  größten  Eindruck  macht  eine  Allee 
von  Ficus  maciopJnjlla:  die  kurzen  dicken  Stämme  sind  von 
mächtigen,  stammartigen  Luftwurzeln  und  oberflächlichen  starken 
Bodenwurzelu  derart  umgeben,  daß  die  Basis  eines  jeden  Baumes 
den  Raum  eines  Zimmers  einnimmt.  Man  braucht  mehrere 
Stunden,  um  den  Garten  einigermaßen  kenneu  zu  lernen.  Sonst 
haben  wir  nicht  viel  von  der  näheren  Umgebuug  Algiers  ge- 
sehen; es  war  auch  hier  kühl  und  regnerisch,  und  deshalb 
w^ollten  wir  möglichst  bald  den  Süden  erreichen. 

Man  kann  zwar  von  Algier  aus  in  17  —  18  Stunden  mit 
der  Bahn  bis  nach  Biskra  kommen ;  wir  zogen  aber  den  Umweg 
über  Bougie  und  Setif  vor,  um  die  berühmte  Todesschlucht, 
Chabet-el-Akhra,  zu  besuchen.  Die  Bahn  führte  uns  zunächst 
an  dem  Nordrand  des  kleinen  Atlas  hin  und  ließ  uns  im  Hinter- 
grunde die  schneebedeckten  Gipfel  des  Djurdjura  sehen.  Dann 
durchfuhren  wir  das  Gebirge  selbst  und  wandten  uns  wieder 
nördlich  zur  Küste.  In  den  ebenen  Teilen  ist  das  Land  gut 
bebaut  und  trägt  Getreidefelder,  Gemüse-  und  Obstgärten. 
Das  noch  niedrige,  grüne  Getreide  besteht  wohl  meistens  aus 
Weizen  und  zwar  wird  hier  besonders  der  Hartweizen,  Iriti- 
cum  duriun,  gebaut.  Die  Reben,  auf  großen  Feldern  gezogen, 
waren  noch  ganz  blattlos,  Artischocken  und  Buffbohnen  dagegen 
waren  schon  ziemlich  weit  entwickelt.  Oft  sind  die  Felder  von 
Hecken  stachliclier  Opuntien  umgeben ;  diese  und  Agaven  werden 
aber  auch  selbst  felderweise  kultiviert.     Von  Bäumen  seien  er- 

')  Bei  Martins  1.  c.  S.  221  und  bei  Kobelt  „Keiseerinnerungen  aus 
Algerlen  und  Tunis"  (Frankfurt  a.  M.  1885,  S.  27). 


-     79  •  — 

wähnt  Orangen  und  Zitronen  und  die  gerade  in  Blüte  stehenden 
Mandeln.  Besonders  au  den  Stationen  finden  sich  Eukalyp- 
tusbäume angepflanzt,  deren  hohe  Stämme  gutes  Material  für 
die  Telegraphenstangen  liefern.  Auch  als  Chausseebäume  werden 
manche  Eukalypten  verwendet  und  als  Stecklinge  gepflanzt. 
Deshalb  sieht  mau  viele  ihrer  Zweige  beraubte  Stämme,  die 
aber  wie  Kopfweiden  wieder  ausschlagen  und  dann  mehr  die 
Form  von  Pyramidenpappeln  annehmen.^)  In  höheren  Lagen 
sind  an  den  Stationen  die  Eukalypten  gewöhnlich  durch  Strand- 
kiefern ersetzt;  Piuus  maritima  ist  ein  schöner  Baum,  der  eine 
viel  dichtere  Krone  als  unsere  Waldkiefer  hat.  Das  gebirgige, 
nicht  bebaute  Land  ist  teils  mit  der  als  Maquis  bezeichneten 
Buschvegetation  bekleidet,  teils  trägt  es  den  Charakter  der 
Steppe,  in  der  die  schönen,  weiß  blühenden  und  ganze  Beete 
bildenden  Büsche  des  Asphodelus  albus  und  die  hohen  Stauden 
der  Umbellifere  Ferula  communis  mit  feiuzerschlitzten  Blättern 
und  gelben  Blütendolden  die  Blicke  auf  sich  ziehen.  Merk- 
würdig war  eine  Steppe,  die  als  Hauptpflanze  die  Zwergpalme, 
Chamaerops  humilis,  trug;  die  nur  etwa  V2 — 1  Meter  hohen 
Büsche  waren  in  unregelmäßigen  Abständen  über  den  Boden 
verstreut,  der  das  nackte  Gestein,  aber  auch  zahlreiche  blühende 
Frühliugskräuter  zeigte.  Doch  wollen  wir  nicht  weiter  auf 
Einzelheiten  eingehen  und  zur  Schilderung  unserer  Reise  zurück- 
kehren.^) 

Nachdem  wir  Algier  frühmorgens  verlassen  hatten,  kamen 
wir  Nachmittags  in  Bougie  an,  das  an  einer  Bucht  des  Meeres 
höchst  anmutig  gelegen  ist,  so  daß  man  sich  an  das  Ufer  eines 
Schweizer  Sees  versetzt  wähnt.     Leider  war  unser  Aufenthalt 


^)  Im  Jahre  1861  wurde  zuerst  Eiiralyptus  globulus  aus  Austra- 
lien in  Algier  eingeführt,  wo  der  Baum  so  günstige  Existenzbedingungen 
fand,  daß  er  jetzt  wie  die  aus  Amerika  stammenden  Agaven  und  Opuntien 
zu  den  dauernden  Bestandteilen  der  Flora  zu  rechnen  ist.  Außer  der 
genannten  Art  und  besonders  noch  E.  rostrata  werden  zahlreiche  Arten 
und  aus  diesen  gezogene  Hj-briden  kultiviert,  worüber  man  Näheres  findet 
in:  Battandier  et  Trabut,  „L'Algerie"  (Paris,  1898),  einem  Buche,  das 
den  Besuchern  von  Algier  sehr  zu  empfehlen  ist. 

'^)  Zum  Bestimmen  der  wildwachsenden  Pflanzen  besitzen  wir  ein  sehr 
gutes,  kleines  Buch,  leider  ohne  Abbildungen,  in:  Battandier  er.  Tra- 
but, „Flore  analytique  et  synoptique  de  TAlgerie  et  de  la  Tunisie"  (Alger, 
1902,  8«,  460  S.j 


-   -80    — 

liier  nur  kurz,  denn  am  nächsten  Morgen  um  vier  Uhr  ging  die 
Post  ab,  die  uns  nach  Setif  bringen  sollte.  Fast  drei  Stunden 
führt  zunächst  der  Weg  am  Ufer  des  Meeres  hin ;  dann  biegt 
er  in  das  Gebirge  ein,  dessen  Wald  hauptsächlich  von  Kork- 
eichen (Qiierciis  suber)  gebildet  wird,  mit  Baumheide  als  Unter- 
holz. Wo  von  jenen  Bäumen  die  alte  Rinde  am  unteren  Teil 
des  Stammes  zur  Korkgewinnuug  entfernt  ist,  da  erscheint  die 
neu  sich  bildeude  Rinde  mit  rotbrauner  Farbe  und  macht  auf 
diese  Weise  den  Baum  leicht  kenntlich.  Die  Heide,  Erica  ar- 
borea,  prangte  bereits  im  Schmuck  ihrer  weißen,  rötlich  ange- 
hauchten Blüten.  An  den  Wegen  fanden  sich  viele  Caruben 
oder  Johannisbrotbäume  (Ceratonia  siliqiia)^  die  bereits  im  Ab- 
blühen begriffen  waren.  Häufig  war  auch  der  Weg  mit  Judas- 
bäumen eingefaßt,  die  noch  unbelaubt  aber  dicht  mit  ihren 
braunroten  Hülsenfrüchten  behängen  waren.  Eukalypten,  Ca- 
suarinen  und  echte  Akazien  mit  duftenden,  gelben  Blütenrispen 
fanden  sich  ebenfalls  reichlich  angepflanzt.  Oleander  begleiten 
die  Bachränder,  wie  es  bei  uns  die  Weiden  tun ;  sparrige  Giuster- 
arten  dagegen  sind  häufig  an  trockenen,  steinigen  Stellen  des 
Weges.  Dieser  wird  nun  immer  mehr  durch  steile  Berge  ein- 
geengt und  führt  in  die  7  km  lange,  großartige  Todesschlucht, 
deren  felsige  Abhänge  bis  1800  m  aufsteigen.  Die  Fahrstraße 
ist  erst  durch  die  Franzosen  in  sechsjähriger  Arbeit  (1864  —  1870) 
angelegt  worden,  um  Bougie  auf  kürzerem  Wege  mit  Setif  zu 
verbinden.  Der  Verkehr  der  Einheimischen  scheint  zwar  nicht 
sehr  lebhaft  zu  sein ;  aber  auch  in  dieser  Wildnis  begegneten 
wir  mehreren  Automobilen,  mit  denen  Touristen  diese  Sehens- 
würdigkeit besuchten.  Gegen  Mittag  gelangten  wir  an  das 
Ende  der  Schlucht  und  erreichten  das  hoch  und  frei  gelegene 
Kerrata,  wo  wir  rasteten  und  eiu  vorzügliches  Dejeuner  ge- 
nossen. Doch  ging  es  von  hier  aus  immer  weiter  hinauf : 
die  Vegetation  wurde  immer  ärmer  an  Baumwuchs,  schließlich 
blieben  nur  noch  kaum  grüne  Getreidefelder  übrig.  Da  nun 
auch  statt  der  südlichen  Bäume  Pyramidenpappeln  und  Kopf- 
weiden auftraten,  so  konnte  man  glauben,  durch  eine  deutsche. 
winterliche  Hügellandschaft  zu  fahren,  ein  Eindruck,  der  durch 
den  kalten  Regen  noch  verstärkt  und  nur  durcii  die  ärmlichen 
Kabylendörfer,  die  hie  und  da  passiert  wurden,  gestört  wurde. 
Um  sechs  Uhr  kamen   wir   bei  Dunkelheit  in  Setif  an.     Dieser 


—     81     — 

über  1000  m  hoch  liegende  Ort  mit  über  15  000  Einwohnern 
ist  die  höchstgelegene  Stadt  Algeriens  und  darum  im  Winter 
sehr  kalt.  Wir  waren  aucli  jetzt ,  am  20.  März ,  recht  froh, 
daß  ein  Feuer  im  Kamin  brannte,  als  wir  im  Hotel  unser  Diner 
einnahmen,  und  waren  nicht  minder  froh,  als  wir  am  nächsten 
Vormittag  diesen  trostlosen  Ort  verlassen  konnten.  Die  Gegend, 
durch  die  uns  nun  wieder  die  Eisenbahn  führte,  behielt  noch 
lange  denselben  dürren  und  winterlichen  Charakter  wie  vor 
Setif;  später  nahm  sie  den  einer  richtigen  Steppe  an,  deren 
Boden  getrennte,  niedrige  Pflanzen  trägt.  Auf  dieser  Steppe 
ziehen  die  Araber  mit  ihren  aus  Kindern,  Eseln,  Ziegen  und 
Schafen  gemischten,  kleineren  oder  größeren  Herden  umher. 
Ihre  Wohnungen  bestehen  aus  elenden  Lehmhütten,  die  auch 
zu  kleinen  Ansiedelungen  vereinigt  sind,  oder  aus  Zelten.  Mit 
Freude  und  Interesse  erblickten  wir  die  ersten  Kamele,  als  wir 
weiter  nach  Süden  gekommen  waren.  Es  begann  schon  zu 
dunkeln,  da  wir  an  den  von  Wasservögeln  belebten  großen 
Seen,  dem  Schott  Tinsilt  rechts  und  dem  Schott  Mzuri  links, 
vorbeikamen,  aber  die  Salzkrusten,  die  an  ihren  Ufern  ausge- 
schieden waren,  glänzten  hell  und  ließen  sie  als  echte  Schotts, 
d.  h.  Salzseen,  die  im  Sommer  stark  austrocknen,  erkennen. 
Von  Batna  und  dem  berühmten  Eingang  in  die  Wüste  bei  El 
Kantara  sahen  wir  leider  jetzt  nichts  mehr.  Um  zehn  Uhr  er- 
reichten wir  Biskra  und  fanden  hier  im  Hotel  du  Sahara  ein 
gutes  Unterkommen. 

Dieses  Hotel  ist  nach  orientalischer  Sitte  so  gebaut,  daß 
es  einen  viereckigen  Hofraum  umschließt,  von  dem  aus  man 
direkt  die  in  ebener  Erde  gelegenen  Zimmer  betritt,  während 
im  oberen  Stockwerk  eine  ringsumlaufende  Galerie  zu  den  ein- 
zelnen Zimmern  führt.  In  dem  Hofe  stehen  einige  Palmen  und 
Obstbäume,  und  die  Mitte  nimmt  eine  Laube  ein,  deren  Dach 
während  unseres  Aufenthaltes  ganz  von  den  dunkelroten  Blüten 
der  Bougainvillea  bedeckt  war,  einer  Kletterpflanze,  die  man 
schon  von  der  Riviera  an  vielfach  als  prächtigen  Schmuck  an 
Mauern  und  Häusern  findet.  Vor  dem  Hotel,  durch  die  nach 
dem  Bahnhof  führende  Straße  getrennt,  dehnt  sich  der  kleine 
Stadtpark  aus  mit  Caruben,  Feigenbäumen  und  andern  hohen 
Bäumen,  unter  denen  die  Sträucher  einer  Justitia  mit  weiß- 
violetten Blütensträußen  und   der  Acacia  farnesia^ia  mit  ihren 

6 


—     82     - 

süß  duftenden,  gelben  Blüten  prangen.  Hinter  dem  Park  liegt 
das  Fort  St.  Gerinaiue,  eine  große  Kaserne,  während  sich  nach 
der  andern  Seite  die  europäische  Stadt  mit  ihren  vornehmen 
Hotels  und  dem  schönen  Rathaus  erstreckt ;  nach  Süden  zu  geht 
sie  unmittelbar  in  das  arabische  Quartier  über.  Etwas  abseits 
liegt  im  Süden  Altbiskra,  ein  aus  Lehmhütten  bestehendes,  zum 
Teil  von  Negern  bewohntes  Dorf.  Einen  weit  größeren  Raum 
als  die  Stadt  selbst  nimmt  die  sich  südlich  direkt  anschließende 
Oase  mit  ihren  Palmengärten  ein,  die  etwa  140000  Dattel- 
palmen enthalten  sollen.  Rings  um  die  Oase  Biskra  aber  er- 
streckt sich  die  Wüste,  nach  Norden  zu  in  einem  weiten  Halb- 
kreis von  kahlen,  rötlich  schimmernden  Bergen  eingefaßt,  nach 
Süden  zu  sich  ins  Unermessene  ausdehnend.  Acht  Tage  ver- 
w^andten  wir  darauf,  diese  so  fremdartige  Gegend  kennen  zu 
lernen.  Das  Wetter  begünstigte  unseren  Aufenthalt  in  wünschens- 
wertester Weise ;  denn  wir  hatten  fast  beständigen  Sonnen- 
schein ohne  Hitze,  die  schon  im  April  anfangen  kann,  recht 
lästig  zu  werden ;  vielmehr  war  es  meistens  morgens  und  abends 
so  kühl,  daß  man  nicht  ohne  Mantel   im  Freien  sitzen  konnte. 

Etwas  Schöneres  und  Lieblicheres  als  den  Palmenwald 
einer  großen  Oase  (Fig.  1)  kann  man  kaum  sehen,  und  dieser  Ein- 
druck wird  noch  durch  den  Gegensatz  verstärkt,  in  dem  diese 
Fülle  der  Vegetation  zu  der  umgebenden  Wüste  steht.  Be- 
kanntlich ist  die  Existenz  einer  Oase  an  die  Gegenwart  von 
W^asser  gebunden,  und  hier  ist  es  ein  kleiner  Fluß,  der  Oued 
Biskra,  der  vom  nördlichen  Gebirge  kommend  und  im  Schott 
Melrir  endend,  Wasser  genug  liefert,  um  die  Gärten  und  die 
einzelnen  Bäume  damit  zu  versorgen.  Die  Oase  besteht  nämlich  aus 
vielen  einzelnen,  durch  Lehmmauern  getrennten  Gärten,  zwischen 
denen  breitere  und  schmälere  Wege  hindurchführen,  beschattet 
von   den   herüberragenden  Blattkronen  der  gewaltigen  Palmen. 

Die  Dattelpalme,  Phoenix  dactijlifera^  ist  der  eigentliche 
Baum  der  Wüste  und  wird  seit  den  urältesten  Zeiten  kultiviert, 
so  daß  man  nichts  Genaueres  über  ihre  Herkunft  weiß.  Um  die 
Früchte  zu  reifen,  erfordert  sie  im  Sommer  Temperaturen  bis 
zu  45 — 48";  aber  außer  der  Sommerhitze  bedarf  sie  auch  ge- 
nügender Bewässerung,  so  daß,  wie  ein  bekanntes  arabisches 
Sprichwort  sagt,  die  Dattelpalme  ihr  Haupt  im  Feuer,  ihren 
Fuß  im  Wasser  badet.    An  die  100  Varietäten  mögen  kultiviert 


Fig.  1.     Weg   durch  die  Oase  Biskra. 

Hinter  den  Lehmmauern  sieht  man  die  Dattelpalmen,  Feigen  und  andere  Büsche. 

(Vom   Verf.  nach  d.  Nat.  gez.) 


6* 


—     84     — 

werden,  die  sich  besonders  durch  die  Beschaffenheit  des  Frucht- 
fleisches unterscheiden.  In  Algerien  bekommt  man  zum  Nach- 
tisch immer  getrocknete  Datteln  vorgesetzt,  die  nicht  so  süß 
und  durchsichtig  wie  die  bei  uns  verkauften  sind,  deren  man 
aber  auch  nicht  so  leicht  überdrüssig  wird.  Die  Kultur  des 
Baumes  erfordert,  abgesehen  von  der  gehörigen  Bewässerung, 
nicht  viel  Mühe :  nach  der  Ernte  der  Früchte  im  Herbst  werden 
die  alten  Blätter  entfernt  und  der  Stamm  von  den  Resten  der 
Blattstiele  gesäubert.  Im  Winter  wird  in  eine  Grube  um 
den  Fuß  des  Baumes  Dünger  gebracht,  und  das  ganze  Jahr 
hindurch  wird  von  Zeit  zu  Zeit  das  Wasser  durch  kleine  Kanäle 
in  hinreichender  Menge  zu  jedem  Baum  geleitet.  Ende  April 
beginnen  die  Palmen  zu  blühen,  und  dann  muß  für  die  Be- 
stäubung gesorgt  werden,  indem  Teile  des  männlichen  Blüten- 
standes an  den  weiblichen  Blütenständen  befestigt  werden ;  denn 
bekanntlich  gibt  es  bei  der  Dattel  männliche  und  weibliche 
Bäume,  ja  diese  Palme  ist  das  älteste  Beispiel  für  die  Geschlecht- 
lichkeit  der  Pflanzen.  Während  unseres  Aufenthaltes  begannen 
die  Blüten  sich  zu  entfalten,  und  erst  im  Herbst  werden  die 
Früchte  reif,  die  das  hauptsächlichste  Nahrungsmittel  für  die 
Bewohner  der  Sahara  bilden.  Aber  auch  die  anderen  Teile  des 
Baumes  finden  ihre  Verwendung :  die  Stämme  werden  als  Bau- 
holz gebraucht,  die  Blätter  dienen  zum  Bedecken  der  Häuser 
und  als  Flechtwerk  für  Matten,  Körbe  usw.  ^) 

Nicht  allein  durch  ihre  eigenen  Produkte  bringt  die  Dattel- 
palme so  mannigfachen  Nutzen,  sondern  sie  dient  auch  zur  Be- 
schattung zahlreicher  anderer  Kulturgewächse.  Zunächst  werden 
fruchttragende  Bäume  und  Sträucher  in  der  Oase  unter  den 
Palmen  kultiviert,  wie  Olive,  Granate,  Orange,  Zitrone,  Feige 
und  Rebe,  sowie  die  aus  Europa  eingeführten  Maulbeerbäume, 
Pfirsiche,  Mandeln,  Birnbäume  und  Gewächse  anderer  Her- 
kunft, wie  die  schon  genannte  Acacia.  Ferner  findet  man  in 
der  Oase  eine  Menge  krautiger  Pflanzen  kultiviert,  wie  Bohnen, 
Kohlarteu,  Karotten,  Artischocken,  Spargel,  Kartoft'eln  und  Ba- 
taten, Wassermelonen  und  andere  Kürbispflanzen,  Tabak  und 
zwar  in  der  Art  Nicotiana  rustica^  den  Gonibo,  Hibiscus  escu- 
lentus,  und  schließlich  auch  die  Hennepflanze,  Lawsonia  inermis^ 

')  Eine  ausführliche  Schilderung  der  Dattelpalme,  ihrer  Kultur  und 
Verwendung  hat  A.  Hansen  im  Prometheus  1890  geliefert. 


—    85    — 

deren  getrocknete  Blätter  auf  dem  Markte  verkauft  werden 
und  zur  Gewinnung  des  roten  Saftes  dienen,  mit  dem  sich  die 
Frauen  der  Araber  die  Nägel  färben.  Außerdem  trägt  der 
Boden  der  Oase  eine  Menge  von  sogenannten  Unkräutern,  die 
uns  teilweise  durch  ihre  schönen  Blüten  erfreuen,  teilweise  auch 
als  alte  Bekannte  aus  der  Heimat  begrüßen.  So  ist  die  Oase 
reich  an  Arten  und  Formen  von  Kräutern,  Sträuchern  und 
Bäumen;  doch  ist  es  immer  die  Dattelpalme,  die  ihr  den  Charakter 
verleiht.  Einzelnen  Palmen  außerhalb  der  Oase  begegnet  man 
nur  selten,  und  dann  sind  es  junge,  kümmerliche  Exemplare, 
die  offenbar  einer  zufälligen  Keimung  ihr  Dasein  verdanken. 
Tritt  man  heraus  aus  dem  duftigen  Schatten  der  Oase, 
so  erblickt  man  die  Wüste  vor  sich.  In  der  nächsten  Umgebung 
von  Biskra  trägt  die  Sahara  den  Charakter  eines  steinigen 
Hochplateaus:  sie  ist  ein  Teil  der  sogenannten  peträischen 
oder  steinigen  Sahara,  deren  Boden  fest  und  mit  zahllosen 
Steinen  verschiedener  Größe.  Form  und  Farbe  bedeckt  ist. 
Nach  Norden  zu  ziehen  sich  im  Halbkreis  die  südlichen  Aus- 
läufer des  Auresgebirges  herum,  von  denen  der  „Berg  der 
Rosenwangen",  der  Djebel  Ahraarkaddou,  nicht  nur  durch  die 
Färbung,  sondern  auch  durch  die  schöne  Form  in  die  Augen 
fällt.  Das  Terrain  ist  nicht  pflanzenleer;  aber  es  sind  nur 
einzelne,  niedrige  Büsche  vorhanden,  die  jetzt  im  Frühling  ihre 
frischen,  grünen  Triebe  und  zum  Teil  auch  schon  ihre  Blüten 
entfalten.  Hinsichtlich  des  Pflanzenwuchses  kann  man  den 
Unterschied  zwischen  Steppe  und  Wüste  wohl  am  besten  so 
bezeichnen,  daß  man  eine  Formation  dann  Steppe  nennt,  wenn 
der  unbewachsene  Boden  einen  geringeren  Raum  einnimmt  als 
der  von  Pflanzen  bewachsene,  während  es  in  der  Wüste  um- 
gekehrt ist:  hier  sind  die  einzelnen  Pflanzen  durch  größere 
Zwischenräume  von  einander  getrennt  als  dort.  Daraus  geht 
schon  hervor,  daß  es  auch  Übergänge  geben  muß,  und  daß  wir 
zweifelhaft  sein  können,  ob  wir  ein  Terrain  als  Steppe  oder 
Wüste  bezeichnen  sollen,  dann  nämlich,  wenn  bewachsene  und 
unbewachsene  Stellen  sich  ungefähr  in  gleichem  Maße  in  den 
Boden  teilen.  Die  Spärlichkeit  und  Dürftigkeit  des  Pflanzen- 
wuchses im  Allgemeinen  ist  natürlich  ein  Produkt  der  klima- 
tischen Faktoren ;  das  Vorkommen  bestimmter  Arten  ist  dagegen 
auch  von  der  Beschaffenheit  des  Bodens  abhängig.     Neben  der 


86 


steinigen  trifft  man  nun  bei  Biskra  aiicli  die  anderen  Wüsten- 
forraalionen,  von  denen  besonders  noch  die  Sebkaliformation 
mit  lehmigem,  salzhaltigen  Boden  und  die  Sandwüste  in  Betracht 
kommen.  Wir  lernten  sie  auf  verschiedenen  Ausflügen  kennen.  ^) 
Gleich  am  ersten  Tage  besuchten  wir  die  8  km  nördlich 
von  Biskra  liegende  warme  Schw^efelquelle,  Fontaine  cliaude 
von  den  Franzosen.  Hammam  Salahhin  von  den  Arabern  genannt. 


Fig.  2.  LiiiionidstruDi  Gu}joniamim.  Ein  Zweig  mit  3  Gallen  und  Blüten- 
knospen. Links  oben  eine  einzelne  Blüte.  Rechts  oben  die  Blattspitze  vergrößert, 
um  die  Bedeckung  mit  Kalkschüppchen  zu  zeigen.    (Yom  Verf.  nach  d.  Xat.  gez.) 

die  von  Gesunden  und  Kranken  viel  aufgesucht  wird,  da  ein  Kur- 
haus mit  einem  größeren  Badebassin  und  mit  Einzelbädern  alle 
Bequemlichkeit  bietet.  Man  erreicht  sie  sehr  leicht  in  ^U  Stunden 
mit  einer  Pferdebahn.  Auf  dem  Weg  dahin  sahen  wir  zum 
ersten  Mal  Wanderheuschrecken,  die  einzeln  umherflogen,  aber 

*)  Trabut  hat  die  in  der  Umgebung  von  Biskra  vorkommenden 
PHanzen  in  einem  besonderen  Verzeichnis  zusammengestellt,  das  1892  bei 
Gervais-Courtellemont  et  Comp.  (Alger)  erschienen  ist. 


—    87    — 

nicht  sprungweise  wie  unsere  Heuschrecken,  sondern  in  so  ge- 
wandtem Fluge,  daß  mau  kleine  Vögel  zu  sehen  glaubte.  Auch 
eine  Horuviper,  die  ein  Straßenarbeiter  gefangen  hatte,  wurde 
uns  auf  dem  Wege  gezeigt.  In  der  Nähe  des  Bades,  das 
am  Abhang  des  hier  beginnenden  Höhenzuges  liegt,  treten  nun 
schon  solche  Strecken  auf,  wo  der  lehmige  Boden  derartig  salz- 
haltig ist,  daß  das  Salz  beim  Austrocknen  weiße  Krusten  auf 
der  Oberfläche  bildet.  Wenn  man  darauf  tritt,  so  sinkt  man 
in  den  weichen  Boden  ein.  Hier  kommen  natürlich  besonders 
Salzpflanzen,  Salsolaceeu,  Staticeen  und  gewisse  Binsen  vor. 
Ein  charakteristischer  Strauch  ist  Lifnomastriwi  Ouyonianum 
(Fig.  2),  der  häufig  mit  bohnengroßeu  Gallen  besetzt  ist  und  im 
Frühling  seine  rötlichen  Blüten  entfaltet.^)  Das  von  der  Quelle 
ablaufende  Wasser  hat  noch  in  ziemlicher  Entfernung  eine  hohe 
Temperatur,  durch  die  das  üppige  Wachstum  blaugrüner  Algen^) 
in  dichten  Rasen  begünstigt  wird.  Stellenweise  bildet  der  Bach 
etwa  mannstiefe  Tälchen  mit  steilabfallenden  Wänden  und  ist 
hier  von  stechenden  Juncusbüschen  und  Staticesträuchern  ein- 
gesäumt. In  herrlichen,  roten  und  violetten  Tönen  glänzten  die 
kahlen  Höhen  der  Umgebung,  als  wir  abends  zurückkehrten. 
Um  die  Sandwüste  und  Dünenformation  kenneu  zu  lernen, 
machten  wir  einen  Ausflug  nach  Süden,  indem  wir  uns  dabei 
der  Kamele  bedienten,  auf  denen  sich  sehr  bequem  reiten  läßt. 
Freilich  waren  die  Dünen,  die  wir  erreichten,  nur  niedrig:  sie 
bildeten  nicht  die  hohen,  den  Ausblick  begrenzenden  Hügel, 
wie  sie  weiter  im  Innern  vorkommen,  sondern  nur  bis  meter- 
hohe Sandhaufen,  die  sich  hinter  den  Büschen  in  der  Wind- 
richtung aufschichten.  Es  war  hier  meistens  eine  spärlich  be- 
blätterte Wolfsmilchart,  Euphorbia  Ouyoniana,  die  in  dem 
sandigen  Boden   wuchs    und    auf    der  Windseite   frei,    auf    der 


')  Die  auffallenden  Gallen,  an  denen  man  den  Strauch  geradezu  er- 
kennen kann,  werden  von  dem  Schmetterling  Oecocecis  guyonella  Guenee 
erzeugt,  nach  C.  Houard  „Les  Zoocecidies  des  Plantes  d'Europe  et  du 
Bassin  de  la  Mediterranee."  T.  IL  p.  802.  Paris.  1909. 

2)  Die  Watten  der  blaugrünen  Alge  waren  hauptsächlich  von  einer 
Oscülatoria  gebildet,  die  ich  als  0.  formosa  Bory  bestimmt  habe ;  nur  vereinzelt 
kamen  dazwischen  Fäden  der  fast  doppelt  so  starken  0.  chalyhea  Martens 
vor,  welche  Art  Sau  vage  au  für  Biskra  angibt.  Erstere  ist  aber  nach 
demselben  Autor  ebenfalls  für  Nordafrika  bekannt.  Vgl.  Gomont  „Mono- 
graphie des  Oscillaries,"  in  Ann.  sc.  nat.  7.  ser.  Bot.  T.  16,  p.  250  und  252. 


anderen  Seite  im  Sande  vergraben  war.  Auch  abgestorbene 
Büsche  des  Dringrases,  Aristida  pungens,  fanden  wir  hier,  dessen 
verdürrte  Wurzeln  mehrere  Meter  weit  wie  Drähte  über  den 
Sand  liefen.  Besonderes  Interesse  aber  erregten  die  Früchte 
der  Koloquinte,  Citrulhis  coloci/>iihis,  die  an  den  vertrockneten 
Sprossen  ansitzend  scheinbar  frei  auf  dem  Sand  oder  im  Sand 
vergraben  lagen.  Unser  arabischer  Führer  grub  einige  Wurzeln 
dieser  Pflanze   aus   dem   Boden    aus :    sie   waren   bis   etwa  auf 


Fig.  3.     Ästeriscus  pyguuieus,  die  kleine  Jerichorose. 
1   Blühendes  Exemplar  mit  Blättern  und  einem  Blütenküpfchen.     2  Köpfchen 
im  Längsschnitt.  3  Hüllblatt.  4  Randblüte.  5  Kelchblatt  derselben.  G  Scheiben- 
blüte, noch  geschlossen.  7  Tragblatt  derselben.  8  Staubgefäß.  9  Griffel  mit  Narbe. 
(Vom  Verf.  nach  d.  Nat.  gez.) 


^2  m  Länge  dick  rübenförraig  angeschwollen  und  von  weißer 
Farbe.  In  Wirklichkeit  gehen  sie  wohl  mehrere  Meter  tief 
hinab  und  bilden  ein  Beispiel  für  solche  Wüsteupflanzen,  die 
sich  ihren  Wasserbedarf  mit  Hilfe  überaus  langer  Wurzeln  aus 
der  Tiefe  des  Bodens  verschaffen  und  dadurch  imstande  sind, 
die  lange  Trockenheit  zu  ertragen. 

Ein  anderer  Ausflug  galt  dem  Col  de  Sfa,  der  Paßhöhe, 
auf  der  die  alte  Straße  nach  El-Kantara  und  Batna  das  Ge- 
birge überschreitet,  während  die  Eisenbahn  jetzt  mehr  östlich 
geht.  Doch  wird  auch  die  alte  Straße  noch  viel  benutzt,  und 
beständig  begegnet  man  einzelnen  Reitern  zu  Esel  oder  zu 
Pferd,    Herden   und   Karawanen   mit   Kamelen:    diese   stilvolle 


—    89     - 

Staffage  verleiht  der  öden  Landschaft  einen  ganz  eigentümlichen 
Reiz.  Sehr  bald  erreicht  man  im  Norden  von  Biskra  die  felsig- 
steinigen Höhen,  über  die  der  Weg  auf-  und  abwärts  nach  dem 
Col  führt.  Die  Vegetation  scheint  bei  oberflächlicher  Betrach- 
tung nur  aus  ganz  vereinzelten  dornigen  Büschen  zu  bestehen, 
aber  zwischen  den  Steinen  kommen  jetzt  im  Frühjahr  verschiedene 
kleine  und  zierliche  Pflanzen,  auch  solche  mit  helleuchtenden 
Blumen  heraus.   Besonders  sind  Kompositen  vertreten,  und  von 


Fig.  4.     Ästerisciis  pygmaeus,  die  kleine  Jerichorose.     Links  eine  Pflanze  mit 

drei  Fruchtköpfchen,  rechts  dieselbe  Pflanze  nach  viertelstündigem  Eintauchen 

in  Wasser,    in   der  Mitte   ein   einzelnes   Früchtchen   mit   gespreiztem   Kelch. 

(Vom  Verf.  nach  d.  Nat.  gez ) 


diesen  sei  erwähnt  die  kleine  Jerichorose,  Asteriscus  pygmaeus, 
deren  vorjährige  Fruchtstände  neben  den  diesjährigen  blühenden 
Exemplaren  (Fig.  3)  gefunden  werden;  letztere,  nur  einige  Zenti- 
meter hoch,  ragen  mit  einigen  ungeteilten,  wolligen  Blättchen, 
zwischen  denen  ein  paar  gelbe  Blütenköpfchen  sitzen,  über  die 
Erde.  Die  Hüllblätter  des  Köpfchens  werden  lederig  und  schließen 
über  den  Früchten  zusammen,  wenn  es  trocken  ist;  bei  Benetzuug 
durch  den  Regen  aber  öffnen  sie  sich  ebenso  wie  beim  Eintauchen 
in  Wasser  (Fig.  4),  so  daß  dann  die  Früchtchen  herausgespült 
werden  und  auf  dem  feuchten  Boden  keimen  können.^)  Die 
anderen  auf  diesem  Ausflug  gefundenen  Pflanzen  will  ich  nicht 

^)  Die  große  Jerichorose,  Änastatica  hierochuntica  L.,  eine  Kruzifere 
kommt  ebenfalls  in  der  Umgebung  von  Biskra  vor,  wurde  aber  nicht  von 
uns  gefunden. 


3 

crc' 


W 


z 


hj 


—     91     — 

weiter  erwähnen  und  nur  noch  bemerken,  daß  der  Col  de  Sfa 
eine  wundervolle  Fernsicht  über  die  Wüste  im  Süden  und  über 
die  mehr  angebaute  Ebene  von  El-Outaj'a  im  Norden  bis  gegen 
El-Kantara  hin  gewährt  (Fig.  5). 

Schließlich  sei  auch  des  Besuches  der  Oase  Sidi  Okba  ge- 
dacht, die  etwas  über  20  km  östlich  von  Biskra  liegt.  Man  fährt 
mit  dem  Wagen  zwei  Stuuden  über  die  teils  sandige,  teils  steinige 
Ebene.  Eine  der  häufigsten  Pflanzen  hier  wie  auch  in  der 
tunesischen  Wüste,  sogar  auf  den  Wegen,  ist  die  Harmelraute, 
Pega?ium  harmala,  die,  wie  der  deutsche  Name  sagt,  mit  unserer 
Raute,  Ruia  graveolens,  verwandt  ist  und  durch  ihre  feinzer- 
schnitteuen  Blätter  auch  äußerlich  an  sie  erinnert.  Damals 
fanden  wir  nur  das  Kraut,  ganz  selten  noch  vorjährige  Stengel 
mit  den  dreiteiligen  Fruchtkapseln,  deren  kleine  schwarze  Samen 
in  der  Türkei  als  Gewürz  dienen.  In  der  Medizin  der  Araber 
spielt  die  unangenehm  riechende  Pflanze  eine  wichtige  Rolle. 
An  salzreicheu  Stellen  fanden  wir  einige  niedrige,  vom  Vieh  ver- 
bissene Tamarisken.  Ganz  besonders  aber  fiel  durch  ihre 
Größe  und  lebhaften  Farben  eine  auf  Salsolaceen  schmarotzende 
Orobanche,  Phelipaea  violacea,  in  die  Augen,  die  eine  Höhe 
von  mehr  als  V2  m  erreichen  kann.  Der  dicke  weiße  Stengel 
dieses  Parasiten  ist  mit  bleichen  Schuppeublättern  besetzt  und 
trägt  oben  in  dichter  Traube  die  zahlreichen  violett  und  gelb 
gefärbten  Blüten ;  man  muß  sie  als  die  schönste  Pflanze  der  ganzen 
Wüstenflora  bezeichnen  (Fig.  6).  Der  Palmeuwald  von  Sidi  Okba 
ist  viel  kleiner  als  der  von  Biskra ;  aber  das  Eigentümliche  jenes 
Ortes  liegt  darin,  daß  er  bis  auf  einige  europäische  Wirtshäuser 
seinen  arabischen  Charakter  rein  bewahrt  hat:  die  Straßen  und 
Häuser,  die  Bewohner  und  ihr  Treiben  treten  uns  hier  in  aller 
Ursprünglichkeit  entgegen,  besonders  auf  dem  Marktplatz,  wo 
ein  lebhafter  Verkehr  herrscht,  wo  Brennholz,  Kohlen,  Fleisch, 
Früchte,  Gemüse,  Brod  u.  a.  bunt  durcheinander  feilgeboten  werden. 
Außerdem  besitzt  Sidi  Okba  die  älteste  Moschee  in  Algerien, 
die  aber  nur  ihres  Alters  wegen  sehenswert  ist,  denn  sie  ist 
wenig  besser  gebaut  als  die  Lehmhütten  der  Bewohner.  Das 
Minareh  bietet  eine  schöne  Aussicht  über  die  Gegend  und  über 
die  flachen  Dächer  der  Häuser,  auf  denen  meistens  noch  eine 
Laube  angebracht  ist,  um  bei  der  sommerlichen  Hitze  wenigstens 
des  Nachts    einen   annehmbaren  Aufenthalt   zu  gewähren.     Die 


Fig.  6.  riieJijKiea  violacca,  violette  Orobanche.  liinks  der  obere  Teil  mit 
Blüten,  rechts  der  untere  Teil  des  Stengels.  Die  Verbindung  mit  der  Nähr- 
pflanze liegt  noch  tiefer.   (Nach  d.  Nat.  u.  nach  Desfontaines  vom  Verf.  gez.) 


—    93     — 

Araber,  die  nicht  in  den  Oasen  wohnen,  sind  Nomaden  und  be- 
gnügen sich  mit  Zelten  zur  Wohnung.  Man  sieht  häufig  solche 
niedrige,  mit  vielerlei  Lappen  zusammengeflickte  und  mit  einer 
Dornhecke  umgebene  Zelte,  einzeln  oder  zu  mehreren  beisammen. 
Um  sie  weiden  die  Tiere  der  Herde,  Schafe,  Esel  und  Kamele, 
Ist  die  Weide  erschöpft,  so  werden  die  Zelte  mit  dem  geringen 
Hausrat  auf  die  Kamele  gepackt,  Männer,  Weiber  und  Kinder, 
begleitet  von  den  schakalähnlichen,  bissigen  Hunden,  ziehen  mit 
ihnen  weiter.  Gelegentlich  sieht  man  auch  einen  Jagdfalken 
an  einem  Kamele  angebunden,  oder  man  begegnet  einem  Araber 
mit  einem  Jagdfalken  auf  der  Hand.  Man  sagte  uns  aber,  daß 
es  besonders  ein  Vergnügen  wohlhabender  Araber  sei,  mit  diesen 
Vögeln  auf  Hasen  zu  jagen,  denn  das  Wild  ist  in  dem  Lande 
jetzt  sehr  spärlich  geworden.  Für  den  Fremden  hat  der  An- 
blick dieser  Nomaden  und  Kamelkarawanen  natürlich  einen 
großen  Reiz ;  doch  muß  es  ihn  mit  Bedauern  erfüllen,  wenn  er 
von  der  großen  Armut  hört,  die  meistens  in  der  arabischen  Be- 
völkerung herrscht,  und  die  in  diesem  Jahre  noch  dadurch  ge- 
steigert war,  daß  im  vergangenen  Herbst  die  Wanderheuschrecken 
die  Gegend  heimgesucht  hatten.  Aber  selbst  wenn  er  bettelt, 
zeigt  der  Araber  eine  gewisse  Würde  und  Grazie,  die  uns  über- 
haupt sein  Wesen  so  sympatisch  erscheinen  läßt.  Nur  ungern 
schieden  wir  von  diesem  interessanten  Land  und  seinen  Be- 
wohnern und  verließen  am  Morgen  des  29.  März  Biskra. 

Durch  Wüste  und  Steppe  brachte  uns  die  Bahn  in  2  V2  Stunden 
nach  El-Kantara;  während  der  Fahrt  regnete  es  etwa  zehn 
Minuten  lang,  aber  kaum  so,  daß  der  Sonnenschein  dabei  be- 
einträchtigt wurde.  Mit  Recht  wird  von  allen  Reisenden  der 
imponierende  Eindruck  und  die  wunderbare  Schönheit  von  El- 
Kantara  gepriesen;  glaubt  man  es  doch  zu  sehen,  wie  hier  die 
mächtige  Felswand  krachend  auseinanderreißt,  um  dem  kleinen 
Flüßcheu  in  steilabfallender  Rinne  einen  Durchgang  zu  gewähren. 
Noch  imposanter  als  für  uns,  die  wir  von  Süden  kamen,  muß 
der  Anblick  für  den  sein,  der  von  Norden  her  durch  das  Ge- 
birge hierher  gelangt  und  nun  zum  ersten  Mal  die  Wüste  vor  sich 
ausgebreitet  sieht  und  in  El-Kantara  die  erste  Oase  begrüßt. 
Von  jeher  ist  die  Straße,  die  durch  das  enge  Felsentor  führt, 
weit  und  breit  der  einzige  Weg  gewesen,  der  das  „Teil",  die 
fruchtbare    Zone   am   Nordrand   des   Atlas,   über   das   Gebirge 


—     94     — 

hinüber  mit  der  Sahara  verbindet.  Sie  wird  heute  noch  ebenso- 
viel benutzt  wie  vor  Jahrhunderten,  aber  erst  seit  zirka  20  Jahren 
geht  nun  auch  die  Eisenbahn  hindurch.  Wir  hielten  uns  einige 
Stunden  hier  auf  und  fuhren  dann  in  fast  derselben  Zeit  wie 
von  Biskra  hierher  weiter  nördlich  nach  Batna.  Dieses  Städtchen 
liegt  in  zirka  1000  m  Meereshöhe  prächtig  in  einem  weiten  Tal, 
das  von  mehr  oder  weniger  bewaldeten  Bergen  eingefaßt  wdrd. 
In  jenen  Bergwäldern  soll  auch  gelegentlich  noch  der  Berber- 
löwe vorkommen:  wahrscheinlich  ist  die  Gefahr,  ihn  zu  treffen, 
nicht  größer  als  die,  einem  Bären  in  der  Schweiz  zu  begegnen. 
Für  den  Botaniker  aber  bieten  diese  Berge  ein  großes  Inter- 
esse, weil  hier  die  Atlaszeder,  Cedrus  atlantica,^)  wächst,  nach 
der  der  höchste  Berg  in  der  Umgebung  den  Namen  Zederupik 
trägt.  Der  nächste  Tag  wurde  zu  einem  Besuch  der  Zedern- 
wälder bestimmt,  und  dazu  w^urden  ein  Führer  und  Maultiere  be- 
stellt. Ein  herrlicher,  frischer  Morgen  empfing  uns,  als  war  aus 
Batna  hinausritten.  Die  nähere  Umgebung  mit  den  noch  nicht 
grünen  Feldern  und  blühenden  Obstbäumen  machte  einen  recht 
europäischen  Eindruck,  dann  aber  trat  doch  mehr  ein  steppen- 
artiger Charakter  hervor.  Nach  etwa  zwei  Stunden  war  der 
Fuß  des  Berges  erreicht  und  nun  ging  es  auf  schmalem  Pfade 
in  die  Höhe  durch  einen  Wald,  der  größtenteils  aus  immergrünen 
Eichen  und  Wachholder  besteht  und  eine  Bodenflora  trägt,  in 
der  stachelige,  polsterförmige  Pflanzen,  also  solche  der  Steppen- 
formation, vorherrschen.  Erst  in  einer  gewissen  Höhe  fangen 
die  Zedern  an  aufzutreten,  und  dieser  Zedernwald  ist  mehr 
eigentümlich  als  wirklich  schön  zu  nennen.  Die  Atlaszedern 
sind  unregelmäßig  gewachsene  Bäume,  und  bei  vielen  von  ihnen 
breiten  sich  die  obersten  Zweige  in  der  Form  eines  flachen 
Daches  aus,  was  wahrscheinlich  eine  Folge  der  Verletzung  der 
Spitze  ist.  E'erner  sieht  man  einzelne  ganz  abgestorbene  Bäume, 
die  ihrer  Rinde  gänzlich  beraubt  wie  weiße  Gerippe  dastehen, 
wie   ich  es  nie  bei  anderen  Bäumen  gesehen  habe.     Unter  den 


^)  Die  drei  Cerfr^s- Arten:  C.  Liliuni  Barrel,  (auf  dem  Libanon,  in 
Kleinasien  und  Cypern),  C.  Beodara  (Roxb.)  Loud,  (auf  dem  Himalaya)  und 
C.  athdüicd  Mannetti  (im  Atlas)  sind  wahrscheinlich  nur  drei  Standorts- 
varietäten derselben  Art.  Die  letztgenannte  zeichnet  sich  vor  den  anderen 
durch  steifere,  meergrüne  und  etwas  silberglänzende  Nadeln,  etwas  kleinere 
und  mehr  walzenförmige  Zapfen  aus  (Fig.  7j. 


-     95     — 

Zedern  wachsen  die  erwähnten  Eichen,  Quercus  vireiis,  und 
Wachholder,  Jtinipenis  oxi/cednis;  letztere  tragen  hie  und  da 
einen  mit  unserer  Mistel  verwandten  Parasiten,  Arceuthobium 
oxycedri,  der  aber  viel  kleiner  als  die  Mistel  ist  und  nur  winzige 
Schuppenblätter  besitzt.  Auf  dem  Kamme  des  Berges  fanden 
wir  in  einer  Lichtung  des  Waldes  eine  kleine  Wiese,  die  an 
eine  Alpenmatte  erinnerte,  und  aus  deren  schönem  Grün  die 
reizenden  violetten  Sterne  eines  granz  niedrig  bleibenden  krokus- 


Fig.  7.      Cednis   atlantka,   Atlaszeder. 
Zweig  mit  Zapfen  und  Blättern.     (Vom  Verf.  nach  d.  Nat.  gez. 


artigen  Gewächses ,  Romnlea,  InilhocodiiLm ,  hervorleuchteten. 
Auch  ein  kleines  Schneefeld  hatte  sich  hier  oben  noch  erhalten. 
Wir  lagerten  an  einer  Quelle,  wo  wir  unsere  mitgenommenen 
Vorräte  verzehrten  und  die  Maultiere  grasen  ließen.  Nachdem 
eine  Skizze  des  Zedernwaldes  aufgenommen  (Fig.  8)  und  etwas 
botanisiert  worden  war,  ritten  wir  denselben  Weg  zurück  und 
trafen  abends  in  uuserm  Hotel  des  Etrangers  wieder  ein,  wo  wir 
die  freundlichste  Aufnahme  und  beste  Verpflegung  gefunden  hatten. 
Der  nächste  Tag  war  dem  BesiK:h  der  römischen  Ruinen  in 
Lambessa  und  Timgad  gewidmet.  Als  wir  gegen  acht  Uhr  im 
Wagen  abfuhren,  war  es  so  kalt,  daß  wir  uns  in  unsere  Mäntel 
und  Decken  hüllten  und  uns  des  Kalorifers  freuten,  einer  langen 


—     96     — 

großen  Wärmflasche,  die  man  auf  den  Boden  des  Wagens  gelegt 
hatte.  Jene  berühmten  Ruinen  will  ich  hier  nicht  schildern, 
obwohl  sie  äußerst  interessant  sind  und  ihr  Besuch  jedem 
Reisenden,  der  nach  Algerien  kommt,  sehr  zu  empfehlen  ist. 
Auf  dem  mehr  als  dreistündigen  Weg  von  Lambessa  nach  Timgad 
über  hügeliges  Weide-  und  Ackerland  trafen  wir  keine  einzige 
Ortschaft  an,  nur  Viehherden  und  Nomadenzelte.  In  dieser 
Einsamkeit  ruft  ein  halbverfallener  römischer  Bogen,  durch 
den  der  Weg  nicht  weit  hinter  Lambessa  führt ,  eine  umso 
eindrucksvollere  W^irkung  hervor,  als  er  durch  ein  bewohntes 
Storchennest  gekrönt  ist.  Überhaupt  war  die  Menge  von 
Störchen,  die  sich  in  Batna  und  seiner  Umgebung  aufhalten, 
bemerkenswert.  Wegen  seiner  hohen  Lage  hat  der  Ort  recht 
kalte  Winter  und  ist  auch  im  Sommer  noch  ein  recht  gesunder 
Aufenthalt  für  Europäer.  Wir  mußten  ihn  leider  schon  am  Abend 
des  zweiten  Tages  verlassen,  um  nach  Constantine  zu  fahren, 
das  wir  nach  4 — östündiger  Fahrt  erreichten. 

Diese  Stadt,  deren  größte  Sehenswürdigkeit  die  Rummel- 
schlucht ist,  hat  schon  so  viele  Beschreiber  gefunden,  daß  ich 
ihre  Zahl  nicht  zu  vermehren  brauche;  auch  von  Tunis  will 
ich  nur  soviel  sagen,  daß  wir  die  Stadt  bedeutend  interessanter 
als  Algier  fanden.  Die  Entfernung  von  Constantine  nach  Tunis 
beträgt  etwa  15  Balmstundeu :  es  geht  durch  gebirgiges  Terrain, 
das  teils  mit  Steppe  oder  Maquisformatiou,  teils  mit  Wald  be- 
deckt, aber  wenig  angebaut  ist.  Auch  Tunis  besitzt  einen  Ver- 
suchsgarten, der  sich  an  die  Kolonial-  und  landwirtschaftliche 
Schule  mit  ihren  Plantagen  anschließt;  er  enthält  viel  Inter- 
essantes und  Sehenswertes,  kann  sich  aber  mit  dem  Akklimati- 
sationsgarten von  Algier  nicht  an  Schönheit  messen. 

Am  5.  April  versammelte  sich  in  Tunis  die  französische 
botanische  Gesellschaft,  die  unserem  Wunsch,  an  ihrer  Sitzung 
und  der  sich  anschließenden  Expedition  teilzunehmen,  freund- 
liche Zusage  gewährt  hatte.  Am  6.  April  begann  die  P]xkursion 
mit  20 — 30  Teilnehmern,  die  zunächst  mit  der  Eisenbahn  nach 
dem  südlicher  gelegenen  Sousse,  dem  alten  Susa,  fuhren.  Auf 
jeder  Station,  die  einigen  Aufenthalt  bot,  wurde  ausgestiegen 
und  was  von  Pflanzen  zu  erreichen  war,  gepflückt,  untersucht 
und  bestimmt.  Da  die  Bahn  noch  nicht  weiter  nach  Süden  als 
bis  Sousse  geht,   wurde  die  Reise  von   da  an  mit  Automobilen 


v-*»V 


,^'"'ii 

>:^i 


»tV 


^  1. 


—    98     — 

fortgesetzt  und  in  etwa  fünf  Stunden  Sfax  erreicht,  das  eben- 
falls an  der  Küste  liegt.  Man  sieht  aber  das  Meer  während 
dieser  Fahrt  meistens  nicht,  weil  die  Küstenlinie  hier  eine 
Ausbiegung  nach  Osten  macht  und  die  Straße  quer  durch  das 
Land  geht.  Lange  Strecken  weit  führt  sie  in  schnurgerader 
Richtung  über  das  wellige  Terrain,  das  teils  Steppen-  und 
Wüstencharakter  zeigt,  teils  mit  Gerstenfeldern  bedeckt  ist. 
Reichlicher  als  in  Algier  sieht  man  hier  die  Opuntien  oder 
Kaktusfeigen  angebaut.  Es  ist  nur  eine  Art,  Opuntia  ficus  indica, 
die  kultiviert  wird,  aber  in  verschiedenen  Sorten,  und  zwar 
unterscheiden  sich  diese  einerseits  nach  den  Früchten  und  deren 
Farbe,  andererseits  nach  der  Bestachelung,  also  in  stachelige 
und  unbestachelte.  Hauptsächlich  die  letzteren  dienen  zum  Vieh- 
futter und  werden  namentlich  von  den  Kamelen  gern  gefressen. 
Die  stacheligen  Formen  werden  als  Hecken  um  Gärten  und 
Felder  gezogen ;  doch  sieht  man  auch  große  Felder,  die  ganz 
mit  Kaktusfeigen  bepflanzt  sind,  offenbar  der  Früchte  wegen. 
Bei  unserer  Anwesenheit  im  Frühling  aber  trugen  diese  Pflanzen 
weder  Blüten  noch  Früchte.  Hire  Kultur  ist  äußerst  einfach, 
da  ein  abgebrochenes  und  in  die  Erde  gestecktes  Glied,  wenn 
es  auch  nicht  mehr  ganz  frisch  ist,  sich  leicht  bewurzelt  und 
weiterwächst.  Die  weit  über  mannshoch  werdenden  Büsche 
nehmen  sehr  groteske  Formen  an  und  rufen  durch  den  Glanz 
der  Oberfläche,  indem  ein  Glied  je  nach  seiner  Stellung  bald 
silbergrau  bald  gelbgrün  erscheint,  sowie  durch  den  schaifen 
Schlagschatten  eine  malerische  Wirkung  hervor.  Die  unteren, 
stammbildenden  Glieder  wachsen  an  den  anfangs  flachen  Seiten 
allmählich  so  stark  in  die  Dicke,  daß  sie  sich  zu  Z3'lindrischer 
Gestalt  abrunden,  wobei  sie  sich  mit  graubrauner  Borke  um- 
geben und  demgemäß  die  grüne  Farbe  verlieren.  Die  Glieder 
werden  über  V2  m  lang,  und  den  Umfang  eines  starken  Stammes 
habe  ich  nach  einer  Messung  bei  Tunis  IV4  m  groß  gefunden, 
was  einem  Durchmesser  von  etwa  40  cm  entsprechen  würde. 
Man  findet  übrigens  die  Opuntie  nicht  nur  in  der  Sahara, 
sondern  auch  im  Teilgebiet,  also  an  der  Nordküste  angepflanzt, 
und  es  ist  ja  bekannt,  daß  sie  auch  in  Südeuropa  vielfach 
kultiviert  und  verwildert  vorkommt;  daß  sie  dort  nicht  ein- 
heimisch, sondern  aus  Amerika  eingeführt  ist,  braucht  wohl 
kaum  erwähnt  zu  werden. 


—     99     — 

Nach  dieser  Abschweifung  kehren  wir  zu  unserer  Reise- 
route zurück.  Nicht  weit  hinter  Sousse  sahen  wir  einen  großen 
See  glänzen,  der  auch  zu  jenen  Schotts  genannten  Salzbecken 
gehört,  die  von  dem  ehemals  von  Osten  weit  nach  Westen  vor- 
dringenden und  nach  der  Tertiärperiode  ausgetrockneten  Meer- 
busen des  mittelländischen  Meeres  übriggeblieben  sind^).  Etwa 
in  der  Mitte  zwischen  Sousse  und  Sfax  erscheint  plötzlich  ein 
gewaltiges  Gebäude  am  Horizont;  mit  Erstaunen  erkennt  man 
beim  Näherkommen  die  ßuinen  eines  kolossalen  Amphitheaters, 
von  dem  etwa  noch  die  Hälfte  erhalten  ist  und  stellenweise 
noch  drei  Bogenreihen  übereinander  stehen;  an  Größe  soll  es 
nur  von  dem  Kolosseum  in  Rom  übertroffen  werden.  Man  ver- 
mutet, daß  hier  die  Römerstadt  Thysdros  gestanden  hat;  jetzt 
heißt  die  Araberstadt,  die  sich  bescheiden  an  den  Fuß  der 
gewaltigen  Ruine  schmiegt,  Eldjem.  Bald  verschwindet  dieser 
bedeutsame  Ort  wieder  hinter  uns,  und  nach  einigen  Stunden 
ist  Sfax  erreicht.  Hier  wurde  übernachtet  und  am  nächsten 
Morgen  ging  es  weiter  nach  Gabes,  wohin  man  durch  die 
Schnelligkeit  der  Automobile  in  vier  Stunden  kommt.  Auf  dieser 
Strecke  führt  der  Weg  nun  fast  immer  durch  die  Wüste,  die 
hier  direkt  an  das  Meer  grenzt,  und  man  sieht  dieses  zur  linken 
Hand  am  Horizonte  glänzen,  wenn  der  Ausblick  nicht  durch 
eine  Bodenerhebung  begrenzt  wird.  Man  muß  sich  wundern, 
daß  die  Nähe  des  Meeres  dem  Lande  keine  größere  Feuchtigkeit 
zuführt,  kann  sich  aber  die  Erscheinung  dadurch  erklären,  daß 
einesteils  westliche  Winde  vorherrschen,  andernteils  die  feuchte 
Luft,  die  bei  Ostwind  über  die  warme  Bodenfläche  streicht, 
ihren  Wassergehalt  nicht  eher  abgibt,  als  bis  sie  an  die  kühleren 
Höhen  gelangt.  Die  Vereinigung  von  Wüste  und  Meer  macht 
einen  eigentümlichen  und  gewaltigen  Eindruck;  bei  großen 
Gegensätzen  haben  beide  doch  auch  manches  Gemeinschaftliche, 
vor  allem  den  Charakter  der  Unermeßlichkeit  und  Erhabenheit. 
Wer  einen  empfänglichen  Sinn  für  die  Schönheit  des  Meeres  hat, 
wird  auch  die  Wüste  schön  finden,  nirgends  aber  habe  ich  sie 
schöner  als  auf  dieser  Strecke  gesehen.  Freilich  waren  auch 
die  äußeren  Umstände  besonders  günstig;  lachender  Sonnenschein 
von  oben  und  vom  Boden  her  der  Glanz  leuchtender  Frühlings- 
blumen, die  sich  gerade  ihres  kurzen  Daseins  erfreuen  durften. 

^)  Vergl.  Martins  „Von  Spitzbergen  zur  Sahara"  (s.  oben),  2.  Bd.  S.  276. 

7* 


—     100     — 

Da  waren  großblumige,  rote  Winden,  orangerot  leuchtende 
Ringelblumen,  violette  Strandnelken  und  viele  andere,  die  nicht 
alle  einzeln  genannt  werden  können.  Auf  und  am  Wege  wuchsen 
überall  die  grünen  Büsche  der  Harmelraute,  und  weiterhin  sah 
man  verschiedene  kleinere  und  größere  Sträucher  zerstreut  über 
die  Ebene,  darunter  die  mit  leuchtend  gelben  Blüten  bedeckten 
Stechginster  {Ulex  spec).  Gelegentlich  erhebt  sich  aus  einem 
niederen  Strauch  eine  hohe  Staude,  die  man  im  schnellen  Vor- 
überfahren für  eine  Königskerze  halten  könnte:  es  ist  eine  große, 
gelbblüheude  Orobanche,  Phelipaea  lutea,  die  ebenso  wie  die  bei 
Biskra  gefundene  violette  Art  über  V2  m  hoch  wird.  Einzelne 
Büsche  sind  mit  einer  Menge  bunter  Läppchen  behängt,  und 
besonders  scheint  der  mit  der  Harmelraute  verwandte,  stachelige 
Neterstrauch,  Nitraria  trideiitaia,  dessen  weiße  Blüten  sich  eben 
entfalteten,  in  dieser  Weise  bevorzugt  zu  werden ;  denn  es  sind 
den  Arabern  heilige  Büsche,  die  jeder  der  Vorübergehenden  mit 
einem  solchen  Schmuckstück  behängt.  Die  Araber  mit  ihren 
Kameleu  und  Eseln  beleben  die  Straße  und  bringen  sich  und 
ihre  Tiere  schleunigst  in  Sicherheit  vor  den  dahersaußenden 
Automobilen.  Dazu  kommt  ein  reiches  Vogelleben:  Steinschmätzer 
und  große,  silberglänzende  Würger  fliegen  von  Busch  zu  Busch 
oder  von  Stein  zu  Stein.  Falken  schweben  über  dem  Boden, 
Zwergtrappen  huschen  über  die  Straße,  prachtvoll  gefärbte 
Mandelkrähen  erheben  sich  von  den  Telegraphendrähten :  kurz 
das  Auge  ist  kaum  imstande,  die  Fülle  der  sich  darbietenden 
Mannigfaltigkeit  zu  fassen').  Manchmal  fliegt  auch  ein  großer, 
schwarzer  Käfer  in  den  Wagen:  es  ist  ein  Scarabaens  oder 
sogenannter  Pillendreher,  dessen  interessante  Tätigkeit  wir 
beobachten  können,  wenn  zu  kurzer  Rast  gehalten  wird.  Wir 
sehen  dann,  wie  der  Käfer  rückwärts  gehend  eine  aus  Schaf- 
oder Kamelmist  gebildete  Kugel  mit  den  Hinterbeinen  mühsam 
vor  sich  herschiebt,  da  sie  viel  größer  als  sein  eigener  Körper 
ist ;  sie  wird  dann  in  eine  dazu  gegrabene  Röhre  versenkt,  um 
dort   zur  Bereitung:   einer   das   Ei    enthaltenden   Umhüllung   zu 


^)  Auch  in  Algier  ist  ein  reiches  Vogelleben,  wenn  ich  es  bei  Biskra 
auch  nicht  so  bemerkt  habe.  i\lan  vergleiche  die  prächtigen  Schilderungen, 
die  Professor  A.  König  in  seinem  großen  Werke  davon  geliefert  hat ;  der 
erste  Teil  „Reisen  und  Forschungen  in  Algerien"  ist  separat,  der  zweite  Teil 
„Beiträge  zur  Ornis  Algeriens"  ist  im  Journal  für  Ornithologie  1ÜU5  erschienen. 


—     101     — 

dieneu.    Beladen  mit  solchen  Eindrücken  und  den  gesammelten 
Pflanzen  kommen  wir  Mittags  in  Gabes  an. 

Dies  war  mit  dem  34.  Grad  der  südlichste  Punkt,  den 
wir  erreichten,  und  hier  mußten  wir  uns  leider  von  den  fran- 
zösischen Kollegen  trennen,  da  wir  keine  Zeit  mehr  hatten,  sie 
noch  weiter  ins  Innere  zu  begleiten.  Es  wäre  auch  zu  be- 
dauern gewesen,  wenn  wir  Gabes  sogleich  wieder  hätten  ver- 
lassen sollen;  denn  diese  weitausgedehnte  Oase  bot  mit  ihrer 
Umgebung  und  dem  Meere  im  Hintergrund  einen  prächtigen 
Anblick  dar,  als  wir  dies  alles  vom  flachen  Dache  unseres 
Hotels  aus  überblickten.  Sobald  als  möglich  suchten  wir  denn 
auch  den  Strand  auf  und  waren  erstaunt  zu  sehen,  wie  ähnlich 
er  dem  unserer  Xordseeküste  ist.  Ein  flaches,  sandiges  Ufer 
wird  in  geringer  Entfernung  durch  niedere  Dünen  begrenzt  und 
trägt  einen  ganz  ähnlichen  Pflanzenwuchs  wie  der  Strand  der 
Nordsee:  der  Queller,  Salicornia  herbacea,  der  Meersenf,  Cakile 
maritima,  der  Strandhafer,  Psaiinna.  arenaria,  treten  hier  wie 
dort  als  Charakterpflanzen  auf.  Dagegen  zeigen  die  anderen 
Muscheln  und  Tange,  die  Strünke  des  Seegrases,  Posidonia 
ocean ica,  und  die  zahlreichen  Schulpe  des  Tiutenfischs,  von  den 
Wellen  ans  Ufer  gespült,  die  fremdartige  Küste  an,  während 
die  der  Benutzung  noch  harrenden  Badekarren  nicht  anders 
wie  die  unsrigeu  aussehen.  Steigt  man  aber  auf  die  Düne 
hinauf,  so  erscheinen  auf  ihrer  inneren  Seite  bereits  einzelne 
Dattelpalmen  als  Ausläufer  der  nahen  Oase.  Diese  ist  von 
zahllosen  schmalen  Wegen  und  kleinen  Kanälen  durchzogen,  und 
man  kann  stundenlang  in  ihr  umherirren,  da  mau  bei  gehindertem 
Ausblick  und  bei  der  Gleichförmigkeit  der  Umgebung  schnell 
die  Richtung  verliert.  Ein  wesentlicher  Unterschied  gegenüber 
der  Oase  von  Biskra,  der  sie  an  Schönheit  nicht  nachsteht,  ist 
nicht  zu  bemerken:  dieselben  Fruchtbäurae  und  Gemüsepflanzen 
werden  unter  den  Palmen  gezogen,  sind  aber  hier,  in  etwas 
späterer  Zeit,  schon  ein  wenig  weiter  in  der  Entwicklung  fort- 
geschritten. Dagegen  sahen  wir  hier  etwas,  was  in  Biskra 
nicht  beobachtet  wurde,  nämlich  die  Gewinnung  des  Palmen- 
weins. Dazu  benutzt  man  männliche  Bäume  oder  solche  Frucht- 
bäume, die  schlecht  tragen,  und  verfährt  auf  folgende  Weise: 
Man  schneidet  die  Blätter  bis  auf  die  äußersten  weg  und  das 
sogenannte  Herz  in  der  Mitte  glatt  ab.  spitzt  dann  den  mittleren 


—     102     — 

Teil  zu,  macht  unterhalb  dieser  Spitze  eine  Einne  rings  um 
den  oberen  Kegel  mit  einem  Ausfluß,  und  vor  diesem  befestigt 
man  einen  Tonkrug,  in  den  der  Saft  läuft.  Die  Ausscheidung 
ist  so  reichlich,  daß  ein  Baum  an  einem  Tag  mehrere  Liter 
liefert,  der  Krug  also  öfters  gewechselt  werden  muß.  Wenn 
dies  wirklich,  wie  mau  uns  versicherte,  drei  Monate  so  fort- 
geht, so  kann  man  nicht  genug  staunen  über  die  große  Menge 
von  Saft,  die  hier  geliefert  wird,  und  über  die  enorme  Leistung 
des  Wurzeldrucks,  wie  die  das  Wasser  in  den  Pflanzen  empor- 
treibende Kraft  von  den  Physiologen  genannt  wird.  Merkwürdig 
ist  auch,  daß  sich  später  eine  neue  Knospe  bildet  und  der 
Stamm  weiterwächst,  so  daß  er  wiederholt  der  Anzapfung  unter- 
worfen werden  kann.  Wie  oft  dies  an  einer  Palme  geschehen 
ist,  sieht  man  an  den  tiefen  Furchen  unter  der  spärlichen  Krone, 
die  ein  solcher  Baum  in  gewissen  Abständen  aufweist;  die  Ab- 
stände zwischen  zwei  Furchen  dürften  aber  mehr  als  einem 
Jahrestriebe  entsprechen.  Während  der  Weingewinuung  postiert 
sich  eine  Wache  am  Fuße  des  Baumes  und  ruht  auch  des  Nachts 
hier  unter  einer  leicht  zusammengestellten  Hütte.  Der  frische 
Wein,  den  wir  probierten,  schmeckt  angenehm  süß,  aber 
etwas  fade. 

Ein  sehr  gewandter  arabischer  Führer  machte  uns  nicht 
nur  mit  dieser  Prozedur  und  anderen  Beschäftigungen  der  Oasen- 
bewohner  in  Garten  und  Haus  bekannt,  sondern  führte  uns 
auch  durch  das  arabische  Quartier  der  Stadt,  das  viel  größer 
und  origineller  als  das  in  Biskra  ist.  Wir  passierten  eine  Straße, 
die  ganz  überdeckt  und  infolgedessen  stockdunkel  war :  das  Bedürf- 
nis, wenigstens  stellenweise  die  Sonnenhitze  auszuschließen,  scheint 
so  dringend  zu  sein,  daß  die  mit  der  Dunkelheit  verbundenen 
Nachteile  nur  wenig  angeschlagen  werden.  Während  der  paar 
Tage  unseres  Aufenthaltes  hatten  wir  freilich  nicht  von  Sonnen- 
hitze zu  leiden ;  es  war  vielmehr  kühl  und  regnerisch,  ein  den  Arabern 
in  Hinsicht  auf  die  Ernteaussichten  sehr  willkommenes  Wetter. 

Der  europäische  Stadtteil  von  Gabes  ist  weit  weniger  elegant 
als  der  von  Biskra.  Daß  aber  außer  der  ziemlich  großen  Garnison 
auch  eine  tätige  und  angeregte  französische  Bevölkerung  hier 
zu  finden  ist,  zeigte  schon  der  Umstand,  daß  gerade  während 
wir  dort  waren,  eine  Ausstellung  von  Natur-  und  Kunstprodukten 
des  Landes,   sogar  mit  einer  kleinen  Gemäldeausstellung  ver- 


—     103    — 

bimden,   abgehalten  wurde.     Auch   die  Verpflegung  in  unserem 
Hotel  ließ  kaum  zu  wünschen  übrig. 

Am  Morgen  des  10.  April  verließen  wir  Gabes  in  Be- 
gleitung eines  französischen  Botanikers  und  seiner  Familie,  der 
gleich  uns  verhindert  gewesen  war,  sich  an  der  Fortsetzung  der 
gemeinsamen  Exkursion  zu  beteiligen.  Auf  demselben  Weg,  den 
wir  gekommen  waren,  ging  es  nun  wieder  im  Automobil  zurück. 
Wir  konnten  uns  jetzt  aber  Sfax  und  Sousse  etwas  näher  an- 
sehen :  beide  sind  kleine  Hafenstädte  mit  sehr  eleganten  fran- 
zösischen Häusern  und  mit  Araberviertelu,  die  vollkommen  einer 
kleinen  Festung  mit  vier  nach  den  vier  Himmelsrichtungen  ge- 
legenen Toren  gleichen.  In  Sfax  hatten  wir  Gelegenheit,  die 
reiche  Sammlung  römischer  Altertümer  zu  bewundern,  die  aus 
dem  alten  Thyna  in  der  Nähe  hierher  gebracht  worden  sind. 
Auch  eine  innerhalb  des  Hafengebiets  frei  im  Meere  errichtete 
Station  zur  Aufzucht  von  Badeschwämmen  wurde  uns  gezeigt 
und  verschaffte  uns  eine  sehr  interessante  Besichtigung,  Doch 
darf  ich  mich  mit  der  Beschreibung  dieser  Orte  und  der  Fahrt 
nicht  weiter  aufhalten,  da  sie  in  botanischer  Hinsicht  nicht  viel 
Neues  boten.  Am  12.  April  kehrten  wir  nach  Tunis  zurück  und 
hatten  hier  noch  Zeit,  einige  Ausflüge  in  die  Umgebung  der 
Stadt,  besonders  nach  den  berühmten  Ruinen  von  Carthago, 
zu  maciien,  bevor  unser  Schiff  nach  Palermo  abging.  Die  Ver- 
bindung von  Tunis  nach  Palermo  ist  nämlich  höchstens  zweimal 
in  der  Woche  gegeben.  Von  da  fuhren  wir  nach  Neapel  und 
nach  Genua  ebenfalls  zu  Schiff  und  kamen  am  24.  April  glück- 
lich zurück.  Wir  trafen  es  dabei  hinsichtlich  der  Witterung  so 
eigentümlich,  daß  es  immer  wärmer  wurde,  je  weiter  wir  vom 
34.  bis  zum  50.  Grad  nach  Norden  kamen.  Von  Genua  an  war 
kaum  eine  Änderung  im  Zustande  der  Vegetation  zu  bemerken, 
was  die  sommergrünen  Gewächse  betrifft,  d.  h.  es  war  in  Deutsch- 
land ebenso  weit  wie  südlich  der  Alpen.  Bei  uns  drängt  sich 
eben  die  Entwicklung  auf  kürzere  Zeit  zusammen  und  gewährt 
dadurch  den  Eindruck  einer  Fülle,  den  die  südlichen  Länder 
nicht  bieten :  den  Anblick  der  grünenden  Wiesen  und  der  mit 
neuem  Laub  sich  schmückenden  Wälder  muß  der  Italiener  ent- 
behren. So  entschädigte  auch  uns  die  Freude  an  der  herrlichen 
deutschen  Frühlingslandschaft  für  den  Reiz  des  Schönen  und 
Fremdartigen  der  südlicheren  Regionen,  die  wir  verlassen  hatten. 


—     104 


Unsere  einlieimischeii  Salamander  und  Molche 
im  Kreislauf  des  Jahres. 

Mit  7  Abbildungen 
von 

August  Knoblauch. 


Bevor  im  ersten  Frühjahr  unsere  Tümpel  und  Teiche  völlig 
eisfrei  sind,  erwachen  Salamander  und  Molche  nach  langem 
Winterschlaf  zu  neuem  Leben.  Allmählich  verlassen  sie  die 
verborgenen  Schlupfwinkel,  die  ihnen  im  vergangenen  Herbst 
Schutz  vor  der  herannahenden  winterlichen  Kälte  gewährt  haben, 
und  schreiten  oft  schon  in  den  ersten  schönen  Tagen  eines 
trügerischen  Vorfrühlings  zur  Paarung.  Freilich  ist  die 
Witterung  ihrem  Fortptlauzungsgeschäft  nicht  immer  sonderlich 
günstig.  Gar  manchesmal  bedeckt  noch  frischer  Schnee  das 
junge  Grün,  und  Nachtfröste  überziehen  die  stehenden  Gewässer 
noch  oft  genug  mit  einer  dünnen  Eiskruste,  die  erst  im  Lauf 
des  Tages  unter  dem  erwärmenden  Strahl  der  Frühlingssonne 
schmilzt.  Aber  der  gebieterische  Drang  des  trächtigen  Weib- 
chens zum  Aufsuchen  geeigneter  Laichplätze  zwingt  unsere 
Feuersalamander  und  Molche  zur  Wanderung  nach  dem  Wasser, 
und  wenn  wir  sie  auch  selten  und  nur  zufällig  auf  dieser  Wan- 
derung selbst  antreffen,  im  Wasser  finden  wir  wenigstens  die 
Molche  im  ersten  Frühjahr  in  größeren  Mengen  beisammen  als 
zu  jeder  anderen  Zeit  im  Wechsel  des  Jahres.  So  sehen  wir 
schon  Ende  März  und  im  April  in  geeigneten  Tümpeln  und 
Lachen  Dutzende   von  Molchen  sich  tummeln,    die  im  Schmuck 


—     105     — 

des  farbenprächtigen  Hochzeitskleides  ihre  giaziöseu  Liebes- 
spiele ausführen.  Auch  Feuersalamauderlarveu  beleben  in  reicher 
Zahl  die  kleinen  Bachläufe  und  Wiesengräbeu  und  selbst  mulden- 
förmige Pfützen  im  Waldesdunkel,  wie  sie  die  Schneeschmelze 
zurückläßt.  Erwachsene  Salamander  dagegen  treffen  wir  auch 
zur  Frühjahrszeit  in  der  Regel  nicht  im  Wasser  an,  sondern 
nur  in  dessen  Nähe,  weil  sie  es  nur  zur  Paarung  und  zum  Ab- 
setzen ihrer  Larven  aufsuchen,  um  es  gleich  nachher  wieder 
zu  verlassen.  Die  eigentümliche  Art  der  Fortpllauziing  des 
Alpensalamanders  bringt  es  mit  sich,  daß  er  zu  keiner  Zeit 
des  Jahres  an  das  Wasserleben  gebunden  ist. 

In  Deutschland  sind  die  Schwaiizlurche  nur  durch  eine 
einzige  Familie,  die  Salamandriden.  vertreten,  deren  Gattungen 
Salamandra  und  Molye  in  mehreren  Arten  unserer  heimischen 
Fauna  angehören.  Zur  ersten  Gattung  zählen  der  auf  schwarzem 
Grund  gelb  gefleckte  Feuersalamander  des  deutschen  Mittel- 
gebirgs,  Salajnmidra  maculosa  Laur.,  der  neuerdings  auch  in 
unserem  Stadtwald  und  auf  der  rechten  Mainseite  nachgewiesen 
worden  ist,  und  der  einfarbig  schwarze  Salamander  der 
deutschen  Alpen,  S.  atra  Laur.  Zur  Gattung  der  Wassermolche 
gehören  drei  in  der  nächsten  Umgebung  Frankfurts  vorkommende 
Arten:  der  Kammolch,  Molge  cristaia  (L&wr.).  der  Bergmolch, 
M.  alpestris  (Laur.)  und  der  Streif  enmolch,  M.  vulgaris  (L.), 
sowie  eine  vierte  Art,  der  Leisten-  oder  B^adenmolch. 
M.  palmata  (Schneid),  der  in  der  Maiuebene  zu  fehlen  scheint, 
aber  schon  im  nahen  Taunus  und  an  dessen  südlichen  Abhängen 
regelmäßig  angetroffen  wird. 

Führt  uns  zur  ersten  Früh]  ahr  szeit  ein  Spaziergang 
in  unserem  Stadtwald  durch  das  junge,  kaum  sichtbare  Grün 
der  knospenden  Buchen  nach  der  Grastränke  oder  ein  Weg 
von  der  Mainkur  nach  Bergen  an  den  überschwemmten  Wiesen 
bei  Enkheim  vorüber,  so  können  wir  mühelos  das  Leben  und 
Treiben  unserer  einheimischen  Molche  im  Freien  beobachten. 
An  einer  tieferen  Stelle  des  kristallklaren  Wassers  erblicken 
wir  auf  dem  Grunde  fast  unbeweglich  ein  kleines  Tierchen  etwa 
von  der  Gestalt  und  Größe  einer  Eidechse,  mit  einem  hohen, 
zackigen  Kamm  auf  dem  Rücken  und  mit  einem  silberglänzenden 
Streifen  in  der  Mitte  des  breiten  Ruderschw^anzes.  Es  ist  ein 
prächtiges    Kammolchmännchen    im    Schmuck    des    sogenannten 


pr; 


B  ^ 


C, 


ft)     ö 
■-!    O 

I    a- 


td  CD 

n>   ►- - 


—     107    — 

„Hochzeitskleides"  (Fig.  1)^).  Behende  und  graziös  schwimmt  es 
auf  ein  Weibchen  seiner  Art  zu;  es  macht  vor  ihm  Halt,  um- 
schwimmt es  und  peitscht  sekundenlang  mit  dem  breiten  Schwänze 
seine  Flanken.  Jetzt  flüchtet  das  weibliche  Tier,  und  mit  ihm 
entschwindet  auch  der  schmucke  Kammolch  unseren  Blicken. 
Hier  tummelt  sich  ein  Pärchen  der  kleineren  Streifenmolche 
in  feurigem  Liebesspiel  (Fig.  2)^}.  Sie  sind  dem  Leistenmolch 
sehr  ähnlich,  jedoch  zur  B'rühjahrszeit  im  männlichen  Geschlecht 
durch  einen  hohen  Kamm  und  durch  das  Fehlen  des  faden- 
förmigen  Anhangs,    der    dem   abgestutzten    Schwanzende   des 


y^ 


'/^^'k    ^  Är'^-^.n.f7''-r">r'"  ~~'ä '^    •■'i^    '»jT-ilA''-'  '»O^-^-     .  ^ 


Fig.  2.      Streifenmolche,    M.    vulgaris   (L.)   im   Liebesspiel   (etwa    ^2    der 
natürlichen  Größe),  Originalaufnahme  von  Douglas  English. 


Leistenmolches  eigentümlich  ist,  von  diesem  unterschieden.  Dort 
sehen  wir  ein  dickleibiges  Weibchen  des  farbenprächtigen  Berg- 
molchs in  eigenartiger  Stellung  unbeweglich  im  Wasser  ruhen. 
Während  es  mit  den  Vorderbeinen  hin  und  her  balanziert  oder 
sich  auf  eine  Pflanze,  auf  einen  untergetauchten  Grashalm  auf- 
stützt, hat  es  mit  den  Hinterbeinen  einen  frischen  Trieb  winkelig 
umgebogen  und  in  dem  Winkel  ein  eben  abgesetztes  Ei  angeklebt. 
Denn  nicht  in  Klumpen  oder  Schnüren  wie  die  Frösche  und 
Kröten  ihren  Laich,  sondern  einzeln  legt  das  Molchweibchen 
seine  zahlreichen  Eier  (60 — 300)  ab.   Es  wählt  hierzu  geschützte 

^)  Aus  Köhler  „Das  Photographieren  lebender  Tiere  im  Aquarium". 
Blätter  für  Aquarien-  und  Terrarienkunde.  17.  Jahrg.,  S.  223.  Magdeburg 
(Creutzsche  Verlagsbuchhandlung)  1906. 

^)  Aus  Douglas  English  „How  to  know  the  Amphibians.  The 
Newts".  The  Nature  Book.    Part  15,  p.  449.  London  (Cassell  &  Co.,  Ltd.)  1908. 


—     108     — 

Stellen  in  den  Blattwinkeln  junger  Wasserpflanzen,  an  einem 
geknickten  Grashalm,  stets  aber  nicht  in  der  Tiefe  des  Wassers, 
sondern  nur  wenig  unterlialb  der  Oberfläche,  wohin  der  wärmende 
Strahl  der  Frühlingssonne  noch  zu  dringen  vermag.  In  unserer 
Gegend  lebt  der  Bergmolch,  der  durch  den  Mangel  an  dunkleren 
Flecken  auf  seiner  prachtvoll  orangerot  gefärbten  Bauchseite 
gekennzeichnet  ist,  oft  in  denselben  Tümpeln  und  Gräben  mit 
den  anderen  Molcharten  zusammen;  doch  steigt  er  höher  im 
Gebirge  auf  als  sie,  und  noch  in  einer  Höhe  von  27(30  m  ist 
er  auf  den  baumlosen  Matten  des  Hochgebirgs  gefunden  worden. 

Wohin  wir  blicken,  überall  die  munteren  Tierchen,  einzeln 
oder  in  Paaren,  manchmal  auch  mehrere  Männchen  in  heißem 
Liebeswerben  um  dasselbe  Weibchen.  Bald  schreiten  sie  lang- 
sam am  Grunde  des  Wassers  dahin,  ab  und  zu  behende  nach 
einem  aufgescheuchten  Elohkrebs,  einer  Wasserassel,  einer 
vorüberschwimmenden  Kaulquappe  schnappend,  oder  quer  im 
breiten  Maul  einen  ringelnden  Wurm,  der  sich  verzweifelt  ab- 
müht, dem  gefräßigen  Molche  zu  entrinnen.  Von  Zeit  zu  Zeit 
steigen  die  flinken  Tierchen  fast  senkrecht  zur  Oberfläche  des 
Wassers  empor,  um  Luft  zu  schöpfen,  —  denn  sie  atmen  durch 
Lungen  —  und  lassen  sich  alsdann  wieder  langsam  in  die 
Tiefe  sinken.  Werden  sie  aber  durch  den  jähen  Sprung  eines 
Frosches  aufgescheucht,  der  sich  vor  unseren  Schritten  ins 
Wasser  flüchtend  in  den  Schlamm  einwühlt,  so  verschwinden 
sie  blitzschnell  im  Pflanzengewirr:  denn  alle  Molche  sind  während 
ihres  Wasserlebeus  ausgezeichnete,  äußerst  gewandte  Schwimmer. 

Verlassen  wir  jetzt  die  Grastränke  und  folgen  dem  Laufe 
des  Bächleins,  das  sie  durchfließt.  Unter  prachtvollen  Buchen- 
beständen machen  wir  Rast  und  blicken  sinnend  in  die  klare 
Flut.  Was  liegt  dort  am  Grunde  auf  den  modernden  Blättern 
abgefallenen  Laubes?  Es  scheint  ein  kleines  Stückchen  Holz 
zu  sein,  kaum  2 — 3  cm  lang,  von  dem  jederseits  zwei  kleine, 
stämmige  Seitenästcheu  ausgehen.  Unwillkürlich  berühren  wir 
es  mit  unserem  Stock:  ein  kurzer  Ruck!  Blitzschnell  ist  es 
verschwunden,  und  jetzt  sehen  wir  das  vermeintliche  Ästchen 
wieder  ebenso  regungslos  wie  zuvor,  etwa  einen  halben  Meter 
von  der  ersten  Stelle  entfernt,  auf  dem  dunklen  Grund  des 
Bächleins  liegen.  Wir  blicken  genauer  zu  und  erkennen  deut- 
lich,  daß   die   kleinen  Ästchen   an   der  Stelle,   wo   sie  aus  dem 


—     109     — 

Stückclien  Holz  liervorzukommen  scheinen,  einen  kleinen,  lichten 
Fleck  tragen.  Es  sind  die  hellen  Flecken  an  den  Extremitäten 
der  Salamanderlarve,  und  was  wir  anlänglich  fhr  ein  Ästchen 
gehalten  haben,  ist  die  nengeborene  Larve  unseres  Feuer- 
salamanders. 

Nnr  an  vereinzelten  Stellen  unseres  wasserarmen  Stadt- 
waldes werden  Salamanderlarven  gefunden.  Häufiger  sind  sie 
schon  im  Gebiet  des  Hengstbaches,  der  die  angrenzenden  hessi- 
schen Waldungen  in  der  Richtung  von  Dreieichenhain  nach 
der  Alitteldick  durchfließt,  im  ]\Iesseler  und  Groß-Gerauer  Park, 
und  im  nahen  Taunus,  in  der  Bergstraße  und  im  Spessart  sind 
zahlreiche  Wald-  und  Wiesenbäche  von  ihnen  belebt. 

Durch  die  Art  ihrer  Fortpflanzung  unterscheiden  sich 
Salamander  und  Molche  in  bezeichnender  Weise  voneinander. 
Während  die  Molche  Eier  legen,  bringen  unsere  beiden  Sala- 
manderarten lebende  Junge  zur  Welt.  Indessen  ist  auch  bei 
ihnen  je  nach  den  äußeren  Verhältnissen,  unter  denen  sie  leben, 
die  Art  der  Fortpflanzung  verschieden.  Der  Feuersalamander 
ist  ein  Bewohner  des  wasserreichen  Berg-  und  HtigHllaudes,  der 
an  einzelnen  Stellen  seines  Verbreitungsgebietes  auch  in  die 
Ebenen  der  großen  Flußläufe  hinabsteigt,  aber  nur  selten  hiJher 
im  Gebirge  als  800  m  augetroffen  wird.  Der  Alpensalamander 
dagegen  ist  ein  ausgesprochener  Bewohner  des  Hochgebirgs,  der 
am  liebsten  innerhalb  eines  sich  zwischen  1000  und  2200  m 
hinziehenden  Höhengürtels  lebt  und  bis  zu  3000  m  aufsteigt. 
Er  fristet  also  sein  Dasein  und  schreitet  zur  Fortpflanzung 
noch  in  einer  gewaltigen  Höhe,  in  der  es  keine  Bachläufe, 
keine  Wasseiiachen  mehr  gibt,  in  der  vielmehr  das  Gewässer 
der  Gletscher  über  nackte  Felsen  rieselt  und  einer  Fauna  ent- 
behrt, die  seiner  Larve  zur  Nahrung  dienen  könnte.  Sie  voll- 
endet deshalb  ihre  Metamorphose  im  mütterlichen  Organismus 
und  kommt  als  lungenatmendes  Landtier  zur  Welt,  au  Gestalt 
und  Farbe   ganz    der  erwachsene  Alpensalamander  im  Kleinen. 

Unser  Feuersalamander  setzt  dagegen  seine  lebendigen 
Jungen  als  kiementragende  Larven  ab,  die  mitunter  noch  von 
der  Eihülle  umgeben,  dieses  dünne  Häutchen  erst  während  oder 
unmittelbar  nach  der  Geburt  sprengen,  und  zwar  wählt  er  mit 
Vorliebe  klare  Quellen,  Gebirgs-  und  Waldbäche  zum  Laichen. 
Er  vermeidet   aber   auch   stehendes  W^asser   nicht,    selbst  enge 


—     110     — 

BruiinenstubeD,  dicht  bewachsene  Tümpel  und  Lachen,  wie  sie 
sich  mitunter  in  verlassenen  Steinbrüchen  und  Tongruben  finden. 
Wo  aber  Salamanderlarven  leben,  treffen  wir  sie  gewöhnlich  in 
größerer  Menge  an;  denn  meistens  setzt  das  einzelne  Feuer- 
salamanderweibchen zahlreiche  Larven  —  bis  70  Stück  — 
hintereinander  ab,  während  der  Alpensalamander  in  der  Regel 
nur  zwei  Junge  gebiert. 

Wenn  bei  einer  solch  großen  Fruchtbarkeit  des  Feuer- 
salamanders anscheinend  nur  eine  beschränkte  Anzahl  von  In- 
dividuen zur  vollen  Entwickelung  gelangt,  so  rührt  dies  daher, 
daß  zahlreiche  Larven  anderen  Tieren  zum  Opfer  fallen.  Die 
wichtigsten  Feinde  der  Salamanderlarven  sind  zugleich  auch  die 
hauptsächlichsten  Schädlinge  der  Larven  unserer  Molche  und 
dieser  selbst,  so  lange  sie  im  Wasser  leben.  Es  sind  vor  allem 
die  Raubfische  —  Forelle,  Groppe  und  Stichling  — ,  Ringel- 
und  Würfelnatter  und  auch  manche  Amphibien,  namentlich  der 
gefräßige  Kammolch  und  der  Wasserfrosch.  Zu  ihnen  gesellen 
sich  der  Flußkrebs  und  die  räuberischen  Libellenlarven  hinzu, 
Wasserwanzen,  Wasserskorpion  und  die  großen  Schwimmkäfer 
mit  ihrer  mordgierigen  Brut,  von  der  schon  ganz  kleine  Exem- 
plare die  Molch-  und  Salamanderlarven  anfallen  und  töten.  Auch 
die  Larven  der  Köcherfliegen  müssen  zu  den  Schädlingen  der 
Molchbrut  gezählt  werden,  insofern  sie  gelegentlich  die  an  den 
Blättern  der  Wasserpflanzen  abgelegten  Molcheier  zerstören  und 
die  Embryonen  auffressen.  Im  Taunus  und  in  der  Bergstraße 
sind  die  Forellen  die  gefährlichsten  Feinde  der  Salamander- 
larven ;  in  manchen  Taunusbächen  ist  neuerdings  der  wieder- 
eingeführte Flußkrebs  hinzugetreten.  Für  die  nähere  Umgebung 
Frankfurts  kommt  hauptsächlich  der  Stichling  in  Betracht,  weil 
er  wie  die  Salamanderlarve  fließendes  Wasser  dem  stehenden 
vorzieht.  Und  so  mag  gerade  das  massenhafte  Auftreten  des 
Stichlings  in  dem  Luderbach,  sowie  in  den  Tümpeln  und  Lachen 
seines  Überschwemmungsgebietes  ein  Grund  sein,  weshalb  in 
unserem  Stadtwald  trotz  des  regelmäßigen  Vorkommens  der 
Salamauderlarven  die  Landform  des  Feuersalamanders  recht 
selten  angetroffen  wird. 

Bei  den  Molchen  dauert  die  Entwickelung  der  Embryonen 
im  Ei  bis  zum  Ausschlüpfen  der  kleinen  Larven  je  nach  den 
Temperaturverhältnissen   und  der  Belichtung  des  Wassers  ver- 


Ill 


schieden  lange  Zeit,  im  Durchschnitt  14  Tage.  Die  frisch  aus- 
geschlüpfte Molchlarve  ist  etwa  6  — 10  mm  lang;  sie  hat 
bereits  deutlich  ausgebildete  äußere  Kiemen,  aber  noch  keine 
Beine  (Fig.  3)^)  Sie  unterscheidet  sich  durch  ihre  geringe  Größe 
und  durch  den  völligen  Mangel  an  Extremitäten  ausreichend  von 
der  neugeborenen  Salamanderlarve.  Denn  die  letztere  mißt  bei 
der  Geburt  bereits  24 — 30  mm  und  hat  schon  vollständig  aus- 
gebildete, sogar  recht  plumpe  Vorder-  und  Hinterbeine. 

Während  nun  bei  den  Larven  unserer  Frösche  und  Kröten, 
den  Kaulquappen,  zunächst  die  Hinterbeine  und  erst  später  die 
Vorderbeine    hervorbrechen,    treten    bei   den    Molchlarven    die 


Fig.  3.    Molchlarve  unmittelbar  nach  dem  Ausschlüpfen.    Darüber  eine  zweite 

Larve    noch    von    der    durchsichtigen    Eihülle    umgeben   (natürliche    Größe) , 

Originalaufnahme  von  Douglas  English. 


vorderen  Gliedmaßen  früher  als  die  hinteren  hervor  und  zwar 
schon  in  der  ersten  oder  zweiten  Woche  nach  dem  Verlassen 
des  Eies,  während  die  Hinterbeine  etwa  14  Tage  später  zum 
Vorschein  kommen  (Fig.  4)^). 

Die  Gliedmaßen  der  Molchlarven  sind  viel  graziler  als  die 
stämmigen  und  robusten  Gliedmaßen  der  Feuersalamanderlarve. 
Auch  ist  der  Flossensaum  des  Ruderschwanzes  bei  den  Larven 
beider  Gattungen  von  verschiedener  Form.  Bei  unseren  Molch- 
larven ist  er  am  hinteren  Ende  mehr  oder  weniger  zugespitzt, 
bei  der  Kammolchlarve  sogar  mit  einem  fadenförmigen  Anhang 

^)  Aus    Douglas    English    „How    to   know  the  Amphibians.     The 
Newts«.  The  Nature  Book.  Part  15,  p.  452.  London  (Cassel  &  Co.,  Ltd.)  1908. 
2)  Ebenda,  p.  453. 


—     112     - 

verseilen,  und  außerdem  ist  er  wesentlich  liühei-  und  überzieht 
fast  den  ganzen  Eücken  bis  zum  Nacken  in  die  Gegend  der 
Kiemenwnrzeln.  Bei  der  Larve  des  Feuersalamanders  dagegen 
ist  der  Flossensaum  des  Schwanzes  breit  ziigerundet  und  leicht 
nur  etwa  bis  zur  Mitte  des  Rückens. 

Diese  rein  morphologischen  Unterschiede  haben  einen  sehr 
charakteristischen  biologischen  Unterschied  in  der  Art  dei-  Fort- 
bew^egung  der  Larven  der  Molche  und  Salamander  zur  Folge. 
Die  Feuersalamauderlarve  bewegt  sich  auf  ihren  stämmigen 
Gliedmaßen  kriechend  am  Boden,  und  aufgescheucht  schwimmt 
sie  ruckweise  durchs  Wasser,   um   sich  alsbald  wieder  auf  den 


Fig.  4.     Junge   Molchlarven    in    verschiedenen    Stadien    der    Entwickelung 
(natürliche  Grüße),  Originalaufnahme  von  Douglas  English. 

Boden  niedersinken  zu  lassen.  Die  Molchlarve  dagegen  bewegt 
sich  schwimmend  im  Wasser  umher,  während  ihr  die  grazilen 
Extremitäten  das  Kriechen  am  Boden  erschweren,  und  entwickelt 
namentlich  auf  der  Jagd  nach  Beutetieren  eine  ganz  erstaunliche 
Behendigkeit  im  Schwimmen. 

Feuersalamander  und  Molche  sind  während  ihres  ganzen 
Lebens,  sowohl  im  Larvenzustand  wie  als  entwickelte  Lurche, 
Fleischfresser,  und  zwai-  ernähren  sie  sich  ausschließlich  von 
lebenden  Tieren,  unmittelbar  nach  dem  Ausschlüpfen  aus  dem 
Ei  beginnt  die  Molchlarve  ihre  Jagd  auf  Hüpferlinge  und 
Wasserflöhe,  und  die  gleichen  kleinen  Krebsclien  und  junge 
Wasserasseln  sind  auch  dei-  neugeborenen  Salamauderlarve  eine 
willkommene  Beute.  Daneben  fallen  die  Larven  und  Puppen 
unserer  verschiedenen  Schnakenarten,  der  Eintagsfliegen,  einzelner 


—     113     — 

Arten  von  Wasserkäferu  nnd  anderer  Insekten  in  großen  Mengen 
den  gefräßigen  Salamander-  nnd  Molchlarven  znm  Opfer,  ebenso 
kleine  Wassersclinecken  und  Muscheln,  Schneckeneier,  Würmer, 
Flohkrebse  und  selbst  junge  Kaulquappen  und  kleinere  Larven 
der  eigenen  Art.  Die  Lebensweise  der  schwerfälligen  Salamandei- 
larve  am  Grunde  der  Gewässer  bringt  es  indessen  mit  sich,  daß 
ihr  vorwiegend  die  Bodenfauna  zur  Nahrung  dient,  während  die 
schwimmgewandte  Molchlarve  auch  auf  die  planktonisch  lebenden 
Arten  Jagd  macht. 

Da  die  Paarungszeit  der  Molche  sich  durch  viele  Wochen 
hinzieht  und  der  Feuersalamander  den  ganzen  Frühling  und 
Sommer  hindurch  seine  Jungen  absetzt,  treffen  wir  in  den  ersten 
Sommermonaten  an  geeigneten  Ortlichkeiten  Larven  in  den 
verschiedenen  Stadien  ihrer  Eutwickeluiig  an.  Allein  mit  Beginn 
der  heißen  Jahreszeit  trocknen  viele  Tümpel  und  Gräben,  die 
nach  der  Schneeschmelze  im  Frühjahr  reichlich  Wasser  enthielten, 
allmählich  aus;  die  kleineren  Bäche  beginnen  zu  versiechen,  und 
so  werden  an  vielen  Orten  unsere  Molch-  und  Salamanderlarven 
zu  einer  frühzeitigen  Metamorphose  genötigt.  Sie  wird  be- 
günstigt durch  das  Sinken  des  Wasserstandes,  das  eine  stärkere 
Er^värmung  des  Wassers  zur  Folge  hat  und  zugleich  den  heran- 
wachsenden Larven  die  Möglichkeit  einer  reichlicheren  Ernährung 
bietet,  indem  auch  ihre  Beutetiere  auf  ein  dichteres  Zusammen- 
leben angewiesen  sind.  So  sehen  wir  unsere  Larven  je  nach 
der  Örtlichkeit  zu  verschiedenen  Zeiten  zur  Metamorphose 
schreiten ;  doch  vollenden  sie  ihre  Entwickelung  zum  Landtier 
im  allgemeinen  in  einem  Zeitraum  von  2—372  Monaten. 

Schickt  sich  nun  die  Feuersalanianderlarve  zur  Verwandlung 
an,  so  machen  sich  an  ihr  sehr  auffällige  Veränderungen  bemerk- 
bar, vor  allem  in  bezug  auf  die  Färbung  und  auf  die  Gestalt 
der  Kiemenbüschel  und  des  Flossensaums  am  Schwänze.  Die 
erwachsene  Salanianderlarve  ist  etwa  5 — 6  cm  lang  und  von  grau- 
brauner Farbe  mit  einer  unregelmäßig  angeordneten,  dunkleren 
Fleckung  am  Rumpf  und  Schwanz,  wählend  die  charakteristischen 
hellen  Flecken  an  der  Wurzel  aller  vier  Extremitäten  bereits 
deutlich  eine  gelbliche  Farbe  angenommen  haben.  In  den  letzten 
Wochen  vor  der  Verwandlung  treten  auch  am  Kopfe  über  den 
Augenlidern  und  in  der  Ohrgegend  helle  E'lecken  auf,  die  manch- 
mal jederseits  zu  einem   schmalen  Bande  zusammenfließen.  All- 


—     114     — 

mälilich  werden  diese  Flecken  mattgelb  mit  einem  eigenartigen 
Bronzetou,  während  die  Grundfärbung  der  Larve  am  Kopf  und 
Rücken  dunkler  wird  und  die  vorher  rosafarbene  Bauchseite 
einen  Stich  ins  Stahlblaue  annimmt. 

Die  Kiemenbiischel  der  Salamanderlarve  haben  in  den 
letzten  Wochen  vor  der  Verwandlung  ihre  größte  Entwickeliing 
erlangt  und  sind  zu  einem  prachtvollen  „Federkragen"  geworden. 
der  den  Hals  des  Tieres  umgibt  (Fig.  5)^).  Kurze  Zeit,  bevor  die 
Larve   ans  Land   geht,    bilden   sie   sich  jedoch   ziemlich  schnell 


Fig.  5.    Salainanderlarve  kurz  vor  »1er  Verwandlung  fetwa  '^jj  der  natürlichen 
Größe),  Originalaufnahme  von  H.  Hin  t  er  b  er  ger -Wien. 

zurück,  schließlich  soweit,  daß  sie  nur  noch  ganz  kurze  Stummel 
darstellen.  Jetzt  sehen  wir  die  Larve  sich  meist  an  der  Ober- 
fläche des  Wassers  aufhalten  odei-  mit  dem  Kopf  auf  einem  den 
Wasserspiegel  überragenden  Stein  oder  am  flachen  Uferrande 
liegen,  so  daß  die  Kiemenreste  gerade  noch  vom  Wasser  um- 
spült sind.  Annähernd  gleichzeitig  mit  ihrer  Rückbildung  wird 
auch  der  Flossensaum  am  Schwänze  schmäler  und  schwindet 
allmählich  mehr  und  mehr.  Der  typische  Ruderschwanz  verliert 
dadurch  seine  seitliche  Abplattung,  wenn  er  auch,  so  lange  die 
Larve   im    Wasser   bleibt,    noch   nicht   die    volle   Rundung   an- 

M  Aus  Fahr  „Versuche  über  Neotenie  bei  Salaniandra  maculosa'^. 
Wochenschrift  für  Aquarien-  und  Terrarienkunde.  4.  Jahrg.,  S.  536.  Braun- 
schweig (Gustav  Menzel  &  Sohn)  1907. 


—     115     — 

nimmt,  die  dem  drehruuden  Schwanz  des  erwachsenen  Salaman- 
ders eigen  ist. 

Ganz  ähnliche  Vei'änderuugen  hinsichtlich  der  Färbung, 
sowie  der  Rückbildung  der  Kiemen  und  des  Flosseusaums  am 
Schwänze  treten  bei  der  Molchlarve  auf,  bevor  sie  sich  an- 
schickt, das  Wasser  zu  verlassen. 

Der  Akt  der  Metamorphose  stellt  an  den  Organismus  der 
Larven  unserer  Schwanzlurche  offenbar  ungeheure  Anforderungen, 
wie  dies  erklärlich  ist,  wenn  man  bedenkt,  daß  ein  bisher 
kiementragendes  Wassertier  sich  in  wenigen  Tagen  zu  einem 
lungenatmenden  Landtier  entwickelt.  Während  der  Verwand- 
lung ist  die  Freßlust  der  Larven  stark  vermindert,  vielleicht 
ganz  aufgehoben,  und  ist  die  Metamorphose  vollendet,  so  ist  der 
junge  Laudsalamander  etwa  1 — 1^2  cm,  der  kleine  Molch 
^2—1  cm  kleiner,  als  es  wenige  Tage  zuvor  die  Larven  ge- 
wesen sind. 

Nicht  sämtliche  Larven  unserer  einheimischen  Molcharten 
entwickeln  sich  indessen  zur  Landform.  Unter  besonderen  Ver- 
hältnissen, die  uns  im  einzelnen  noch  nicht  genügend  bekannt 
sind,  verbleiben  manche  Individuen  wie  der  Axolotl  der  mexi- 
kanischen Seen  dauernd  im  Wasser  und  erreichen  im  Larven- 
zustand  die  Geschlechtsreife.  Es  handelt  sich  bei  dieser  interes- 
santen Erscheinung  also  offenbar  nicht  um  eine  Entwickelungs- 
hemmung,  sondern  um  eine  Anpassung  an  äußere  Lebens- 
bedingungen. Solche  fortpflanzungsfähige  Larven ,  die  man 
neotenische  nennt,  werden  beim  Bergmolch  am  Südabhang  der 
Alpen  und  in  den  kleinen  Seen  Oberitaliens  ziemlich  häutig  ge- 
funden, und  auch  an  den  verschiedensten  Orten  Deutschlands 
kommen  sie  bei  sämtlichen  Molcharten  vereinzelt  vor.  Beim 
Feuersalamander  dagegen  scheint  eine  vollständige  Neotenie 
noch  nicht  beobachtet  worden  zu  sein. 

Inzwischen  ist  es  Hochsommer  geworden.  Die  wasser- 
lebenden Larven  zahlreicher  Insektenarten,  die  den  Molchen 
und  Salamandern  während  ihres  Jugendstadiums  zur  Nahrung 
dienten,  haben  gleichfalls  ihre  Entwickelung  vollendet  und  sich 
zu  geflügelten  Formen  umgewandelt,  die  der  unbeholfene  und 
schwerfällige,  kleine  Schwanzlurch  nicht  mehr  zu  erhaschen 
vermag.  Wohl  aber  trifft  er  auf  seiner  Landwanderung  kleine 
Beutetiere   genug  an,   die   ihn   durch  ihre  Bewegung   zur  Jagd 

8* 


—     116     — 

anlocken.  Es  sind  Blattläuse,  Spinnen  und  Milben,  Asseln  und 
Tausendfüßer,  Nacktschnecken,  kleine  Würmcheu,  unbehaarte 
Räupchen  u.  a.,  und  gelegentlich  mag  ihm  auch  eine  stillsitzende 
Mücke  oder  eine  kleine  Heuschrecke  zum  Opfer  fallen.  In 
den  feuchten  Waldungen,  die  er  sich  zum  Aufenthalt  erkoren 
hat,  sprossen  zu  Ende  des  Sommers  Pilze  in  Menge  aus  der 
Erde ;  sie  beherbergen  Fliegen-  und  Käfermaden  genug,  die  den 
kleinen  Molchen  und  Salamandern  eine  willkommene  Beute  sind. 
Es  sind  dieselben  Arten  —  Würmer,  Nacktsclmecken  und  Kerfe 
nebst  ihren  Larven  ~ ,  die  auch  den  erwachsenen  Lurchen  zur 
Nahrung  dienen. 

Auch  die  alten  Molche  haben  inzwischen  ihr  Hochzeits- 
kleid abgelegt  und  zu  verschiedenen  Zeiten  je  nach  der  Örtlich- 
keit, an  der  sie  zur  Paarung  geschritten  sind,  das  Wasser  mit 
dem  Lande  vertauscht,  um  während  der  heißen  Jahreszeit  in 
feuchten,  kühlen  Verstecken  ein  beschauliches  Leben  zu  führen. 
Nur  vereinzelte  Individuen  verweilen  an  geeigneten  Orten  auch 
im  Spätsommer  noch  im  Wasser,  ja  überwintern  selbst  in  ihm. 
Die  übergroße  Mehrzahl  der  Molche  hat  sich  auch  im  äußeren 
Habitus  dem  Landleben  angepaßt.  Der  hohe  Rückenkamra,  der 
die  Männchen  einzelner  Arten  zur  Brunstzeit  auszeichnet,  hat 
sich  zurückgebildet;  der  Flossensaum  des  Ruderschwanzes,  dessen 
die  Landtiere  nicht  mehr  bedürfen,  ist  geschwunden,  und  die 
vollen,  leuchtenden  Farben,  die  ihr  Hochzeitskleid  im  ersten 
Frühjahr  geschmückt  haben,  sind  verblaßt.  Auf  dem  Lande 
scheint  auch  das  Nahrungsbedürfnis  der  Molche  viel  geringer 
zu  sein,  als  es  während  der  Zeit  ihres  Wasserlebens  gewesen 
ist.  Unmittelbar  nach  dem  Verlassen  des  Wassers  verkriechen 
sie  sich  in  ähnliche  Schlupfwinkel,  wie  sie  die  Landform  des 
Feuersalamanders  zeitlebens  bewohnt,  in  das  lockere  Erdreich 
unter  freiliegenden  Wurzeln  oder  in  den  Mulm  morscher  Baum- 
strünke, unter  moosbewachsene  Steine,  in  altes  Mauerwerk  und 
Felsenritzen,  in  verlassene  Mauslöcher  und  andere  Verstecke, 
die  ihnen  tagsüber  genügenden  Schutz  vor  der  Hitze  des 
Sommers  gewähren.  An  solchen  Orten  werden  gewöhnlich 
mehrere  Exemplare  zusammenliegend  angetroffen.  Molche  und 
halbwüchsige  E^uersalamander  verlassen  diese  Schlupfwinkel, 
in  denen  es  ihnen  an  reichlicher  Nahrung  nicht  fehlt,  anscheinend 
selten   und  nur,    um   sie  mit  anderen,   nahe   gelegenen   zu   ver- 


—     117     - 

tauschen.  So  kommt  es,  daß  sie  überhaupt  nicht  häufig  außer- 
halb ihrer  Verstecke  gefunden  werden.  Den  erwachsenen  Feuer- 
salamander dagegen  treibt  der  Hunger  gelegentlich  hervor.  In 
der  Abenddämmerung,  wenn  feuchte  Nebel  sich  auf  Wald  und 
Wiesen  lagern,  verläßt  er  seinen  verborgenen  Schlupfwinkel, 
um  zu  jagen,  bis  der  Morgentau  im  ersten  Strahl  der  aufgehen- 
den Sonne  erglänzt.  Nur  wenn  nach  längerer  Tiockenheit 
warme  Regenschauer  niederfallen ,  treffen  wir  ihn  auch  am 
hellen  Tage  oft  in  großer  Zahl  selbst  auf  freien  Plätzen  und 
mitten  im  Wege  an. 

Jetzt  wird  das  grelle  Gelb  des  Feuersalamanders,  das  ihn 
zwischen  dem  fahlen  Laub  des  Waldbodens  so  leicht  den  Blicken 
des  Spaziergängers  verbirgt,  zur  Trutz-  und  Warnungsfarbe  für 
seine  Feinde.  B'reilich  sind  Feuersalamander  und  Molche 
während  ihres  Landlebens  nicht  vielen  Nachstellungen  ausgesetzt. 
Nur  gelegentlich  fallen  sie  nächtlich  jagenden  Vögeln  und  Säuge- 
tieren zum  (Ipfer,  der  Eule,  dem  Dachs,  Iltis  und  Igel  und 
vielleicht  auch  wohl  einer  Wasserratte  und  Spitzmaus.  Auch 
Ringelnattern,  große  Eidechsen  und  Frösche  werden  manchmal 
den  jüngeren  Exemplaren  gefährlich. 

Farbe  und  Zeichnung  des  Feuersalamanders  sind  recht 
verschieden,  je  nach  der  Ortlichkeit,  an  der  seine  Larven  zur 
Entwickelung  gekommen  und  die  jungen  Landtiere  herange- 
wachsen sind.  Schon  die  Salamanderlarven  zeigen  eine  außer- 
ordentlich große  Anpassung  ihrer  äußeren  Erscheinung  an  die 
Verhältnisse  der  Umgebung.  Fließt  das  Bächlein,  in  dem  die 
Larve  lebt,  im  Waldesdunkel  dahin,  wo  sein  Boden  mit  moderndem, 
dunklem  Laube  bedeckt  ist,  so  ist  auch  sie  dunkel  gefärbt, 
während  in  souuenbeschienenen  Wiesenbächen  mit  lehmigem 
Boden  auch  ihre  Grundfärbung  fast  lehmgelb  ist.  Und  je  vor- 
herrschender der  gelbe  Ton  in  der  Färbung  der  Larve,  desto  zahl- 
reicher und  größer  gestalten  sich  die  gelbe  Fleckuug  und  Streifung 
des  erwachsenen  Tieres,  zumal  wenn  es  in  recht  feuchter  Um- 
gebung auf  lehmhaltigem  Boden  lebt.  Dunkle  Humuserde  und 
Trockenheit  dagegen  bewirken  ein  Zurücktreten  der  gelben 
Zeichnung  hinter  der  schwarzen  Grundfarbe  des  Feuersalamanders. 
Doch  wechselt  auch  die  Farbe  der  Flecken  vom  grellen  Schwefel- 
gelb durch  Orange  zum  lebhaften  Rot,  obwohl  derartig  tiefrot 
gezeichnete    Salamander    nur   an    vereinzelten    Orten   gefunden 


—     118     — 

worden  sind.^)  Als  Abnormitäten  kommen  gele(?entlicli  auch 
beim  Feuersalamander  wie  bei  anderen  Lurchen  und  Kriechtieren 
einerseits  pigmentarme  Exemplare,  selbst  Albinos  (E^ig.  6)-),  und 
andererseits  melanotische  Individuen  vor.  Bisweilen  werden 
sogar  beide  Farbenspielarten  an  dem  gleichen  Fandort  an- 
getroffen. 

Anscheinend  übt  auch  die  Meereshölie,  iu  der  der  Feuer- 
salamander lebt,  einen  Einfluß  auf  seine  Färbuug  aus.  Das 
grelle  Gelb,  das  sich  bei  Tieflaudstieren  findet,   tritt  mehr  und 


Fig.  6      Feuersalamander-Albino 
(natürliche  Grüße),   Originalaulnahnie  von  F.  Maue- Magdeburg. 


mehr  zurück,  je  höher  der  Wohnbezirk  des  Salamanders  über 
dem  Meeresspiegel  liegt.  So  sind  Exemplare  aus  der  subalpinen 
Region  oft  vorwiegend  schwarz  gefärbt  und  tragen  nur  wenige 
und  kleine,  mattgelbe  Flecken.  Sie  nähern  sich  also  in  der 
Färbung  dem  einfarbig-schwarzen  Salamander  des  Hochgebirgs, 
der    indessen    an    Länge    mehrere    Zentimeter    hinter    unserem 


^)  V.  Schwel  z  er  bar  th  „Eine  rote  Farbenvarietät  \o\\  Salamandra 
maculosa  Laur."  Bericht  der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft. 
1906,  S.  119.  Frankfurt  a.  M.  (Selbstverlag  der  Gesellschaft)  1906  und  „Der 
rotfleckige  Feuersalamander  {Salamandra  maculosa  Laur.  var.  (■occinea)"' . 
Blätter  für  Aquarien-  und  Terrarienkunde.  20.  Jahrg.,  S.  382.  Stuttgart 
(Fritz  Lehmann)  1909  (mit  farbigen  Abbildungen). 

-)  Aus  Wolterstorff  „Über  einen  Albino  von  Salamandra  triaculosa 
Laur.  (Feuersalamander)".  Blätter  für  Aiiuarien- und  Terrarienkunde.  20.  Jahrg. 
S.  380.    Stuttgart  (Fritz  Lehmann)  li)09. 


—     119     — 

Feuersalamander  zurückbleibt.  Wohl  führt  der  Alpensalamander 
im  allgemeinen  ein  ähnliches  Leben  wie  unser  Feuersalamander, 
versteckt  unter  hohlliegenden  Steinen  und  dergl.  auf  Viehtriften, 
Matten  und  auch  im  Walde;  doch  lebt  er  geselliger  als  der 
Feuersalamander,  so  daß  in  der  Regel  mehrere  Exemplare  in 
demselben  Schlupfwinkel  gefunden  werden. 

Den  ganzen  Sommer  hindurch  bis  in  den  Herbst  hinein 
bietet  sich  den  Salamandern  und  Molchen  Gelegenheit  zu  reich- 
licher Ernährung.  Mit  dem  herannahenden  Winter  aber  wird 
die  Zahl  ihrer  ßeutetiere  immer  kärglicher ;  doch  nimmt  mit 
dem  Sinken  der  Außentemperatur  zugleich  auch  das  Nahrungs- 
bedürfiiis  unserer  Lurche  ab.  Und  wenu  die  ersten  Nachtfröste 
die  Reste  des  sommerlichen  Insektenlebens  erstai-ren  lassen, 
wenu  fallender  Schnee  die  Erde  deckt,  dann  ziehen  sich  auch 
Salamander  und  Molche  in  tiefer  gelegene  Schlupfwinkel  zurück, 
die  ihnen  Schutz  vor  der  vviuterlichen  Kälte  gewäJiren.  Jetzt 
finden  sich  auch  die  ungeselligen  Feuersalamander  scharenweise 
zusammen,  und  zu  Dutzenden  und  Hunderten  können  wir  sie 
im  Spätherbst  an  geeigneten  Orten  antreffen,  die  ihnen  als 
Winterquartiere  dienen  sollen. 

So  ist  es  Forstassessor  Maisch^)  zu  Wilhelmsdorf  im 
Württembergischen  Schwarzvvald  zwei  Jahre  hintereinander 
gelungen,  die  Feuersalamander  bei  dem  Beziehen  ihrer  Winter- 
quartiere zu  beobachten.  Eine  Wegböschung  im  Walde  mit 
überhängenden  Wurzeln  und  Felsenritzeu  war  ihr  Ziel.  In 
milden  Nächten,  die  auf  die  erste,  kurze  Frostperiode  im 
November  folgten,  wanderten  die  Salamander  ihrem  erwählten 
Versteck  entgegen  und  zwar  in  solchen  Mengen,  daß  das 
lauschende  Ohr  des  Beobachters  ihre  Schritte  im  abgefallenen, 
dürren  Laube  der  alten  Eichenbestände  rascheln  hörte.  Mit 
jeder  Nacht  zogen  neue  und  größere  Scharen  heran  und  ballten 
sich  zeitweise  in  dichtem  Durch-  und  Übereinander  vor  den 
engen  Eingängen  der  Erdlöcher  und  Felsenritzen  zu  wirren 
Knäueln  zusammen.  Wochenlang  wiederholte  sich  derselbe  Vor- 
gang, bis  auch  die  letzten  Nachzügler  ein  sicheres  Unterkommen 
in  dem  frostfreien  Erdreich  gefunden  hatten.  Maisch  hat  die 
Zahl    der   Feuersalamander,    die    er  Mitte   November    tagelang 

^)  Floericke  „Kriechtiere  und  Lurche  Deutschlands".  S.  18—20. 
Stuttgart  (Kosmos)  ohne  Jahreszahl. 


5 
cf5' 


w 


°2. 

5' 


^ 


—     121     — 

hintereinander  vor  ihren  Winterquartieren  sich  zusammenfinden 
sah,  auf  etwa  200  Individuen  täglich  geschätzt. 

Nur  vereinzelte  Molche  verbleiben,  wie  erwähnt,  auch 
während  des  ganzen  Winters  im  Wasser  und  zwar  außer  den 
geschlechtsreifen  neotenischen  Larven  auch  vollentwickelte  Tiere. 
Gelegentlich  werden  aber  auch  junge  Molchlarven  beobachtet, 
deren  Verwandlung  zur  Landform  bei  später  Eiablage  sich  in- 
folge ungünstiger  Witterungsverhältnisse,  von  Mangel  an  Licht 
und  Wärme  und  von  unzureichender  Nahrung  verzögert  hat, 
und  die  deshalb  zur  Überwinterung  im  Wasser  gezwungen  sind. 
Freilich  ist  dies  nur  möglich  in  tieferen  Wasserbecken,  deren 
Bodentemperatur  während  des  ganzen  Winters  annähernd  die 
gleiche  (4 — 5"  C)  bleibt,  und  in  denen  durch  einen  ständigen 
oder  nur  vorübergehend  unterbrochenen  Wasserzufluß  auch  unter 
der  schneebedeckten,  dicken  Eiskruste  eine  genügende  Sauer- 
stoffzufuhr ermöglicht  wird.  In  solchen  Teichen  ist  eine  aus- 
reichende Winterfauna  voihanden,  die  offenbar  unseren  Molch- 
larven zur  Fristung  ihres  Daseins  und  zu  einer  langsamen 
Weitereutwickelung  in  der  dunklen  Tiefe  genügt. 

In  milden  Wintern  sind  an  besonders  warmen  Tagen 
gelegentlich  auch  Feuersalamander  außerhalb  ihrer  Verstecke 
beobachtet  worden.  Doch  ist  dies  selten.  In  der  Regel  ver- 
harren unsere  Molche  und  Salamander  in  einer  langen  Winter- 
ruhe, in  der  ihre  .  gesamte  Lebenstätigkeit  auf  ein  Minimum 
herabgesetzt  ist,  und  in  dieser  Starre,  die  ihnen  die  Nahrungs- 
aufnahme erspart,  schlafen  sie  dem  kommenden  E'rühling  ent- 
gegen, bis  der  wärmende  Strahl  der  höher  steigenden  Sonne 
sie  zu  neuem  Liebesleben  erweckt. 


In  der  systematischen  Schausammluug  des  Museums 
sind  die  Schwanzlurche  im  ersten  Obergeschoß  des  Nord- 
flügels in  dem  zweitletzten  Doppelschrank  aufgestellt  und  zwar 
von  deutschen  Arten  nur  3IoIge  cristaia  (Laur.),  Kammolch, 
vom  Grafenbruch  bei  Offenbach,  und  Salamandra  atra  Laur., 
Alpen-  oder  Mohrensalamander,  von  Oberstdorf  im  Algäu, 
(Weibchen  mit  Embryonen,  aus  dem  mütterlichen  Eileiter  aus- 
geschnittener, kiementragender  Embryo,  junge  und  erwachsene 
Exemplare).     Von    S.   maculosa    Laur.,    Feuersalamander,    sind 


—     122     — 

zwei  südeuropäische  Varietäten  ausgestellt :  var.  Corsica  Savi 
aus  dem  Prunellital  bei  ßastelica  (Korsika)  und  var.  molleri 
de  Bedr.  aus  der  Serra  de  Gerez  (Portugal),  sowie  die  nalie- 
verwandte,  langscliwänzige  Art  aus  dem  Kaukasus,  S.  caucasia 
(Waga),  vom  Lomis-Mta  bei  Borzom,  die  im  männlichen  Ge- 
schlecht durch  ein  eigentümliches  sexuelles  Reizorgan,  den 
„Schwanzwurzelhöcker"  gekennzeichnet  ist^)." 

Von  ausländischen  Arten  sind  in  der  systematischen 
Schausammlung  ferner  vertreten:  Spelerpes  fascns  B\).,  Höhlen- 
molch, aus  Sardinien  ;  Salamandrina  perspicülata  (Savi),  Brillen- 
salamander, aus  Italien:  Molge  inarnwra.ta  (Latr.),  marmorierter 
Molch,  aus  Spanien  ;  M.  (E/iproctus)  v/o^ita/ia  (Savi),  korsischer 
Bergmolch,  aus  Korsika;  M.  (Flevrocielcs)  icalili  Michail..  Rippen- 
molch, aus  Tanger  (Marokko);  M.  viridesceiis  (Ratin.),  Tüpfel- 
molch, aus  Nordamerika ;  M.  pijrrhogastm  Boie,  Feuerbauch- 
molch, aus  Japan;  sowie  Nectunis  ifiacidattis  R-dün.,  Farchen- 
molch,  aus  Nordamerika. 

In  der  v  e  r  g  1  e  i  c  h  e  n  d  -  a  n  a  t  o  m  i  s  c  h  e  n  und  e  n  t  - 
w  i  c  k  e  1  u  n  g  s  g  e  s  c  h  i  c  h  1 1  i  c  h  e  n  S  c  h  a  u  s  a  m  ni  1  u  n  g  im 
zweiten  Obergeschoß  des  Nordtiügels  sind  aut'gestelU:  Salaiuandra 
maculosa  Laur.,  Feuersalamander,  Weibchen  mit  reifen  Eiern 
und  Embryoneu,  sowie  eine  Reihe  von  Larven  in  verschiedenen 
Stadien  der  Entwickelung,  z.  T.  mit  verstümmelten  Extremitäten 
infolge  von  Verletzungen  durch  Flußkrebse,  aus  den  Bächen  bei 
Niedernhausen  im  Taunus,  und  S.  atra  Laur.,  Alpen-  oder 
Mohrensalamander,  aus  dem  mütterlichen  Eileiter  ausgeschnittene 
Embryoneu  mit  äußeren  Kiemen,  junge  und  erwachsene  Exemplare. 


^)  K  n  0  b  1  a  u  (;  h  „Der  Kaukasische  Feuersalamander,  SnUnnandra 
caucasia  (Waga)".  Mit  einer  farbigen  Tafel  und  4  Texttigiiren.  Beriebt  der 
Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft.  1905,  S.  8*J.  Frankfurt  a.  M. 
(Selbstverlag  der  Gesellschaft)  1905. 


—     123 


Eine  geologische  Forschungsreise  in  die 
Sierra  Morena. 

Von 

Fritz  Drevermann. 


Man  liest  so  vieles  von  den  glänzenden  Bildern  der  Alhambra 
mit  ihren  sagenumwobenen  Trümmern  maurischer  Pracht,  von 
dem  lachenden  Leben  in  Sevilla,  von  den  Zigeunern,  die  in 
Granada  in  Erdlöchern  hausen  und  ihre  wilden  Tänze  den 
Fremden  vorführen,  von  Stiergefechten  mit  ihrem  Schimmer  und 
ihrem  Jubel  unter  dem  südlichen  blauen  Himmel.  Immer  wieder 
taucht  die  Erinnerung  an  solche  Schilderungen  Spaniens  in 
uns  auf  und  weckt  unsere  Sehnsucht  nach  dem  wunderbaren 
Lande.  Wenn  man  aber  hört,  daß  all  diese  Herrlichkeiten  durch 
Tagereisen  mit  der  Bahn  voneinander  getrennt  sind,  und  daß 
die  Reise  selbst  durch  ödes,  unbewässertes  Land,  durch  Wüsten 
ohne  Baum  und  Strauch,  ohne  Leben,  ohne  Vogelsang  führt, 
daß  in  kahlen,  wilden  Gebirgen  noch  die  Wölfe  hausen,  da 
treten  die  Kontraste  zwischen  den  landläufigen  Schilderungen 
des  Landes  und  der  Wirklichkeit  recht  scharf  hervor.  Und 
erzählt  schließlich  der  Reisende,  der  die  Heerstraße  der  Cook  sehen 
Touristen  verläßt  und  einsame  Wege  wandert,  von  Gegenden, 
in  denen  man  tagelang  kein  Haus,  nur  die  elenden  Hütten  der 
Hirten  sieht,  wo  man  nur  diesen  Hirten  und  ihren  Ziegen  be- 
gegnet, so  will  dies  schlecht  zu  dem  fröhlichen  Bilde  passen, 
das  man  sich  von  Spanien  gemacht  hat.  Aber  gerade  die 
Schilderung  einer  solchen  Reise  gibt  eine  rechte  Vorstellung 
von  dem  Lande,  das  einst  die  Herrscherin  einer  Welt  gewesen 
ist  und   heute  jammervoll  darniederliegt,   und  von  seiner  gast- 


—     124     — 

freien  Bevölkerung,  die  in  den  großen  Städten  —  wahrhaften 
Oasen  in  der  Einöde  —  durch  die  immer  wachsende  Fremden- 
industrie den  gleichförmigen  Charakter  aller  Großstadtbewohner 
angenommen  hat. 

Wir  hatten  als  Ausgangspunkt  für  unsere  Forschungen 
Alraaden  gewählt,  die  alte,  berühmte  Quecksilberstadt,  deren 
reiche  Zinnoberbergwerke  auch  heute  noch  den  größten  Teil 
des  tlüssigen  ]\[etalls  liefern.  Gerade  die  Umgegend  von  Almaden 
sollte  nach  der  Literatur  eine  Fülle  von  Versteinerungen  bergen 
und  zwar  besonders  solche,  die  mein  Interesse  seit  meinen 
ersten  Studien  im  rheinischen  Gebirge  gefesselt  hielten.  Fran- 
zösische Forscher  hatten  in  den  fünfziger  Jahren  des  vorigen 
Jahrhunderts  dort  gesammelt  und  ihre  Ausbeute,  sowie  die  von 
dem  ehemaligen  Almadener  Bei'gwerksdirektor  Prado  ge- 
sammelten Fossilien  beschrieben  Außer  einer  Menge  von  Krebsen 
aus  dem  Altertum  der  Erdgeschichte,  den  Trilobiten,  waren  es 
ganz  besonders  Versteinerungen,  die  denen  unseres  rheinischen 
Devons  ungemein  nahe  verwandt  schienen.  Wenn  solch  eine 
Ähnlichkeit  bei  einer  einzelnen  Form  auftritt,  kann  sie  zufällig 
sein  und  oft  den  Forscher  täuschen;  wenn  aber  die  ganze  Tier- 
welt, die  in  den  Schichten  der  Sierra  Morena  begraben  liegt, 
mit  deijenigen  unseres  rheinischen  Devons  übereinstimmt,  — 
und  so  schien  es  in  der  Tat  —  so  konnten  sich  aus  ihrer 
gründlichen  Erforschung  wichtige  Folgerungen  über  Verbreitung, 
Gestaltung  und  Tiefenveihältnisse  der  Meere  zur  damaligen  Zeit 
ergeben.  Außerdem  waren  einige  verdächtige  Versteinerungen 
beschrieben  worden,  die  neues  verhießen,  und  nicht  zuletzt  lag 
ein  großer  Reiz  auch  in  dem  Umstand,  daß  bisher  nur  das 
Pariser  Museum  sich  rühmen  konnte,  aus  jener  Gegend  Petre- 
fakten  zu  besitzen.  Dies  war  die  wissenschaftliche  Begründung 
der  Reise,  und  da  unser  korrespondierendes  Mitglied  Herr 
A.  von  G  winner  in  Berlin  die  Mittel  zu  ihrer  Ausführung  in 
freigebigster  Weise  zur  Verfügung  gestellt  hatte  und  mir  außer- 
dem durch  seine  Vermittlung  die  Unterstützung  der  spanisclien 
Behörden  in  Aussicht  stand,  mußte  nur  noch  eins  hinzukommen : 
das  rechte  Sammelglück. 

Bei  unserer  Ankunft  in  Almaden  konnten  wir  wenig  Spa- 
nisch. Unsere  Kenntnisse  beruhten  im  wesentlichen  auf  zwei 
kleinen  Taschenlexikons ;    aber  sie   reichten    hin,    um   bis   zum 


—     125    — 

„Hotel"  durchzudringen,  und  nach  einigem  energischen  Auf- 
treten erhielten  wir  sogar  ein  Zimmer  mit  Fenstern.  AVas 
dies  in  der  dortigen  Gegend  heißen  will,  weiß  jeder,  der  einmal 
dort  gewesen  ist.  Kein  Schlafzimmer  hat  Fenster ;  der  Inhaber 
läßt  abends  seine  Tür  offen  und  vermeidet  auf  diese  Weise  das 
Eindringen  der  Moskitos,  die  sich  sonst  mit  Gier  auf  ihre  Opfer 
stürzen.  Wir  wollten  aber  Luft  haben;  also  hieß  es,  die  Mos- 
kitos mit  in  Kauf  nehmen.  Manches  Dutzend  dieser  blut- 
saugenden Insekten  hat  sein  Leben  gelassen ;  aber  neue  Kämpfer 
füllten  die  Reihen,  und  bald  mußten  wir  den  ungleichen  Kampf 
aufgeben.  Unser  Bankier  verstand  unser  Spanisch  zwar  offenbar 
nicht  übermäßig  gut;  aber  er  kannte  einen  Trilobiteu,  und 
dies  genügte,  um  eine  Verständigung  mit  ihm  zu  ermöglichen.  Ich 
empfehle  jedem  Forschungsreisenden,  eine  Versteinerung,  wie 
er  sie  besonders  sammeln  will,  bei  sich  zu  tragen ;  dieses  Mittel 
half  immer  sehr  gut.  Es  gab  einen  Mann  in  Almaden,  der 
Versteinerungen  sammelte  und  die  Fundorte  kannte;  er  war 
im  Hauptfach  Agent  für  Singer-Nähmaschinen  und  verkaufte 
nebenbei  Klöppelspitzen,  Grammophone,  Obst,  reparierte  alle 
feineren  Maschinen  —  kurz  er  machte  alles  —  und  er  war 
wegen  seiner  vielen  Talente  auch  noch  auf  der  staatlichen 
Grube  angestellt.  Dies  war  Don  Qu  in  tin  Fernandez,  und 
diesen  Mann  empfehle  ich  jedem,  der  Almaden  besucht,  um  dort 
zu  sammeln.  Er  war  schnell  gewonnen,  uns  zu  begleiten,  und 
mit  einem  Empfehlungsbrief  des  Ministerpräsidenten  Moret 
konnten  wir  ihm  sogar  drei  Wochen  Urlaub  erwirken. 

Schon  am  ersten  Nachmittag  nach  unserer  Ankunft  saßen 
wir  auf  dem  Feld  und  klopften  Steine,  mit  mäßigem  Erfolg, 
aber  doch  die  ersten,  guten  Petrefakten.  Und  nun  gingen 
drei  Wochen  hin,  reich  an  Funden,  voll  Jubel  über  neue,  schöne 
Versteinerungen ;  wäre  aber  auch  die  Ausbeute  nicht  so  glän- 
zend gewesen,  wir  hätten  es  nicht  länger  als  einige  Tage  dort 
ausgehalten!  Am  nächsten  Tag  war  unser  trefflicher  Führer 
schon  um  vier  Uhr  morgens  auf  dem  Markt.  Er  kaufte  Me- 
lonen, Zwiebeln,  Knoblauch,  Weintrauben  und  was  sonst  noch 
zum  Lebensunterhalt  während  einer  mehrtägigen  Exkursion 
gehölt.  Seine  prächtige  Frau  kochte  und  briet  Fleisch  und 
Kartoffeln,  füllte  den  großen  Schlauch  aus  Ziegenfell  mit  feurigem 
Rotwein,   und   alle  Vorbereitungen   zur  Reise   waren  getroffen. 


—     126     — 

Drei  Esel  und  ein  Maultier  warteten  vor  der  Türe,  und  ein 
Damensattel  für  meine  Frau  war  schnell  aus  einem  Kopfkissen 
und  aus  vier  Stöcken  hergestellt,  deren  zwei  kreuzweise  zu- 
sammengebunden wurden  (allerdings  mußte  ein  Eselstreiber  be- 
ständig dieses  Kunstwerk  festhalten).  Dann  luden  wir  die 
Eßwaren,  die  Hämmer  und  das  Einwickelpapier  auf,  und  unter 
dem  Jubel  der  halben  Stadt  ging  die  Kavalkade  los.  Drei  bis 
vier  Stunden  im  Sattel  ist  auf  einem  Pferd  und  auf  guter 
Straße  keine  Anstrengung;  auf  unseren  Reittieren  indessen  war 
der  Ritt  nicht  sonderlich  erfreulich.  Zudem  weit  und  breit 
kein  Baum,  kein  Strauch,  abgesehen  von  vereinzelten  Eucinen 
(immergrünen  Eichen  mit  laugen ,  süßschmeckenden  Eicheln), 
30 — 35°  Wärme,  und  dabei  gings  querfeldein  über  Steingeröll 
(unsere  Begleiter  sprachen  fortwährend  von  einem  Weg;  aber 
wir  vermochten  erst  in  den  allerletzten  Tagen  unseres  Aufent- 
haltes in  Spanien  einen  Weg  oder  einen  Acker  von  einem  Ab- 
hang voll  abgerollter  Steine  zu  unterscheiden).  In  der  Ferne 
sahen  wir  unser  Ziel,  einen  blauen  Höhenzug  mit  ragenden 
Felsen,  daran  augeklebt  ein  einziges  kleines,  weißes  Haus.  Als 
wir  es  erreicht  hatten,  fanden  wir  einen  alten  Hirten,  der  sofort 
für  uns  und  unser  Mittagsmahl  Platz  machte.  Schnell  einige 
Weintrauben,  eine  Melone,  und  dann  gings  auf  den  Höhenzug 
los,  glücklicherweise  zu  Fuß;  denn  wir  waren  wie  gerädert. 
Unsere  Reittiere  weideten  in  der  Nähe  mit  zusammengebundenen 
Vorderbeinen  die  kümmerlichen  Grashalme  ab. 

Das  Blockmeer,  das  uns  schon  von  weitem  entgegenge- 
leuchtet  hatte,  war  den  „Rossein"  täuschend  ähnlich,  wie  sie 
am  Rhein  und  im  Taunus  als  wirre  Schotterhalden  von  den 
Quarzithöhen  herabrollen.  Und  die  erste  Versteinerung,  die  wir 
auflasen,  war  eine  wohlbekannte  Muschel  des  Taunusquarzits. 
Jeder  Schlag  mit  dem  Hammer  lieferte  neues  Material,  und 
immer  wieder  waren  es  die  rheinischen  Formen.  Bald  saß 
meine  Frau  da  und  wickelte  ein ;  unsere  Begleiter  und  ich 
sammelten  und  trugen  immer  von  neuem  zu,  bis  der  Abend 
hereinbrach.  Dann  gings  weiter,  — ■  ein  Esel  hatte  in  seinen 
Seiteukörben  vollauf  genug  zu  tragen  von  den  Steinen  —  und 
unser  Nachtquartier  war  bald  erreicht.  Ein  einsames  Haus, 
indessen  geradezu  luxuriös  ausgestattet  (es  gab  sogar  Betten 
darin   und   ein   Zimmer   mit   Tisch   und   Stühlen),   das   uns   der 


—     127     — 

freundliche  Bankier  in  Almaden  zur  freien  Verfügung  gestellt 
hatte,  umgeben  von  einer  rohen  Steinmauer,  in  die  abends  das 
Vieh  zum  Schutz  gegen  Wölfe  getrieben  wurde,  bewacht  von 
mehreren  riesigen  Hunden  und  bewohnt  von  einfachen,  freund- 
lichen Leuten.  Solche  Abende  bleiben  unvergeßlich :  ein 
Abendessen  aus  einem  großen  gemeinsamen  Topf,  der  vom  Feuer 
schwarz  gefärbt  aufgetragen  wurde,  —  es  gab  „carne  con 
patatas" ,  Fleisch  mit  Kartoffeln  —  und  aus  dem  wir  mit 
unseren  Messern  herausfischten,  was  darin  schwamm ;  dann  Aus- 
teilung von  reichlich  mitgenommenen  Zigarren  und  ein  stilles 
Abendstündchen  unter  dem  sternklaren  Himmel  in  lautloser 
Ruhe;  zuletzt  ein  fröhlicher  spanischer  Sang  zur  Guitarre,  zu 
dem  die  Kinder  des  Verwalters  tanzten ;  dabei  die  lauwarme 
Nacht,  die  Freude  über  die  glücklichen  Funde,  die  vorauseilenden 
Pläne  für  den  nächsten  Tag  und  endlich  eine  Ruhe  ohne 
Moskitos ! 

Nach  einigem  Suchen  gabs  am  nächsten  Morgen  sogar  ein 
Waschbecken  en  miniature  mit  Wasser,  ein  seltener  Luxus. 
Ein  Handtuch  war  nicht  aufzufinden,  wurde  aber  durch  eine 
Schürze  ersetzt,  die  uns  fünf  Tage  lang  treue  Dienste  geleistet 
hat.  Dann  tranken  wir  Kaffee  im  Freien  und  zogen  zu  neuen 
Funden  aus.  Heute  sollte  es  Trilobiten  aus  den  ältesten  Silur- 
schichten geben,  wie  ich  sie  vor  Jahren  in  Böhmen  und  in  der 
Montague  noire  gesammelt  hatte.  Im  Dorf,  durch  das  wir  zogen, 
wurden  der  aus  Frankfurt  mitgenommene  Trilobit  herumgezeigt 
und  Kupfermünzen  versprochen  für  alle,  die  sich  am  Sammeln 
beteiligen  wollten.  Nach  dreistündigem  Ritt  waren  wir  an  Ort 
und  Stelle:  5  Peseten  für  den  ersten  Trilobiten !  —  kaum  hatte 
ichs  gesagt,  da  rief  ein  Hirt  „Don  Federico,  un  trilobita!" 
Wahrhaftig,  und  noch  dazu  das  Prachtstück  einer  Art,  von  der 
wir  nur  zwei  Exemplare  gefunden  haben.  Und  nun  hagelte  es 
förmlich  Trilobiten.  In  langer  Linie  verteilten  wir  uns  am  Ab- 
hang und  suchten  die  festen,  schwarzen,  kieseligen  Knollen  auf, 
die  aus  dem  weichen  Bröckelschiefer  herausgewittert  waren. 
Ein  Schlag  mit  dem  Hammer  genügte  fast  immer,  um  sie  zu 
spalten,  und  oft  waren  gute  Dinge  darin.  Überall  wurden  Depots 
angelegt,  um  Zeit  zu  sparen;  hoch  am  Busch  flatterte  die 
Frankfurter  Zeitung  als  Zeichen  der  Kostbarkeiten,  die  dort 
lagerten,    und    laugsam    zog   meine    Frau    von    Niederlage    zu 


—     128     — 

Niederlage,  um  einzupacken.  Glüliend  heiß  wurden  die  Steine; 
immer  wieder  lief  unser  Kocli,  der  Eselstreiber,  bis  wir  schließlich 
kamen:  glücklich,  müde  und  hungrig.  Leider  waren  unterdessen 
die  Ameisen  über  unser  Fleisch  hergefallen,  und  ein  Esel  hatte 
unsere  schönste  Melone  gefressen ;  aber  das  andere  reichte  doch 
aus,  um  den  Hunger  zu  stillen.  Zwei  gefährlich  aussehende 
Hirten,  bewaffnet  mit  alten  Vorderladern  und  Messern,  begleitet 
von  mächtigen  Hunden  mit  Stachelhalsband,  leisteten  uns  mit 
einer  Riesenherde  von  braunen  Ziegen  Gesellschaft,  und  gegen 
ein  paar  Zigarren  gabs  einige  Becher  schäumender  Ziegenmilch 
zum  Kaffee.  (Über  diesen  Kaffee  können  meine  Frau  und  ich 
uns  nicht  einigen ;  sie  behauptet  bis  heute,  es  seien  Eicheln 
gewesen,  während  ich  Eichelkaffee  besser  finde.)  Nachher  wurde 
in  der  ärgsten  Mittagshitze  Siesta  gehalten.  Der  einzige  Baum 
meilenweit  gab  uns  seinen  Schatten ;  auf  seine  Zweige  hatten 
wir  unsere  Röcke  gelegt,  um  ihn  dichter  zu  gestalten,  und  so 
hörten  wir  nichts  als  das  Trappeln  der  Ziegen  und  das  Schnarchen 
unseres  Führers.  Der  Nachmittag  brachte  wieder  Trilobiten  und 
andere  Versteinerungen  in  Menge  und  außerdem  ein  Novum  für 
uns:  ein  Hirt  schoß  ein  Kaninchen  und  verkaufte  es  uns.  An 
diesem  Tag  begrüßten  wir  das  Tierchen  als  Abwechselung  in 
unserem  Küchenzettel  noch  mit  Freude;  heute  denken  wir  mit 
Grauen  an  das  „conejo  con  patatas"  zurück.  Kaninchen  gab 
es  von  jetzt  ab  jeden  Abend,  und  da  wir  unvorsichtiger  Weise 
erklärt  hatten,  es  schmecke  hervorragend,  um  unseren  prächtigen 
Wirten  Freude  zu  machen,  gabs  auch  in  Alraaden  nach  unserer 
Rückkehr  bei  zwei  Einladungen  „conejo^.  Das  Rezept  bietet  wohl 
Interesse  genug,  um  hier  niedergeschrieben  zu  werden :  Man  zieht 
dem  conejo  das  Fell  notdürftig  ab,  zerhackt  es  in  große  Stücke 
und  wirft  es  in  einen  Topf  voll  siedenden  Öls.  (Da  wir  in 
Spanien  sind,  muß  das  Ol  ranzig  sein;  sonst  behagt  es  dem 
verwöhnten  Gaumen  des  Spaniers  nicht.)  In  das  gleiche  Gefäß 
kommen  zerschnittene  Kartoffeln,  zwei  handvoll  spanischen 
Pfeffers,  je  eine  handvoll  Knoblauch,  Zwiebeln  und  zuletzt 
Safran,  damit  das  Gericht  schön  gelb  werde.  So  kommt  es  auf 
den  Tisch,  und  nun  suchen  sechs,  sieben  oder  mehr  Messer  in 
der  Schüssel  herum,  um  ein  zusagendes  Stück  zu  erwischen. 
Daß  auch  hierbei  die  spiichwörtliche  Ritterlichkeit  des  Spaniers 
den  Gästen   die   besten   Stücke   läßt,   ist   selbstverständlich ;  ja 


~     129     — 

unser  Eselstreiber,  derselbe,  der  den  „Damensattel"  meiner  Frau 
zu  halten  hatte,  ging  in  seiner  Galanterie  so  weit,  daß  er  be- 
sonders hervorragende  Stücke  nach  längerem  Suchen  auf  der 
Spitze  seines  fußlangen  Dolches  meiner  Frau  direkt  in  den 
Mund  schob.  So  lebten  wir  das  erste  Mal  fünf  Tage  im  gleichen 
Haus,  jeden  Abend  müde,  aber  in  froher  Stimmung  zurück- 
kehrend, jeden  Morgen  frisch  hinausziehend  in  die  Berge,  in 
jeder  Weise  unterstützt  von  prächtigen  Menschen.  Der  leiseste 
Wunsch  wurde  uns  erfüllt,  fast  ehe  er  ausgesprochen  war; 
wohl  hundertmal  am  Tag  fragte  der  Eselstreiber,  der  den  schönen 
Namen  Don  Juan  Rosas  führte,  ob  wir  irgend  etwas  ent- 
behrten. Als  meine  Frau  unvorsichtigerweise  eines  Abends  sagte, 
sie  hätte  wohl  gerne  einen  Brief  aus  der  Heimat,  da  ruhte  er 
nicht,  bis  ich  ihm  den  Wunsch  übersetzt  hatte.  Wenige  Minuten 
später  war  er  verschwunden,  und  am  anderen  Morgen  über- 
reichte er  uns,  strahlend  vor  Glück,  ein  Paket,  die  Post  aus 
Almaden.  Wohl  fünf  Stunden  Weg  hin  und  ebensoviel  zurück 
hatte  er,  ohne  viel  Worte  zu  verlieren,  zurückgelegt,  den  Post- 
verwalter mitten  in  der  Nacht  herausgeholt  and  war  ausgelassen 
vor  Freude,  als  meine  Frau  ihn  lobte.  Und  all  der  Jugend  des 
Dorfes,  durch  das  wir  zogen,  muß  ich  gedenken:  wie  wurden 
wir  jeden  Abend  belagert,  wie  eifersüchtig  waren  die  schmierigen 
kleinen  Kerle  auf  ihre  Samraelerfolge,  und  wie  strahlten  sie, 
wenn  es  reichlich  Kupfermünzen  gab. 

Als  wir  zurückkehrten  in  unser  Hotel  in  Almaden,  eine 
staubige,  müde  Truppe,  alle  Tiere  schwer  bepackt  mit  Ver- 
steinerungen, da  glaubten  wir  einige  Tage  Ruhe  zu  finden. 
Aber  der  sofort  beginnende  Kampf  mit  den  Moskitos  und  der 
entsetzliche  Schmutz  ließen  uns  nicht  ruhen.  Schon  am  nächsten 
Morgen  zogen  wir  wieder  hinaus,  ausgerüstet  wie  das  erste  Mal, 
jedoch  nach  einer  anderen  Richtung.  Noch  einsamer  gelegen, 
ganz  isoliert  im  Gebirge,  auf  recht  gefährlichem  Saumpfad  nur 
mühsam  zu  erreichen,  aber  umgeben  von  zahlreichen,  guten 
Fundorten,  die  der  treffliche  Quintin  kannte,  und  wieder 
bewohnt  von  schlichten,  einfachen  Leuten,  die  uns  alles  gaben, 
was  sie  besaßen.  Diesmal  hieß  es  allerdings  auf  der  blanken 
Erde  schlafen,  —  nur  einmal  fand  meine  Frau  eine  Lagerstatt  — 
und  wiederholt  hörten  wir  nachts  auch  in  weiter  Ferne  die 
Wölfe  heulen.     Aber   dafür  waren   auch   die   Erfolge   gut,   und 


—     130    — 

da  wir  reichlich  Melonen  mitgenommen  hatten,  brauchten  wir 
nicht  ausschließlich  von  dem  gräßlichen  „conejo"  zu  leben.  Am 
meisten  vermißt  haben  wir  den  Wald  und  das  Wasser  in  jeg- 
licher Form  :  zum  Kochen,  Trinken  und  Waschen.  Oft  gab  es 
meilenweit  keine  Quelle,  und  mehrfach  haben  wir  Wasser  aus 
grünen  Pfützen,  die  verdächtig  genug  aussahen,  trinken  müssen. 
Auch  diesmal  war  der  Rückzug  nach  Almaden  eine  lauge  und 
schwierige  Reise.  Die  Esel  legten  sich  mit  Vorliebe,  wenn 
wir  sie  gerade  gut  bepackt  hatten,  einfach  um,  warfen  die 
Steine  wieder  ab  und  mußten  nun  von  neuem  beladen  und  unter 
beständigem  Prügeln  nach  Hause  gebracht  werden.  Aber  es 
gelang  schließlich  doch,  und  in  der  folgenden  Nacht  hat  uns 
kein  Moskito  erwecken  können,  und  längst  stand  die  Sonne 
hoch  am  Himmel,  als  wir  anderen  Morgens  aufwachten. 

Ich  übergehe  die  Schilderung  eines  Stiergefechtes  in  dem 
elenden  Nest  —  es  bot  nichts  anderes  als  derartige  Veran- 
staltungen, die  zwar  ärmlich  waren,  aber  umso  begeisterter 
bejubelt  wurden,  weil  sie  nur  selten  stattfanden  —  und  er- 
wähne nur  kurz  zwei  Einladungen,  die  wir  annehmen  mußten, 
und  die  zu  denjenigen  Erinnerungen  gehören,  von  denen  man 
nur  selten  und  erst  nach  Jahren  ohne  schmerzliches  Unbehagen 
in  der  Magengegend  spricht.  Aber  der  eine  Gastfreund  war 
unser  trefflicher  Quintin  und  der  andere  war  der  Drogist  des 
Ortes,  Don  Felipe  Alcazär,  ein  einflußreicher  Mann,  auf 
den  wir  zugleich  als  den  Besitzer  der  einzigen  —  Badewanne 
in  Almaden  Rücksicht  zu  nehmen  hatten.  Er  hat  uns  viele  Ge- 
fälligkeiten erwiesen,  ist  oft  mit  uns  hinausgezogen  und  hat 
„conejo  con  patatas"  gekocht,  hat  uns  sogar  eine  Konserven- 
büchse mit  Lachs  mitgebracht,  die  uns  nachher  noch  mehrere 
Tage  als  Trinkgefäß  gedient  hat  (man  gewöhnt  sich  an  alles ;  wir 
haben  zuletzt  den  „Kaffee"  mit  leisem  Geschmack  nach  Lachs 
und  —  Odol  gerade  so  gern  getrunken,  wie  E.  Fr  a  as  in 
Ägypten  seinen  Tee  mit  Petroleumgeschmack).  Solchen  Leuten 
hieß  es  schon  ein  Opfer  bringen,  und  so  mußten  wir  ein  Diner 
von  fünf  Gängen  mitmachen. 

Eine  Fundstelle  in  der  Nähe  von  Alamaden  zeichnete  sich 
dadurch  aus,  daß  sie  auf  einer  richtigen,  guten  Straße  mit  Wagen 
und  Maultieren  zu  erreichen  war.  Da  gleichzeitig  gerade  hier  die 
besten  Funde  von  ganz  neuen  und  unbekannten  Petrefakten  zu 


—     131     — 

erwarten  waren,  so  benützten  wir  jedesmal  diejenigen  Tage  zu 
einer  solchen  Reise,  die  uns  zwischen  den  anstrengenden,  mehr- 
tägigen Gebirgstouren  übrig  blieben.  Ein  großer,  poröser  Ton- 
krug enthielt  gutes  Wasser ;  der  Wagen  konnte  all  das  gesammelte 
bergen ;  der  Kutscher  konnte  kochen  —  kurz  es  war  ein  Luxus- 
fundort. Ein  Berg  mit  flachen  Abhängen,  dicht  mit  klebrigem 
Gebüsche  bewachsen,  überschottert  von  oben  bis  unten  von  aus- 
gelaugten Kalksandsteinblöcken,  an  der  Seite  angeschnitten  von 
einem  fast  wasserlosen  Flußtal,  so  sah  etwa  dieser  Fundort 
aus.  Fast  alle  Blöcke  enthielten  Versteinerungen,  manche  in 
Hülle  und  Fülle ;  der  Fluß  hatte  die  Schichten  freigelegt,  und 
an  seinen  Ufern  sahen  wir  Schieferschichten  wechseln  mit  petre- 
faktenreichen  Sandsteinbänken,  die  nun  alle  untersucht  wurden. 
Und  bei  jedem  Besuch  gabs  neues  zu  finden ;  immer  häufiger 
wurden  die  Versteinerungen  der  oberdevonischen  Zeit,  die  in 
einem  flachen  Meer  mit  sandigem  Boden  gelebt  haben  mussten, 
wie  es  gleichzeitig  nur  aus  Belgien  und  Nordamerika  bekannt 
ist.  Wie  deutlich  führt  ein  solcher  Fund  vor  Augen,  daß  all 
die  Meereskarteu  längst  vergangener  Zeiten  nur  Stückwerk 
sind,  daß  jede  Forschungsreise  sie  umwerfen  kann.  Wie  groß 
ist  aber  auch  die  Freude  des  Sammlers,  dem  es  vergönnt  ist, 
solch  einen  frohen  Fund  zu  machen,  von  dem  er  schon  im 
fernen  Land  ohne  Bücher  und  Abbildungen  voraussieht,  daß  er 
neu  sein,  daß  er  die  Wissenschaft  ein  gutes  Stück  vorwärts 
bringen  wird. 

Der  letzte  Sonntag  in  Almaden  war  Packtag.  Der  Schreiner 
hatte  uns  sieben  Kisten  gebaut,  und  in  diese  wurden  die  Funde 
verstaut,  sorgfältig  getrennt  nach  Fundorten  und  Schichten, 
immer  mit  dem  frohen  Gedanken  an  das  Auspacken  in  Frankfurt. 
Der  Erholung  sollten  die  letzten  Tage  dienen :  Cordoba,  Granada, 
Sevilla  und  auf  dem  Heimweg  Paris  haben  uns  allmählich  wieder 
mit  den  Freuden  der  Zivilisation  bekannt  gemacht.  Doch  diese 
letzten  Tage  waren  eigentlich  keine  geologische  Reise  mehr. 
Nur  noch  ein  kurzer  Abstecher  brachte  uns  gerade  mit  dem 
Einsetzen  der  Regenzeit  eine  reiche  Beute.  Von  Cordoba  aus 
gings  ins  Innere  des  Landes,  und  das  kleine  Städtchen  Cabra 
beherbergte  uns  eine  Nacht.  In  einem  alten  maurischen  Hause, 
mit  leise  rieselndem  Brunnen  im  Hofe  und  mit  leidlich  sauberer 
Küche,  konnte  man  sich  nach  Almaden  schon  wohl  fühlen.  Ob- 

9* 


—     132     — 

wohl  es  am  nächsten  Tage  in  Strömen  regnete,  beschlossen  wir, 
in  die  Berge  zu  fahren  und  an  einem  Fundort  zu  sammeln,  der 
nach  der  Literatur  Ammoniten  und  andere  Versteinerungen  der 
jüngsten  Juraepoche  bergen  sollte.  Zu  unserer  Freude  weideten 
dort  einige  Ziegen,  und  die  Hirten,  kleine  fixe  Buben  und 
Mädels,  halfen  uns  fleißig  sammeln.  Wir  hätten  lange  nicht  so 
reichen  Erfolg  gehabt,  wenn  diese  Hilfe  nicht  gewesen  wäre. 
So  konnten  wir  die  ärgsten  Regenschauer  in  einer  kleinen  Hütte 
abwarten,  und  immer  wieder  brachten  die  kleinen  Gehilfen  uns 
Hände  voll  Petrefakten,  die  sie  mit  ihren  Spitzbubenaugen 
trotz  der  Nässe  der  Steine  schnell  gefunden  hatten.  So  oft 
die  Sonne  wieder  durchblitzte,  sammelten  wir  gemeinsam,  und 
als  wir  nach  wenigen  Stunden  abzogen,  hatten  wir  etwa  250 
gute  Ammonshörner  der  verschiedensten  Arten  und  etwa  100 
andere  Versteinerungen  gesammelt. 

Damit  schloß  die  Geologie  ab;  unser  braver  Quin  tin,  der 
uns  bis  hierher  begleitet  hatte,  fuhr  in  seine  Heimat  zurück, 
und  wir  reisten  nach  Granada,  um  über  Sevilla,  Madrid,  Bordeaux 
und  Paris  die  Heimfahrt  anzutreten.  Langsam  gewöhnte  sich 
unser  Magen  wieder  an  die  Tatsache,  daß  es  Butter  gibt,  daß 
sogar  ein  Mittagessen  ohne  conejo  möglich  ist,  und  langsam 
traten  in  der  Erinnerung  die  erlebten  Unbequemlichkeiten  und 
kleinen  Leiden  vor  der  Freude  über  das  Neue  und  Schöne  zurück, 
das  uns  die  Reise  nach  Spanien  gebracht  hatte. 


—     183 


Die  Diamanten  Dentsch-Südwestafrikas. 


Mit  2  Abbildungen 
von 

Paul  Prior. 


Von  allen  Mineralien  erfreut  sich  der  Diamant  der  all- 
gemeinsten Wertschätzung.  Durch  seine  auffallende  Erscheinung 
nötigt  er  auch  dem  mineralogisch  gänzlich  Unbewanderten  be- 
sondere Beachtung  ab,  und  selbst  dem,  der  gar  keinen  Sinn 
für  die  seltenen  Eigenschaften  des  prächtigen  Steines  hat,  wird 
er  durch  seinen  hohen  Handelswert  imponieren.  Lebhaft  interes- 
siert die  materielle  Wertschätzung  dieses  Steines  bei  dem  Vor- 
kommen, von  dem  hier  die  Rede  sein  soll,  da  eine  unserer 
Kolonien,  deren  Sandreichtum  berüchtigt  war,  durch  eben  dieses 
Vorkommen  zum  Märchenland  geworden  ist,  in  dem  man  den 
kostbaren  Stein  nur  aus  dem  Sande  aufzulesen  braucht. 

Wodurch  ist  nun  eigentlich  die  Sonderstellung  des  Dia- 
manten berechtigt?  Die  Eigenschaft,  die  ihn  vor  allen  anderen 
Steinen  auszeichnet,  ist  seine  Härte.  Durch  sie  ist  er  den 
anderen  Mineralien  so  überlegen,  daß  er  trotz  seines  hohen 
Preises  in  der  Bohrtechnik  Verwendung  findet.  Der  Karbonat, 
eine  schwarze,  zu  Schmuck  gänzlich  untaugliche  Varietät  des 
Diamanten,  erzielt  sogar  die  höchsten  Preise,  da  er  den  farb- 
losen Schmuckstein  an  Härte  noch  etwas  übertrifft.  Neben  der 
Härte  ist  das  Lie htbrechungs vermögen  des  Diamanten 
seine  auffälligste  Eigenschaft,  die  man  durch  kunstvollen  Schliff 
zu  besonderer  Wirkung  zu  bringen  gelernt  hat.  Für  den  Mine- 
ralogen nimmt  der  Diamant  außerdem  noch  durch  seine  Sub- 
stanz  an   sich   eine   Sonderstellung  ein.     Er   ist   kristallisierter 


^     134     — 

Kohlenstoff;  kein  anderer  Edelstein  ist  von  so  einfacher 
Zusammensetzung.  Alle  anderen  Elemente,  die  als  solche  mine- 
ralisch vorkommen,  können  leicht  als  Kristalle  dargestellt  werden, 
in  derselben  Form,  die  wir  auch  in  der  Natur  finden.  Anders 
der  Kohlenstoff,  der  so  außerordentlich  weit  verbreitet  ist,  der 
als  kohlensaure  Salze  viele  Mineralien  bildet  und  auch  keinem 
einzigen  organischen  Gebilde  mangelt.  Ihn  in  Kristallform  zu 
erhalten,  ist  bis  jetzt  nur  in  mikroskopisch  kleinen  Stückchen 
gelungen.  Auch  sein  Vorkommen  in  der  Natur  als  Diamant 
hat  der  Erklärung  seines  Ursprungs  lange  Zeit  die  größten 
Schwierigkeiten  bereitet.  Alle  älteren  Vorkommen  des  viel- 
begehrten Steines  sind  sogenannte  Seifen,  d.  h.  sekundäre  Ab- 
lagerungen. Auch  die  ersten  Diamantfunde  in  Südafrika  im 
Jahre  1867  und  die  1869  entdeckten  Lagerstätten  in  dem  Tal 
des  Vaalflußes  waren  solche  Seifen,  sogenannte  River-Diggings. 
Erst  1870  entdeckte  man  bei  Kimberley  und  Jagersfontein  pri- 
märe Lagerstätten,  die  Dry-Diggings,  und  nannte  sie,  nachdem 
ihr  vulkanischer  Ursprung  erkannt  worden  war.  Pipes  (Röhren). 
Diese  Lagerstätten  sind  von  sehr  verschiedener  Mächtigkeit; 
sie  bedingen  auch  eine  veränderte  Gewinnungsmethode,  da  sie 
sich  mehr  nach  der  Tiefe  ausdehnen,  während  die  sekundären 
Lager  sich  flach  an  der  Oberfläche  ausbreiten.  In  den  Pipes 
sind  die  Diamanten  in  Blaugrund  oder  in  Gelbgrund  gebettet. 
Daher  hat  man  auch  in  Südwestafrika,  wo  man  schon  lange 
gehofft  hatte,  ähnliche  Diamantvorkommen  zu  entdecken,  wie 
sie  in  den  benachbarten  Ländern  abgebaut  werden,  vor  allen 
Dingen  nach  Blaugrund  gesucht.  Bei  Gibeon  am  großen  Fisch- 
fluß, bei  Berseba  und.  neuerdings  auch  bei  Windhuk,  im  ganzen 
an  etwa  15  Stellen,  hat  man  in  der  Tat  auch  Blaugrund  gefunden ; 
leider  konnten  in  diesen  Vorkommen  aber  noch  keine  Diamanten 
nachgewiesen  werden.  Auch  in  Südafrika  enthalten  nicht  alle 
Pipes  den  Edelstein ,  und  in  den  Pipes  selbst  sind  die  Dia- 
manten sehr  ungleich  verteilt.  Die  als  reich  geltenden  de  Beers- 
und Kimberley-Gruben  enthalten  etwa  55  Karat,  andere,  noch 
immer  abbauwürdige  Gruben  nur  etwa  14  Karat  pro  Tonne. 

Gegenüber  den  reichen  Schätzen,  welche  die  südafrika- 
nischen Diamantvorkommen  bergen,  ist  die  Bedeutung  der  an- 
deren Fundorte  in  den  Hintergrund  gedrängt  worden.  Ganz 
besonders  günstig  für  das  südafrikanische  Vorkommen  ist  auch 


—    135    — 

der  Umstand,  daß  die  Pipes  mehr  große  Steine  enthalten  als 
die  Seifen.  Die  größten  bis  jetzt  anfgefundenen  Diamanten 
gehören  ebenfalls  diesem  Vorkommen  an,  so  der  schwerste,  der 
berühmte  Gull  in  an  (so  benannt  nach  dem  damaligen  chairman 
der  Premier  Company).  Er  wurde  am  25.  Januar  1905  im 
„Yellow  ground"  18  Fuß  unter  der  Oberfläche  der  Premier 
Mine  gefunden.  Als  Geschenk  der  Kolonie  Transvaal  in  den 
Besitz  des  Königs  von  England  gelangt,  wurde  der  Cullinan  in 
Amsterdam  geschliffen  und  aus  ihm  mehrere  Steine  von  großer 
Schönheit  hergestellt,  von  denen  zwei  mit  5I6V2  und  309^/i6  Karat 
die  größten  existierenden  geschliffenen  Diamanten  sind.  Der 
rohe  Stein  wog  3024^/4  Karat  oder  ^/4  Pfund.  Der  zweitgrößte 
Stein,  der  Excelsior,  mit  einem  Rohgewicht  von  971^2  Karat 
ist  in  Jagersfontein  ebenfalls   in   einer  Pipe   gefunden  worden. 

Wie  in  Transvaal  die  Entdeckung  der  ersten  Fundorte 
Zufälligkeiten  zu  verdanken  ist,  so  war  es  auch  in  unserer 
Kolonie.  Im  Mai  1907  brachte  ein  „Cape-boy",  der  wohl  schon 
früher  Rohdiamanten  gesehen  hatte,  den  ersten  Diamanten  seinem 
Herren,  dem  Bahnmeister  Stauch.  Hierdurch  aufmerksam 
geworden,  entdeckte  man  bald,  daß  diese  Steine  dort  gar  nicht 
so  selten  sind,  und  es  will  uns  heute  fast  unbegreiflich  er- 
scheinen, daß  die  kleinen  glitzernden  Dinger  nicht  schon  früher  ent- 
deckt worden  sind,  wenn  man  bedenkt,  daß  ein  Bahnbau  mit  den 
erforderlichen  Erdarbeiten  durch  diese  Gegend  geführt  worden  ist. 

Selbstverständlich  bemächtigte  sich  sehr  bald  der  Bewohner 
von  Lüderitzbucht  das  Diamantfieber,  und  so  wurden  in  kurzer 
Zeit  die  kostbaren  Steine  durch  emsige  Nachforschungen  an 
vielen  Punkten  der  Kolonie  gefunden.  Wie  dies  bei  derartigen 
Entdeckungen  unvermeidlich  ist,  tauchte  auch  bald  die  wilde 
Spekulation  auf.  Indessen  ergriff  die  Regierung  zeitig  genug 
die  nötigen  Maßnahmen,  um  derartige  Auswüchse  zu  unter- 
drücken, so  daß  sich  heute  schon  die  Gewinnung  und  Ver- 
wertung der  südwestafrikanischen  Diamanten  in  ziemlich  ge- 
ordneten Verhältnissen  vollzieht  und  dem  Lande  hieraus  ein 
beträchtlicher  Nutzen  erblühen  wird.  Die  Erforschung  der  Lager- 
stätten auf  wissenschaftlicher  Grundlage  hat  ebenfalls  eingesetzt, 
und  verschiedene  Versuche  sind  schon  gemacht  worden,  die  Vor- 
gänge zu  erklären,  denen  diese  Ablagerungen  ihre  Entstehung 
verdanken. 


—  m  — 

Die  Schicht,  in  der  Diamanten  gefunden  werden,  ist  ziemlich 
dünn,  nur  etwa  10 — 40  cm  stark,  und  besteht  aus  einem  Sande, 
dessen  einzelne  Kürner  liauptsächlich  Bandachat,  Eisenkiesel, 
Jaspis,  ferner  Granat,  Olivin  und  Magneteisen  sind.  Ungefähr 
70°/o  des  Sandes  bestehen  aus  Feinsand;  der  Rest  ist  ein  Kies 
von  etwa  2 — 6  mm  Korngröße.  Der  Gehalt  dieses  Sandes  an 
Diamanten  ist  recht  verschieden  und  wohl  noch  nicht  genau 
anzugeben,  da  es  nicht  erwiesen  ist,  wieviel  Steine  bei  dem 
heutigen  Gewinnungsverfahren  ungewonnen  bleiben. 

Das  Gewicht  der  einzelnen  Diamanten  aus  der  Zeit  der 
ersten  Funde  schwankte  zwischen  ^3  und  Vs  Karat ;  jetzt  hat 
man  auch  wesentlich  größere  Steine  aufgelesen.  So  wurde  am 
11.  November  1909  bei  Bogenfels  (27"^  30"  südlicher  Breite)  ein 
Diamant  von  über  17  Karat  gefunden. 

Über  die  E  n  t  s  t  e  li  u  n  g  der  deutsch-südwestafrikanischen 
Diamantlagerstätteu  sind  verschiedene  Theorien  aufgestellt 
worden.  Nach  Merenskis  Ansicht  liegt  die  ursprüngliche 
Lagerstätte  der  Diamanten  in  einem  Gebiet  von  Mandeldiabas, 
das  jetzt  durch  das  Meer  unseren  Augen  verborgen  ist.  Diese 
primäre  Lagerstätte  wurde  in  der  Kreidezeit  denudiert ;  ihre 
Produkte  wurden  durch  das  Meer  wegtransportiert  und  in 
ruhigerem  Wasser  wieder  abgesetzt.  Diese  Kreideschichten,  in 
denen  der  Diamant  nur  spärlich  vorkommt,  wurden  seit  der 
Hebung  des  Festlandes  durch  Regen  und  Wind  zerstört,  und 
durch  den  Wind  wurde  alsdann  das  Konzentrat  geschaffen,  das 
die  jetzigen  abbauwürdigen  Lager  darstellt.  Andere  Theorien 
führen  den  Ursprung  der  Diamanten  teils  auf  Kimberlitvor- 
kommen  in  der  Nähe  ihrer  jetzigen  Fundstellen  zurück;  teils 
nehmen  sie  an,  daß  die  Diamanten  durch  Flüsse  aus  dem  Innern 
oder  durch  den  Wind  vom  Süden  fOranje  River)  hertransportiert 
seien.  Lotz  spricht  die  Ansicht  aus:  „Die  Lüderitzbuchter 
Diamantvorkommen  sind  ältere,  z.  T.  wieder  durch  den  Wind 
aufbereitete  und  verlagerte  Küsteubildungen.  Die  Verknüpfung 
der  Diamanten  mit  den  begleitenden  Feinkiesen  und  die 
AchatgeröUe  einer  jüngei'en  Strandterrasse  lassen  vielleicht 
Bezielmngen  zum  Stromgebiet  des  Oranje,  also  zu  den  Vaal- 
river-Diamanten  zu,  denen  die  Lüderitzbuchter  Diamanten  in 
ihrer  Beschaffenheit  und  ihrem  Begleitgestein  außerordentlich 
ähneln." 


—     137     -- 

Die  Ausdehnung-  des  Gebietes  von  Südwestafrika, 
auf  das  die  bis  jetzt  gefundenen  Diamantlager  verteilt  sind,  ist 
recht  beträchtlich;  die  nördlichsten  und  südlichsten  Felder  liegen 
etwa  450  km  voneinander,  die  östlichsten  Felder  ungefähr  20  km 
von  der  Küste  entfernt.  Das  Gebiet,  in  dem  sich  augenblicklich 
die  Diamantgewinnung  entwickelt  hat,  ist  in  dem  wasserarmen 
Küstenstreifen  gelegen,  der  unserer  Kolonie  bei  vielen  den  Ruf 
vollkommenster  Unfruchtbarkeit  verschafft  hat.  Wenn  hier  nun 
auch  tatsächlich  große  Armut  an  Trinkwasser  herrscht,  so  ist 
doch  überall  die  Möglichkeit  zur  Beschaffung  von  Brackwasser 
gegeben,  das  in  geringer  Tiefe  unter  der  Oberfläche  angetroffen 
wird.  Dies  ist  von  größter  Wichtigkeit  für  den  Abbau  der 
Diamantfelder;  denn  ohne  Wasser  wäre  die  Aufbereitung  des 
Sandes  mit  den  größten  Schwierigkeiten  verknüpft.  Dagegen 
erfüllt  das  Brackwasser  für  den  technischen  Betrieb  der  Diamant- 
aufbereitung vollständig  seinen  Zweck.  Der  Aufbereitungs- 
betrieb ist,  wenigstens  vorläufig  noch,  ein  sehr  primitiver. 
Der  Sand  wird  gesiebt,  um  das  feine  Material  von  dem  grob- 
körnigen, diamanthaltigeu  zu  trennen;  das  grobkörnige  Material 
kommt  sodann  auf  einfache  Handsiebe.  Durch  wiederholtes 
stoßweises  Eintauchen  der  Siebe  in  Wasser  wird  ein  Stauchen 
des  aufliegenden  Sandes  bewirkt  und  hierdurch  eine  sogenannte 
Setzwirkung  erzeugt.  Durch  das  Setzen  werden  die  spezifisch 
schwereren  Körner  nach  unten  gebracht,  d.  h.  es  sammeln  sich 
Diamant  (spezifisches  Gewicht  3,5),  Granat  (spez.  Gew.  3,4—4,3), 
Olivin  (spez.  Gew.  3,2 — 3,5)  und  Magneteisen  (spez.  Gew.  4,9—5,2) 
unten  auf  dem  Siebe  an,  während  sich  die  übrigen  Bestandteile 
des  Sandes,  die  verschiedenen  Quarzvarietäten  (spez.  Gew.  2,7) 
darüber  lagern.  Die  Siebe  werden  alsdann  auf  einen  Tisch 
umgestürzt,  so  daß  die  nach  unten  gesetzten  Mineralien  oben  aufzu- 
liegen kommen.  Der  rote  Granat,  der  schwarze  Magnetit  und 
der  grüne  Olivin  bilden  eine  Schicht,  die  sich  durch  ihre  lebhafte 
Färbung  scharf  abhebt  und  als  Herz  bezeichnet  wird.  In  diesem 
Herz  finden  sich  auch  die  Diamanten,  die  dann  mit  der  Hand 
ausgelesen  werden. 

Die  Prozedur  des  Setzeus  und  Auslesens  wird  mit  dem 
Herz  so  oft  wiederholt,  bis  keine  Diamanten  mehr  in  dem  Material 
gefunden  werden.  Bei  der  Einfachheit  des  ganzen  Verfahrens 
läßt  es  sich  natürlich  nicht  vermeiden,  daß  noch  einzelne  Diamanten 


—     1B8     — 

in  den  Abgängen  verbleiben  und  so  der  Gewinnung  entgehen; 
jedoch  erleichtert  der  außerordentliche  Glanz  der  Steine  die 
Auslese  ungemein.  Eine  der  beigegebenen  Abbildungen  (Fig.  1) 
zeigt  einen  Tisch  mit  dem  aufgeschichteten  Siebinhalt  während 
der  Auslese  der  Diamanten,  die  andere  Abbildung  (Fig.  2)  ein 
Diamantfeld  bei  Kolmanskop;  die  darauf  ersichtlichen  Sandhaufen 
sind  durch  den  Abbau  entstanden.    In  der  mineralogischen 


Fitf.  1.     Auslese  der  Diamanten. 


Schau  Sammlung  unseres  Museums  sind  südwestafrikanische 
Diamanten  sowohl  in  dem  Originalsande  liegend,  als  auch  im 
Herz  des  abgesiebten  und  gesetzten  Sandes  ausgestellt,  wie  sie 
sich  bei  der  Arbeit  des  Auslesens  zeigen. 

Ein  unliebsamer  Verlust,  dessen  Vermeidung  bei  der 
Diamantengewinnung  stets  besondere  Beachtung  gefunden  hat, 
ist  der  durch  Betrug  entstehende.  Die  Art  des  Vorkommens 
und  der  Gewinnungseinrichtungen  in  Deutsch  -  Südwest  be- 
günstigen  natürlich  Unterschlagungen    in   hohem  Maße.      Des- 


—     139     — 

halb  ist  eine  strenge  Aufsicht  des  Diamantenhandels  in  Kraft 
getreten,  die  wohl  manchem  unbequem  erscheint,  aber  bei 
den  örtlichen  Verhältnissen  unbedingt  erforderlich  ist.  In  den 
südafrikanischen  Diamantgruben,  die  man  ganz  anders  ab- 
schließen kann  wie  die  offenen  Sandfelder  Südwestafrikas , 
hat  man  mit  großem  Erfolg  das  „compound  system"  eingeführt. 
Bei  diesem  System  verpflichten  sich  die  Arbeiter  auf  drei  Monate 


Fig.  2.     Diamantfeld  bei  Kolmanskop. 

dem  Grubenunternehmer.  Während  dieser  Zeit  leben  sie  voll- 
ständig von  dem  Verkehr  mit  der  Außenwelt  abgeschnitten  in 
den  zur  Grube  gehörigen  Gebäulichkeiten  und  erhalten  dort 
Kleidung  und  Nahrung  geliefert.  Wird  der  Kontrakt  nach  Ablauf 
von  drei  Monaten  nicht  erneuert,  so  werden  die  Arbeiter  vor 
ihrer  Entlassung  einer  peinlich  genauen  körperlichen  Unter- 
suchung unterworfen.  Daß  von  jeher  alle  erdenkliche  List  auf- 
geboten wurde,  um  unrechtmäßig  erworbene  Steine  in  Sicher- 
heit zu  bringen,  ist  verständlich,  und  interessant  ist  es,  auf 
welche  Schliche   manche  Schmuggler   verfallen  sind.     So  waren 


—     140    — 

1888  die  Polizisten  eiuem  Kaffer  auf  den  Fersen,  der  im  Ver- 
dacht des  Eidibi  (Idb  =  illicit  diamond  buying)  stand.  Der  ver- 
folgte Kaffer  schoß  plötzlich  einen  seiner  Ochsen  nieder.  Er 
hatte  statt  der  Kugel  Diamanten  im  Gewehrlauf,  die  er 
seinem  Ochsen  in  den  Leib  jagte,  um  sie  später  wiederfinden  zu 
können. 

Die  Steine,  die  auf  den  südwestafrikanischen  Feldern  ge- 
funden werden,  sind  im  Durchschnitt  von  guter  Qualität. 
Die  meisten  Stücke  sind  klar  und  von  heller  Farbe;  gelbliche, 
rötliche,  grünliche  und  bräunliche  Kristalle  treten  auf,  daneben 
aber  auch  in  beträchtlicher  Menge  schöne  farblose  Stücke,  Ihre 
Kristallformeu  sind  die  bekannten,  in  denen  der  Diamant  auch 
an  seinen  anderen  Fundorten  auftritt.  In  Bezug  auf  die  Menge 
der  Steine,  die  von  den  verschiedenen  Fundorten  in  Deutsch- 
Südwestafrika  zu  erwarten  sein  wird,  gehen  die  Schätzungen 
weit  auseinander.  Eine  einigermaßen  zutreffende  Schätzung 
dürfte  auch  noch  kaum  möglich  sein ;  daß  wir  es  aber  mit  sehr 
beträchtlichen  Mengen  zu  tun  haben,  ist  wohl  sicher.  Die 
Produktion  der  ersten  Monate  hat  folgende  Zahlen  erreicht: 
von  der  ersten  Entdeckung  bis  September  1908 :  2720  Karat, 
September  6644,  Oktober  8621,  November  10228  und  Dezember 
11549  Karat.  Im  Jahre  1909  trat  die  Diamantenregie  in  Kraft, 
die  seit  März  regelmäßig  die  Produktion  nach  Europa  verschickt 
und  zwar  ungefähr  36000  Karat  in  jedem  Monat. 

Um  diesen  Zahlen  gegenüber  einen  Maßstab  zu  geben, 
wieviel  Diamanten  überhaupt  in  den  Handel  kommen,  sei  er- 
wähnt, daß  1907  Südafrika  allein  rund  eine  Tonne  (5002962  Karat) 
gefördert  hat.  Nach  den  Angaben  von  Reunert,  Bergeat 
und  der  De  Beers-Gesellschaft  sind  aus  den  Kimberley-Gruben 
seit  1870  ungefähr  90347  750  kg  Diamanten  im  Werte  von 
2644  553  400  M.  gefördert  worden.  Trotz  dieser  großen  Mengen 
ist  der  Preis  der  Diamanten  gestiegen,  und  zwar  betrug  nach 
George  F.  Kunz  der  Wert  eines  Karats  im  Mittel  des  Gesamt- 
exportes und  Gesamterlöses: 

1893  M.  26.—  1898  M.  26.50  1903  M.  43.— 

1894  ,.   24.—  1899  „  28.3U  1904  „  39.95 

1895  ,  25.5U  1900  „  33,15  1905  „  40.90 

1896  „  26.75  1901  „  36.90  1906  „  43.— 

1897  „  26.90  1902  „  41.95  1907  „  44.75 


—     141     — 

Die  Produktion  au  deutscli-südvvestafrikanischeu  üiamanteu 
ist  gegenüber  der  Aufnahmefähigkeit  des  Weltmarktes  nicht 
so  groß,  daß  sie  einen  ungünstigen  Einfluß  auf  den  Preis 
erlangen  wird.  An  dem  Erfolg  dieser  Industrie  hat  der  Staat 
ein  großes  Interesse:  er  erhält  ein  Drittel  des  Wertes  als  Ab- 
gabe, was  bei  der  jetzigen  Produktion  bereits  eine  Einnahme 
von  mehreren  Millionen  im  Jahre  bedeutet.  Auch  verursacht 
die  einfache  Art  der  Diaraantgewinnung  in  Deutsch-Südwest- 
afrika so  niedere  Gestehungskosten,  daß  aus  den  Funden  ein 
außerordentlich  großer  Nutzen  für  unsere  Kolonie  zu  erwarten  ist. 


142     — 


Anton  Dolirn  und  die  Zoologische  Station 
zu  Neapel. 


Von 

F.  W.  Winter. 


Am  4.  Oktober  vorigen  Jahres  hat  die  Seuckenbergische 
Naturforschende  Gesellschaft  den  Lorbeerkranz  an  der  Bahre 
eines  Forschers  niedergelegt,  der  seit  9.  April  1892,  dem  75. 
Jubiläumsjahr  der  Gesellschaft,  zu  unseren  korrespondierenden 
Mitgliedern  zählte. 

An  der  Stätte  seines  ersten  Wirkens  in  Jena,  wie  es 
Anton  Do  hm  gewünscht  hatte,  fand  die  erhabene  Totenfeier 
statt.  Obwohl  in  vierzigjähriger  Arbeit  das  sonnige  Italien  ihm 
ein  zweites  Vaterland  geworden  schien,  war  Do  hm  doch  ein 
deutscher  Geist  geblieben.  Zahlreiche  Forscher  Deutschlands  und 
des  Auslandes  waren  hier  in  Jena  zusammengekommen,  um  dem 
Manne,  dem  die  gesamte  Naturwissenschaft  so  unendlichen  Dank 
schuldet,  eine  letzte  Stunde  zu  widmen. 

Anton  Dohrn  und  die  Zoologische  Station  in  Neapel 
sind  eine  Einheit.  —  Eine  kurze  Schilderung  seines  Lebens  bis 
zur  Gründung  seiner  Station  mag  vorausgehen. 

Anton  Dohrn  wurde  am  29.  Dezember  1840  in  Stettin 
geboren.  Sein  Vater,  Karl  August  Dohrn,  war  Doktor  der 
Kechte,  ein  Manu  von  ungewöhnlicher  Vielseitigkeit  in  Wissen- 
schaft und  schönen  Künsten,  namentlich  Musik,  ein  begeisterter 
Anhänger  Goethes,  der  mit  Vorliebe  spanische  Dramen  C al- 
der ons  und  schwedische  Lieder  ins  Deutsche  übersetzte,  ein 
anerkannter  Entomolog,  der  selbst  eine  entomologische  Zeitschrift 
gegründet  und  sie  redigiert  hat.    Auf  seinen  vielen  Reisen  lernte 


—     143     — 

Karl  August  D o h rn  Italien  mit  seiner  Fülle  von  Eindrücken 
einer  gewaltigen  Geschichte  kennen  und  bewundern.  Diese  reiche 
Atmosphäre  war  die  geistige  Keimstätte,  in  der  Anton  Dohrn 
groß  wurde,  das  geistige  Protoplasma,  wo  die  Begeisterung  für 
die  Welt  der  Gedanken  erwuchs,  das  Bedürfnis  groß  wurde, 
den  Punkt  zu  finden,  wo  Wollen  und  Handeln  dem  Denken  zu 
Hilfe  kommen  können,  wie  Anton  Dohrn  selbst  erzählt. 

Es  folgten  die  Studienjahre  an  den  Universitäten  Königs- 
berg, Bonn,  Jena  und  Berlin,  wo  Dohrn  1865  die  Doktorats- 
prüfuug  mit  einer  Arbeit  über  die  Entwickelung  des  Insekteu- 
flügels  ablegte.  Es  ist  verständlich,  daß  seine  ersten  Forschungen 
das  Gebiet  der  Arthropoden  betrafen,  von  denen  ja  ein  kleiner 
Teil  die  väterliche  Domäne  bildete.  Mit  einer  Embryologie  der 
Arthropoden  habilitierte  sich  Anton  Dohrn  1868  als  Privat- 
dozent in  Jena.  Bei  seinen  entwickeluugsgeschichtlichen  Unter- 
suchungen hatte  Dohrn  bald  herausgefunden,  daß  ohne  Heran- 
ziehen der  Beobachtungen  an  Jugendformen  auf  ein  Eindringen 
in  die  Probleme  des  Aufbaues  der  Organismen  nicht  zu  rechnen 
sei.  Zum  Studium  der  lebenden  Jugendformen  begab  sich  Anton 
Dohrn  nach  einer  kleinen  Exkursion  an  verschiedenen  Küsten 
Westeuropas  im  Herbst  1868  nach  Messina,  dem  Mekka  der 
deutschen  Privatdozenten,  wie  die  Italiener  scherzend  sagten, 
wo  seit  Lazzaro  Spalanzanis  Zeiten  1787  wiederholt  zahl- 
reiche Naturforscher  den  faunistischen  Reichtum  des  Siziliauischen 
Meeres  gerühmt  hatten.  Hier  vertiefte  sich  Dohrn  in  das 
Studium  der  Entwickelung  der  Krustazeen  und  knüpfte  vielfache 
Beziehungen  zu  anderen  Gelehiteu  an ;  hier  wurde  auch  der  Keim 
zu  mancher  tiefen  Freundschaft  gelegt,  die  sich  später  bewähren 
sollte.  Bis  Frühjahr  1869  verweilte  Dohrn  an  der  Messinesischeu 
Straße,  und  nachdem  er  einmal  erkannt  hatte,  welche  Fülle  von 
Problemen  das  intensive  Studium  der  marinen  Organismen  nach 
sich  zog,  trug  er  sich  mit  dem  Gedanken,  hier  ein  zoologisches 
Laboratorium  zu  errichten.  Solche  Unternehmungen  waren  schon 
früher  in  kleinen  Anfängen  verschiedentlich  augebahnt  worden,  und 
heute  noch  steht  in  Portovenere  an  der  Halbinsel  bei  La  Spezia 
das  Haus  Spalanzanis,  das  einst  ein  kleines  Laboratorium  des 
italienischen  Forschers  enthielt,  die  älteste  zoologische  Station. 
Auch  Carl  Vogt  hatte  schon  in  den  sechziger  Jahren  die 
Absicht,  ein  großes  zoologisches  Laboratorium  an  dem  herrlichen 


—     144     — 

PiiDkt  Miramare  in  der  nördlichen  Adria  zu  errichten;  die 
eingeleiteten  Verhandluugeu  mit  dem  damaligen  Kaiser  von 
Österreich  zerschlugen  sich  indessen. 

Verschiedene  Buchten  der  westitalienischen  Küste  wurden 
von  Anton  Dohrn  auf  seiner  Rückreise  besucht;  der  Aufent- 
halt in  Deutschland  mit  seinen  jungen  Freunden  und  Anhängern 
und  nicht  zum  wenigsten  mit  seinem  Vater  bot  reichlich  Ge- 
legenheit über  die  tief  empfundenen  Eindrücke  sich  auszu- 
sprechen. Und  nachdem  Dohrn  in  Hamburg  und  Berlin  die 
Seewasseraquarien  besichtigt  hatte,  kam  ihm  eines  Tages,  — 
er  erzählt  es  selbst  —  als  er  im  Februar  1870  in  der  Post- 
kutsche von  Apolda  nach  Jena  fuhr,  der  Gedanke,  eine  marine 
zoologische  Arbeitsstätte,  verbunden  mit  einem  Schauaquarium 
für  Forscher  und  Publikum,  an  Italiens  Küste  zu  errichten. 
Eins  jener  großen  Produkte  einer  Zeit,  in  der  die  Wogen  der 
geistigen  Hochflut  bei  uns  besonders  brandeten  und  die  deutschen 
Heere  siegreich  gegen  Westen  vordrangen. 

Für  die  Stätte  hatte  sich  Anton  Dohrn  auf  Grund 
von  Informationen  und  eigener  Erfahrung  bald  entschieden :  es 
sollte  der  herrlichste  Punkt  an  dem  faunistisch  reichen  Golf 
der  Bella  Napoli  sein. 

Hier  beginnt  Anton  Dohrns  großes  Lebenswerk.  Die  Art 
und  Weise,  wie  er  seine  großen  Pläne  zielbewußt  verfolgte,  seine 
ungewöhnliche  Energie,  sowie  die  diplomatischen  B'ähigkeiten, 
ohne  die  es  ihm  oft  nicht  möglich  gewesen  wäre,  vorwärts  zu 
kommen,  dies  alles  zwingt  uns  hohe  Bewunderung  ab. 

Es  ist  leicht  zu  verstehen,  daß  das  Munizip  in  Neapel 
keineswegs  geneigt  war,  Anton  Dohrn  für  seine  Wünsche, 
die  mau  zunächst  nicht  verstand,  die  Mitte  des  herrlichen  Parkes 
der  Villa  Reale  zu  überlassen  mit  dem  prächtigsten  Ausblick 
nach  Süden  auf  den  Golf,  nach  Westen  auf  den  Posilipp,  nach 
Osten  auf  die  Silhouette  des  Vesuvs ;  eine  Stätte,  an  der  die  vor- 
nehme Welt  Neapels  allabendlich  bei  untergehender  Sonne  ihren 
Korso  abhielt.  Mancher  seiner  Freunde  und  Verehrer  stand  damals 
mißtrauisch  und  kopfschüttelnd  beiseite,  und  es  bedurfte  der 
Überwindung  vieler  Widerwärtigkeiten  und  des  Einflusses  erst 
zu  gewinnender  Freunde,  um  Munizip  und  Regierung  von  der 
hohen  Bedeutung  seiner  vornehmen  Aufgabe  zu  überzeugen  und 
den  ersten  Vertragsabschluß  durchzusetzen,   nach  welchem   das 


—     145     — 

Eigentumsrecht  der  zu  erbauenden  Station  auf  die  Stadt  überging 
und  das  Nutznießuugsrecht  für  30  Jahre  Anton  Dohrn  bleiben 
sollte.  In  den  ersten  Apriltagen  1872  konnte  der  Grundstein 
zu  dem  Monumentalbau  der  Stazione  Zoologica  gelegt  werden. 

Von  vornherein  war  sich  Dohrn  darüber  klar,  daß  eine 
Stätte,  lediglich  wissenschaftlicher  Forschung  dienend,  ganz  außer- 
ordentlicher Mittel  bedurfte;  er  verknüpfte  deshalb  die  rein  wissen- 
schaftliche Arbeitsstätte  mit  dem  öffentlichen  Schauaquarium. 
Die  Einnahmen  aus  den  Aquarien  sollten  einen  Teil  der  Kosten 
des  wissenschaftlichen  Betriebs  decken.  Dieser  Umstand  mußte 
bei  der  Auswahl  des  Platzes  berücksichtigt  werden.  Freilich 
verlangte  die  Stadt  dagegen  hier  ein  monumentales  Gebäude,  so  daß 
die  Kosten  über  die  ursprünglich  vorgesehenen  weit  hinausgingen. 
Aber  Anton  Dohrn  hatte  keineswegs  die  Absicht,  sein  Unter- 
nehmen auf  beschränkter  Basis  aufzubauen ;  er  hatte  die  Not- 
wendigkeit, entsprechend  dem  Bedürfnis,  der  Naturwissenschaft 
eine  Stätte  intensivster  Forschungsmöglichkeit  zu  schaffen, 
erkannt  und  hat  dieser  großen  Forderung,  getreu  seinem 
wissenschaftlichen  Denken,  Rechnung  getragen.  Dies  war  die 
hohe  Aufgabe,  die  er  sich  gestellt  hatte!  So  entstand  der  vor- 
nehm-einfache, majestätische  Bau  mit  einem  Kostenaufwand  für 
Bau  und  innere  Einrichtung  von  369136,11  Frs.  (I.  Jahresbericht 
der  Zoologischen  Station  1876). 

Im  September  1873  konnte  der  erste  Forscher,  der  jetzige 
Geheimrat  Waldeyer  in  Berlin,  seine  Tätigkeit  beginnen;  die 
Aquarien  wurden  gerade  eingerichtet.  Als  zweiter  folgte  von 
Februar  bis  Juni  1874  Francis  Balfour.  Der  Zuzug  zu  der 
Station  war  überraschend ;  1874  arbeiteten  bereits  30  Biologen 
verschiedenster  Nationalität  an  dem  neuen  Institut.  Das 
Aquarium  ergab  schon  im  ersten  Jahre  seiner  Eröffuung  eine 
Einnahme  von  mehr  als  20000  Frs.  Um  das  Interesse  für  die 
Station  zu  wecken  und  ihre  Einnahmen  zu  vermehren ,  ver- 
schickte man  schon  frühzeitig  konserviertes  Material.  In  der 
ersten  Versandliste  finden  wir  eine  uns  angehende  Notiz; 
am  2.  April  1873  steht  an  zwölfter  Stelle  die  Bemerkung 
„Senckenbergisches  Museum  Frankfurt  a.  M.  alle  Klassen",  eine 
Bemerkung,  die  sich  am  2.  Juni  1875  wiederholt. 

Die  so  prächtig  angelegte  Aufgabe  wuchs  indessen  unter 
der  Hand  dergestalt  riesenhaft,  daß  die  Einnahmen  des  Aqua- 

10 


—     146     — 

liums  ducli  nur  einen  kleinen  Teil  der  Unterhaltungskosten 
des  großen  Unternehmens  deckten.  Um  die  notwendigen  pe- 
kuniären Mittel  für  die  Aufrechterhaltung  des  wissenschaftlichen 
Betriebs  der  Station  zu  erlangen,  griff  Anton  Do  hm  zur 
weiteren  Ausgestaltung  seiner  schon  früher  angebahnten  Wege, 
der  Vermehrung  der  jährlichen  Subventionen  durch  erhöhte 
Vergebung  von  Arbeitsplätzen  an  die  verschiedenen  europäischen 
Regierungen.  Das  Bedürfnis  nach  Erlangung  eines  Arbeitstisches 
machte  sich  mehr  und  mehr  bemerklich,  und  so  verdoppelten  die 
italienische  und  die  deutsche  Regierung  bald  ihre  gemieteten 
Tische.  Bayern,  Württemberg,  Baden,  Hessen-Darmstadt  und 
Hamburg,  das  Kgl.  Sächsische  Hausministeriuni,  die  holländische 
Regierung,  die  Universitäten  Cambridge  und  Straßburg,  die 
British  Association,  die  Berliner  Akademie  der  Wissenschaften, 
sie  alle  hatte  Anton  Do  hm  nach  und  nach  dauernd  oder 
vorübergehend  für  sich  gewonnen.  1877  betrug  die  Zahl  der 
jährlich  gemieteten  Arbeitstische  26,  und  da  ein  großer  Teil  der 
Inhaber  den  Tisch  mit  M.  1500  jährlich  zahlte,  so  wurden  die 
Einnahmen  wesentlich  erhöht. 

Seit  dieser  Zeit  ist  ihre  Zahl  ständig  gewachsen.  Aber 
das  große  Unternehmen  verschlang  doch  zu  reichlich  Mittel  durch 
die  vielen  Bedarfsartikel  an  Reagenzien  und  Instrumenten,  die 
in  liberalster  Weise  zum  Arbeiten  seitens  der  Station  gestellt 
werden,  durch  die  zahlreichen  Beamten,  durch  die  Bibliothek, 
welche  die  Arbeitsmöglichkeit  wesentlich  erleichterte,  aber  um- 
somehr  pekuniäre  Lasten  brachten,  und  so  wies  das  Budget  des 
Institutes  oft  ein  Defizit  auf,  obgleich  Dohrn  in  uneigennützigster 
Weise  seine  eigenen  Mittel  weiter  und  weiter  hereinzog  und 
auch  seine  Gemahlin  „lieber  die  Tische  der  Gelehrten  gut 
gedeckt  wünschte,  als  den  häuslichen".  So  war  es  in  den 
ersten  Jahren  oft  ein  heißes  Ringen  um  die  Existenz  von 
Anton  D  0  h  r  n  s  großartiger  Schöpfung.  Und  Männer  wie 
Helmholtz,  Du  Bois-Reymond,  nicht  zum  wenigsten 
Charles  Darwin,  Werner  und  William  Siemens,  Karl 
Ernst  von  Baer,  Huxley,  Francis  Balfour,  Carl 
Theodor  von  Siebold,  Carl  Vogt,  Carl  Ludwig, 
Theodor  Billroth  und  viele  andere  Freunde  Dohrns  machten 
ihren  Einfluß  zur  Förderung  des  Unternehmens  geltend.  Mit 
besonderem  Interesse   nahmen   regen,    wohlwollenden  Anteil   an 


—     147     — 

dem  Gedeiheu  der  zoologischen  Station  der  König  nud  die  Königin 
von  Italien,  viele  Fürsten,  sowie  drei  den t sehe  Kaiser.  Und 
Kaiser  Wilhelm  I.  hat  wiederholt  in  kritischen  Zeiten  aus 
seiner  Tasche  große  Zuwendungen  gemacht.  Bald  konnte  Anton 
Dohrn  einen  Wunsch  in  Erfüllung  bringen,  der  für  die  Be- 
wegungsfreiheit auf  dem  Golf  und  zum  Einbringen  von  reich- 
lichem Tiermaterial  von  großer  Wichtigkeit  war,  und  für  den  er 
immer  mit  unermüdlichem  Eifer  gearbeitet  hatte:  die  Anschafiung 
eines  für  die  Spezialzwecke  der  Fischerei  eingerichteten  Dampfers. 
Infolge  einer  Eingabe  au  die  Akademie  der  Wissenschaften  zu 
Berlin  und  mit  Unterstützung  des  Unterrichtsministeriums  wurden 
Anton  Dohrn  endlich  die  Mittel  zur  Beschaffung  eines  solchen 
zur  Verfügung  gestellt.  Am  21.  Mai  1877  langte  der  nach 
Dohrn s  besonderen  Angaben  auf  der  Thornj^croft- Werft  in 
London  gebaute  Stahldampfer  „Johannes  Müller"  wohlbehalten 
in  Neapel  an.  Gleichzeitig  mit  diesem  äußeren,  für  die  Station 
nach  verschiedenen  Richtungen  großen  Vorteil  konnte  Dohrn 
in  seinem  zweiten  Bericht  über  die  Station  (1876  —  1878)  einen 
weiteren,  wichtigen  Erfolg  verzeichnen:  die  Verlängerung  des 
Vertrags  mit  der  Stadt  Neapel  auf  90  Jahre. 

Langsam  aber  stetig  schritt  so  Anton  Dohrn  von  Erfolg 
zu  Erfolg,  beständig  bestrebt,  den  Wirkungskreis  der  Station  zu 
größerer  Leistungsfähigkeit  zu  erweitern  und  die  Mittel  hierzu 
zu  erlangen. 

Die  wiederholten  Gesuche  an  die  deutsche  Regierung  um 
Zuschüsse  zu  den  Betriebskosten  der  zoologischen  Station  führten 
endlich  zum  Ziel.  Das  Auswärtige  Amt  ordnete  eine  Unter- 
suchung der  Station  seitens  des  kaiserlichen  Botschafters  in 
Rom  au  und  stellte  auf  dessen  Bericht  hin  weitere  Mittel  zur 
Verfügung.  Dieses  Gutachten  war  aber  von  noch  größerer  Be- 
deutung, als  nämlich  jene  Petition  der  Professoren  Helmholtz, 
VirchowundDu  Bois-Rey mond,  begleitet  von  den  Worten 
„es  hat  die  Zoologische  Station  in  Neapel  die  Wissenschaften  vom 
tierischen  Leben  in  ein  neues  Stadium  der  Entwickelung  empor- 
gehoben," an  die  deutsche  Reichsregierung  ging,  mit  der  Forderung, 
der  Zoologischen  Station  in  Neapel  einen  jährlichen  Zuschuß  von 
M.  30000—  zu  gewähren.  Diese  Petition,  eine  Auszeichnung, 
die  der  Station  gewissermaßen  „ein  Ritterschlag"  war,  fand, 
unterstützt  vom  Fürsten  Otto  von  Bismarck,   wohlwollende 

10* 


—     148     — 

Aufnahme  bei  der  Aufstellung  des  Reichshauslialtsetats  1879. 
Der  jährliche  Zuschuß  wurde  später  auf  M.  40000 —  eihöht. 

Wenn  auch  trotz  der  neuen  Einnahme  die  Station  anfangs 
noch  wegen  Begleichung  alter  Verpflichtungen  immerhin  äußerst 
sparsam  wirtschaften  mußte,  so  trat  sie  doch  frühzeitig  „als 
Zentralgebiet  für  die  biologische  Erforschung  des  Mittelmeeres" 
als  publizierendes  Institut  in  eine  neue  Aera  ein.  Ein  Zentral- 
organ, als  Sammelstelle  der  Literatur,  in  Gestalt  des  Zoologischen 
Jahresberichts,  übernahm  bereitwilligst  Victor  Car  us,  bis  ihn 
1882  Paul  Mayer  in  der  Redaktion  ablöste. 

Um  öffentlich  Rechenschaft  abzulegen  —  wie  es  Anton 
Dohrn  immer  gehalten  hatte  —  über  das,  was  geleistet  und 
erreicht  wurde,  dazu  sollten  zwei  nebeneinander  herlaufende 
Zeitschriften  dienen.  Gestreng  dem  gestellten  Programm  sollte 
in  umfassender  Weise  zusammengetragen  werden,  was  auch 
immer  „zum  Feststellen  und  Begreifen  des  organischen  Lebens 
im  Mittelmeer  dienen  kann." 

Anton  Dohrn  legte  sein  Unternehmen  auf  großer  Basis 
in  großen  Zügen  an.  Unter  dem  Titel  „Fauna  und  Flora  des 
Golfes  von  Neapel  und  der  angrenzenden Meeresabsclinitte"  werden 
kleinere  Gruppen  monographisch  bearbeitet  in  vorbildlicher 
Weise  und  so  erschöpfend  als  irgend  möglich,  ferner  mit  Illu- 
strationen versehen,  die  aufs  sorgfältigste  dem  Leben  in  den 
Aquarien  abgelauscht  sind,  so  daß  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
das  konservierte  Objekt  entbehrt  werden  kann.  Ein  naturwissen- 
schaftliches Inventar  für  ein  bestimmtes  Gebiet  ist  hier  in  groß- 
artiger Weise  angelegt  und  wird  so  zusammengetragen.  Eine  der 
ersten  Monographien  ist  diejenige  Anton  Dohrns  über  Pycno- 
goniden.  Neben  dieser  Publikationsreihe,  die  bis  jetzt  32  Mono- 
graphien aufweist,  auf  deren  Besitz  die  Bibliotheken  mit  be- 
rechtigtem Stolz  blicken,  gehen  die  ,. Mitteilungen"  einher,  die 
zugleich  ein  Repertorium  für  Mittelmeei'kunde  darstellen.  Sie 
sollten  kleinere  Arbeiten  und  Ergebnisse  bringen,  wie  sie  in 
einem  solchen  Großbetrieb  wissenschaftlicher  Tätigkeit  in  Fülle 
abfallen;  eine  Sammelstelle  sollte  solchen  Arbeiten  geboten  sein. 
Heute  zeigen  die  Mitteilungen  die  stattliche  Reihe  von  19  Bänden 
mit  Arbeiten  von  hoher  wissenschaftlicher  Bedeutung.  Daneben 
enthalten  sie  die  Jahresberichte  über  die  geschichtliche  Eut- 
wickelung,  das  allmähliche  Werden  der  Station,  von  dem  Leiter 


—     149     — 

selbst  geschrieben.  Sie  reden  eine  schöne  Sprache  von  der  reichen 
Gedankenwelt  des  Verfassers  und  seinen  besten  Absichten  für  die 
Forscher  und  ihre  Wissenschaft,  aber  auch  von  dem  heißen,  nie 
verzagenden  Ringen  nach  den  gesteckten  Zielen.  Als  Krone  zieren 
die  „Mitteilungen^  jene  Ergebnisse  eines  vornehmen  Gebietes  der 
Forschung,  das  sich  Anton  Dohrn  an  der  wissenschaftlichen 
Zentrale  am  Mittelmeer  selbst  vorbehielt,  seine  „Studien  zur  Ur- 
geschichte des  Wirbeltierkörpers" .  Einen  gewissen  Vorläufer  haben 
diese  Studien  in  Anton  Dohrn s  „genealogischen  Skizzen",  „Der 
Ursprung  der  Wirbeltiere  und  das  Princip  des  Funktions- 
wechsels", 1875.  In  25  Einzeluntersuchungen,  die  zusammen 
einige  Bände  der  Mitteilungen  repräsentieren,  erstrecken  sie  sich 
vom  3.  bis  18.  Band  derselben  von  1882  bis  1908,  an  sich  die 
umfassende  Lebensarbeit  eines  tiefen,  großen  Forschers  dar- 
stellend. Die  histogenetischen  Probleme  des  Kopfes  und  Aufbaus 
der  Spinalnerven,  die  Metamerie  des  Kopfes  und  die  Neuromerie 
des  Gehirns  werden  an  hunderttausenden  von  Schnitten  der 
Embryonen  von  Haien  und  Rochen  entwickelungsgeschichtlich 
behandelt. 

Es  kann  nicht  im  Bereich  der  hier  gespannten  Grenzen 
liegen,  in  die  Forschungen  Anton  Do h ms  in  der  stillen  Stube 
einzutreten  gegenüber  der  im  Vordergrunde  stehenden,  impulsiven 
Tätigkeit  nach  außen  zu  Gunsten  der  Station  und  ihrer  welt- 
umfassenden Bedeutung.  Es  mag  genügen,  zu  betonen,  daß  die 
Ergebnisse  seiner  Forschung  grundlegende  sind  für  alle  Zeiten, 
berufen,  für  die  Entstehung,  sowie  den  Bau  des  Kopfes  des 
höheren  Wirbeltiers  in  fundamentaler  Weise  aufklärend  zu  wirken. 

Es  spricht  für  die  Größe  Anton  Dohrns,  daß  er  auch 
in  der  Beschränkung  sich  als  Meister  zeigte  und  beharrlich  mehr 
als  30  Jahre  lang  sich  in  ein  Gebiet  und  das  schwierigste  ver- 
tiefte, das,   eng  begrenzt,  um  so  intensiver  bepflügt  wurde. 

Nach  Ende  der  80er  Jahre  ging  die  Zoologische  Station 
schnell  immer  größerer  Blüte  entgegen.  Die  zahlreichen  Publi- 
kationen, die  Erweiterung  der  Regierungsverträge  zur  Vermehrung 
der  Arbeitstische,  der  gesteigerte  Versand  des  konservierten 
Materials,  das  technisch  höchst  vollendet  war  und  für  die  Schau- 
sammlungeu  vieler  Museen  diente,  dies  alles  sprach  dafür,  daß 
eine  geniale  Anlage,  glänzend  geleitet,  sich  glänzend  bewährt 
hatte.    Im  ersten  Jahrzehnt  der  Stationstätigkeit  hatte  sich  die 


^     150     — 

Zahl  der  Forscher,  die  in  den  Mauern  des  Instituts  gearbeitet 
hatten,  auf  nahezu  300  belaufen.  Von  Jahr  zu  Jahr  nahm  sie 
zu,  und  bald  machte  sich  der  Platzmangel  geltend.  Auch  der 
Ausspruch  Dohrns,  den  er  1872  in  den  preußischen  Jahr- 
büchern in  freudiger  Hoffnung  niedergelegt:  die  Zoologische 
Station  in  Neapel  mache  hoffentlich  den  ermutigenden  Anfang 
zur  Herstellung  eines  Netzes  zoologischer  Stationen  über  die 
ganze  Erde,  ist  berechtigt  gewesen:  wir  zählen  heute  an  marinen 
Stationen  über  fünfzig,  die  über  dem  ganzen  Erdball  verteilt  sind. 

In  den  Jahren  1886  bis  1892  geschahen  die  ersten  großen 
baulichen  Erweiterungen  in  der  Station,  durch  Höherlegung  des 
Daches  und  durch  Errichtung  eines  zweiten  Gebäudes  neben  dem 
ersten.  Ganz  anders  wie  vor  15  Jahren  stellten  Stadt  und 
Regierung  bereitwilligst  einen  Platz  von  400  qm  für  einen  Bau 
im  gleichen  Stil  zur  Verfügung  und  unterstützten  das  Zustande- 
kommen durch  erhebliche  Mittel.  Hatte  die  Tätigkeit  der 
Station  sich  bis  dahin  mehr  auf  den  Gebieten  der  Morphologie 
und  der  Biologie  bewegt,  so  konnte  nunmehr  die  Erforschung 
des  feineren  Baues  der  tierischen  Zelle  und  ihrer  Funktionen  mehr 
in  den  Kreis  der  Betrachtung  gezogen  werden,  durch  erhöhte 
Heranziehung  der  Phj'siologie  und  der  physiologischen  Chemie  in 
den  eigens  dazu  eingerichten  Laboratorien.  Zugleich  wurde  auch 
der    Botanik    eine    selbständige  Institutsabteilung    eingeräumt. 

Am  14.  April  1897  konnte  die  Zoologische  Station  zu 
Neapel  das  25  jährige  Jubiläum  ihres  Bestehens  feiern.  Die  Feier 
gestaltete  sich  zu  einem  B'est,  an  welchem  die  Kulturvölker  aller 
Nationen,  Männer  in  den  höchsten  Stellungen,  hohe  Staats- 
beamte und  gekrönte  Häupter  warmen  Anteil  nahmen.  Ein 
Beweis  von  dem  hohen  wissenschaftlichen  Wert  und  der  Be- 
deutung, welche  die  Station  als  internationales  geistiges  Band 
um  die  verschiedenen  Völker  schlingt,  konnte  nicht  geeigneter 
erbracht  werden,  als  durch  eine  mit  begeisterten  Begrüßungs- 
worten  eingeleitete  Adresse  an  den  Leiter  der  Zoologischen 
Station.  Mehr  als  1900  Namen  von  Gelehrten  und  wissenschaft- 
lichen Korporationen  aller  Länder  waren  unterzeichnet.  In 
feiernden  Worten  sprachen  Vertreter  der  Wissenschaften  und 
der  Regierung  Anton  Do  hm  ihre  Anerkennung  und  ihren 
Dank  aus  für  die  Großtat,  die  er  in  ernster  Arbeit  in  einem 
Vierteljahrhundert  zustande  gebracht  hat. 


—     151     -- 

Ira  Jahre  1906  konnte  der  dritte  Bau  der  Zoologischen 
Station  auf  der  Ostseite  des  ersten  Gebäudes  im  gleichen  Stil 
wie  die  früheren  bezogen  werden.  Das  neue  Gebäude  besitzt 
Arbeitsräume  für  physiologische  Zwecke  im  großen  Stil.  Die 
Resultate,  die  aus  diesem  Zweig  des  Unternehmens  einst  hervor- 
gehen werden,  lassen  sich  heute  nicht  übersehen;  aber  der 
Stab  von  Gelehrten  unter  Leitung  seines  dritten  Sohnes,  Rein- 
hard Dohrn,  die  alle  bestrebt  sind,  den  Manen  Anton  Dohrns 
getreu  in  dessen  Sinne  und  Geiste  weiter  zu  arbeiten,  lassen 
mit  freudiger  Zuversicht  erwarten,  daß  die  so  aufsteigende  Ent- 
wickelung  eine  ununterbrochene  bleibt. 

Wollte  man  die  Frage  aufwerfen,  welche  Bedeutung  hat 
die  Zoologische  Station  gehabt,  so  können  wir  keine  andere 
Antwort  darauf  geben,  als  die :  es  gibt  kein  biologisches  Gebiet, 
das  nicht  durch  die  Arbeiten  der  Zoologischen  Station  in  einer 
nicht  abzuschätzenden  Weise  gefördert  wurde. 

Wir  Deutsche  aber  sind  stolz  darauf,  daß  Anton  Dohrn 
ein  deutscher  Forscher  gewesen  und  daß  seine  internationale 
Großtat  eine  deutsche  ist. 


—     152     — 


Ludwig  Becker 

geb.  4.  I.  1837  zu  Darmstadt,   gest.  22.  XI.  1909  zuWandsbek. 

Von 

Friedrich  Kinkelin. 


Ludwig  Becker  war  nicht  etwa  durch  die  korrespon- 
dierende Mitgliedschaft  nur  lose  mit  unserer  Gesellschaft  ver- 
bunden ;  er  ist  ein  t  a  t  k  r  ä  f  t  i  g  e  r  F  ü  r  d  e  r  e  r  unseres  Museums 
gewesen  und  hat  durch  eigene  Sammeltätigkeit  in  den  ver- 
schiedenen Gegenden  Deutschlands,  wohin  er  als  Bauleiter  berufen 
war,  mit  größtem  Eifer  und  Erfolg  au  der  Vervollständigung 
unserer  geologisch-paläontologischen  Sammlung  mitgearbeitet.  Das 
Andenken  des  tüchtigen  und  jovialen  Mannes,  der  uns  älteren 
ein  lieber,  treuer  Freund  gewesen  ist,  soll  unvergessen  bleiben ! 
Vorbildlich  möge  sein  verdienstlichesWir ken  allen 
Frankfurtern  sein,  denen  Beruf  oder  Erholungsreisen  die 
Möglichkeit  zum  Sammeln  gewähren,  die  das  Geschick  hinaus- 
führt in  fremde  Ländei'  und  Zonen,  wo  sich  ihnen  reiche  Ge- 
legenheit bietet,  durch  eigene  Sammeltätigkeit  der  Wissenschaft 
zu  dienen  und  unserem  Museum  zu  nützenl 

Nach  Absülvierung  der  Technischen  Schule  seiner  Vater- 
stadt war  Becker  zunächst  beim  Bau  der  Hessischen  Ludwigs- 
bahn Frankfurt -Mainz -Darmstadt  beschäftigt  und  leitete  als 
Sektionsingenieur  den  Bau  der  Strecke  Bingen-Alzey.  Später 
baute  er  als  führender  Ingenieur  bayerische  Bahnen.  Im  Jahre  1872 
wurde  er  als  Direktor  der  Internationalen  Baugesellschaft  nach 
Frankfurt  berufen.  1877  trat  er  unserer  Gesellschaft  bei  und 
wurde  bereits  im  folgenden  Jahre  zum  arbeitenden  Mit- 
glied    ernannt.      In    dieser    Eigenschaft    war    er    uns   nicht 


—     153    — 

nur  als  Berater  in  baulichen  Angelegenheiten  recht  nützlich; 
er  brachte  auch  auf  vielen  sonntäglichen  Exkursionen,  die  wir 
gemeinsam  unternommen  haben,  den  diluvialen  Bildungen  unserer 
Landschaft  großes  Interesse  entgegen  und  führte  dem  Museum 
aus  hiesigen  Baugruben  manche  Säugetierreste  von  hohem  Lokal- 
wert zu. 

Infolge  seiner  Übersiedelung  nach  Hamburg  trat  Becker 
1885  in  die  Reihe  der  korrespondierenden  Mitglieder 
über.  Er  betätigte  aber  nach  wie  vor  seine  treue  Anhänglich- 
keit an  unser  Museum  durch  reiche  und  wertvolle  Zuwendungen 
aus  den  verschiedenen  Stätten  seiner  beruflichen  Wirksamkeit. 
1885  —  1889  baute  er  den  Barkenhafen  mit  Zollanschluß  und  die 
großen  Lagerhäuser  am  Haupthafeu  in  Hamburg ;  1889 — 1893 
führte  er  beim  Bau  des  Nord- Ostsee-Kanals  die  Strecke  Levensau- 
Achterwehr  aus.  Von  dort  aus  sandte  er  reichliche  Auf  Samm- 
lungen von  interessanten  Fossilien  aus  den  glazialen  Schutt- 
anhäufungen unserem  Museum.  In  den  Jahren  1893  — 1896 
führte  er  die  Kanalisation  der  Fulda  mit  sieben  Schleusen  aus 
und  wurde  hierfür  dekoriert. 

1896  ging  Becker  im  Auftrag  der  Deutschen  Bank  (South 
African  Contracting  Association)  in  Berlin  als  Direktor  für  alle 
von  letzterer  geplanten,  weitausschauenden  Unternehmungen 
nach  Südafrika.  Durch  Trazierung  von  Eisenbahnen  und  die 
Ermittelung  von  Bezugsquellen  für  die  notwendigen  Baumaterialien 
war  er  veranlaßt,  weite  Reisen  ins  Innere  des  Landes  zu  unter- 
nehmen. Doch  bald  machte  der  Ausbruch  des  Burenkriegs 
dem  großzügig  augelegten  Unternehmen,  das  aus  Hoch-  und 
Tief  bauten  bestehen  sollte,  ein  jähes  Ende  und  damit  auch  dem  von 
uns  geplanten  Samraelu  südafrikanischer  Fossilien  und  Gesteine. 

Während  der  gezwungenen  Muße  in  Johannisburg  wandte 
Becker  sein  Interesse  dem  Studium  eines  bedeutsamen  Problems 
—  der  Ermittelung  der  Ursache  von  Ebbe  und  Flut  —  zu  und 
setzte  nach  Hamburg  zurückgekehrt,  wo  er  in  den  letzten  Jahren 
als  Aufsichtsrat  bei  der  Leitung  des  Erweiteriings-  und  Neu- 
baues der  Lübecker  Maschinenfabrik  tätig  war,  diese  Studien 
fort.  Das  Resultat  derselben,  seine  Gezeiten theorie,  hat 
er  am  14.  März  1906  im  Naturwissenschaftlichen  Verein  zu 
Hamburg  vor  die  Öffentlichkeit  gebracht  (Verhandlungen  d.  Natur- 
wiss.  Vereins,  Hamburg,  1906,  S.  LX— LXIV). 


—     154     — 

Hiernach  sind  kosmische  Verhältnisse  von  keinem  Einfluß 
auf  den  Verlauf  der  Gezeiten ;  vielmehr  ist  es  die  Revolution 
der  Erde  um  die  Sonne,  deren  Einfluß,  durch  die  Rotation  der 
Erde  um  ihre  Polachse  bald  vermehrt,  bald  verringert,  Ebbe 
und  Flut  bedingen  soll.  Auch  die  topographische  Gestaltung 
von  Meeresufer  und  Meeresboden  scheinen  von  Bedeutung  zu 
sein.  Leider  hat  Becker  die  ausführliche  Abhandlung  über 
seine  Gezeitentheorie  wohl  zum  größten  Teil,  aber  nicht  ganz 
druckfertig  zum  Abschluß  gebracht.  Sein  Manuskript  ist  der 
Kaiserl.  Seewarte  in  Hamburg  übergeben  worden. 


—     155 


Besprecliuiigen. 


I.    Neue  Veröffeutliclmugeu  der  Gesellschaft. 

Abliandlungeu  der  Senckenbergischen  Natiirforschendeu  Ge- 
sellschaft in  Frankfurt  a.  M.  Band  31,  Heft  1,  Seite  1 — 19. 
„Riechball nen,  Septum  und  Thalamus  bei  Didelplm 
marmpialis'-  von  Dr.  Paul  Roth  ig.  Mit  2  Tafeln  und  12 
Abbildungen  im  Text  (zunächst  nur  als  Sonderabdruck  er- 
schienen). 4*^.  Frankfurt  a.  M.  (Selbstverlag  der  Gesell- 
schaft) 1909.     Preis  broschiert  M.  5,50. 

Die  Beutelratte,  deren  Gehirn  R ö t h i g  untersucht  hat,  ist  für 
ihre  Lebensweise  wesentlich  auf  den  Geruch-  und  den  Oralsinn  angewiesen. 
Dementsprechend  sind  die  Riechlappen  und  die  dem  Oralsinn  dienenden  Lobi 
parolfactorii  ganz  enorm  entwickelt.  Es  war  deshalb,  zumal  die  übrigen 
Gehirnteile  relativ  klein  sind,  eine  verlockende  Aufgabe,  hier  die  Riech-  und 
Oralsinnbahnen  einmal  genau  zu  studieren  und  ein  Gehirn,  an  dem  die  ent- 
sprechenden Zentren  und  Bahnen  so  kräftig  ausgebildet  sind,  mit  den  anderen 
Säugergehirnen  zu  vergleichen,  welche  die  reiche  Sammlung  des  Neurolo- 
gischen Instituts  besitzt.  In  der  Tat  ist  es  Röthig  gelungen,  eine 
große  Anzahl  von  Kernen  und  Verbindungen,  über  die  man  bisher  nicht  völlig 
ins  klare  hatte  kommen  können,  an  diesem  überaus  günstigen  Objekt  genau 
festzustellen.  Wir  können  sie  jetzt  bei  allen  anderen  Säugern,  auch  bei  solchen, 
wo  sie  schlecht  entwickelt  sind,  leicht  wiederfioden,  und  uns  so  ein  viel  voll- 
kommeneres Bild  von  dem  Mechanismus  des  Riechens  und  Schnauzentastens 
machen,  als  es  bisher  möglich  gewesen  ist.  Zahlreiche  Schemata  und  zwei 
treffliche  Winter  sehe  Tafeln  erleichtern  das  Verständnis  und  das  Nacharbeiten. 

Das  gleiche  Gehirn  hat  der  Verfasser  auch  zur  genaueren  Untersuchung 
der  Kerne  des  Seehügels  und  ihrer  Verbindungen  benützt,  die  man  gleich- 
falls noch  nicht  genau  genug  kennt,  weil  sie  hauptsächlich  an  dem  außer- 
ordentlich kompliziert  gebauten  Gehirn  des  Menschen  studiert  worden.  Auch 
hier  ist  es  Röthig  vielfach  gelungen,  unbekanntes  klar  zu  stellen.  So 
haben  wir  jetzt  wenigstens  für  ein  niedriges  Säugetier  eine  vollständige 
Kenntnis  dieses  wichtigen  Gehirnteils.  L.  Edinger. 


—     156    — 

Abhandlungen  der  Senckenbergischen  Natiirforschenden  Ge- 
sellschaft in  Frankfurt  a.  M.  Band  32.  „Festschrift  zum 
siebenzigsten  Geburtstag  von  Wilhelm  Kobelt  am  20.  Fe- 
bruar 1910".  VII  u.  463  S.  mit  einem  Porträt,  28  Tafeln 
und  51  Abbildungen  im  Text.  4°.  Frankfurt  a.  M.  (Selbst- 
verlag  der  Gesellschaft)     1910.     Preis   broschiert  M.  75. — . 

Den  32.  Band  ihrer  „Abhandlungen"  bringt  die  Gesellschaft  dem  lang- 
jährigen Sektionär  der  konchyologischen  Abteilung  des  Museums,  Proi.  W.  Ko- 
be 1 1  in  Schwanlieim,  als  Festschrift  zu  seinem  70.  Geburtstag  dar.  Der  stattliche 
Band  enthält  malakologische  Studien  von  Schülern,  Freunden  und  Verehrern 
des  Jubilars  und  als  besonderen  Schmuck  auch  eine  größere  Arbeit  von  ihm  selbst. 

Ein  Teil  der  Abhandlungen  ist  systematisch-morphologischer 
Art.  So  liefert  der  bekannte  Zephalopodenforscher  W.  E.  H  oy  le  eine  sehr 
brauchbare  Zusammenstellung  der  Gattungen  und  Arten  der  zweikiemigen 
Kopffüßer.  P.  Pallary  beschreibt  morphologisch  die  nordwestafrikanischen 
Spezies  der  Gattung  Alhea.  Über  eigentümliche  Formunterschiede  der  Ge- 
häuse männlicher  und  weiblicher  Heliciniden,  ferner  über  zwei  neue  Arten 
von  Acme  und  eine  neue  VitreJki  aus  Steiermark  berichtet  A.  Wagner. 
F.  Borcherdings  Beitrag  „Monographie  der  auf  der  Sandwichinsel  Kauai 
lebenden  Molluskengattung  CareJia'^  enthält  die  Originaldiagnosen  und  Ab- 
bildungen aller  bisher  bekannten  Arten.  W.  A.  Lindholm  beschreibt  eine 
neue  Betinelhi,  B.  Iwbelti,  aus  der  Krim,  die  alle  übrigen  südrussischen 
Hyalinien  an  Größe  übertrifft.  Die  anatomische  Untersuchung  dieser  Hya- 
linia  (Betinella)  Jcobelti  ergab  P.  Hesse  einige  bemerkenswerte  Resultate. 
Nach  J.  Thieles  Untersuchungen  an  Hydrocena  cattaroensis  durchbohrt 
bei  dieser  Form  der  Enddarm  zwar  nicht  die  Herzkammer,  doch  liegt  die 
Aorta  dem  Enddarm  auf,  was  an  die  primitiven  Verhältnisse  der  nahe  verwandten 
Neritiden  erinnert.  Andererseits  gibt  sich  im  Bau  des  Geschlechts-  und  Respira- 
tionsapparats zu  erkennen,  daß  die  Hydroceniden  primitiver  als  die  Neritiden  sind. 

Mehrere  Forscher  haben  ihr  Material  von  tier  geographischen 
Gesichtspunkten  aus  bearbeitet.  So  vor  allem  Kobelt  selbst :  sein  Beitrag, 
der  die  Molluskenausbeute  der  v.  Er  1  an  g  er  sehen  Reise  in  Nordostafrika 
behandelt  und  unter  anderem  50  neue  Arten  schildert,  liefert  in  seinem 
zweiten  Teil  ein  Verzeichnis  der  aus  Ostafrika,  Madagaskar,  Mauritius. 
Bourbon,  Sokotra,  Abd-el-gouri  und  von  den  Seychellen  bekannten  Binnen- 
konchylien,  das  Museen  und  Sammlern  als  Besitz-  und  Desideratenliste  sehr 
willkommen  sein  wird.  In  seiner  Schrift  „Die  Binnenkonchylien  von  Deutsch- 
Südwestafrika  und  ihre  Beziehungen  zur  Molluskenfauna  des  Kaplandes" 
teilt  0.  Boettger  die  Diagnosen  von  9  neuen  Arten  und  einigen  Varietäten 
mit.  Da  es  infolge  des  Vorkommens  der  Mollusken  in  jungen  Sedimenten, 
trockenen  Flußbetten  usw.  oft  unmöglich  war,  zu  entscheiden,  ob  die  be- 
treffenden Arten  zu  den  noch  heute  dort  lebenden  zu  zählen  seien  oder  nicht, 
hat  Boettger  von  der  Trennung  des  Materials  in  lebende,  subfossile  und 
fossile  Formen  ganz  abgesehen.  Von  drei  Arten  weist  er  nach,  daß  sie  ein- 
geschleppt  sind.     H.  V.  J  h  e  r  i  n  g   kommt   durch  das  Studium  der  Najaden- 


-     157     — 

faunen  des  Rio  Paraguay,  des  Rio  Parana  und  des  Rio  San  Francisco  zu 
interessanten  Resultaten  über  die  Beziehungen  dieser  Flüsse  zueinander.  In 
einer  zweiten  Arbeit  teilt  er  nach  Beschreibung  einiger  neuen  Arten  einen 
Bestimmungsschlüssel  der  südamerilüanischen  Formen  des  Genus  Helicigona 
mit  und  schließt  mit  Betrachtungen  über  die  Beziehungen  der  altweltlichen 
zu  den  amerikanischen  Heliciden.  F.  Haas  vergleicht  die  Najadenfauna  des 
Uberrheins  mit  denen  der  benachbarten  Flußgebiete  und  findet  dabei  die 
Kobalt  sehe  Ansicht  über  die  Entwickelungsgeschichte  des  Rheingebietes 
vollauf  bestätigt.  Hierher  gehört  auch  D.  Geyers  Studie  „Die  Mollusken- 
fauna der  schwäbischen  Alb".  Der  Verfasser  schildert  zunächst  eingehend 
die  biologischen  Verhältnisse  der  Alb  und  beschreibt  sodann  die  Verteilung 
der  Schnecken  auf  die  einzelnen  biologischen  Bezirke  (Täler,  Abhänge  u.  dergl.), 
während  ein  letzter,  geographischer  Teil  die  Schneckenfauna  der  Alb  auf 
ihre  Herkunft  untersucht.  In  einer  sehr  interessanten  Arbeit  „Zur  Natur- 
geschichte der  Campylaea  plialerata"'  stellt  P.  Ehr  mann  für  die  genannte 
Form,  die  übrigens  nach  Maßgabe  der  Anatomie  mit  Arianta  ar6»sio?-?<)H  nächst- 
verwandt ist,  die  ganze  horizontale  Verbreitung  fest.  Ihre  lokalen  Ver- 
änderungen in  den  einzelnen  Teilen  ihres  Heimatgebietes  wie  auch  ihre  Lebens- 
verhältnisse werden  eingehend  dargestellt.  Ähnliche  Ziele  verfolgt  H.  Simroths 
Beitrag  „Nacktschneckenstudien  in  den  Südalpen ".  Er  folgert  aus  der  gegen- 
wärtigen horizontalen  und  vertikalen  Verbreitung  der  Limaeiden,  daß  diese  Familie 
älter  als  die  Alpen  ist,  und  daß  ihr  Schöpfungszentrum  in  den  Ostalpen  liegt. 
Besonders  bemerkenswert  ist  Simroths  Angabe  über  einen  Fall  von  echter 
Mimikry :  eine  große  Nacktschnecke,  Limax  maximus,  ahmt  die  Aspisviper  nach. 
Erfreulicherweise  ist  auch  die  Entwickelungsmechanik  in  dem 
Festband  vertreten.  H.  Rolle  berichtet  über  einige  abnorme  Landschnecken, 
K.  Schmalz  über  abnorme  Gehäuse  von  Land-  und  Süßwassergastropoden 
und  über  die  Ursachen  ihrer  Entstehung.  Zuchtversuche  mit  Campylaea 
cimjulata  haben  K.  Kunkel  gezeigt,  daß  hier  der  Albinismus  erblich  ist. 
Außerdem  enthält  seine  Schrift  interessante  Beobachtungen  über  die  Eier, 
die  Embryonalentwickelung,  die  Fortpflanzung  und  Lebensdauer  der  Campyläen. 
Endlich  hat  C.  F.  J  i  c  k  e  1  i ,  der  Verfasser  des  bemerkenswerten  Buches 
„Über  die  Unvollkommenheit  des  Stoffwechsels  als  Entwickelungsprinzip"  den 
Nachweis  versucht,  daß  der  gleiche  Faktor  auch  am  Werden  und  Vergehen 
der  Schneckenschalen  in  erster  Linie  beteiligt  ist.  Die  Unvollkommenheit 
des  Stoffwechsels  belastet  die  Individuen  von  Generation  zu  Generation  mehr 
und  mehr  und  zwingt  sie  endlich  zur  Rückbildung.  Auf  diese  Anschauung 
gestützt,  erklärt  der  Verfasser  die  Schalenrückbildung  bei  den  verschiedenen 
Molluskenklassen,  die  durch  Selektion,  wie  er  sagt,  nicht  zu  deuten  ist. 

Eine  besonders  feine  Ehrung  des  Jubilars  stellt  schließlich  ein  frisch 
geschriebener  Artikel  des  Frankfurter  Volkswirtschaftlers  A.  Ph.  Stein  über 
„Sozialpolitik  und  Heimat"  dar.  Was  Stein  hier  als  Pflicht  des  Gebildeten 
schildert :  soziale  Heimarbeit,  das  hat  K  o  b  e  1 1  in  seinem  Kreise,  in  Schwan- 
heim und  in  der  „Provinz  Groß-Frankfurt",  wie  er  sie  nennt,  sein  Leben  lang 
mit  ebensoviel  Eifer  als  Erfolg  getan. 

Die  Ausstattung  des  Werkes,  dem  ein  Porträt  des  Jubilars  beigegeben 
ist,  ist  eine  vornehm  würdige.  F.  Haas. 


—     158     — 

II.   Neue  Bücher. 

Vorgeschichte  vom  Untergrund  und  von  der  Lebe- 
welt des  Frankfurter  Stadtgebietes.  Eine  geo- 
logische Skizze  von  Prof.  Dr.  Friedrich  Kinkelin, 
Dozent  und  Sektionär  der  Geologie  und  Paläontologie  am 
Senckenbergischen  Museum  in  Frankfurt  a.  M.  VIII  u. 
96  S.  mit  9  Tafeln.  8".  Frankfurt  a.  M.  (J.  Rosenheim)  1909. 
Preis  broschiert  M.  2.40. 

In  den  einleitenden  Abschnitren  dieses  Buches,  das  für  viele  unserer 
Mitglieder  von  großem  Interesse  sein  wird,  zeigt  der  Verfasser,  wie  der 
Frankfurter  Stadtbezirk  (vor  den  Eingemeindungen  im  Jahre  1895)  in  West 
und  Ost  durch  zwei  Verwerfungen ,  die  als  vertikale  Bewegungen  nachbarlicher 
Schollen  gegeneinander  aufzufassen  sind,  natürlich  begrenzt  ist.  Auch  wird 
die  Art  und  Weise  eingehend  beschrieben,  in  der  sich  Tier-  und  Pflanzen- 
reste ungezählte  Jahrtausende  im  Boden  erhalten  können. 

Namentlich  die  in  den  letzten  25  Jahren  im  Stadtgebiet  und  in  seiner 
Nachbarschaft  ausgeführten  T  i  e  f  b  a  u  t  e  n  haben  es  ermöglicht,  ein  zuver- 
lässiges Bild  vom  Boden  und  von  der  ehemaligen  Lebewelt  Frankfurts  zu 
geben.  Von  diesen  sind  die  geologisch  wichtigsten :  die  Braunkohlenwerke, 
die  Kanalisation  des  Mains  —  besonders  die  Schleusenbauten  — ,  die  Her- 
stellung des  Westhafens,  die  Bohrungen  und  Grabungen  im  Interesse  der 
Wassergewinnung  (im  Unterwald,  Hattersheimer  Feld,  unteren  Niddatal  und 
in  Sachsenhausen),  die  Ausräumung  von  drei  großen  Wasserbehältern,  die 
Kanalisation  der  Stadt,  auch  die  Aushebung  des  Offenbacher  Hafens  und 
schließlich  die  des  Oslhafens.  Diese  Geologie  des  Frankfurter  Stadt- 
gebietes ist  in  den*  folgenden  Abschnitten  des  Buches  in  einer  auch  dem 
Laien  verständlichen  Weise  zusammengefaßt.  Zahlreiche  Abbildungen  von 
Petrefakten,  Schnitte  und  Profile,  sowie  eine  Karte  der  Verbreitung  der 
alluvialen  Moore  in  unserer  Gegend  sind  dem  Text  beigegeben. 

Die  Landschaft,  in  deren  Mitte  Frankfurt  liegt,  ist  größtenteils  von 
Absätzen  in  Meeren  oder  Seen  erfüllt,  die  in  der  Tertiärzeit  erfolgt 
sind.  Sie  ist  im  Westen  und  Osten  von  zwei  alten,  stark  abgetragenen 
Gebirgen,  vom  Taunus  und  Vorspessart,  begrenzt  und  hat  als  Unterlage 
rötliche  Sandsteine,  das  sogen.  Rotliegende,  das  geologisch  gesprochen  nahezu 
vom  Alter  der  Steinkohle  ist. 

Senkungen  zwischen  den  beiden  Gebirgen  lassen  zu  Beginn  der  Mittel- 
oligozänzeit  in  unsere  Landschaft  von  Süden  und  bald  auch  von  Norden  her 
das  Meer  eindringen,  in  dem  eine  mannigfaltige  Tierwelt  —  Seekühe,  Fische, 
Krebse,  Mollusken  u.  a.  —  lebt.  Das  subtropische  Klima  jener  Zeit  spiegelt 
sich  in  einer  reichen,  auf  zartem  Tonmergel  eingebetteten  Flora  wieder. 
Spätere  Wandlungen  machen  die  rheinische  Meeresstraße  zu  einem  brackischen 
Becken;  da  und  dort  schließen  sich  auch  die  Wasser  zu  Süßwasser- 
Seen,  deren  Absätze  u.  a.  die  Reste  uralter  Paarzeher  bergen.  (Auch  pracht- 
volle, in  Eisenkies  umgewandelte  Schalen  von  Weichtieren  sind  bei  dem  Bau 


—     159     — 

des  Offenbacher  Hafens  gefunden  worden.)  Das  Klima  behält  trotz  beträcht- 
licher Schwankungen  seinen  subtropischen  Charakter  bis  in  die  Zeit  hinein 
bei,  in  der  die  Letten  und  Kalkschichten  entstanden  sind,  auf  denen  unsere 
Stadt  erbaut  ist.  Viel  reicher  als  heute  ist  zu  dieser  Zeit  die  Welt  der 
Wirbeltiere,  besonders  der  Säuger,  Reptilien  und  Fische.  Aber  auch  Schalen 
von  Muscheln,  Schneckchen  und  Muschelkrebsen  liegen  in  ungeheurer  Menge 
jeduch  in  geringer  Mannigfaltigkeit,  in  diesen  Ablagerungen,  die  der  Geolog 
Oberoligozän  und  Untermiozän  nennt. 

Daß  im  brackischen  Wasser  auch  kalkabsondernde  Algen  in  großer 
Menge  lebten,  hat  man  in  den  Stöcken  bewundern  können,  die  im  Westen 
der  Stadt  (Niederräder  Schleuse  etc.)  den  geschichteten  Letten  durchsetzen. 
Einen  Einblick  in  Bewegungen,  die  im  Untergrund  Frankfurts  vorgegangen 
sind  und  wohl  auch  noch  vorgehen,  hat  die  Baugrube  des  Westhafens  gestattet. 
in  der  sich  infolge  solcher  Bewegungen  die  Letten  und  Mergel  in  weiten 
flachen  Mulden  und  Sätteln  gelegt  zeigen.  In  Verbindung  mit  der  Schilderung 
der  Lagerungs weise  und  Folge  der  Schichten  im  Westhafengebiet  wird  auch 
der  Entstehung  der  Grindbrunnen  (kalte  Schwefelquellen)  gedacht. 

Ganz  eigenartig  ist  die  Bildung  von  Hohlräumen  im  kalkigen  Mergel 
des  Frankfurter  Gebietes  (gegenüber  der  Sachsenhäuser  Warte,  links  der 
Darmstädter  Landstraße).  Diese  Hohlräume  sind  zum  Teil  von  unregel- 
mäßiger Form  und  mit  diluvialem  Sand  erfüllt ;  zum  Teil  zeigen  sie  eine 
ausgesprochene  Gewölbebildung  und  sind  im  Letten  gleichsam'  durch  Kalk- 
mauern abgeschlossen  und  völlig  leer. 

Von  nun  an  bis  zur  Eiszeit  liegt  die  seither  weit  von  Wasser  bedeckte 
Gegend  trocken  wie  heute,  nur  durchflössen  von  einem  mächtige  GeröUe 
mit  sich  führenden  Strom,  an  dessen  Ufer  Mastodonten,  die  Ahnen  unserer 
heutigen  Elefanten,  weiden. 

Erst  bei  dem  Herannahen  der  Eiszeit  wird  die  rheinmainische  Land- 
schaft wieder  zu  einem  See,  in  dem  sich  die  Abwässer  der  Alpen  und  der 
mittelrheinischen  Gebirge  sammeln.  Das  Klima  kühlt  sich  bedeutend  ab. 
Dies  ist  aus  der  —  noch  immer  mannigfaltigen  —  Flora  zu  erkennen , 
die  hauptsächlich  an  der  westlichen  Grenze  Frankfurts  bei  Aushebung  der 
Klärbeckenbaugrube  in  einem  in  Sand  und  Ton  eingebetteten  Braunkohlen- 
flözchen  zutage  getreten  ist.  Viele  Formen  dieser  untergegangenen  Flora 
finden  wir  heute  nur  noch  in  weit  entfernten  Weltteilen,  manche  sind  ganz 
ausgestorben;  aber  eine  ziemlich  beträchtliche  Zahl  von  ihnen  hat  sich,  mehr 
oder  weniger  verändert,  in  späteren  Zeiten  wieder  in  unserer  Landschaft 
angesiedelt.  Trotz  der  Mannigfaltigkeit  dieser  Flora,  die  demnach  noch 
tertiären  Charakter  hat,  scheint  die  Jahreswärme  —  nach  Maßgabe  der  eine 
höhere  Wärme,  als  sie  heute  im  Untermaintal  herrscht,  heischenden  Pflanzen  — 
die  jetzige  Jahresisotherme  nur  um  0,5"  übertroffen  zu  haben.  Im  Westen 
Frankfurts  zog  sich  der  Ostrand  des  Oberpliozänsees  hin.  Durch  ihre  Kalk- 
losigkeit  unterscheiden  sich  die  Absätze  dieses  Sees  —  ein  Grund,  weshalb 
sich  fast  keine  tierischen  Beste  in  ihnen  erhalten  haben  —  von  fast  allen 
älteren  tertiären  Sedimenten. 

Besonders  lebendig  haben  sich  im  Untermaintal  die  unterirdischen 
Gewalten  während  der  Pliozänzeit  geäußert,  indem  Lavaströme,  die  inzwischen 


—     160    — 

zu  Basalt  erstarrt  sind,  auf  Spalten  emporstiegen,  sie  erfüllten  und  sich  da 
und  dort  noch  weiter  ausbreiteten. 

Mit  dem  Eintritt  der  Eiszeit  schwindet  in  unserer  Landschaft  die 
oberpliozäne  Flora  bis  auf  wenige  Bäume ,  die  ein  kaltes  Klima  ertragen 
können.  Der  Main  beginnt  sich  eine  Rinne  zu  graben ;  er  erweitert  und 
vertieft  sie  mehr  und  mehr  und  setzt  in  seinem  Bette  auch  aus  seinem  Ober- 
lauf stammende  Trümmer  ab.  Auf  Eisschollen  trägt  er  mächtige  Blöcke 
abwärts.  Bis  zu  einer  Höhe  von  150  m  trifft  man  Main  sand  aus  der 
ältesten  Zeit  des  diluvialen  Flusses ;  die  jüngsten  diluvialen  Mainsande  sind 
es,  in  denen  die  heutige  Mainrinne  liegt.  So  haben  sich  die  Fluten  des 
Stroms  im  Laufe  der  Zeit  nicht  nur  ein  weites  (bis  6  km)  sondern  auch  tiefes 
Tal  (BO  m)  ausgeräumt. 

Während  der  Aufschüttung  der  Mainsande,  die  in  drei  Stufen  erfolgt 
ist,  erfährt  die  Fauna  sehr  beträchtliche  Änderungen.  Spiegelt  sich  in  den 
Resten  der  wunderbaren  Säugetierwelt,  die  besonders  in  den  Mosbacher  Sauden 
liegen  (früheste  Zwischeneiszeit),  mindestens  ein  Klima  wieder,  wie  es  heute 
um  das  Mittehueer  herrscht,  so  tritt  in  der  mittleren  Mainterrasse  eine  Fauna 
auf,  der  das  Rentier  beigesellt  ist.  Zahlreicher  sind  die  Rentierfunde  in  der 
letzten  Zwischeneiszeit,  als  Mitteldeutschland  zu  einer  Steppe  wird,  in 
der  fast  nur  von  der  Luft  —  von  Wind  und  Sturm  —  bewegte  Absätze 
(Löß)  zustande  kommen. 

Im  jüngsten  Mainabsatz  felilen  nun  alle  die  großen  Dickhäuter  und 
Wiederkäuer  (Mammut,  Rhinozeros,  Bison,  Riesenhirsch  u.  a.j,  die  zuvor  unsere 
Landschaft  belebten ;  das  Ren  aber  ist  nach  dem  Norden  verzogen.  In  großer 
Menge  liegen  hingegen  in  diesen  Absätzen  die  Geweihe  des  Edelhirschs. 
An  die  Stelle  der  Steppe  ist  der  Wald  getreten.  In  dem  Bau  von  Ein- 
bäumen verrät  sich  nun   auch  die  Existenz  des  Menschen   am  Untermain. 

In  der  frühen  Alluvialzeit  bilden  sich  in  den  verlassenen  Stromstrecken 
Moore.  Sie  weisen  uns  den  Weg,  den  damals  Main  und  Nidda  eingehalten 
haben.  Das  größte  Tier  aus  dieser  Zeit,  dessen  Reste  uns  überliefert  sind, 
ist  der  Urochs  {Bos  pHmigenius  Boj.);  weit  und  breit  scheint  sich  auch  der 
Biber  an  den  Flußufern  angesiedelt  zu  haben.  Auch  menschliche  Skeletteile 
liegen  im  Enkheiraer  Moor  begraben.  Mit  dem  oberflächlichen  Aulehm  schließen 
die  geologischen  (lebilde  in  unserer  Landschaft  ab ;  er  ist  der  Absatz  von 
jüngeren  Überschwemmungen. 

Im  letzten  Abschnitt  des  Buches  bringt  ein  Prolildurchschnitt  durch 
die  Sohle,  auf  der  sich  der  Main  bewegt,  —  von  Dietesheim  bis  über  Flörs- 
heim —  die  vielfachen  Schichtenstörungen  in  diesem  geologisch  noch  dem 
Rheingraben  zugehörigen  Gebiet  zur  Darstellung. 

Die  meisten  fossilen  Dokumente  der  beschriebenen  Vorgeschichte  vom 
Untergrund  des  Frankfurter  Stadtgebietes  birgt  das  Senckenbergische  Museum. 
Die  besterhaltenen  unter  diesen  Tier-  und  Ptianzenresten  sind  in  der  geo- 
lügisch-paläontologischenSchausaramlung  ausgestellt. 

A.  Knnl)l(U(cli . 


—     161     — 


Neues  aus  der  Schausammlung. 


Das  indische  Nashorn. 

Mit  7  Abbildungen. 

Dem  indischen  Nashorn,  Rhinoceros  unicornis  L.,  geht  es 
wie  allen  Riesen  der  Tierwelt:  sein  Wohnbezirk  wird  ständig 
kleiner,  und  sein  Geschlecht  wird  durch  die  modernen  Hand- 
feuerwaffen immer  mehr  dezimiert.  Heute  lebt  es  in  größeren 
Mengen  nur  noch  in  Nepal,  dem  Maharadscha  als  jagdbares  Wild 
vorbehalten.  Auch  nach  Europa  ist  es  zu  allen  Zeiten  weit 
seltener  als  das  afrikanische  Nashorn  gelangt;  61  v.  Chr.  wurde 
es  zum  ersten  Male  von  Pompe  jus  den  Römern  bei  Tier- 
kämpfen vorgeführt,  und  erst  1503  kam  wieder  ein  Exemplar  nach 
Portugal:  es  ist  von  Dürer  verewigt  worden,  der  es  allerdings 
nur  aus  einer  Zeichnung  kennen  gelernt  hat.  Selbst  in  den 
letzten  Dezennien  des  vorigen  Jahrhunderts,  als  Tierhandel  und 
Tierimport  unter  Jamrachs  und  Hagenbecks  zielbewußter 
Leitung  in  so  ungeahnter  Weise  aufblühten,  blieb  das  indische 
Nashorn  eine  kostbare  Rarität  auf  dem  Markt,  und  es  ist  zu 
erwarten,  daß  es  auch  in  Zukunft  immer  seltener  zu  uns  ge- 
langen wird.  x4.ugenblicklich  leben  nur  noch  zwei  Vertreter 
der  Art  in  Europa,  das  eine  Tier  in  Antwerpen,  das  andere  in 
London. 

Von  dem  zweihörnigen  afrikanischen  Nashorn  ist  das  ein- 
hörnige indische  schon  äußerlich  ganz  wesentlich  verschieden. 
Während  die  dicke  Haut  des  afrikanischen  Nashorns  sich  bis 
auf  wenige,  nicht  stark  hervortretende  Falten  dem  Körper  an- 
schließt, ist  beim  indischen  Nashorn  die  Haut  in  einen  Panzer 
verwandelt,  der  durch  gewaltige  Falten  in  ganz  bestimmte 
Schilder  geteilt  ist.     Da  in  diesen  Falten  die  Haut  verhältnis- 

11 


—     162     — 

mäßig  dünn  ist,  kann  hier  eine  Bewegung  der  Hautmassen  statt- 
finden. Die  Haut  der  einzelnen  Schilder  ist  wieder  durch  netz- 
artige Zeichnungen  und  kleine  polygonale  Felder,  die  sich  buckel- 
artig erheben,  in  äußerst  feiner  Weise  modelliert. 

Das  Wesen  des  Nashorns  ist  im  allgemeinen  weder  in  der 
Wildnis  noch  in  der  Gefangenschaft  ein  gutmütiges.  Zu  trauen 
ist  ihm   niemals,   und   so   plump   es  in  der  Ruhe  erscheint,   so 


Fig.  1.     Gipsabguß  des  irischen  Kadavers. 


gewandt  zeigt  sich  das  gereizte  Tier  im  Angriff.  Über  seine 
Lebensweise  in  der  freien  Wildbahn  sind  wir  auch  heute  noch 
nicht  in  allen  Einzelheiten  unterrichtet,  besonders  nicht  über 
die  des  indischen  Nashorns,  da  die  Beobachtung  mit  großen 
Schwierigkeiten  verknüpft  ist.  So  viel  scheint  jedoch  festzustehen, 
daß  die  Nashörner  ungesellige  Tiere  sind,  die  wohl  nur  die 
Brunst  für  kurze  Zeit  vereinigt.  Bei  Tage  meist  schlafend,  be- 
nutzen sie  die  Stunden  der  Nacht  und  des  frühen  Morgens,  um 
gestärkt  durch  ein  Schlammbad  Äsung  zu  suchen. 

Zärtliche  Mütter  sind  aber  die  Nashornweibchen ;  wer  das 


—     163     — 

Junge  erbeuten  will,  muß  die  Alte  erlegen.  Es  ist  der  einzige 
Weg,  dieser  Tiere  für  die  zoologischen  Gärten  habhaft  zu  wer- 
den; denn  bei  ihrer  ungeheuren  Kraft  ist  es  ausgeschlossen, 
andere  als  ganz  junge  Exemplare  einzufangen  und  zu  trans- 
portieren. Da  nun  aber  die  Aufzucht  dieser  Kleinen  mit  großen 
Schwierigkeiten  verknüpft  ist  und  weite  Wege  bis  zu  der  Küste 
zurückgelegt  werden   müssen,   versteht  man   den  hohen  Preis, 


Fig.  2.     Provisorische  Zusammensetzung  des  Skeletts. 

der  auch  für  das  verhältnismäßig  noch  leicht  zu  erlangende 
afrikanische  Nashorn  in  Europa  gezahlt  werden  muß. 

Die  Farbe  der  Tiere  erscheint  in  der  Wildnis  meist  dunkler, 
als  sie  in  Wirklichkeit  ist.  Das  indische  Nashorn  ist  hellgrau, 
das  afrikanische  gelbbraun;  aber  die  dicke  Schlammschicht,  mit 
der  sich  die  Tiere,  wie  man  glaubt,  zum  Schutz  gegen  Blut- 
sauger bedecken,  läßt  sie  wesentlich  dunkler  erscheinen. 

Unser  Nashorn,  ein  weibliches  Exemplar,  ist,  wie  Noll*) 


*)  Noll,    „Die  Rhinocerosarten".    Der  Zoologische  Garten,  14.  Jahrg., 
S.  47.    Frankfurt  a.  M.  1873. 

11* 


—     164    — 

berichtet,  zusammen  mit  einem  Männchen  am  19.  September  1872, 
etwa  drei  Jahre  alt,  für  den  Preis  von  8000  Talern  vom  Ber- 
liner Zoologischen  Garten  erworben  worden.  Es  war  damals 
2,80  m  lang  und  1,33  m  hoch.  Die  Hoffnungen,  daß  dieses  Paar 
sich  fortpflanzen  würde,  erfüllten  sich  nicht,  und  so  wurde  schließ- 
lich das  weibliche  Tier  am  10.  April  1896  an  den  hiesigen 
Zoologischen  Garten  verkauft.   Es  gedieh  ausgezeichnet,  bis  im 


Fig.  3.     Anfertigung  des  Tonmodells. 

Winter  1907/08  schwere  Krankheitszeichen  (Blutung  aus  den 
Genitalorganen)  auftraten.  Da  es  trotz  sorgsamer  Pflege  all- 
mählich immer  mehr  abnahm,  wurden  alle  Vorbereitungen  ge- 
troffen, das  Tier  zu  töten,  sobald  an  seinem  bevorstehenden  Ab- 
leben nicht  mehr  zu  zweifeln  sein  würde;  denn  seine  wertvolle 
Decke  sollte  der  Wissenschaft  erhalten  bleiben. 

Am  24.  August  1909  war  dieser  Zeitpunkt  gekommen.  Das 
Nashorn  war  vormittags  in  seinem  Auslaufkäfig  zusammen- 
gebrochen und  schien  sich  nicht  mehr  erheben  zu  können.  Es 
wurde  deshalb  nachmittags  zwei  Uhr  durch  Einspritzen  von  2  g 


—     165     — 

Skopolamin  in  wenigen  Minuten  getötet.  Da  unser  Museum  sich 
entschlossen  hatte,  den  Kadaver  zu  erwerben,  wurde  sofort  mit 
der  Präparation  begonnen.  So  war  es  möglich,  mit  allem  Raf- 
finement vorzugehen,  dessen  sich  die  moderne  Präparationskunst 
bedient,  um  als  Endresultat  ein  Objekt  zu  erhalten,  das  nicht  nur 
im  allgemeinen  die  Gestalt  eines  Nashorns  wiedergibt,  sondern 
auch  in  allen  Einzelheiten  dem  Individuum  entspricht.  Wie  hierbei 


Fig.  4.     Tonmodell,  halb  im  Gipsmantel. 


vorgegangen  wurde,  sei  in  Wort  und  Bild  geschildert,  um  zu  zeigen, 
wie  solche  Schaustücke  entstehen,  die  durch  ihren  wissenschaft- 
lichen und  künstlerischen  Wert  in  gleicher  Weise  bedeutend  sind. 
Gleich  nach  der  Tötung  wurde  das  Tier  auf  die  Seite  ge- 
legt und  mit  dem  Abformen  in  Gips  begonnen.  Es  war  ein 
schweres  Stück  Arbeit.  Der  Abguß  einer  Seite  des  Tieres  ge- 
nügte ;  er  konnte  aber  wegen  der  Größe  des  Objekts  nur  stück- 
weise vorgenommen  werden,  wobei  auf  das  Abformen  der  gewal- 
tigen Hautfalten  besondere  Sorgfalt  verwandt  werden  mußte, 
weil  gerade  ihre  exakte  Wiedergabe  für  die  spätere  Präparation 


—     166     — 

von  größter  Wichtigkeit  war.  Endlich  war  das  Werk  vollbracht : 
numeriert  lagen  die  einzelnen  Stücke  der  Form  wohlgelungen 
nebeneinander. 

Nun  wurden  die  Maße  vervollständigt,  mit  deren  Notierung 
schon  während  des  Abgießens  begonnen  worden  war.  Es  ergab 
sich  unter  anderem,  daß  das  Tier  eine  Gesamtlänge  von  3,25  ra 
und  eine  Höhe  von  1,68  m  erreicht  hatte. 


Fig.  5.     Tonmodell,  ganz  im  öipsmantel. 

Hierauf  begann  der  zweite  und  schwierigste  Teil  der  Prä- 
paration,  das  Abbalgen.  Mit  vereinten  Kräften  ging  es  flott 
ans  Werk;  galt  es  doch,  schnell  zu  arbeiten,  denn  es  war  keine 
Zeit  zu  verlieren,  wenn  das  Fell  noch  vor  der  Nacht  geborgen 
sein  sollte,  und  dies  war  nötig,  da  bei  der  warmen  Witterung 
die  Decke  unter  dem  gewaltigen  Druck  des  Kadavers  sicher 
gelitten  haben  würde.  Alles  ging  gut;  nur  das  Abhäuten  des 
Kopfes  bot  an  der  Ansatzstelle  des  Hornes  ungeahnte  Schwie- 
rigkeiten. Kurz  entschlossen  löste  man  den  Kopf  im  Zusammen- 
hang mit  dem  Fell  vom  Rumpfe  los,  und  noch  am  Abend  konnten 


—     167     — 

Fell  und  Kopf  nach  dem  Museum  geschafft  werden.  Dort  wurde 
zunächst  das  Fell  in  ein  AA  asserbad  gelegt,  um  es  von  Schmutz 
und  Staub  zu  befreien,  und  schon  bei  sinkendem  Licht  wurden 
noch  Abgüsse  der  Muskulatur  der  Vorder-  und  Hinterbeine,  der 
Schulter  und  Hüfte  genommen. 

Am   frühen  Morgen   des  nächsten  Tages  kamen  die  Ana- 
tomen zu  ihrem  Recht ;  es  begann  die  Zergliederung  des  Tieres. 


Fig.  6.     Zusammensetzen  der  einzelnen  Fornistücke. 


Durch  Stricke  wurde  es  in  Rückenlage  fixiert,  so  daß  die  Ob- 
duktion ohne  allzu  große  Schwierigkeiten  vorgenommen  werden 
konnte.  Es  fand  sich  eine  gewaltige  Geschwulst  der  Gebär- 
mutter, deren  genaue  Untersuchung  in  der  Senckenbergischen 
Anatomie  für  das  krankhaft  vergrößerte  Organ  ein  Gewicht  von 
1  Zentner  ergab.  Es  lag  ein  Fibromyom  des  Uterus  und  ein 
Krebs  der  Uterusschleimhaut  vor.  Erwähnt  sei  aber,  daß  der 
Tod  des  Tieres  in  erster  Linie  wohl  durch  Altersschwäche  bedingt 
gewesen  ist ;  denn  auch  das  eingangs  erwähnte  männliche  Nas- 
horn in  Berlin,  das  gleichzeitig  mit  unserem  Tier  nach  Europa 


—     168    — 

gekommen  war,  ist  vierzehn  Tage  später  verstorben.  Die  Lebens- 
dauer des  Nashorns  in  der  Gefangenschaft  scheint  demnach  nur 
etwa  vierzig  Jahre  zu  betragen. 

Nach  Bergung  alles  dessen,  was  für  die  wissenschaftliche 
Bearbeitung  von  Wert  war,  wurde  mit  dem  Abfleischen  der 
Knochen  begonnen.  Schon  am  Abend  konnte  das  ganze  Skelett, 
in  einzelne  Teile  zerlegt,  nach  dem  Museum  verbracht  werden, 
wo  es  alsbald  in  die  Mazerationsbehälter  wanderte. 

Inzwischen  hatte  aber  auch  im  Museum  die  Bearbeitung 
des  Felles  begonnen.  An  Ketten  und  Flaschenzügen  mußte  das 
15  Zentner  schwere  Fell  bewegt  werden,  und  es  galt  nun,  es 
so  herzurichten,  daß  es  sich  einer  Form  anschmiegen  konnte, 
die  das  Modell  des  Tieres  darstellen  würde,  d.  h.  es  mußte  von 
dem  Unterhautzellgewebe  herausgeschnitten  werden,  was  nur 
irgend  herausgeschnitten  werden  konnte.  Nur  wenn  das  Fell 
dünn  genug  war,  konnten  Alaun  und  Salz  durchdringen  und 
das  Fell  für  alle  Zeiten  vor  dem  Verderben  schützen.  Nur  dann 
konnte  es  später  möglich  sein,  die  Haut  über  das  anzufertigende 
Modell  des  Tieres  zu  ziehen.  Drei  Wochen  lang  wurde  Tag 
für  Tag  diese  schwierige  und  anstrengende  Arbeit  vorgenommen. 
Neun  Zentner  sind  auf  diese  Weise  heruntergeschnitten  und 
geschabt  worden.  Nun  konnte  das  Fell  dem  Gerbungsprozeß 
überlassen  und  zur  Herstellung  des  Modells  geschritten  werden. 

Während  man  früher  bekanntlich  die  Tiere  „stopfte"  und 
sich  mit  den  wenig  naturgetreuen  Präparaten  begnügte,  die  auf 
solche  AVeise  hergestellt  waren,  beansprucht  man  heutzutage, 
daß  auch  das  tote  und  präparierte  Tier  uns  ein  naturwahres 
Abbild  des  Lebens  gibt.  Dies  läßt  sich  nur  dadurch  erreichen, 
daß  zunächst  ein  genaues  Modell  des  Tieres  in  natürlicher  Größe 
hergestellt  und  daß  alsdann  über  dieses  Modell  das  präparierte 
Fell  gespannt  wird.  Sobald  es  sich  der  Form  anschmiegt,  muß 
ein  Stück  entstehen,  das  in  allen  Einzelheiten  den  anatomischen 
Eigentümlichkeiten  des  lebenden  Tieres  entspricht. 

Da  mußte  nun  zunächst  das  Gipsnegativ  —  ein  solches 
war  ja  der  im  Zoologischen  Garten  gewonnene  Abguß  —  zu- 
sammengesetzt werden,  um  durch  Ausguß  desselben  als  Modell 
für  alle  weiteren  Arbeiten  ein  Positiv  zu  erhalten,  wie  es  uns 
Fig.  1  zeigt.  In  wunderbarer  Schärfe  treten  hier  alle  Felde- 
rungen  und  Zeichnungen  der  Haut  des  lebenden  Tieres  hervor, 


be 


—     170     — 

so  daß  danach  eine  bis  ins  kleinste  gehende  Kontrolle  bei  der 
weiteren  Arbeit  möglich  war. 

Die  Unterlage  für  ein  anatomisch  richtiges  Modell  mußte 
das  Skelett  abgeben.  Inzwischen  war  nun  auch  die  Mazeration 
und  Präparation  der  Knochen  soweit  vorgeschritten,  daß  die 
Skeletteile  getrocknet  und  provisorisch,  wie  es  Fig.  2  zeigt, 
zusammengesetzt  werden  konnten.  Auf  Fig.  3  sehen  wir,  wie 
auch  der  Leib  des  Tieres  nach  innen  durch  Holz  faßdauben- 
ähnlich abgedeckt  worden  ist,  und  wie  nun  unter  beständiger 
Anlehnung  an  den  Gipsabguß  begonnen  wurde,  über  dieses 
Skelett  das  Tier  vollständig  in  Ton  zu  modellieren. 

Doch  dies  durfte  nicht  die  bleibende  Form  sein,  über  die 
später  das  Fell  kommen  sollte;  denn  sie  enthielt  in  ihrem 
Innern  noch  das  wertvolle  Skelett,  dessen  besondere  Aufstellung 
für  später  in  Aussicht  genommen  ist,  und  Ton  ist  auch  kein 
geeignetes  Material  zur  Herstellung  einer  leichten  und  dauer- 
haften Form.  So  mußte  also  von  diesem  Modell  zunächst  ein 
neuer  Abguß  genommen  werden. 

Auf  Fig.  4  sehen  wir  das  halbe  Tonmodell  im  Gipsmantel, 
und  Fig.  5  zeigt  uns  eine  Seite  desselben  ganz  und  gar  in  Gips 
gehüllt.  Natürlich  mußte  der  Abguß  aus  einzelnen  Formstücken 
zusammengesetzt  werden.  21  solcher  Teilstücke  waren  hierzu 
nötig.  Nach  ihrer  Abnahme  wurde  das  Toumodell  auseinander- 
gebrochen, um  das  Skelett  wieder  zu  gewinnen,  dessen  feinere 
Präparation  noch  nicht  beendet  war.  Jetzt  galt  es,  die  einzelnen 
Stücke  der  Gipsform  Seite  für  Seite  aneinanderzusetzen  und 
durch  Ausguß  der  ganzen  Form  das  endgültige  Positiv,  eins 
von  der  rechten  und  eins  von  der  linken  Seite,  zu  gewinnen. 

Fig.  6  zeigt  uns,  wie  man  angefangen  hat,  auf  einer  Lage 
von  nassem  Sand  die  Formstücke  zusammenzusetzen,  die  dann 
noch  gut  verbunden  werden  mußten,  bevor  sie  definitiv  aus- 
gegossen werden  konnten.  Durch  ein  besonderes  Verfahren  ist 
es  gelungen,  die  endgültige  Form  nur  3  cm  dick  zu  gestalten, 
so  daß  die  miteinander  verbundenen  Hälften,  d.  h.  das  voll- 
ständige Modell,  so  leicht  wurden,  daß  sie  ein  starker  Mann 
wenigstens  anheben  konnte. 

Spannende  Augenblicke  waren  es,  als  nun  die  geschmeidige 
Haut  wie  ein  Handschuh  über  die  gewaltige  Form  gestülpt  wurde. 
Würde  alles  genau  passen?  Ein  einfaches  schematisches  Arbeiten, 


—     171     — 

das  sich  sklavisch  nach  dem  Abguß  hätte  richten  können,  war 
nicht  möglich  gewesen;  denn  da  das  Tier  lange  krank  und  sehr 
abgemagert  war,  hing  ihm  die  Haut  in  seinen  letzten  Lebens- 
tagen in  großen  Lappen  um  den  abgefallenen  Körper.  Dies 
mußte  bei  der  Herstellung  des  Tonmodells  berücksichtigt  werden, 
und  gar  manche  abgemagerte  Stelle  war  nach  photographischen 
Aufnahmen  des  lebenden  Tieres  aus  früheren  Jahren  auszu- 
gleichen, um  die  Spuren  des  langen  Siechtums  zu  verwischen. 

Aber  alles  war  gut  geraten;  das  Werk  war  gelungen. 
Als  die  Haut  auf  das  mit  Leim  bestrichene  Modell  übergezogen, 
vernäht  und  mit  vielen  tausend  kleinen  Nägeln  befestigt  war, 
stand  das  Tier  in  voller  Lebenswahrheit  vor  uns  (Fig.  7). 

Sieben  Monate  harter  Arbeit  hat  es  erfordert,  um  unsei' 
Nashorn  wieder  aufleben  zu  lassen.  Mit  Stolz  sehen  wir  es 
jetzt  neben  dem  Elefanten  und  dem  Flußpferd  als  eins  der 
gewaltigsten   und   schönsten   Schaustücke   in   unserem  Lichthof 

E.  Marx  und  A.  Koch. 


Der  afrikanische  Elefant. 

Mit  9  Abbildungen. 

Früher,  als  wir  gehofft,  ist  unser  Wunsch,  die  Gruppe  der 
Dickhäuter  durch  hervorragende  Exemplare  in  unserem  Museum 
vertreten  zu  sehen,  in  Erfüllung  gegangen.  Über  das  Fluß- 
pferd wurde  im  letzten  Heft  berichtet,  das  Rhinozeros  ist  vor- 
stehend erwähnt;  hier  soll  das  größte  und  bedeutendste  neue 
Schaustück,  der  afrikanische  Elefant  gewürdigt  werden. 

Wiederum  ist  es  der  eifrige  Förderer  unserer  Sammlungen, 
Rudolf  von  Goldschmidt-Rothschild,  dem  wir  diesen 
gewaltigen  Vertreter  der  afrikanischen  Tierwelt  verdanken.  Im 
belgischen  Kongogebiet  ist  der  Riese  erlegt  worden ;  Rowland 
Ward  in  London,  der  Schöpfer  so  mancher  hervorragender 
Schaustücke  der  Dermoplastik,  hat  ihn  präpariert.  Mag  es 
schon  erhebliche  Schwierigkeiten  verursacht  haben,  die  Haut 
eines  solchen  Riesen  aus  dem  Innern  Afrikas  nach  Europa  zu 
transportieren,  so  stellten  sich  der  Überführung  des  fertigen 
Schaustücks  von  London  nach  Frankfurt  noch  weit  größere 
Hindernisse  in  den  Weg.  Ein  Transport  auf  der  Eisenbahn  war 


172     — 


aiisgescblossen,  und  so  mußte  der  Elefant,  in  einer  4  m  hohen 
und  über  7  m  langen  Kiste  sorgfältig  verpackt,  nachdem  er 
auf  einem  Frachtschiff  nach  Rotterdam  überführt  worden  war, 
auf  einem  der  großen  Mainkähne  der  Firma  Altschüler  &  Co. 
verladen  werden.  Doch  für  solch  umfangreiche  Güter  waren 
die  Luken  nicht  vorgesehen,  und  deshalb  konnte  die  weit  dar- 
über hinausragende  Kiste  nur  durch  wasserdichte  Tücher  gegen 


Fig.  1.     Im  Hafen. 
Aufnahme  von  Carl  Neithold  in  Frankfurt  a.  M. 

die  Unbilden  der  Witterung  geschützt  werden.  Nach  zwölf- 
tägiger Fahrt  kam  sie  glücklich  in  Frankfurt  an.  Um  die  nahe- 
zu 90  Zentner  schwere  Last  an  Land  zu  bringen,  bedurfte  es 
des  riesigen  Portalkrahnens  im  Hafen,  und  eine  große  Zu- 
schauermenge umstand  die  Verladestelle,  um  den  Koloß  in  den 
Lüften  schweben  zu  sehen.  Doch  war  es  eigentlich  eine  Ent- 
täuschung, konstatieren  zu  müssen,  daß  sich  der  ganze  Vorgang 
mit  solch  selbstverständlicher  Ruhe  und  Sicherheit  abspielte, 
als  ob  es  nur  gegolten  hätte,  wenige  Kilo  aus  dem  Schiff  zu 
heben.  Auch  die  zwei  kräftigen  Pferde  schienen  die  Last  nicht 


—     173     — 

ungewöhnlich  zu  finden,  denn  in  ungestümer  Hast  nahmen  sie 
die  erste  scharfe  Ecke,  und  schon  kam  die  Kiste  in  unliebsame 
Berührung  mit  einem  Güterschuppen.  Aber  es  lief  günstig  ab; 
nur  eine  geknickte  Dachrinne  warnte  vor  weiterer  Übereilung. 
Sodann  schien  alles  gut  zu  gehen,  bis  ein  eiserner  Steg  den 
bedenklich  schwankenden  Wagen  mit  seiner  hohen  Last  umzu- 
werfen drohte.  Obwohl  die  Kiste  streifte,  passierte  sie  glücklich. 


Fig.  2.     Beim  Auskrahnen. 

Aufnahme  von  Carl  Xeithold  in  Frankfurt  a.  M. 


Das  Schwanken  der  unsanft  in  Bewegung  gesetzten  Telephon- 
drähte am  Bahnübergang  brachte  uns  nicht  mehr  aus  unserer 
Ruhe,  und  so  langte  das  wertvolle  Gut  nach  ungefähr  drei- 
viertelstündiger Fahrt  unbeschädigt  vor  dem  Museum  an.  Ein 
halbes  Dutzend  Zimmerleute  mit  Balken  und  Winden  stand 
schon  bereit.  Doch  nahm  es  12  Stunden  in  Anspruch,  bis  der 
Elefant  aus  seinem  überaus  widerstandsfähigen  Gefängnis  be- 
freit und  an  seineu  Aufstellungsort  verbracht  war.  Unser  Bau- 
meister hatte  beim  Abmessen  des  Portals  entschieden  eine 
glückliche   Hand,   denn  auch  hier  konnte   der  Elefant  gerade 


~     174     — 

hindurch  transportiert  werden,  ohne  anzustreifen.  Noch  war  er 
sorgfältig  in  Strohmatten  verpackt,  nur  die  mächtigen  Stoß- 
zähne ragten  frei  hervor.  Aber  bald  fielen  auch  diese  Hüllen, 
und  vor  uns  stand  er  in  seiner  imponierenden  Größe,  ein  Bild 
der  Stärke,  ein  unangreifbarer  Herrscher  der  Tierwelt. 

Die  Zoologie   bezeichnet  den  afrikanischen  Elefanten   als 
Elephas  afncanus   Blumenbach.     Doch   die    große   Ausdehnung 


Fig.  3.     Eine  bedenkliche  Belastungsprobe. 
Aufnahme  von  Carl  Neithold  in  Frankfurt  a.  M. 


Afrikas,  die  verschiedenen  khmatischen  Zonen  und  die  ab- 
weichenden Lebensbedingungen  haben  mit  der  Zeit  eine  Reihe 
von  Unterarten  herausgebildet,  die  namentlich  an  der  ver- 
schiedenen Gestalt  der  Ohren  zu  unterscheiden  sind.  Die  größten 
Ohren  besitzt  die  nahezu  ausgerottete  Abart  im  Kaplande, 
E.  a.  capeiisis.  Mehr  von  ovaler  Gestalt,  aber  auch  noch  von 
bedeutender  Größe  sind  die  Ohren  des  westafrikanischen  Ver- 
treters, E.  a.  cyclotis.  Der  Sudanelefant,  E.  a.  oxyotis,  zu  dem 
wohl  auch  unser  Exemplar  zu  zählen  ist,  fällt  durch  die  be- 
deutend  kleineren   Ohren   auf,   die   halbkreisförmig  abgerundet 


—     175     — 

sind,  nach  vorn  und  unten  jedoch  eine  deutlich  ausgeprägte 
Spitze  aufweisen.  Die  ostafrikanische  Unterart,  E.  a.  knocken- 
haueri,  besitzt  noch  kleinere  Ohren  von  deutlich  dreieckiger 
Form.  Im  Kongogebiet  findet  man  eine  Zwergforra,  E.  a.  putnilo, 
die  kaum  über  2  m  HiJhe  erreicht. 

Früher  über  ganz  Afrika  verbreitet  ist  der  Elefant  jetzt 
nur  noch  südlich  vom  Tsadsee  anzutreffen.     In  Südafrika  soll 


Fig.  4.     Ein  kritischer  Augenblick. 
Aufnahme  von  Carl  Neithold  in  Frankfurt  a.  M. 


er  noch  in  wenigen  Exemplaren  vorhanden  sein ;  namentlich  ist 
er  auch  aus  allen  Küstengegenden  mit  Ausnahme  von  Kamerun 
vollständig  verschwunden. 

Der  Elefant  ist  der  einzige  noch  lebende  Vertreter  der 
Rüsseltiere  (Proboscidea) ,  wenn  wir  nicht  das  Mammut,  Elephas 
jjritnigenius,  auch  noch  zu  den  rezenten  Formen  rechnen  wollen. 
Mastodon  und  Dinotherkim  waren  ihre  Vorläufer.  Nach  den 
paläontologischen  Funden  zu  schließen,  müssen  namentlich  die 
drei  letztgenannten  Vertreter  der  Familie  früher  eine  weite 
Verbreitung   gehabt   und    vor   allem   auch   in   der  Frankfurter 


—     176     — 

Gegend  —  im  Mainzer  Becken  —  in  großer  Menge  gelebt 
haben,  wie  dies  schon  die  reichen  Funde,  die  sich  in  unserem 
Museum  befinden,  zur  Genüge  beweisen. 

Betrachten  wir  unser  Schaustück  etwas  eingehender,  so 
fällt  uns  vor  allem  die  ungeheuere  Größe  dieses  Exemplars  in 
die  Augen.  Bei  einer  Schulterhöhe  von  3,28  m,  einer  Länge 
von  der  Rüsselspitze  bis  zum  Schwanzende  gemessen  von  7  m 


Fig.  5.     Beim  Öffnen  der  Kiste. 

Aufnahme  von  Carl  Neitliold  in  Frankiuvt  a.  M. 


und  einem  Leibesumfang  von  5,40  m  stellt  es  wohl  das  größte 
auf  dem  Kontinent  befindliche  Exemplar  dar.  Das  Gewicht  des 
lebenden  Tieres  mag  über  100  Zentner  betragen  haben.  Ein 
Vergleich  mit  der  darunter  aufgestellten  Spitzmaus  läßt  uns 
erst  so  recht  die  enorme  Größendifferenz  zwischen  diesen  ex- 
tremen Vertretern  der  Säugetiere  erkennen.  Die  rissige  ge- 
felderte  Haut  ist  nur  an  wenigen  Stellen  in  mächtige  Falten 
gelegt.  Von  dem  rotwollenen  Pelz,  den  das  Mammut  getragen, 
oder  von  dem  feineren,  aber  dichten  Haarkleid  des  neugeborenen 
Elefanten  ist  hier  nichts  wahrzunehmen.  Aber  immerhin  finden 


—     177     — 

sich  noch  viele  Haare  über  die  ganze  Oberfläche  zerstreut,  die 
nur  am  Ende  des  Schwanzes  als  dicke  Borsten  eine  ziemlich 
lange  Quaste  bilden.  Der  Rüssel,  also  die  verlängerte  Nase 
des  Tieres,  erreicht  die  stattliche  Länge  von  2,80  m.  Seine 
ungemein  vielseitige  Verwendung  ist  durch  ein  reiches  und 
kompliziertes  Muskelsystem  ermöglicht.  Auf  der  Vorderseite  ist 
die   Haut    des   Rüssels  in   zahlreiche   Falten   gelegt,    die   eine 


Fig.  6.     Vor  dem  Portal  des  Museums. 

Aufnahme  von  Carl  Neithold  in  Frankfurt  a.  M. 

für  diese  Art  charakteristische  Ringelung  hervorrufen.  Er 
endigt  in  zwei  beweglichen  Fortsätzen,  die  ein  äußerst  ge- 
schicktes Greiforgan  darstellen.  Der  verhältnismäßig  kleine  Kopf 
zeigt  eine  auffallend  abgerundete  Stirn.  An  die  kleine  Ohröffnung 
schließen  sich  die  Ohrmuscheln  an,  deren  größter  Durchmesser 
1,20  m,  deren  kleinster  0,90  m  beträgt.  Sobald  das  Tier  in 
Aufregung  versetzt  wird,  stellt  es  die  Ohren  auf,  so  daß  sie 
senkrecht  vom  Körper  abstehen  und  sich  in  der  Nackengegend 
nahezu  berühren.  Der  Hals  ist  kurz  und  gedrungen,  die 
Schultergegend  auffallend    hoch,    der  Rücken    steil    abfallend. 

12 


•  —     178     — 

Der  gewaltige  Rumpf  wird  von  vier  mächtigen  säulenförmigen 
Beinen  getragen,  von  denen  uns  am  lebenden  Tier  namentlich 
die  hinteren  Extremitäten  bei  der  Bewegung  auffallen,  da  hier 
im  Gegensatz  zu  den  meisten  anderen  Tieren  das  Knie  frei  aus 
der  Muskelmasse  hervortritt.  Während  wir  am  Skelett  vorn 
und  hinten  fünf  wohlgegliederte  Zehen  antreffen,  ist  am  lebenden 
Tier  hiervon  nichts  wahrzunehmen,  denn  die  Haut  überzieht  die 


Fig.  7.     In  dem  Portal  des  Museums. 
Aufnalime  von  Carl  Neithold  in  Frankfurt  a.  M. 


Zehen  vollständig  gleichmäßig;  nur  die  am  Vorderfuß  in  der 
Vierzahl,  am  Hinterfuß  in  der  Dreizahl  vorhandenen  platten, 
nagelartig  nur  die  äußerste  Zehenspitze  umschließenden  Hufe 
weisen  auf  eine  innere  Gliederung  hin.  In  der  Nähe  der 
Vorderbeine  befinden  sich  zwei  Brustwarzen. 

Am  meisten  imponieren  uns  die  langen  Stoßzähne,  die 
1,90  m  aus  dem  Oberkiefer  hervorragen,  von  denen  jedoch  noch 
ein  bedeutendes  Stück  als  hohle  Wurzel  in  den  sogenannten 
Zahnbüchsen  eingeschlossen  ist.  Die  hohle  Wurzel  nimmt  z.  B. 
beim   indischen   Elefanten  ^'5— V4,  beim   abessinischen   V* — ^3, 


—     179     — 

bei  der  Zambesiform  sogar  Vs — V2  der  Gesamtlänge  des  Stoß- 
zahns ein;  beim  Mammut  dagegen  betrug  sie  nur  Vs— Vs.  Der 
größte  bis  jetzt  exportierte  Zahn  wies  eine  Länge  von  3,27  m 
bei  einem  Gewicht  von  94  kg  auf.  Das  Gewicht  der  Stoßzähne 
unseres  Exemplares  beträgt  73  kg.  Schmelz  und  Zement  fehlen, 
und  so  stellen  sie  in  ihrer  gleichmäßigen,  nicht  zu  großen  Härte 
das  geschätzte  Elfenbein  dar.     Stetig  fortwachsend  können  sie 


Fig.  8.     Ankunft  im  Lichthof. 

Aufnahme  von  Carl  Xeithold  in  Frankfurt  a.  M. 


bei  einer  längeren  Lebensdauer  ihres  Trägers  eine  Länge  von 
über  3  m  erreichen.  Bei  dem  asiatischen  Elefanten  sind  sie 
lange  nicht  in  derselben  Stärke  ausgebildet  wie  bei  dem 
afrikanischen  Vertreter  der  Gattung;  das  Weibchen  weist  ge- 
wöhnlich überhaupt  keine  Stoßzähne  auf,  und  es  gibt  auch 
viele  Männchen,  bei  denen  sie  zeitlebens  nicht  mehr  zur  Aus- 
bildung kommen. 

Die  Stoßzähne  des  Elefanten  haben  sich  aus  Schneidezähnen 
entwickelt  und  zwar  bei  unseren  rezenten  Arten  aus  den 
Schneidezähnen  des  Oberkiefers,  während  der  Unterkiefer  keine 

12* 


—    180    — 

Schneidezähne  aufweist.  Auch  unter  den  Vorfahren  der  heutigen 
Elefanten  finden  sich  Arten,  bei  denen  nur  im  Oberkiefer  Stoß- 
zähne zur  Entwickelung  gekommen  sind,  z,  B.  beim  Mammut. 
Ein  großer  Teil  der  Mastodonarten  trug  dagegen  sowohl  im 
Oberkiefer  als  auch  im  Unterkiefer  Stoßzähne,  während  bei 
Dinotherium  nur  im  Unterkiefer  zwei  gewaltige,  nach  unten  und 
innen  gebogene  Stoßzähne  vorhanden  waren. 

Abnorm  ist  auch  das  übrige  Gebiß ;  Eckzähne  fehlen,  und 
gewöhnlich  linden  v/ir  in  jeder  Kieferhälfte  nur  einen  Backen- 
zahn, manchmal  vor  demselben  noch  das  Rudiment  eines  abge- 
nützten zweiten,  der  jedoch  schließlich  von  dem  nachgewachsenen 
Zahn  aus  dem  Kiefer  hinausgedrängt  wird.  Demnach  liegt  hier 
ein  kontinuierlicher  Zahnwechsel  vor:  sobald  ein  Backenzahn 
abgenützt  ist,  wird  er  durch  einen  neuen  ersetzt.  So  konnten 
bis  zu  sechs  einander  folgende  Backenzähne  konstatiert  werden. 
Die  Oberfläche  eines  solchen  Zahns  weist  rautenförmige  Leisten, 
die  sogenannten  Schmelzfalten,  auf,  die  zwischen  und  neben 
sich  weichere,  tiefer  liegende  Partien  einschließen.  Bei  dem 
asiatischen  Elefanten  stehen  diese  Schmelzleisten  viel  dichter 
als  bei  der  afrikanischen  Art,  so  daß  die  einzelnen  Leisten 
nahezu  parallel  zu  einander  verlaufen.  Ihr  Aussehen  nähert 
sich  hierdurch  der  Zahnbildung  des  Mammut.  Beim  jungen 
Zahn  sind  die  einzelnen  Platten,  von  der  harten  Schmelzschicht 
vollständig  überzogen,  nebeneinander  gelagert;  durch  die  fort- 
schreitende Abnutzung  verschwindet  allmählich  die  obere  Kante, 
und  an  ihrer  Stelle  treten  zwei  gesonderte  Schmelzlinien  auf, 
die,  je  weiter  die  Abnutzung  vor  sich  geht,  um  so  weiter  aus- 
einander rücken.  Aus  der  Zahl  der  Schmelzplatten  kann  man  am 
besten  das  Alter  der  Backenzähne  feststellen :  beim  ersten  Zahn 
treten  drei,  beim  zweiten  sechs,  beim  dritten  und  vierten  sieben, 
beim  fünften  acht  und  beim  sechsten  zehn  solcher  Platten  auf. 

Außer  der  erwähnten  Verschiedenheit  in  der  Gestaltung 
der  Backenzähne  unterscheiden  sich  die  beiden  rezenten  Elefanten- 
arten durch  die  Mächtigkeit  der  Stoßzähne,  die  Form  des 
Kopfes,  die  Größe  der  Ohren  und  die  Gestalt  des  Rüssels,  sowie 
durch  das  Profil  des  Rückens  und  durch  die  Zahl  der  Hufe. 
Die  Stoßzähne  des  asiatischen  Elefanten  bleiben  an  Länge  weit 
hinter  denjenigen  des  afrikanischen  zurück.  Die  Seitenpartien 
seines  Kopfes   treten    infolge    mächtiger   Knochenauftreibungen 


rt 


^ 


Pi 


pa 

CO 


f^ 


be. 

Si 


—     182     — 

als  gewaltige  Stirnhöcker  hervor,  während  die  Stirn  des 
afrikanischen  Elefanten  gleichmäßig  gewölbt  ist;  auch  sind  seine 
Ohren  bedeutend  kleiner.  Bei  dem  asiatischen  Elefanten  hat 
der  Rüssel  an  der  Oberseite  seiner  Spitze  eine  ziemlich  große 
fingerförmige  Verlängerung;  bei  der  afrikanischen  Art  zeigt  die 
Rüsselspitze  an  der  Ober-  und  Unterseite  derartige,  gleich 
große,  aber  kleinere  Fortsätze.  Bei  dem  asiatischen  Elefanten 
ist  der  ganze  Rücken  annähernd  gleich  hoch;  bei  dem  afrikanischen 
stellt  die  Schulterhöhe  weitaus  die  höchste  Partie  dar.  Schließlich 
finden  wir  bei  der  ersten  Art  am  Vorderfuß  fünf,  am  Hinterfuß 
vier  Hufe,  bei  der  afrikanischen  Form  dagegen  nur  vier  und 
drei  Hufe. 

Bei  dem  großen  Nahrungsbedürfnis  des  Elefanten  ist  es 
selbstverständlich,  daß  er  ein  ungebetener  Gast  in  der  Nähe 
der  Ansiedlungen  ist,  in  denen  er  gewaltige  Verwüstungen  an- 
richten kann.  Doch  in  den  Urwäldern  Afrikas  findet  er  an 
Früchten,  Baumzweigen  und  Blättern  nie  versagende  Vorräte, 
und  selbst  in  den  Steppen,  wo  er  nur  auf  Baumrinde  oder 
Knollen  und  Wurzeln  angewiesen  ist,  die  er  mit  seinen  mäch- 
tigen Stoßzähnen  aus  der  Erde  herauspflügt,  findet  er  noch 
vortrefflich  sein  Fortkommen.  Er  ist  aber  durchaus  nicht  auf 
die  heißeste  Region  angewiesen,  obwohl  ihm  brennende  Hitze 
mehr  zuzusagen  scheint  als  z.  B.  dem  sumatranischen  Vertreter, 
der  sich  tagsüber  in  den  dichten,  schattigen  Busch  zurückzieht. 
In  Afrika  geht  er  zu  gewissen  Zeiten,  z.  B.  in  den  Bergländern 
des  Kilimandjaro,  bis  zu  einer  Höhe  von  2700  und  3000  m 
hinauf.  Auch  in  Abessinien  kann  man  ihn  noch  in  2400  m 
Meereshöhe  antreffen.  Er  unterniaimt  oft  weite  Wanderungen, 
bewegt  sich,  sobald  Gefahr  droht,  in  seinem  Paßschritt  sehr  rasch 
vorwärts  und  ist  sogar  im  Erklettern  felsiger  ^Abhänge  äußerst 
geschickt. 

Der  afrikanische  Elefant  ist  wohl  ebenso  klug  wie  sein 
asiatischer  Verwandter,  aber  keineswegs  so  gutmütig  wie  dieser. 
Es  sprechen  viele  Gründe  dafür,  daß  schon  Hannibal  seinen 
Sieg  über  die  Römer  mit  afrikanischen  Elefanten  errangen  hat. 
Sicherlich  verwandten  ihn  die  Römer  bei  ihren  Tierkämpfen. 
Dann  ist  es  fast  zwei  Jahrtausende  lang  überhaupt  nicht  mehr 
gelungen,  ihn  lebend  nach  Europa  zu  bringen.  Heutzutage  ist 
er  jedoch  in  vielen  zoologischen  Gärten  vertreten. 


—     183    — 

Er  lebt  gewöhnlich  gesellig  in  Herden  von  zwanzig  bis 
zu  mehreren  Hundert  Stück,  die  Weibchen  immer  an  Zahl  über- 
wiegend. Nur  alte  Männchen  scheinen  sich  manchmal  als  förm- 
liche Einsiedler  abzusondern.  Von  Menschen  und  Tieren  ge- 
fürchtet, konnte  er  sich  so  in  der  günstigsten  Weise  vermehren, 
denn  obwohl  das  Weibchen  nach  einer  Tragzeit  von  2OV2  Monaten 
nur  ein  Junges  zur  Welt  bringt,  gleicht  sich  dieser  geringe 
Zuwachs  durch  eine  mehr  als  100jährige  Lebensdauer  wieder  aus. 

Begnügten  sich  früher  die  Eingeborenen  damit,  unseren 
Riesen  in  großen  Fallgruben  zu  fangen  oder  durch  vergiftete 
Fallspeere  zu  tüten,  so  gingen  sie,  als  auch  für  sie  das  Elfen- 
bein zu  einem  lohnenden  Handelsartikel  wurde,  zur  Massentütung 
über.  Indem  große  Steppengegenden  an  verschiedenen  Stellen 
in  Brand  gesetzt  wurden,  fanden  die  eingeschlossenen  Elefanten 
durch  Feuer  und  Rauch  und  durch  die  Speere  der  Eingeborenen, 
die  von  den  geängstigten,  matten  Tieren  keine  Gefahr  mehr 
zu  befürchten  hatten,  zu  Hunderten  ihren  Tod.  Interessanter 
ist  die  Jagd  einiger  Nubierstämme,  bei  der  mehrere  berittene 
Jäger  das  gefährliche  Wild  zu  stellen  suchen,  während  ein 
einzelner  das  Tier  von  hinten  anschleicht,  um  ihm  mit  einem 
Hiebe  seines  breiten  Schwertes  die  Achillessehne  durchzuhauen, 
so  daß  der  Koloß  wie  vom  Blitz  getroffen  zusammenstürzt.  Die 
modernen  Feuerwaffen  der  berufsmäßigen  Elefantenjäger  und 
der  Sportsleute  scheinen  jedoch  sein  Schicksal  vollends  besiegelt 
zu  haben.  Wie  uns  die  Statistik  lehrt,  wird  von  den  1  200000  kg 
Elfenbein,  die  jährlich  zur  Verarbeitung  kommen,  etwa  ein 
Drittel  aus  den  fossilen  Zähnen  des  Mammut  gewonnen,  ganz 
unbedeutende  Mengen  liefert  der  asiatische  Elefant ;  800  000  kg 
werden  dagegen  schon  seit  Jahrzehnten  Jahr  für  Jahr  aus 
Afrika  exportiert,  und  wenn  man  bedenkt,  daß  diese  Menge 
jährlich  etwa  65  000  Elefanten  das  Leben  kostet,  kann  es  uns 
nicht  wundern,  wenn  dieser  interessante  Vertreter  der  Tierwelt 
bald  nur  noch  in  Museen  anzutreffen  sein  wird.  Mit  um  so 
größerer  Freude  begrüßen  wir  es  deshalb,  daß  uns  durch  die 
verständnisvolle  Fürsorge  unseres  Gönners  ein  solch  vorzügliches 
Exemplar  überwiesen  worden  ist.  Denn  nur  zu  bald  wird  die 
Zeit  verstrichen  sein,  in  der  es  überhaupt  noch  möglich  sein 
dürfte,  derartig  riesige  Vertreter  dieser  Art  zu  erlegen. 

E.  Wolf. 


—     184     — 
Der  Rieseualk. 

(Mit  2  Abbildungen.) 

In  den  Museen  beginnt  neben  den  Vertretern  der  gegen- 
wärtig lebenden  Fauna  und  den  versteinerten  Resten  vorzeit- 
licher Geschöpfe  eine  neue  Kategorie  von  Objekten  mehr  und 
mehr  in  die  Erscheinung  zu  treten :  Bälge,  Skelette  und  sonstige 
Präparate  von  Arten,  die  in  historischer  Zeit  erloschen 
sind.  Noch  ist  ihre  Zahl  gering,  aber  sie  wächst  unaufhaltsam; 
denn  die  menschliche  Kultur  führt  einen  vernichtenden  Krieg 
gegen  die  Tierwelt.  Wie  lange  wird  es  noch  dauern,  bis  Elch 
und  Luchs,  Steinbock,  Wisent  und  Bison,  Beutelwolf  und  See- 
otter, Bartgeier,  Kiwi,  Brückenechse  und  viele  andere,  schon 
jetzt  schwer  bedrängte  Arten  endgültig  verschwinden?  Durch 
eifrige  Schonung,  zu  der  man  sich  aufzuraffen  beginnt,  wird  der 
Untergang  verzögert,  aber  nicht  verhindert  werden.  Die  Pflicht 
der  Museen  aber  wird  es  sein,  als  unentbehrliches  Material  für 
künftige  Forschung  von  den  erlöschenden  Formen  zu  bewah- 
ren, was  sich  nur  irgend  bewahren  läßt. 

Diese  Aufgabe  ist  keineswegs  immer  leicht.  Arten  erlöschen, 
ehe  man  die  Gefahr  bemerkt,  und  wird  sie  bemerkt,  so  sind  die 
Tiere  oft  schon  so  selten  geworden,  daß  Präparate  von  ihnen 
kaum  mehr  zu  erhalten  sind.  Hier  heißt  es  also  für  ein  Museum, 
das  auch  in  dieser  Hinsicht  an  erster  Stelle  stehen  will,  gut 
aufpassen,  rasch  zugreifen  und  wegen  der  Kosten  nicht  allzu 
ängstlich  sein.  Je  länger  man  zögert,  um  so  teurer  wird  das 
Objekt,  und  ist  der  Untergang  einer  Spezies  erst  einmal 
perfekt,  sind  alle  vorhandenen  Reste  in  festen  Händen,  dann 
glückt  es  nur  noch  äußerst  selten,  eines  Stückes  habhaft  zu 
werden. 

Am  schlimmsten  steht  es  in  dieser  Hinsicht  natürlich  mit 
denjenigen  Tieren,  deren  Erlöschen  schon  längere  Zeit  zurück- 
liegt. Wie  ging  man  damals  mit  den  kostbaren  Objekten  um! 
Dronte  und  Solitär,  die  flugunfähigen,  plumpen  Riesentauben 
von  Mauritius  und  Rodriguez,  sind  Ende  des  17.  Jahrhunderts 
ausgestorben,  und  außer  Bildern  und  ein  paar  kümmerlichen 
Fragmenten  besitzt  die  Wissenschaft  nichts  von  ihnen.  Der 
letzte  existierende  Drontebalg,  der  sich  im  Oxforder  Museum 
befand,  wurde  1755  verbrannt,  weil  die  Motten  hineingekommen 


—     185     — 

waren ;  heute  würde  jede  Feder  ein  Kleinod  sein.  Und  wie  hat 
man  sich  durch  den  Untergaug  der  Arten  überrumpeln  lassen! 
Das  Quagga  starb  so  unvermutet  aus,  daß  nur  ganz  wenige 
Museen  —  gleichsam  durch  Zufall  —  sich  mit  brauchbaren 
Stücken  versehen  hatten,  obwohl  das  Tier  in  unseren  zoologi- 
schen Gärten  lauge  genug  das  häufigste  Zebra  war  und  die 
Buren  Südafrikas  gewohnheitsmäßig  sein  Fell  zu  Kornsäcken  be- 
nützten. Im  Senckenbergischen  Museum  befindet  sich  ein  Stück; 
aber  wir  haben  gute  Gründe,  es  oben  im  gnädig  verhüllenden 
Dunkel  der  „wissenschaftlichen  Sammlung"  stehen  zu  lassen. 

Um  so  erfreulicher  ist  es,  daß  unser  Museum  von  einer 
anderen,  höchst  interessanten  und  vielbegehrten  Art,  deren 
Untergang  in  die  erste  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  fiel, 
nicht  nur  einen  gestopften  Balg  sondern  auch  ein  tadelloses 
Skelett  besitzt:  vom  Riesen-  oder  Brill enalk,  Plautus  im- 
penitis  L. 

Die  Riesenalke  waren  nordische  Meeresvögel  aus  der  Ver- 
wandtschaft der  Lummen,  speziell  dem  Tordalk  nahestehend, 
aber  viel  größer  als  dieser,  etwa  so  groß  wie  eine  Gans.  Ihr 
Federkleid  war  unten  schneeweiß,  am  Rücken,  Hals  und  Kopf 
dunkel  braunschwarz ;  ein  großer  ovaler  weißer  Fleck  vor  jedem 
Auge  gab  dem  Vogel  ein  Ansehen,  als  wenn  er  eine  Brille  trüge; 
ein  weißer  schmaler  Randstreifen  zierte  die  Flügel.  Wie  beim 
Tordalk  war  der  schwarze  Schnabel  hoch  und  seitlich  stark 
zusammengedrückt  und  trug  eine  Anzahl  schräg  verlaufender 
Furchen.  Die  Schwimmfüße  saßen  weit  hinten  am  Rumpf,  so 
daß  der  Vogel  nach  Art  der  antarktischen  Pinguine  mit  beinahe 
senkrecht  gehaltenem  Leibe  stand  und  nur  mit  kurzen  Schrittcheu, 
aufrecht  wie  ein  Mensch,  einhertrippeln  konnte.  Bei  weitem 
das  Aufialleudsie  waren  die  im  Verhältnis  zu  einem  so  großen 
und  schweren  Vogel  winzigen  Flügel,  deren  Länge  nicht  mehr 
als  17 — 20  cm  betrug.  Daß  sie  zum  Flug  in  der  Luft  gänzlich 
untauglich  waren,  ist  selbstverständlich.  Dagegen  haben  sie 
dem  schwimmenden  Vogel  als  Ruder  vorzügliche  Dienste  geleistet ; 
denn  der  Riesenalk  schwamm  —  auch  hierin  spricht  sich  voll- 
kommene Übereinstimmung  mit  den  Pinguinen  aus  —  mit  Hilfe 
seiner  Flügel,  als  wenn  er  durchs  Wasser  flöge.  Und  wie  voll- 
endet er  dieses,  sein  wahres  Element  zu  beherrschen  wußte, 
ist   uns   von   alten  Seefahrern,    die   ihn   darin   gesehen   haben. 


Unser  Riesenalkskelett. 


Unser  Riesenalk  nach  der  Umstopfung. 


—     188     — 

geschildert  worden.  Die  Beute,  die  das  fischreiche  Meer  den 
Vögeln  lieferte,  verdauten  sie  am  Land  in  beschaulicher  Ruhe, 
scharenweise  auf  den  felsigen  Klippen  stehend.  Dort  legte  auch 
das  Weibchen  sein  einziges,  120  bis  130  mm  langes,  kreisel- 
artig geformtes,  auf  grünlichem  Grunde  braun  geflecktes  Ei  ohne 
besondere  Sorgfalt  auf  den  moosigen  Boden. 

Der  Wohlgeschmack  dieser  großen  Eier  war  einer  der 
Gründe  für  den  Untergang  der  Art.  In  grauer  Vorzeit  be- 
wohnten die  Riesenalke,  wie  aus  einzelnen  Knochenfunden 
geschlossen  werden  kann,  ein  weites  Gebiet,  das  sich  von 
Grönland  und  Neufundland  im  Norden  und  Westen  bis  Norwegen, 
Dänemark  und  England  nach  Osten  und  Süden  erstreckt  hat. 
Aber  die  Menschen  machten  eifrig  Jagd  auf  die  fetten  Vögel 
und  ihre  Eier,  —  findet  man  doch  auf  Irland  öfters  Knochen 
von  Riesenalken  in  „Kitchen  middens",  den  vorhistorischen 
Küchenabfällen  —  so  sank  ihre  Zahl  und  verengte  sich  ihr 
Wohngebiet,  und  gegen  Ende  des  achtzehnten  Jahrhunderts 
lebten  sie  in  einiger  Häufigkeit  nur  noch  auf  ein  paar  Klippen 
bei  Island  und  Neufundland.  Um  1830  herum  galten  sie  bereits 
als  selten,  und  1844  ist  das  letzte  lebende  Stück,  von  dem 
man  weiß,  auf  Island  erschlagen  worden.  Die  damals  ver- 
breitete Ansicht,  daß  man  im  höhereu  Norden  noch  viele  von 
ihnen  antreffen  werde,  fand  keine  Bestätigung.  Die  Art  ist 
erloschen. 

Das  Schicksal  der  schönen  und  auffallenden  Vogelform 
rief  eine  ganze  Literatur  hervor;  wir  kennen  jetzt  dank  der 
rastlosen  Bemühungen  von  Steenstrup,  W.  Blasius,  Bid- 
well  u.  a.  jedes  einzelne  in  den  Sammlungen  befindliche 
Stück  und  von  den  meisten  auch  die  Geschichte.  Es  sind  im 
ganzen  nur  80  Bälge  vorhanden,  20  in  Deutschland  und  einer 
davon  im  Senckenbergischen  Museum.  Freilich  war  unser 
Exemplar  bisher  keine  Augenweide.  Sein  Gefieder  war  zer- 
zaust und  blutig,  an  einigen  Stellen  infolge  ausgeschwitzten 
Fettes  schmutzigbraun  statt  weiß,  und  der  gewaltsam  auf  die 
Brust  herabgebogene  Kopf  gab  ihm  ein  jämmerliches  und  un- 
natürliches Ansehen.  Aber  unter  den  geschickten  Händen  unserer 
Konservatoren  Adam  und  August  Koch  ist  der  Alk,  wie  ein 
Phönix  aus  der  Asche,  neu  erstanden.  Mit  Pfeifeuerde,  Benzin, 
Persil   und  Wasserstoffsuperoxyd   ist   alles   Fett  und   Blut   aus 


—     189     — 

dem  Gefieder  herausgewaschen  worden,  so  daß  seine  Brust 
jetzt  wieder  glänzt  wie  frischgefallener  Schnee.  Die  ganze 
Haut  wurde  vorsichtig  erweicht,  aufgetrennt  und  umgewendet 
und  dann  in  anmutiger  Haltung  neu  präpariert  Jetzt  kann 
unser  Stück  den  schönsten  überhaupt  vorhandenen  beigezählt 
werden. 

Dunkel  ist  die  Herkunft  unseres  Riesenalkes.  In  dem 
von  Hartert  1891  angefertigten  Katalog  unserer  Vogel- 
sammlung steht  die  Notiz  „getauscht  von  Prof.  Fries  in 
Stockholm  im  November  1837".  Da  aber  in  den  alten  Tausch- 
listen und  Protokollen  hierüber  kein  Wort  zu  finden  ist,  dürfte 
der  Angabe  H arter ts  nur  eine  Vermutung  und  unbestimmte 
Äußerung  des  früheren  Präparators  Er  ekel  zugrunde  liegen. 
Dennoch  wird  sie  ungefähr  das  Richtige  treffen.  Im  Jahre 
1831  sind  auf  der  Insel  Eldey  bei  Island  zwei  Dutzend 
Riesenalke  getötet,  in  einer  ganz  besonderen  Weise  —  nämlich 
durch  einen  Längsschnitt  unter  dem  rechten  Flügel  —  abgebalgt 
und  größtenteils  nach  Kopenhagen  verkauft  worden.  Da  unser 
Stück  auf  die  gleiche  Art  präpariert  worden  ist,  stammt  es 
wahrscheinlich  von  Eldey  und  mag  über  Kopenhagen  und  Stock- 
holm nach  Frankfurt  gekommen  sein. 

Begreiflicherweise  stehen  Riesenalkbälge  sehr  hoch  im 
Preis.  Schon  1869  hat  Wilh.  Schlüter  in  Halle  nach  Mit- 
teilung des  jetzigen  Inhabers  der  Firma  Herrn  Schlüter  jr. 
einen  Balg  für  1500  Dollar  an  das  Museum  in  Washington 
verkauft.  Den  jetzigen  Geldwert  aber  schätzt  Herr  Schlüter 
auf  nicht  weniger  als  20000  Mark.  Sicher  ist,  daß  wir  unser 
Stück  auch  für  diese  Summe  nicht  hergeben  würden. 

Noch  spärlicher  als  Bälge  sind  vollständige  Skelette  des 
Riesenalkes  —  es  sind  im  ganzen  nicht  mehr  als  23  —  in  den 
Museen  vertreten.  Frisch  aus  dem  Kadaver  herauspräparierte 
Skelette  gibt  es  überhaupt  nur  zwei :  in  Paris  und  im  Londoner 
College  of  Surgeons.  Alle  übrigen  hat  die  Funksinsel  bei  Neu- 
fundland geliefert.  Hier  muß  eine  starke  Kolonie  der  Vögel  ge- 
wohnt haben ;  denn  unter  dem  torfigen  Boden,  oft  mehrere  Fuß 
tief,  sind  zahlreiche,  durch  die  Einwirkung  des  Humus  tiefbraun 
gefärbte  Einzelknochen,  ferner  auch  eine  kleine  Anzahl  mumi- 
fizierter Körper  und  nahezu  kompletter  Skelette  gefunden  worden. 
In  einem  Falle  war  eine  Wurzel  durch  den  ganzen  Wirbelkanal 


—     190    — 

hindurch  gewachsen  und  hielt  so  die  losen  Wirbel  zusammen. 
Aus  Einzelknochen  hat  man  eine  Reihe  vollständiger  Skelette 
künstlich  zusammengesetzt,  an  den  übrigen  das  Fehlende  er- 
gänzen können. 

Von  dort  stammt  auch  das  tadellose,  nur  wenig  ergänzte 
Skelett,  das  kürzlich  der  Senckenbergischen  Gesellschaft  von 
Ch.  Girtanner  in  Ciarens  für  den  Preis  von  M.  2850  ange- 
boten wurde,  —  in  Anbetracht  der  Schönheit  des  Stückes  ein 
recht  geringer  Preis  —  und  es  ist  sehr  erfreulich,  daß  die  Ver- 
waltung sich  rasch  entschlossen  hat,  die  Summe  vorläufig  zu 
bewilligen,  ehe  noch  ein  großmütiger  Spender  (auf  den  wir  aber 
immer  noch  hoffen)  dafür  gefunden  war.  Unser  prächtiges  Stück 
läßt  erkennen,  daß  die  durch  gleiche  Lebensart  bestimmte  Ähnlich- 
keit („Konvergenz")  zwischen  Riesenalk  und  Pinguin  sich  auch 
auf  das  Innere  erstreckt.  Wie  die  Pinguine  besaß  der  Riesenalk 
einen  hohen  Brustbeinkamm,  der  sonst  als  Ansatzfläche  der 
Brustmuskulatur  nur  flugbegabten  Vögeln  zukommt,  bei  fluglosen 
aber  —  Strauß,  Kiwi,  Eulenpapagei  u.  a.  —  durch  Rückbildung 
verschwindet.  Daß  dieser  Kamm  bei  Riesenalk  und  Pinguin 
trotz  ihrer  Flugunfähigkeit  erhalten  geblieben  ist,  erklärt  sich 
durch  den  Gebrauch  der  Flügel  als  Ruderorgan :  zu  ihrer  Be- 
wegung im  Wasser  dienen  die  gleichen  Muskeln  und  sind  dieselben 
Ansatzflächen  erforderlich  wie  bei  den  Fliegern.  Auch  die  Ab- 
flachung des  ganzen  Arm-  und  Handskeletts,  die  bei  den  Pinguinen 
so  auffallend  ist,  findet  sich  angedeutet. 

Leider  besitzt  unser  Museum  kein  Ei  des  Riesenalkes, 
nur  eine  Nachbildung.  Von  den  72  in  der  Welt  vorhandenen 
echten  Eiern  hat  England  sich  weitaus  den  Löwenanteil  — 
nicht  weniger  als  49  —  gesichert,  vor  allem  auch  durch  den 
Eifer  privater  Sammler.  Ganz  Deutschland  besitzt  nur  fünf. 
Die  Summen,  die  für  Riesenalkeier  bezahlt  werden,  sind  freilich 
schon  jetzt  enorm ;  erzielten  doch  die  letzten  Stücke,  die  ihren 
Besitzer  gewechselt  haben,  Preise  zwischen  4000  und  6000  M. 
Dennoch  erscheint  es  fast  als  eine  wissenschaftliche  Ehrenpflicht 
des  Senckenbergischen  Museums,  die  nächste  sich  etwa  bietende 
Gelegenheit  zum  Erwerb  eines  solchen  Eies  und  damit  zur 
völligen  Komplettierung  seines  Besitzes  an  Riesenalkresten  un- 
gesäumt zu  ergreifen. 

0.  zur  Strassen. 


—     191     — 
Ein  fossiler  Hai. 

Mit  einer  Abbildung. 

Die  lithographischen  Plattenkalke  des  oberen  Jura  von 
Solnhofen  und  Eichstätt  in  Bayern,  Nusplingeu  in  Württemberg 
und  einigen  wenigen  anderen  Orten  sind  bekannt  wegen  der 
Fülle  prachtvoll  erhaltener  Fossilien,  die  sie  bergen.  Es  gibt 
kaum  eine  zweite  Schicht  auf  der  Erde,  in  der  die  zartesten 
Tiere  der  Vorzeit  in  gleicher  Vollständigkeit  erhalten  sind. 
Die  dünnsten  Insektenflügel  mit  ihrem  Geäder  und  die  äußerst 
feine  Flughaut  des  Pterodactylus  hinterließen  scharfe  Abdrücke 
in  den  Plattenkalken;  ja  selbst  die  zartesten  aller  Tiere,  die 
Medusen,  sind  so  ausgezeichnet  erhalten  geblieben,  daß  mau 
ihre  Reste  recht  gut  in  das  System  der  jetzt  lebenden  Quallen 
einzureihen  vermag.  Gerade  dieser  Umstand  ermöglicht  die 
Vergleichung  der  damaligen  Fauna  mit  der  heutigen,  und  diese 
hat  gezeigt,  daß  zahlreiche  Meerestiere  der  Jurazeit  kaum 
verändert   noch  in  den  heutigen  Meeren  leben. 

Ganz  eigenartige  Lebensbedingungen  herrschten  zu  jener 
Zeit  in  den  genannten  Gegenden.  Mächtige  Korallenriffe  wuchsen 
aus  dem  tiefen  klaren  Meerwasser  empor,  und  zwischen  ihnen 
hatten  sich  stille  Lagunen  gebildet,  in  denen  nur  ein  ungemein 
feiner  Kalkschlamm  zur  Ablagerung  kam,  genau  so  wie  in  den 
ruhigen  Wasserbecken,  die  heute  von  einem  Atoll  umkränzt 
werden.  Nur  bei  Stürmen  brachen  die  Meeresfluten  in  die 
Lagunen  herein;  aber  bald  wurden  sie  wieder  abgeschnitten, 
und  die  tropische  Sonne  trocknete  das  Wasser  schnell  ein. 
Jeder  Einbruch  des  Meeres  brachte  Schwärme  von  Quallen  und 
Tintenfischen,  Krebsen,  Fischen  und  anderen  Meerestieren  mit 
sich,  und  der  weiche  Kalkschlamm  bewahrte  ihre  Reste  aufs 
sorgfältigste.  Vom  nahen  Festland  trieb  der  Wind  Blätter, 
Zweige  und  viele  Insekten  auf  den  klebrigen  Schlick,  und  nun 
flatterten  und  hüpften  die  Flugsaurier  und  der  Ärchaeopterix 
heran,  um  die  allenthalben  reich  vorhandene  Beute  zu  erhaschen. 
Wie  ein  großes  Buch  hat  der  Plattenkalk  alle  Zeichen  des  Lebens 
aufbewahrt,  das  in  jenen  Lagunen  geherrscht  hat;  die  Fährte 
des  Urvogels,  die  letzten  hastigen  Bewegungen  des  Limulus, 
der  dem  drohenden  Verderben  zu  entrinnen  suchte,  sie  sind 
deutlich  zu  erkennen.   Und  doch  ist  uns  dieses  reiche  Tierleben 


Co 


Q 


5' 

0 


-     193     — 

nur  zum  Teil  bekannt  geworden :  denn  von  sehr  vielen,  nament- 
lich den  großen  Formen  sind  nur  ganz  wenige  oder  gar  nur 
Einzelexemplare  gefunden  worden,  die  der  Zufall  in  die  flache 
Lagune  verschlagen  hat,  in  der  sie  verendet  sind. 

Zu  diesen  Tieren  gehört  auch  ein  Hai  Sqiiatina  alifera 
(Münster)  von  breitem  flachem  Körper,  mit  mächtigen,  nach 
außen  gerichteten  Brust-  und  Bauchflossen.  Sein  nächster  Ver- 
wandter, der  Meerengel  {Squatina  angelus)  lebt  noch  heute  in 
Menge  im  Atlantischen  Ozean  und  besonders  im  Mittelmeer  auf 
dem  Meeresgrund,  wo  er  sich  von  Schollen  und  Eochen  nährt. 
Die  beiden  durch  Millionen  von  Jahren  getrennten  Arten  unter- 
scheiden sich  nur  durch  das  etwas  stärker  verknöcherte  Skelett 
der  Juraform. 

Das  prachtvolle  Stück  unseres  Museums  ist  eins  der  zahl- 
reichen Geschenke  unseres  korrespondierenden  Mitglieds  A.  v. 
G  winner  in  Berlin.  Es  wurde  bei  Nusplingen  in  einem  jetzt 
verfallenen  Steinbruch  gefunden,  und  seine  Erwerbung  ist  schon 
deshalb  mit  großer  Freude  zu  begrüßen,  weil  weitere  Exemplare 
von  der  früher  hervorragenden  Fundstelle  nicht  zu  erwarten 
sind.  Außerdem  aber  ist  die  Erhaltung  des  Stückes  geradezu 
glänzend.  Selbst  die  dreieckige  Rückenflosse  ist  deutlich  zu 
erkennen;  der  Hautsaum,  der  sich  auf  dem  langen  Schwanz 
hinzieht,  ist  körperlich  erhalten,  und  die  zahllosen  kleinen 
Chagrinkörnchen  in  der  rauhen  Haut  sind  schon  mit  bloßem  Auge 
sichtbar.  Unser  Museum  hat  mit  diesem  Stücke  einen  der 
schönsten,  bisher  überhaupt  bekannten  fossilen  Haie  erhalten. 

F.  Drevermann. 


194     — 


Lehrtätigkeit  im  Winterhalbjahr  11)09/10. 

I.   Zoologie. 

In  den  Monaten  Oktober  bis  Dezember  wurde  von  Prof. 
Dr.  M.  Flesch  ein  Vortragszyklus  von  13  Stunden  über 
die  Entwickelungsgeschichte  des  Menschen  gehalten.  Zunächst 
wurden  Zellteilung  und  Befruchtung  behandelt.  Es  wurden  die 
neueren  Feststelluugeu  über  die  Geschlechtsbestimraung  bei 
niederen  Tieren  besprochen,  besonders  die  Untersuchungen  aus 
der  jüngsten  Zeit  über  den  Einfluß,  den  die  Zahl  der  Chromo- 
somen bei  einigen  Insekten  auf  die  Entstehung  des  Geschlechts 
ausübt.  Daß  ein  Mehr  an  Chromosomen  weibliche  Sprößlinge  be- 
wirkt, steht  im  Einklang  mit  den  Tatsachen,  daß  anderwärts 
aus  unbefruchteten  Eiern  Männchen,  aus  befruchteten  Eiern 
Weibchen  ausschlüpfen,  und  daß  experimentell  bei  Kaninchen 
durch  reichlichere  Ernährung  ein  Überschuß  au  weiblichen  Jungen 
gegenüber  den  Ergebnissen  bei  Unterernährung  bewirkt  ward. 
Ferner  wurde  auf  die  Forschungen  L  o  e  b  s  hingewiesen,  dem  es 
gelungen  ist,  lediglich  durch  chemische  Beeinflussung  der  Eier 
niederer  Tiere  lebensfähige  Embryonen  zu  entwickeln,  ohne  daß 
eine  Befruchtung  vorausgegangen  war.  Weitere  Vorträge  be- 
handelten die  Bildung  der  primitiven  und  sekundären  Keim- 
blätter, der  Primitivrinue  und  des  Canalis  neurentericus,  ferner 
die  Organentwickelung  unter  besonderer  Berücksichtigung  des 
Nervensystems  und  der  Sinneswerkzeuge  und  schließlich  die 
Bildung  der  Sexualorgane  und  der  Eihülleu  beim  Menschen  und 
in  der  Wirbeltierreihe. 

An  Demonstrationsmaterial  standen  in  erster  Linie  mikrosko- 
pische Präparate  des  Vortragenden,  besonders  Schnitte  aus  frühen 
Stadien  der  Embryonalentwickelung  des  Hühnchens  und  der  Katze, 
sowie  Präparate  und  Wachsmodelle  aus  der  Lehr-  und  Schau- 
samnilung  des  Museums  zur  Verfügung.  Auch  waren  dem  Vor- 
tragenden von  dem  Dr.  Senckenbergischen  anatomischen  Institut 


—     195     — 

weitere  Modelle  und  von  Prof.  Edinger  einige  Präparate  aus  der 
Entwickelung  des  Gehirns  leihweise  überlassen  worden.  Diaposi- 
tive aus  der  Sammlung  des  Ausschusses  für  Volksvorlesungen  und 
epidiaskopische  Vorführungen  von  Abbildungen  ergänzten  das 
reiche  Anschauungsmaterial  zu  möglichster  Vollständigkeit. 

Vom  Januar  bis  März  hielt  Prof.  zur  Strassen  die  an- 
gekündigten Vorlesungen.  Montags  und  Mittwochs  las  er 
über  die  Naturgeschichte  der  Vögel.  Er  gab  zunächst  eine  all- 
gemeine Schilderung  der  Vogelklassen,  wobei  nicht  nur  auf  Bau 
und  Entwickelung,  sondern  vor  allem  auch  auf  physiologische 
und  psychologische  Verhältnisse  Wert  gelegt  wurde.  Hierbei  be- 
nutzte der  Vortragende  anatomische  Präparate,  Modelle  und 
Bilder,  die  zum  Teil  neu  gekauft,  zum  Teil  eigens  für  diesen 
Zweck  im  Museum  angefertigt  worden  waren.  Im  zweiten  Teil 
der  Vorlesungen  wurden  die  wichtigsten  einheimischen  und  aus- 
ländischen Vogelarten  nach  G  a  d  o  w  s  System  besprochen  und 
unter  Verwendung  der  Schausammlung  in  natura  vorgeführt. 

Donnerstags  las  Prof.  zur  Strassen  über  den  gegenwär- 
tigen Stand  der  Abstammungslehre.  Hier  wurden  die  Gründe  für 
die  Annahme  einer  stammesgeschichtlichen  Entwickelung  und  die 
verschiedenen  Möglichkeiten,  sie  mechanistisch  zu  begreifen,  dar- 
gelegt. Darwins  Zuchtwahlhypothese  wurde  mit  einigen  neue- 
ren Korrekturen  und  Zusätzen  als  zureichende  Erklärung  an- 
erkannt. Auch  füi"  diese  Vorlesungen  stand  eine  Anzahl  neuer 
Bilder,  von  freiwilligen  Hilfskräften  hergestellt,  zur  Verfügung. 
Beide  Kollegien  waren  gat  besucht,  das  über  Abstammungslehre 
so  stark,  daß  es  im  Festsaal  abgehalten  werden  mußte. 

II.    Botanik. 

Prof.  M  ö  b  i  u  s  behandelte  in  seinen  Vorlesungen  das 
Thema  „Spezielle  Pflanzengeographie  oder  Beschreibung  der 
Pflanzenwelt  der  verschiedenen  Länder".  In  39  Stunden  wurden 
die  pflanzengeographischen  Gebiete  der  Erde  geschildert:  zu- 
nächst das  arktische  Gebiet,  dann  die  Gebiete  der  alten  Welt, 
Australiens,  Amerikas  von  Norden  nach  Süden  und  zuletzt  das 
antarktische  Gebiet.  Es  handelte  sich  natürlich  nicht  nur  um 
das  Aussehen  der  Vegetation  in  diesen  verschiedenen  Gegenden, 
sondern  auch  um  die  Bestandteile  der  Flora,  deren  Unterschiede 
und  Beziehungen  von  und  zu  den  Floren  anderer  Gebiete   und 

13* 


—     196     — 

vor  allem  auch  um  die  Abhängigkeit  der  Pflanzenwelt  von  den 
klimatischen   und   anderen  äußeren  Verhältnissen  ihres  Landes. 

Früher  war  der  Dozent  zur  Unterstützung  des  mündlichen 
Vortrages  auf  AVandtafeln,  aufgelegte  und  herumgereichte  Ab- 
bildungen und  Präparate  angewiesen;  diesmal  konnte  neben 
diesen  Hilfsmitteln  auch  das  Epidiaskop  verwendet  werden. 
So  wurden  am  Schluß  jeder  Stunde  etwa  20  Projektionen  vor- 
geführt: Vegetationsbilder,  Abbildungen  einzelner  Pflanzen,  ge- 
trocknete Pflanzen,  kartographische  Darstellungen,  Tabellen  und 
dergl.   Die  Vorlesung  war  von  43  Hörern  und  Hörerinnen  besucht. 

Praktische  Übungen  wurden  nicht  abgehalten;  doch 
war  einzelnen  Herren  Gelegenheit  geboten,  auch  im  Winter- 
halbjahr mikroskopisch  zu  arbeiten. 

Der  Kursus  über  Pflanzenbiologie  für  die  Frauenschule 
wurde  fortgesetzt  und  beendigt.  In  20  Vorlesungen  wurden  die  Be- 
ziehungen der  Pflanzen  zu  einander  und  zu  den  Tieren,  die  verschie- 
denen Arten  der  Vermehrung  und  Reproduktion,  die  Bestäubung 
und  die  Verbreitung  der  Früchte  durchgenommen,  und  mit  einem 
Blick  auf  den  Stammbaum  der  Pflanzen  wurde  der  Kurs  geschlossen. 

TU.    Mineralogie,  Geologie  uud  Paläontologie. 

Im  geologisch-mineralogischen  Seminar,  das  Prof.  Schauf 
gemeinsam  mit  Dr.  Dr  ever  mann  abhielt,  wurden  wichtige 
Neuerscheinungen  aus  der  Literatur  von  den  Leitern  und  Teil- 
nehmern besprochen.  An  neun  Abenden  fanden  die  verschie- 
densten Seiten  der  Wissenschaft  Berücksichtigung,  und  oft  zeigte 
eine  rege  Diskussion  den  Wunsch,  tiefer  in  die  behandelten 
Fragen  einzudringen.  Es  nahmen  25  Hörer  teil,  darunter  17 
Lehrer  und  8  Lehrerinnen. 

Die  Vorlesungen  Dr.  Drevermanns  über  die  Entwicke- 
lung  der  Wirbeltiere  im  Laufe  der  Erdgeschichte  wurden  Donners- 
tags von  7 — 8  Uhr  im  kleinen  Hörsaal  abgehalten  und  von 
73  Hörern  und  Hörerinnen  besucht.  Es  wurden  die  Fische, 
Amphibien,  Reptilien  und  Vögel  der  Vorzeit  unter  Zugrunde- 
legung des  Sammluugsmaterials  durchgesprochen,  wobei  zahl- 
reiche Lichtbilder  zur  Ergänzung  der  Lücken  dienten.  Die 
Vorlesung  findet  ihre  Fortsetzung  im  laufenden  Sommerhalbjahr, 
in  dem  die  Entwickelung  der  Säugetiere  in  ähnlicher  Weise 
vorgetragen  wird. 


—     197     — 

IV.  Wisseuschaftliche  Sitzungen. 

1.  Sitzung  am  16.  Oktober  1909. 

Prol  Dr.  0.  zur  Strassen,  Leipzig: 

„Psj^chologie   der  Insekten." 

In  Fragen  der  Tierpsychologie  haben  von  jeher  nächst  den 
Wirbeltieren  die  Insekten  die  Hauptrolle  gespielt,  da  sie  durch 
Häufigkeit  und  Schönheit  das  menschliche  Interesse  auf  sich 
zogen  und  in  ihrem  Verhalten  in  der  Tat  mehr  als  andere 
Wirbellose  merkwürdig  sind.  Dabei  wurde  und  wird  noch 
manchmal  der  Fehler  begangen,  menschliche  Bewußtseinsvor- 
gänge und  psychische  Leistungen  ohne  genügende  Kritik  auf 
die  Insekten  zu  übertragen.  In  dieser  Hinsicht  verlangt  viel- 
mehr das  „Prinzip  der  Sparsamkeit"  die  größte  Vorsicht.  Die 
inneren  Vorgänge,  die  unser  eigenes  Verhalten  bewirken,  stellen 
eine  ganze  Stufenleiter  von  steigender  Kompliziertheit  dar,  die 
mit  unbewußten,  den  physiko- chemischen  Prozessen  ähnlichen, 
ja  im  Prinzip  auf  solche  zurückführbaren  Leistungen  beginnt 
und  bis  zum  bewußten  intelligenten  Denken  emporsteigt.  Es 
dürfen  nun  innere  Vorgänge  einer  bestimmten  Komplikations- 
stufe nur  dann  beim  Tiere  angenommen  werden,  wenn  das 
Verhalten  des  Tieres  nicht  schon  durch  einfachere  erklärt 
werden  kann. 

Auf  der  niedersten  Stufe  stehen  die  vollkommen  ange- 
borenen, unbewußten  Bewegungen  unserer  inneren  Organe  (Darm, 
Herz)  und  die  ebenso  unbewußten,  durch  äußere  Reize  ausge- 
lösten Reflexe,  wie  die  Iriskontraktion  auf  Lichtreiz.  Derartige 
Vorgänge  genügen,  um  beim  Insekt  die  Lauf-,  Flug-.  Freß- 
bewegung  usw.  an  sich  zu  erklären,  desgleichen  die  zweckmäßige 
Auslösung  solcher  Bewegungen  durch  den  Reiz  einer  Berührung, 
Belichtung  des  Auges,  Geruch  der  Nahrung  und  ähnliches.  Sehr 
oft  sind  nun  die  Bewegungen  der  Insekten  zweckmäßig  gerichtet. 
Überwinternde  Räupchen  kriechen  auf  das  Licht  zu  und  gelangen 
so  an  die  Zweigenden,  wo  sie  Nahrung  finden ;  Schmetterlinge 
fliegen  zu  duftenden  Blüten,  Aasinsekten  zum  Aas;  die  Männchen 
finden  auf  enorme  Distanz  ihre  Weibchen.  Solche  Richtungs- 
bewegungen (Tropismen)  sind  als  besondere  Art  des  Reflexes 
leicht  zu  erklären.  Auch  der  menschliche  Säugling  findet  die 
Brust  der  Mutter. 


—     198    — 

Wenn  angeborene  zweckmäßige  Bewegungen  der  Insekten 
nicht  durch  einfachen  Reiz  (Druck,  Geruch  usw.)  ausgehest  wer- 
den, sondern  durch  eine  bestimmt  geordnete  Kombi- 
nation von  Reizen,  die  von  einer  „Form"  ausgehen,  wie  dies 
z.  B.  bei  den  kunstvollen  Bauten  der  Insekten  geschieht, 
so  könnte  mau  denken,  hierzu  sei  eine  bewußte  „Vorstellung" 
der  betreffenden  Form  unentbehrlich.  Dies  trifft  aber  nicht  zu. 
Beim  Menschen  wird  das  Vorhandensein  und  die  Wirksamkeit 
unbewußter  „Vorstellungen"  angenommen.  Also  kann  auch 
beim  Insekt  die  „Form"  als  eine  entsprechend  geordnete  und 
in  sich  verknüpfte  Gruppe  physiologischer,  d.  h.  unbewußter 
Reizvorgänge  wirken,  was  sparsamer  ist.  Übrigens  sind  die  Reize, 
die  das  angeborene  Verhalten  der  Insekten  bestimmen,  oft  andere, 
als  man  nach  menschlicher  Analogie  vermuten  möchte.  Ameisen 
„erkennen"  Freund  und  Feind  lediglich  nach  dem  Geruch,  ebenso 
ihren  Weg.  wobei  sie  durch  einen  „Formgeruch"  für  die  Richtung 
der  Fährte  reizbar  sind.  Bienen  und  Hummeln  werden  beim 
Heimweg  durch  optisch  eingeprägte  Landschaftsbilder  geleitet, 
wobei  aber  das  Bild  des  Zieles  selbst  keine  Rolle  spielt. 

Äußerst  wertvoll  für  die  Insekten  ist  ihre  Fähigkeit,  je  nach 
den  Umständen  ihr  Veihalten  zweckmäßig  zu  modifizieren. 
Die  Räupchen,  die  dem  Lichte  folgend  an  die  Zweigspitzen  ge- 
langt sind,  wandern  vom  Lichte  fort,  sobald  die  Futterquelle 
erschöpft  ist;  die  Bienen  ändern  ihr  Verhalten  weitgehend,  je 
nachdem  eine  Königin  im  Stock  vorhanden  ist  oder  nicht.  Vom 
menschlichen  Standpunkte  aus  könnte  man  hierin  den  Beweis 
einer  Intelligenz  erblicken  wollen.  Allein  die  genannten  und  zahl- 
reiche andere  Fälle  von  zweckmäßiger  Verhalteusmodifikatiou 
sind  vollkommen  angeboren.  Sie  können  darum  nur  mit  den 
unbewußt-zweckmäßigen  Modilikationen  im  Verhalten  etwa  un- 
seres Herzens  verglichen  werden,  das  je  nach  Temperatur  usw. 
seine  Tätigkeit  regelt. 

Aus  Reflexen  und  ihren  angeborenen  Modifikationen  setzen 
sich  alle,  auch  die  kompliziertesten  „Instinkte"  der  Insekten 
zusammen.  Somit  ist  dieser  weitaus  größte  und  wichtigste  An- 
teil ihres  Verhaltens  relativ  sparsam  erklärt.  Aber  manche  In- 
sekten besitzen  nachgewiesenermaßen  auch  die  Fähigkeit,  ihr 
Verhalten  auf  eine  nicht  angeborene  Weise  zweckmäßig  zu 
modifizieren:  sie  lernen  aus  Erfahrung.    NachForel  lernte 


—     199     — 

ein  Schwimmkäfer,  zur  Fütterung  an  die  Oberfläche  zu  kommen. 
Hummeln  befliegen  an  einem  Tage  nur  Blüten  einer  bestimmten 
Art,  die  sich  als  honigreich  erwiesen  hat.  Bienen  lernten  die 
Stunden  kennen,  zu  denen  auf  Foreis  Veranda  Konfitüren  zu 
stehen  pflegten.  Nach  v.  Büttel  besuchen  Bienen,  die  in  Fen- 
stern Nahrung  gefunden  haben,  danach  auch  fremde  Fenster. 
Was  mann  berichtet,  daß  die  blutrote  Raubameise  (Formica 
sangiimea)  lernte,  die  sonst  geduldeten  Dina?-da- Gäste  (kleine 
Käferchen  aus  der  Familie  der  Staphyliniden)  zu  fangen  und 
zu  fressen.  Dies  sind  erstaunliche  Leistungen,  jedoch  nicht  „in- 
telligente". Zu  ihrer  Erklärung  genügt  vielmehr  die  Annahme, 
daß  die  Insekten  der  „Assoziation"  von  Sinneseindrücken  mit 
Bewegungen  fähig  sind.  Assoziationen  geschehen  auch  im  Men- 
schen ohne  intelligentes  Zutun  „von  selbst",  sogar  unbewußt. 
Fälle  eigentlicher  Intelligenz  bei  Insekten  sind  unbekannt.  Was 
als  solche  berichtet  wurde,  beruht  auf  falscher  Deutung.  Künst- 
lich gestellten  kleinen  Aufgaben  gegenüber  versagen  auch  höchste 
Insekten. 

2.  Sitzung  am  23.  Oktober  1909. 
Prof.  Dr.  K.  Escherich,  Tharandt: 
„Über   Termiten." 

Die  Termiten  sind  in  den  Tropen  als  furchtbare  Schädlinge 
überall  bekannt,  die,  in  Massen  auftretend,  Holz,  Papier,  Leder, 
Kleider,  Pflanzen  usw.  zerstören.  Man  kann  den  von  ihnen 
angerichteten  Schaden  jährlich  auf  viele  Millionen  schätzen. 
Gewöhnlich  werden  die  Termiten  „weiße  Ameisen"  genannt; 
dies  ist  aber  nicht  ganz  gerechtfertigt,  da  sie  mit  den  echten 
Ameisen  verwandtschaftlich  nichts  zu  tun  haben,  sondern  in 
die  nächste  Nähe  der  Küchenschaben  zu  stellen  sind.  Biologisch 
zeigen  sie  allerdings  viel  Übereinstimmung  mit  den  Ameisen. 
Sie  leben  in  Staaten,  in  denen  die  Arbeitsteilung  in  weitgehendem 
Maße  durchgeführt  ist;  es  gibt  Geschlechtstiere,  Arbeiter  und 
Soldaten.  Letztere  können  wieder  in  verschiedenen  Formen  und 
Größen  auftreten  und  dienen  entweder  zur  Verteidigung  nach 
außen  oder  zur  Aufrechterhaltuug  der  Ordnung  im  Innern,  Die 
Arbeiter  haben  es  völlig  in  der  Hand,  die  Individuenzahl  der 
einzelnen  Kasten  nach  Bedarf  zu  regulieren;  wie  sie  dies 
machen,  ist  größtenteils  noch  ein  Rätsel. 


—     200     — 

Höclist  interessant  ist  die  Koloniegründung  der  Termiten, 
die  wie  bei  den  Ameisen  durch  das  Ausschwärmen  der  geflügelten 
Individuen  eingeleitet  wird.  Zu  Tausenden,  ja  zu  Hundert- 
tausenden, verlassen  die  letzteren  ihren  Bau,  um  sich  in  die 
Lüfte  zu  erheben  und  eine  Zeitlang  sich  dort  zu  tummeln.  Doch 
bald  hat  dieses  Vergnügen  ein  Ende.  Erschöpft  fallen  sie  auf 
den  Boden  herab,  um  ihn  nie  wieder  zu  verlassen,  da  sie  sich 
jetzt  ihrer  Flügel  entledigen.  Zuerst  wimmelt  alles  regellos 
durcheinander;  allmählich  jedoch  kommt  etwas  (3rdnung  in  die 
Gesellschaft,  indem  die  Tierchen  sich  zu  Paaren  ordnen  und  so, 
das  Weibchen  voraus,  das  Männchen  dicht  hinterdrein,  nach 
allen  Richtungen  auseinander  laufen  („Liebesspaziergang"),  bis 
sie  einen  passenden  Platz  zur  Gründung  eines  neuen  Heims  ge- 
funden haben.  Dann  gräbt  sich  das  Pärchen,  Rücken  gegen 
Rücken  gekehrt,  gemeinsam  in  die  Erde  ein.  So  verbleiben  sie 
vier  bis  fünf  Monate;  es  ist  dies  eine  Art  Brautzeit,  eine  Er- 
scheinung, wie  sie  im  Tierreich  einzig  dasteht.  Erst  nach  dieser 
Zeit  findet  die  Hochzeit  statt,  da  erst  dann  die  Geschlechtsorgane 
voll  entwickelt  sind.  Nun  dauert  es  ein  Jahr,  bis  junge  Brut 
vorhanden  ist,  die  den  Eltern  zur  Seite  steht.  Es  ist  leicht  er- 
klärlich, daß  der  größte  Teil  der  ausschwärmenden  Termiten 
verloren  geht,  da  ihnen  Vögel,  Schlangen,  Eidechsen,  Spinnen 
und  Ameisen  eifrig  nachstellen. 

Die  kunstvollen  Termitenbauten  zeigen  nach  Größe  (6 — 7  ra 
Höhe) ,  B'orm ,  Konstruktion  und  Härte  des  Materials  große 
Mannigfaltigkeit.  Im  Innern  der  Bauten,  die  von  Höhlen  und 
Gängen  durchzogen  sind,  ist  auch  das  königliche  Gemach,  in 
dem  die  mit  einem  etwa  10  cm  langen  Hinterleib  aus- 
gestattete Königin  täglich  gegen  20  000  Eier  legt.  Die  Nahrung, 
die,  wie  erwähnt,  aus  allem  besteht,  was  zernagt  werden  kann, 
wird  von  den  meist  augenlosen  und  lichtscheuen  Termiten  größten- 
teils auf  Gängen  in  der  Erde  geholt;  auch  werden  Vorräte  an- 
gelegt. Man  hat  in  den  Kammern  auch  schwammartige  Gebilde 
aus  fein  verarbeitetem  Holz  gefunden,  auf  denen  Pilze  wachsen, 
die  als  konzentrierte  eiweißhaltige  Nahrung  namentlich  den  Lar- 
ven gegeben  werden. 

Untereinander  sind  sich  die  Termiten  feindlich  ge- 
sinnt; trotzdem  leben  verschiedene  Arten,  aber  durch  Scheide- 
wände getrennt,   in  einem   Bau,   die   kleineren  Arten,   um   bei 


—     201     — 

größeren  zu  stehlen,  sogar  als  Pilzdiebe.  Als  Termitengäste 
finden  sich  Käfer,  Käferlarven  und  Fliegen,  die  sich  allmählich 
dem  Termitenleben  anpassen  und  geduldet  werden,  weil  sie 
Sekrete  absondern,  die  den  Wirten  behagen.  Merkwürdig  ist, 
daß  sich  alle  diese  Gäste  durch  dicke  Bäuche  auszeichnen,  also 
gut  genährt  sind.  Auch  Schlangen  und  Eidechsen  kommen 
in  den  Bauten  vor ;  Eidechsen  legen  ihre  Eier  hinein,  Vögel 
nisten  darin. 

In  manchen  Gegenden  werden  die  Termiten  roh,  geröstet 
oder  gebacken  gegessen;  auch  finden  ihre  Bauten  zum  Brot- 
backen oder  als  Hochöfen  Verwendung. 

3.  Sitzung  am  30.  Oktober  1909. 

R.  Volk,  Vorstand  der  biologischen  Elbe-Untersuchungen, 
Hamburg : 

„Biologisches    aus  der  Unte reibe,   insbesondere   die 

Beziehungen  des  Planktons  zur  Selbstreinigung  des 

Stromes  bei  Hamburg." 

Die  fauuistische  Durchforschung  des  Niederelbe-Gebietes 
war  von  der  Direktion  des  Naturhistorischen  Museums  zu 
Hamburg  schon  seit  langem  geplant,  und  der  Vortragende  selbst 
hatte  bereits  im  Sommer  1898  versuchsweise  Beobachtungs-  und 
Fangfahrten  auf  dem  Strom  und  in  den  Häfen  unternommen, 
als  im  Frühjahr  1899  die  Staatsbehörde  den  Auftrag  erteilte, 
mit  diesen  faunistischen  Studien  auch  solche  über  die  Einwirkung 
der  Sielwässer  von  Hamburg  und  Altona  auf  die  Eibtiere  zu 
verbinden. 

Da  aber  Tier-  und  Pflanzenleben  aufs  innigste  mit  einander 
verknüpft  sind  und  sich  in  gegenseitiger  Abhängigkeit  von 
einander  abspielen,  mußte  auch  die  Eibflora,  insbesondere  die 
Mikroflora,  in  den  Kreis  dieser  Untersuchungen  einbezogen 
werden.  Weil  ferner  Wohl  und  Wehe  aller  Wasserbewohner 
von  der  Beschaffenheit  ihres  Lebenselementes  abhängig  ist, 
waren  auch  chemische  Wasseranalysen  auszuführen. 

Eine  Eigentümlichkeit  des  Eibwassers  von  Magdeburg 
abwärts  ist  sein  hoher  Gehalt  an  Chloriden.  Dieser  Salzgehalt 
entstammt  der  Wasserhaltung  der  Mansfelder  Gruben  und  den 
Mutterlaugen  der  Kaliindustrie  des  Saalegebietes ;  er  regelt  sich 
nach   dem  jeweiligen  Betriebe   dieser  Montanindustrie   und  der 


—     202     — 

Menge  der  atmosphärisclieu  Niederschläge  (bei  Hamburg  wurden 
bis  zu  698  Milligr.  Chlor  im  Liter  Eibwasser  gefunden).  Er- 
höhter Salzgehalt  aus  der  Nordsee  kommt  aber  niemals  bis 
Hamburg;  er  läßt  sich  selbst  bei  Hochwasserstand  nur  bis 
etwa  50  Kilometer  unterhalb  der  Stadt  nachweisen. 

Mit  der  Einrichtung  eines  Laboratoriums  und  der  Leitung 
des  Unternehmens  wurde  der  Vortragende  beauftragt ;  die  syste- 
matische Bearbeitung  des  gesammelten  Materials  übernahm  eine 
größere  Anzahl  von  Spezialforschern.  Die  Vielgestaltigkeit  und 
große  Ausdehnung  des  Arbeitsgebietes,  die  sich  heute  auf  rund 
180  Kilometer  von  Süßwasser  oberhalb  der  Stadt  durch  alle 
Grade  der  Salinität  im  Brackwasser  bis  zum  hohen  Salzgehalt 
der  Nordsee  erstreckt,  bereitete  besondere  Schwierigkeit,  zumal 
das  ganze  Gebiet  unter  der  tief  eingreif  enden  Wirkung  der  Ge- 
zeiten steht.  Es  mußten  zur  Aufklärung  der  biologischen  Ver- 
hältnisse und  zur  Lösung  der  von  der  Behörde  gestellten  Auf- 
gaben eigene  Methoden  ausgearbeitet  und  dazu  auch  neue 
Apparate  konstruiert  werden,  zumal  Erfahrungen  über  derartige 
Stromuntersuchungen  noch  gänzlich  fehlten. 

Die  Methoden  richten  sich  im  großen  und  ganzen  nach 
Art  und  Lebensverhältnissen  der  Wasserbewohner.  Diese  scheiden 
sich  in  zwei  große  Gruppen,  in  Bewohner  des  Ufers  und  Grundes 
und  solche,  die  schwebend  oder  schwimmend  das  freie  Wasser 
bevölkern.  Die  Gesamtheit  der  im  Süßwasser  meist  mikroskopisch 
kleinen  Schwebewesen,  die  weniger  durch  eigene  Kraft  wie  die 
Fische  schwimmen,  sondern  vielmehr  durch  geringes  spezifisches 
Gewicht,  innere  Reibung  des  Wassers  oder  mancherlei  mechanische 
Vorrichtungen  ihres  Körpers  schweben,  hat  Hensen  „Auftrieb" 
oder  „Plankton"  genannt. 

Unter  den  Wassertieren  und  -ptianzen  gibt  es  solche,  die 
nur  im  reinsten  Wasser  gedeihen,  andere,  die  in  mäßig  ver- 
schmutztem Wasser  ihr  Fortkommen  finden,  und  wieder  andere, 
die  zu  ihrer  Existenz  ein  stark  mit  fäulnisfähigen  Stoffen  ver- 
unreinigtes Wasser  nötig  haben.  Da  man  aber  zuweilen  im 
E-einwasser  durch  Zufall  dahin  verschlagene  Abwasserorganismen 
findet  und  andererseits  auch  Reinwasserbewohner  einige  Zeit  in 
mehr  oder  weniger  verschmutztem  Wasser  leben  können,  mußte 
neben  der  Feststellung  der  Formen  auch  deren  Mengenbe- 
stimmung angestrebt,  d.  h.  es  mußten  qualitative  und  quantitative 


—     203     — 

biologische  Analysen  ausgeführt  und  dabei  ganz  besonders  auf 
charakteristische  Lebensgenossenschaften,  Biocönosen,  geachtet 
werden.  Weil  sich  in  jenem  Gebiet  eine  brauchbare  Mengen- 
bestimmung der  Ufer-  und  Grundbewohner  nicht  erzielen  ließ, 
wandte  der  Vortragende  nach  dieser  Richtung  hin  seine  Auf- 
merksamkeit besonders  dem  Plankton  zu.  Nur  die  aus  wöchent- 
lichen Fangfahrten  jahrelang  durchgeführten  quantitativen 
Planktonbestimmungen  aus  dem  „Reinwasser"  verglichen  mit 
solchen  aus  der  Abwasserregion  konnten  zu  sicheren  Schlüssen 
und  zur  Aufklärung  über  Einwirkung  des  Planktons  bei  den 
Selbstreinigungsvorgängen  führen. 

Die  Unbrauchbarkeit  der  sogenannten  „quantitativen" 
Planktonnetze  zur  Ermittelung  des  Planktongehalts  im  Wasser 
hatte  der  Redner  bereits  im  Sommer  1893  erkannt.  Darum 
konstruierte  er  für  seine  Zwecke  eine  „Planktonpumpe",  die 
aus  jeder  beliebigen  Tiefe  des  Stromes  genau  gemessene  Wasser- 
mengen mit  ihrem  vollen  Planktongehalt  zur  Untersuchung 
bringt.  Im  Laboratorium  werden  die  mit  Formalin  fixierten 
Organismen  durch  Sedimentierung  vom  Wasser  getrennt  und 
dann,  mit  Quittenschleim  sehr  genau  gemischt,  auf  ein  be- 
stimmtes Gewicht  gebracht.  Von  diesem  Quittenschleimgemenge, 
das  eine  erkennbare  Entmischung  durch  Absetzung  der  Or- 
ganismen verhütet,  werden  Stichproben  auf  Objektträgern  mit 
der  Analysenwage  gewogen  und  dann  die  Mengen  der  ver- 
schiedenen Planktobionten  unter  dem  Mikroskop  ausgezählt. 
Die  Zählungsergebnisse,  stets  auf  einen  Raummeter  Wasser  be- 
rechnet, liefern  dann  die  angestrebten  Vergleichszahlen.  Zu  den 
Qualitativfängen  werden  die  bekannten  Netze  aus  feinster 
Müllergaze  verwandt.  Neu  eingeführt  hat  der  Vortragende 
ferner  noch  qualitative  Streckenfänge,  die  in  ununterbrochener 
Kette  von  5  zu  5  Kilometern  in  Einzelproben  vom  gleichen 
Tage  ein  Bild  der  Verteilung  der  Planktonorganismen  auf  der 
ganzen  Strecke  bis  zur  Nordsee  liefern.  Mit  jedem  dieser  Fänge 
wird  eine  Wasserprobe  zur  Salzbestimmung  entnommen. 

Außer  ihrem  abnormen  Salzgehalt  bringt  die  Elbe  aus 
ihrem  Oberlauf,  neben  ihrem  gewöhnlichen  Gehalt  an  organischen 
Stoffen,  zur  Zeit  der  Zuckerkampagne  noch  außergewöhnliche 
Mengen  fäulnisfähiger  Substanz,  die  den  Abwässern  von  mehr 
als  300  Zuckerfabriken   entstammen.     Selbstverständlich  erhält 


—     204     — 

das  Eibwasser  dann  noch  durch  die  Effluvien  der  ausgedehnten 
Sielnetze  von  Hamburg,  Altona  und  Wandsbek  eine  weitere 
Anreicherung  von  Abwasserbestandteilen.  Doch  bewirkt  hier 
das  Einsetzen  der  Flut  eine  so  energische  Verdünnung  und  Ver- 
teilung in  der  gewaltigen  Wasserraasse  des  Stromes,  daß  diese 
Anreicherung  nur  in  größerer  Nähe  der  Sielmündungen  und 
während  der  Ebbe  auch  unterhalb  derselben  nachweisbar  ist. 
Wie  die  Untersuchungen  gezeigt  haben,  werden  diese  Abwässer 
von  dem  Strom  nicht  nur  ohne  Schädigung  seiner  Bewohner 
verdaut;  sondern  sie  führen  überdies  noch  zu  einer  gewaltigen 
Vermehrung  der  Lebewesen,  indem  eine  hochgradige  Wieder- 
belebung toter  organischer  Stoffe  stattfindet,  die  als  ein  Teil 
der  Selbstreinigung  angesehen  werden  muß. 

Diese  Selbstreinigung  besteht  in  dem  Zusammenwirken 
einer  Reihe  von  physikalischen,  chemischen  und  biologischen 
Vorgängen,  durch  die  Fremdkörper,  besonders  organische  fäul- 
nisfähige Stoffe,  die  das  Wasser  aufgenommen  hatte,  wieder 
aus  diesem  ausgeschieden  werden.  Die  biologische  und  zum 
Teil  auch  die  chemische  Reinigung  werden  durch  die  Lebens- 
prozesse von  Bakterien  eingeleitet  (seßhafte  Abwasserpilze 
spielen  bei  Hamburg  keine  nennensw^erte  Rolle)  und  vielfach 
bis  zur  Mineralisierung  und  Vergasung  der  Fäulnisstoffe  fort- 
geführt. Erst  bei  einer  gewissen  Verdünnung  setzt  die  Wirkung 
der  Planktonalgen  ein,  von  denen  bis  über  80  Milliarden  im 
Raummeter  Hafenwasser  gefunden  wurden.  Einerseits  assimi- 
lieren sie  Kohlensäure  unter  Entwickelung  von  freiem  Sauerstoff', 
wodurch  sie  zu  Durchlüftern  des  Wassers  werden,  und  anderer- 
seits absorbieren  sie  gelöste  organische  Substanz.  Auch  Proto- 
zoen sind  befähigt,  organische  Substanz  zu  absorbieren ;  sie 
fressen  aber  auch  Bakterien,  darunter  Erzeuger  von  Infektions- 
krankheiten, andere  Protozoen,  Planktonalgeu  und  selbst  kleine 
Metazoen.  Die  Metazoen  des  Planktons,  Rädertiere,  Kruster  usw., 
ernähren  sich  von  denselben  Organismen.  Unter  ihnen  sind  die 
Kopepoden  der  Unterelbe  wahre  Mastschweinchen,  Omnivoren, 
die  neben  Lebewesen  auch  noch  Detritus  verschlingen  und  sich 
im  Siel  Wasserbereich  in  kaum  glaublicher  Weise  vermehren. 
Auch  die  Bodenfauna  ist  im  Sielwassergebiet  eine  überreiche, 
besonders  an  Mollusken  und  Würmern  (Tubificiden) ;  sie  sind  in 
ihrer   Masse   gewaltige   Detritusvertilger.     Selbst   die  winzigen 


—     205     — 

Planktonkruster,  von  denen  im  Durchschnitt  eine  Eurytemora 
0,064,  eine  Bosmina  gar  nur  0,0084  Milligr.  wiegen,  bewirken 
Erstaunliches  durch  ihr  Massenvorkommen.  Durch  Kombination 
von  Zähl-  und  Gewichtsanalysen  wurden  z.  B.  in  315000  Raum- 
meter Wasser  des  Indiahafens  30000  Kilogr.  Bosminen  und  an 
einem  anderen  Tag  in  12  Millionen  Raummeter  Wasser  unter- 
halb der  Städte  4  800000  Kilogr.  Eurytemoren  (volle  Ladung 
eines  fünfmastigen  Seeschiffes)  festgestellt,  während  an  denselben 
Tagen  im  „ Reinwasser "  noch  keine  2  Zentigramme  Bosminen  im 
Raummeter  und  Eurytemoren  überhaupt  nicht  gefangen  wurden. 

Aus  alledem  erkennen  wir  eine  weitgehende  Inkarnation 
von  Sielwasserbestandteilen,  eine  Wiederbelebung  von  Stoff- 
wechselresten unseres  eigenen  Lebensprozesses  und  von  Abfällen 
unseres  Haushaltes.  Da  nun  aber  alle  hier  genannten  Wasser- 
organismen, seien  sie  Schwebewesen  oder  Grundbewohner,  von 
größter  Wichtigkeit  als  Fischnahrung  sind,  so  erkennen  wir 
ferner,  daß  die  Dungstoffe,  die  wir  durch  die  Siele  in  den  Strom 
schicken,  statt  sie  auf  den  Acker  zu  fahren,  wirtschaftlich 
durchaus  nicht  verloren  sind.  Wenn  auch  nicht  in  Gestalt  von 
Feldfrüchten  und  Mastvieh,  gelangen  sie  doch  zum  großen  Teil 
als  wertvolles  Fischtleisch  wieder  in  unseren  Besitz;  denn  in 
der  Tat  gehört  die  Niederelbe  zu  den  fischreichsten  Gewässern 
Deutschlands. 

Ausdrücklich  aber  warnt  der  Redner  davor,  von  dem  günsti- 
gen Abbau  organischer  Abwässer  bei  Hamburg  Schlüsse  auf  die 
Entwässerung  volkreicher  Uferstädte  im  Binnenlande  zu  ziehen, 
weil  dort  der  überaus  wichtige  Einfluß  der  Gezeiten  gänzlich  fehlt. 

Der  Vortrag  wurde  durch  Karten  und  eine  größere  Anzahl 
von  Lichtbildern  erläutert.  Unter  diesen  befanden  sich  Mikro- 
photogramme  von  Eiborganismen  bis  zu  8200facher  Linearver- 
größerung auf  den  Originalplatten,  Erzeugnisse  der  Mikro- 
photographie, die  der  Vortragende  mit  Hilfe  Ze  iß  scher  Apo- 
chromate  erzielt  hat. 

4.  Sitzung  am  6.  November  1909. 
Privatdozent  Dr.  K.  Deninger,   Freiburg  i.  B, : 
„Ergebnisse  seiner  Reise  nach  den  Molukken." 
Die  Expedition,  die  der  Vortragende  im  Herbst  1906  nach 
der   Molukkeninsel   Buru    unternommen    hat,   war  durch   eine 


—     206     — 

Nachricht  veranlaßt,  die  ilim  durch  einen  Freund  und  Kollegen, 
Dr.  Wanner,  zugegangen  war.  Während  seiner  Reise  inNieder- 
ländisch-Indien  hatte  Wann  er  von  Eingeborenen  gehört,  daß 
auf  jener  Insel  merkwürdige  primitive  Menschen  leben  sollten. 
Obwohl  diese  interessante  Nachricht  sehr  bestimmt  klang,  war 
sich  der  Vortragende  darüber  klar,  daß  er  in  dieser  Frage  keines- 
wegs mit  einem  sicheren  Erfolg  rechnen  durfte,  daß  er  vielmehr 
bestrebt  sein  mußte,  einen  möglichen  Mißerfolg  durch  ander- 
weitige Forschungsergebnisse  auszugleichen. 

Mit  Ausrüstung  und  Proviant  für  ein  halbes  Jahr  versehen, 
landete  der  Vortragende  in  Tifu  auf  Buru.  Die  Insel  Buru, 
eine  der  größten  Molukkeninseln  mit  einem  Längendurchmesser 
von  140  Kilometern,  ist  sehr  gebirgig  und  fast  ganz  mit  Urwald 
bedeckt.  Streckenweise  ist  der  Wald  durch  hohes  Savanneugras 
unterbrochen,  während  nur  ganz  unbedeutende  Flächen  von  den 
Eingeborenen  in  Kultur  genommen  sind.  Die  höchsten  Erhebungen 
mit  dem  Kapalamatang,  der  sich  als  stolzer  Gipfel  von  2800  m 
direkt  am  Meere  erhebt,  liegen  in  der  Landschaft  Fogi  im  Nord- 
westen der  Insel.  Dies  war  auch  das  Gebiet,  dem  zunächst  die 
Untersuchungen  des  Vortragenden  galten,  da  von  dort  die  Nach- 
richten über  die  „Waldmenscheu"  ausgegangen  waren. 

Zunächst  wurden  die  geologischen  Verhältnisse  dieses  Ge- 
bietes eingehend  untersucht.  Die  Westhälfte  von  Buru  stellt  ein 
vorherrschend  aus  mesozoischen  Kalksteinen  aufgebautes,  stark 
gefaltetes  Gebirge  dar,  dessen  Erforschung  wegen  der  dichten 
Waldbedeckung  große  Schwierigkeiten  bereitet.  Allgemeineres 
Interesse  gewinnt  jedoch  die  Geologie  der  Molukken  dadurch, 
daß  in  den  letzten  Jahren  in  diesem  entlegenen  Gebiet  Versteine- 
rungen gefunden  wurden,  die  in  überraschender  Weise  mit  sol- 
chen aus  anderen  Weltgegenden,  namentlich  aus  der  europäischen 
Juraformation,  übereinstimmen.  Vielfach  ist  auch  die  Ähnlich- 
keit des  umschließenden  Gesteins  so  groß,  daß  es  an  dem  ein- 
zelnen Stück  nicht  möglich  ist,  festzustellen,  ob  es  aus  Schwaben 
oder  von  den  Molukken  stammt. 

Nach  den  gebräuchlichen  Anschauungen  über  Leitfossilien 
stellt  man  unbedenklich  Ablagerungen  mit  ähnlichem  Fossilinhalt 
zeitlich  einander  gleich.  Die  Beobachtungen  im  Gelände,  die  der 
Vortragende  über  die  Aufeinanderfolge  der  verschiedenen  fossil- 
führenden  Schichten  auf  Buru  anstellen  konnte,  scheinen  indessen 


—     207     — 

dafür  zu  sprechen,  daß  die  Schichtenfolge  in  den  Molukken  eine 
andere  ist  wie  in  Europa,  so  daß  vielleicht  die  Anschauung  der 
Geologie  über  die  Bedeutung  der  Leitfossilien  in  ihrer  jetzigen 
Ausdehnung  einer  Revision  bedarf.  Sollte  diese  Auffassung  sich 
bestätigen,  so  würde  dies  auch  für  die  Stammesgeschichte  der 
Organismen  von  großer  Bedeutung  sein. 

Besonderes  Interesse  bietet  die  Insel  Buru  auch  vom  tier- 
geographischen Standpunkt  aus,  weil  sich  in  den  Molukken  das 
Verbreitungsgebiet  der  Beuteltiere  mit  dem  höherer  Säugetiere 
berührt.  Von  letzteren  kommen  eine  Hirschart,  Wildschweine, 
der  Hirscheber  (Babirusa),  Zibethkatzen  und  Mäuse  vor,  während 
die  Beuteltiere  durch  einen  kleinen  Kletterbeutler  (Kuskus)  ver- 
treten sind.  Da  verschiedene  dieser  Formen  durch  den  Menschen 
eingeführt  sein  können,  ist  es  von  Wichtigkeit,  daß  der  auf  Buru 
vorkommende  Hirscheber  von  der  auf  Celebes  lebenden  Form 
stark  abweicht  und  somit  als  ursprünglicher  Bewohner  der  Insel 
angesprochen  werden  darf. 

Wie  die  Tierwelt  stellen  auch  die  Menschen  eine  Mischung 
von  westlichen  malayischen  und  östlichen  papuanischen  Elementen 
dar.  Die  Küstenbewohner  sind  zumeist  Mohammedaner,  und  nur 
im  Südwesten  der  Insel  ist  die  Landschaft  Masarete  bis  weit  in 
das  Innere  christlich.  Hier  ist  durch  tüchtige  Missionare,  die 
die  Bevölkerung  zur  Ordnung  und  Arbeit  erzogen  haben,  viel 
geleistet  worden.  Bei  der  übrigen  Bevölkerung  herrscht  ein 
Geisterglaube  wie  bei  allen  malaj'ischen  Völkern,  hier  zumeist 
verbunden  mit  einem  Schädelkult,  einer  Verehrung  der  Schädel 
der  verstorbenen  Angehörigen.  Kopf  jagd  wird  nirgends  betrieben, 
und  nur  im  Süden  der  Insel  werden  von  den  bergbewohnenden 
Alfuren  in  seltenen  Fällen  Küstenleute  zu  religiösen  Zwecken 
erschlagen. 

Die  Nachforschungen  nach  den  Waldmeuschen  stellten  sich 
als  sehr  schwierig  heraus.  Monatelanges  Umherstreifen  hat  kei- 
nen positiven  Anhalt  dafür  gebracht,  daß  diese  „Orangutan" 
oder  „Gebba  boho"  (böse  Menschen),  wie  sie  bezeichnet  werden, 
reale  Wesen  sind.  Sie  sollen  sich  durch  starke  Behaarung,  kräf- 
tiges Gebiß,  Mangel  einer  verständlichen  Sprache,  Fehleu  aller 
Werkzeuge  und  anderes  mehr  auszeichnen.  Endlich  ist  es  dem 
Vortragenden  gelungen,  in  der  Landschaft  Masarete  in  Höhlen 
Skelette  aufzufinden,  die  von  solchen  Waldmenschen  herrühren 


—     208     — 

sollen.  Die  im  anatomischeu  Institut  der  Universität  Freiburg  aus- 
geführten Untersuchungen  haben  ergeben,  daß  sich  darunter  tat- 
sächlich Angehörige  einer  von  der  übrigen  Bevölkerung  ver- 
schiedenen Rasse  befinden.  Sie  zeigen  Verwandtschaft  mit  den 
Weddas  von  Ceylon,  die  eine  der  am  tiefsten  stehenden  lebenden 
Menschenrassen  sind.  Mit  ihnen  in  Beziehung  stehende  Völker 
sind  bisher  in  Malakka,  Sumatra  und  Celebes  nachgewiesen 
worden,  so  daß  das  Vorkommnis  auf  Buru  nur  den  am  weitesten 
nach  Osten  vorgeschobenen  Posten  darstellt,  wo  sich  Angehörige 
dieser  Rasse  zwischen  den  vordringenden  übrigen  Völkern  noch 
erhalten  haben.  Wie  anderwärts  sind  sie  auch  in  Buru  einem 
baldigen  Verschwinden  ausgesetzt.  Die  vordringende  Kultur  ist 
der  schlimmste  Feind  alles  ursprünglichen  Volkslebens,  und  die 
anthropologische  und  ethnographische  Erforschung  der  durch  sie 
bedrohten  Gebiete  ist  deshalb  eine  der  dringendsten  Forderungen 
der  Wissenschaft. 

5.  Sitzung  am  13.  November  1909. 

Dr.  H.   Schubotz.  Berlin  : 
„Zoologische  Ergebnisse   und  Beobachtungen  wäh- 
rend    der    Zentralafrika-Expedition     des    Herzogs 
Adolf   Friedrich   zu   Mecklenburg." 

Der  Vortragende  gibt  einleitend  eine  kurze  Übersicht  über 
die  Reiseroute  und  die  Ziele  der  Expedition  des  Herzogs,  an 
der  er  als  Zoolog  teilgenommen  hat.  Ihr  Arbeitsgebiet  lag  zu 
beiden  Seiten  des  zentralafrikanischen  Grabens  in  seiner  Aus- 
dehnung vom  Kiwu-See  bis  zum  Albert-See.  Die  Bedeutung 
dieser  geologisch  sehr  merkwürdigen  Erdspalte  in  tier-  und 
pflanzengeographischer  Hinsicht  galt  es  insbesondere  aufzuklären. 
Zu  diesem  Zweck  wurden  umfangreiche,  jetzt  dem  Berliner 
Zoologischen  Museum  überwiesene  Sammluugen,  die  sich  auf 
alle  Stämme  des  Tierreiches  erstreckt  haben,  in  der  Nordwest- 
ecke des  deutsch-ostafrikanischen  Schutzgebiets,  auf  der  Graben- 
solile  selbst  zwischen  Kiwu-  und  Albert-See  und  im  nördlichen 
Teile  des  zentralafrikanischen  (Kongo-)  Urwaldes  angelegt.  Der 
afrikanischen  Süßwasserfauna  wurde  besondere  Aufmerksamkeit 
gewidmet.  Sie  erwies  sich,  namentlich  in  Bezug  auf  das  Plankton, 
auffällig  artenarm  bei  einem  sehr  großen  Individuenreichtum. 
Im  Kiwu-See  fehlen  beispielsweise  Cladoceren  (Flohkrebse)  ganz. 


—     209     — 

Auch  Schwämme,  Moostierchen,  ja  selbst  Muscheln  scheinen  in 
diesem  landschaftlich  sehr  schönen,  geologisch  offenbar  jungen 
zentralafrikanischen  See  nicht  vorzukommen.  Fische  sind  zwar 
reichlich  in  ihm  vorhanden;  aber  auch  sie  beschränken  sich 
auf  die  verhältnismäßig  geringe  Zahl  von  zehn  Arten.  Der 
Albert -See  und  der  Albert  -  Eduard  -  See,  die  sich  in  vielen 
Punkten  ähneln,  weisen  etwas  reichere  faunistische  Verhältnisse 
als  der  Kiwu-See  auf.  Die  zentralafrikanischen  Hochgebirge, 
die  Virunga -Vulkane  am  Nordende  des  Kiwu-Sees  und  der 
Ruwenzori,  wurden  bis  zu  einer  Höhe  von  mehr  als  4000  Metern 
bestiegen.  Dabei  ergab  sich  eine  auffallende  Übereinstimmung 
der  räumlich  weit  entfernten,  durch  den  Albert-See  und  die 
tiefliegende  Rutschuru- Ebene  voneinander  getrennten  Gebirge 
in  faunistischer  Hinsicht.  Von  allgemeinerem  Interesse  ist  die 
Feststellung,  daß  der  Elefant  sich  bei  seinen  Wanderungen  bis 
nahe  an  die  Schneegrenze  verläuft.  Wenig  unterhalb  des  Gipfels 
des  4500  Meter  hohen  Karissimbi,  des  höchsten  der  Virunga- 
Vulkane,  in  einer  sehr  unwirtlichen  Region,  in  der  nur  noch 
Senecios  (baumartige  Kräuter)  und  Alchemillen  gedeihen,  fand 
der  Vortragende  frische  Elefantenfährten.  Von  höheren  Tieren 
wurden  in  dieser  Region  nur  noch  einige  Vögel  beobachtet  und 
zwar  die  stahlblau  gefärbte  Nectarinia  johnstoni,  einer  der 
kleinsten  und  dabei  farbenprächtigsten  Vertreter  der  afrikanischen 
Ornis,  die  nahe  unter  dem  Gipfel  des  Muhawura -Vulkans  und 
am  Ulimbi  im  Ruwenzori-Gebirgsstock  auf  einer  von  ihr  be- 
sonders bevorzugten  Schaftlobelie  vorkommt.  Dem  großen  zentral- 
afrikanischen Urwald  ist  naturgemäß  eine  ganze  Anzahl  Arten 
eigentümlich;  indessen  finden  sich  sogenannte  „ westafrikanische " 
Formen  auch  in  den  Wäldern  östlich  des  Grabens  bis  an  den 
Viktoria-See  und  noch  über  diesen  hinaus.  Andererseits  nimmt 
die  dem  östlichen  Steppengebiet  eigentümliche  Fauna  von  Osten 
nach  Westen  an  Artenzahl  ab,  so  daß  der  Schluß  nahe  liegt,  Äqua- 
torialafrika sei  in  früherer  Zeit  viel  weiter  nach  Westen  hin  vom  Ur- 
wald bedeckt  gewesen,  als  es  heute  der  Fall  ist.  Die  in  den  relativ 
kleinen  Urwaldparzellen  Ostafrikas  vorkommenden  westlichen  For- 
men wären  danach  als  Relikte  eines  früheren  Zustandes  aufzufassen. 
Interessante  Mitteilungen  macht  der  Vortragende  schließlich 
über  die  Möglichkeit  der  Domestikation  afrikanischer  Wildarten. 
Hieraus  sei  hervorgehoben,  daß  der  Kongostaat  in  jüngster  Zeit 

14 


—     210     — 

erfolgreiche  Versuche  gemacht  hat,  den  afrikanischen  Elefanten 
zu  zähmen.  In  einer  Station  des  Uelle-Distrikts  befindet  sich 
zurzeit  eine  Herde  von  etwa  30  Stück,  allerdings  durchweg 
jungen  Tieren,  von  denen  einige  schon  zu  Feldarbeiten  verwendet 
werden.  Diese  Zähmuugsversuche  sind  von  großer  wirtschaft- 
licher Bedeutung,  weil  der  Elefant  nicht  empfänglich  für  die 
verheerenden  Viehseuchen  ist,  denen  in  Afrika  sowohl  Rinder 
als  Pferde  in  ungeheurer  Zahl  zum  Opfer  fallen. 

6.  Sitzung  am  20.  November  1909. 

Dozent  Dr.  L.  Grünhut,  Wiesbaden: 
„Die  Beziehungen  zwischen  physikalischer  Chemie 

und  Biologie." 

Physikalisch-chemische  Anschauungen  sind  zuerst  von  medi- 
zinischer Seite  zur  Erforschung  der  Vorgänge  am  lebenden 
Organismus  herangezogen  worden,  und  zwar  wurden  zunächst 
Fragen  der  menschlichen  Physiologie  bearbeitet  wie  die  Probleme 
der  Entstehung  bestimmter  Sekrete  und  Exkrete,  des  Ablaufs 
bestimmter  physiologischer  Vorgänge  u.  dgl.  Nachdem  durch 
diese  Arbeiten  eine  gesicherte  Grundlage  gewonnen  war,  konnte 
hierauf  nun  auch  die  Erörterung  allgemeinerer  Phänomene  auf- 
gebaut werden,  so  daß,  weit  über  die  Fragen  der  menschlichen 
Physiologie  hinausgehend,  heute  die  gesamte  Biologie  in  wesent- 
lichen Punkten  physikalisch-chemisch  beeinflußt  ist.  Vier  Ab- 
schnitte der  physikalischen  Chemie  sind  es,  die  nützliche  Fun- 
damente der  Biologie  geworden  sind  und  zweifellos  in  Zukunft 
noch  eine  erhöhte  Bedeutung  gewinnen  werden.  Es  sind  die 
klare  Fassung  des  Begriffs  vom  osmotischen  Druck  und  die 
Möglichkeit  seiner  exakten  Messung,  die  Theorie  der  elektro- 
lytischen Dissoziation,  die  präzisereu  Vorstellungen  über  die 
Beschaffenheit  der  Kolloide  und  endlich  die  Wiederbelebung  der 
Beschäftigung  mit  dem  Problem  der  Katalyse. 

An  einer  Anzahl  vortrefflich  gewählter  Beispiele  erläutert 
der  Vortragende  die  Bedeutung  dieser  vier  Momente  für  die 
Biologie.  So  werden  die  Beziehungen  des  osmotischen  Drucks 
des  Milieus,  in  dem  ein  Wesen  lebt,  zu  dem  osmotischen  Druck 
seiner  Körperfiüssigkeit  besprochen.  Es  werden  die  Beziehungen 
der  Junenpioteide  zu  Leben  und  Tod  der  Zelle  erörtert,  Be- 
ziehungen, für  deren  Aufklärung  Jonentheorie  und  Kolloidchemie 


-     211     — 

die  gleiche  Bedeutung  besitzen,  und  bei  denen  vielleicht  auch 
die  Katalyse  eine  gewisse  Rolle  spielt.  Ein  ähnliches  Zusammen- 
wirken mehrerer  Faktoren  ergibt  sich  weiter  bei  den  bemerkens- 
werten Forschungen  von  Jacques  Loeb  über  die  künstliche 
Parthenogenese,  als  deren  Resultat  feststeht,  daß  Seeigeleier 
beim  Verbringen  in  gewisse  Salzlösungen  sich  zu  teilen  beginnen 
und  zu  Larven  entwickeln,  ohne  daß  vorher  eine  Befruchtung 
erfolgt  ist.  Wesentlich  bestimmend  für  diese  Erscheinung  ist 
die  Art  und  die  osmotische  Konzentration  der  in  der  Salzlösung 
vorhandenen  Jonen.  Vom  Standpunkt  der  Kolloidchemie  wird 
ferner  eine  Reihe  von  Erfahrungen  über  die  Beeinflussung  des 
Lebensvorganges  durch  minimale  Spuren  fremder  Substanzen 
erörtert,  und  schließlich  werden  die  Fermentwirkungen  zu  den 
katalytischen  Erscheinungen  in  Beziehung  gebracht. 

7.  Sitzung  am  27.  November  1909. 

Dr.  E.  Strauß: 

,,Tierische  Farbstoffe." 

Bei  der  großen  Mannigfaltigkeit  der  im  Tierreich  vor- 
kommenden Farbstoffe  können  nur  einzelne  Vertreter  dieser 
Körperklasse  besprochen  werden,  und  zwar  wählt  der  Vor- 
tragende hauptsächlich  diejenigen  aus,  denen  eine  allgemeine 
biologische  Bedeutung  zukommt.  Substanzielle  Farben  finden 
sich  normalerweise  in  den  Körperflüssigkeiten  kreisend,  als  Se- 
krete besonderer  Drüsen  und  als  Ablagerungen  in  den  Geweben. 
Das  pathologische  Auftreten  gewisser  Farbsubstanzen  kann  als 
spezieller  Fall  der  letzteren  Art  des  Vorkommens  aufgefaßt  werden. 

Die  wichtigsten  Farbstoffe  der  ersten  Gruppe  sind  die 
Blutfarbstoffe.  Ihre  Aufgabe  ist  es,  als  Überträger  des  ein- 
geatmeten Sauerstoffs  in  den  Geweben  Oxydationen  im  weitesten 
Umfang  einzuleiten.  Die  im  Tierreich  verbreitetste  Art  von  Blut- 
farbstoff ist  das  Hämatin,  ein  an  einen  Eiweißkörper,  das  Globin, 
gebundener  eisenhaltiger  Komplex.  Die  Verbindung  beider  Stoffe, 
das  Hämoglobin,  gibt  dem  Wirbeltierblut  seine  rote  Farbe.  Bei 
den  niedrigsten  Formen,  beim  Lanzettfisch  und  bei  der  Jugend- 
form des  Aals,  scheint  es  jedoch  zu  fehlen.  In  Bezug  auf  seine 
Verbreitung  bei  wirbellosen  Tieren  herrscht  offenbar  eine  große 
Regellosigkeit.  Es  spielt  z.  B.  bei  den  Würmern  eine  wichtige 
Rolle ;  bei  Schnecken  und  Muscheln  findet  es  sich  nur  in  wenigen 

14* 


—     212    — 

Arten,  und  während  es  bei  den  Krebsen  sehr  verbreitet  ist, 
fehlt  es  wieder  fast  vollständig  bei  den  Insekten.  Bei  jenen 
Tieren  nun,  bei  denen  das  Hämoglobin  vermißt  wird,  scheint 
die  respiratorische  Tätigkeit  von  anderen  Farbstoffen  übernommen 
zu  werden,  so  bei  einigen  Würmern  von  dem  Chlorocruoriu  und 
dem  Hämerythriu,  bei  den  Mollusken  und  Krustazeen  von  dem 
Hämocj-anin,  einem  blauen  Farbstoff,  der  an  Stelle  des  Eisens 
Kupfer  enthält.  Im  Blute  einiger  Muscheln  finden  sich  auch 
farblose  respiratorische  Stoffe,  sogenannte  Achroglobine,  die 
Mangan  enthalten.  Eine  für  die  Entstehung  der  tierischen  Farb- 
stoffe überhaupt  höchst  wichtige  Erscheinung  bietet  das  Insekten- 
blut. Diese  fast  farblose  sogenannte  Hämolyraphe  wird  nämlich 
an  der  Luft  unter  Einwirkung  eines  oxydierenden  Fermentes 
schwarz  gefärbt,  ein  Vorgang,  den  man  als  Melanose  bezeichnet. 
Eingehende  Untersuchungen  haben  auch  eine  auffallende  Ver- 
wandtschaft zwischen  dem  Blutfarbstoff'  der  Tiere  und  dem  Blatt- 
grün der  Pflanzen  ergeben,  obwohl  zwischen  beiden  ein  wichtiger 
funktioneller  Unterschied  vorhanden  ist,  indem  das  eisenhaltige 
Hämoglobin  analytisch,  das  Magnesium  enthaltende  Chlorophyll 
synthetisch  wirkt.  Über  Bildung  und  Zerfall  des  Hämoglobins  im 
Tierkörper  sind  wir  noch  recht  spärlich  unterrichtet.  Bekannt  ist 
als  Umwandlungsprodukt  des  Hämatins  der  in  der  Leber  gebildete 
Gallenfarbstoff,  das  eisenfreie  Bilirubin,  das,  leicht  oxydierbar,  in 
alkalischer  Lösung  an  der  Luft  in  das  grüne  Biliverdin  übergeht. 

Von  sekretorischen  Farbstoffen  verdienen  die  Purpursäfte 
einiger  Meeresschnecken  {Äplysia,  Purpura  u.  a.)  und  das  schwarz- 
braune Drüsensekret  des  Tintenfischs  (Sepia),  das  Sepia-Melanin, 
wegen   ihrer    technischen    Verwendung   besondere   Erwähnung. 

Die  größte  Anzahl  verschiedener  Substanzen,  aber  auch 
die  größte  Unklarheit  in  chemischer  Hinsicht,  bieten  die  Fär- 
bungen der  tierischen  Gewebe.  Hier  sei  nur  kurz  erwähnt,  daß 
sich  möglicherweise  in  den  Tegumenten  grüner  Insekten  Chloro- 
phyll findet,  daß  bei  einer  Reihe  wirbelloser  Tiere  sogenannte 
Lipochrome  (fettlösliche  Farbstoffe)  auftreten,  zu  denen  die  blauen 
und  roten  Farbstoffe  des  Krebspanzers  zu  zählen  sind,  und  daß 
die  weißen  Farbstoffe  in  den  Flügeln  des  Kohlweißlings  der 
Harnsäurereihe  angehören.  Dies  sind  nur  einige  Beispiele  aus 
der  Fülle  von  Substanzen,  von  denen  zumeist  weiter  nichts  zu 
nennen  ist  als  der  Name.    Der  einzige  bis  jetzt  genauer  studierte 


—     213     — 

Gewebsfarbstoff  niederer  Tiere  ist  die  Cochenille,  das  pracht- 
volle rote  Pigment  einer  Pflanzeulaus  {Coccus  cacti) ^  dem  die 
Karminsäure  zugrunde  liegt.  Die  weiteste  Verbreitung  als  Ge- 
websfarbstoffe  der  Wirbeltiere  besitzen  die  sogenannten  Melanine, 
braune  oder  schwarze,  meist  schwefelhaltige  Substanzen,  die 
sicher  Eiweißabkömmlinge  sind  und  die  Färbung  der  Haare,  der 
Haut,  der  Horngebilde,  des  Auges  usw.  bedingen.  Sie  bilden 
auch  die  schwarzen  Pigmentkörner  mancher  Geschwülste  (Mela- 
nosarkome).  Ihre  chemische  Konstitution  ist  noch  fast  völlig 
unaufgeklärt.  Während  man  früher  annahm,  daß  sie  Zersetzungs- 
produkte des  Blutfarbstoffes  seien,  glaubt  man  jetzt,  mit  einiger 
Sicherheit  behaupten  zu  dürfen,  daß  sie  in  den  Zellen  selbst 
entstehen  und  zwar  unter  der  Einwirkung  von  Fermenten  auf 
bestimmte,  vom  Zellkern  ausgehende  Chromogensubstanzen. 
Wahrscheinlich  bilden  für  die  Entstehung  aller  oder  doch  der 
meisten  Farbstoffe  des  Organismus  die  chromogenen  Gruppen 
der  Eiweißmoleküle  den  Ausgangspunkt. 

8.  Sitzung  am  4.  Dezember  1909. 

Oberlehrer   Dr.  R.  Richter: 
„Die  Entstehung  desRheintalsvon  der  Quelle  bis  Mainz." 

Die  Talbildung  ist  erst  auffällig  spät  zum  Gegenstand 
wissenschaftlicher  Forschung  gemacht  worden.  Als  man  über 
den  Gebirgsbau  längst  gute  Vorstellungen  hatte,  bestanden  über 
sie  noch  ganz  unhaltbare  Auffassungen,  obgleich  die  Talbildung 
auf  den  Charakter  vieler  Gebirge  keinen  geringeren  Einfluß 
ausübt,  als  es  die  gebirgsbildenden  Vorgänge  selbst  tun.  In 
letzter  Linie  war  es  erst  die  Untersuchung  der  schweizerischen 
Täler  und  vor  allem  des  Rheintals  durch  Rütimeyer,  die  die 
Täler  allgemein  als  Werke  des  fließenden  Wassers  erkennen  lehrte. 

Die  talbildende  Kraft  ist  überall  dieselbe.  Wenn  trotzdem 
die  Täler,  selbst  die  einzelnen  Strecken  unseres  Rheintals,  ver- 
schiedene Formen  annehmen  können,  so  wissen  wir  heute,  daß 
hierbei  eine  ganz  bestimmte  Gesetzmäßigkeit  obwaltet.  So  sind 
alle  Längstäler  rasch  zur  Reife  gelangt  und  zeigen  ruhige, 
ausgeglichene  Formen,  während  die  Quertäler  noch  im  Kampf 
mit  dem  größeren  Gesteinswiderstand  stehen  und  sich  mit  ihren 
Engen  und  Fällen  alle  Merkmale  der  Jugend  bewahrt  haben. 
Andere  Talstrecken  sind  wirklich  jugendliche  Bildungen,  die  der 


—     214     — 

Rhein  erst  später  begonnen  und  bis  heute  noch  nicht  bis  zur 
Reife  der  älteren,  zu  ihren  Gunsten  verlassenen  Talstrecken 
fertig  gestellt  hat.  Endlich  hat  auch  die  Eiszeit  die  von  Glet- 
schern durchströmten  Talstrecken  umgestaltet  und  in  den  Jugend- 
zustand der  unausgeglichenen  Gegensätze  zurückversetzt. 

Aus  solchen  Elementen,  die  bei  aller  Verschiedenheit  das 
eine  gemeinsam  haben,  daß  es  vom  Wasser  selbst  ausgeräumte 
Hohlformen  sind,  setzt  sich  das  Rheintal  von  der  Quelle  bis 
Basel  zusammen.  Die  Hohlform  von  Basel  bis  Mainz  dagegen  ist 
nicht  vom  Rhein  geschaffen ,  überhaupt  nicht  oberflächlich  aus- 
geräumt worden.  Ihr  Boden,  ein  schmaler  Streifen  der  Erdkruste, 
ist  vielmehr  in  die  Tiefe  versenkt  worden,  und  der  Rhein  hat 
diese  Hohlform  schon  offen  vorgefunden.  Es  handelt  sich  also 
hier  gar  nicht  um  ein  Tal  im  eigentlichen  Sinne,  vielmehr  ist 
dieser  Begriff  auf  die  vom  Rhein  geschaffene  Rinne  am  Boden 
des  Grabens  einzuschränken.  Das  Rheintal  hat  sich  also  aus 
sehr  verschieden  gebauten  Stücken  nach  und  nach  zusammen- 
gefügt, und  seine  Geschichte  ist  wohl  zu  unterscheiden  von  der 
Geschichte  des  Rheinlaufes. 

9.  Sitzung  am  11.  Dezember  1909. 

Prof.  Dr.  E.  Kaiser,  Gießen: 
„Die  Entstehung  des  Rheintals  von  Mainz  bis  Köln." 

Unter  Benützung  einer  Reihe  von  Tafeln  und  von  sehr 
instruktiven  Lichtbildern  schildert  der  Vortragende  in  großen 
Umrissen  die  Entstehungsgeschichte  des  Rheinischen  Schiefer- 
gebirges und  bespricht  sodann  eingehender  die  Talbildung. 
Zu  Ende  des  Miozäns  oder  zu  Beginn  des  Pliozäns  war  das 
ganze  Gebiet  des  jetzigen  Rheintals  von  Mainz  bis  Köln  ein 
flacher  Schild,  der  nur  wenig  über  den  Meeresspiegel  hervor- 
ragte. Eine  gleichmäßige  Emporhebung  des  Gebirges  oder  ein 
Absinken  der  vorlagerndeu  Teile  bedingte  zusammen  mit  den 
allgemeineren  Erscheinungen  der  Vergletscherung  Nord-  und 
Süddeutschlands  ein  gleichmäßiges  und  allmähliches  Einschneiden 
des  Tals.  Dieses  Einschneiden  erfolgte  aber  nicht  auf  einmal 
sondern  in  Intervallen,  in  denen  Zeiten  der  Talvertiefung  mit 
solchen  der  Aufschüttung  von  Kies  und  Sand  in  den  bisherigen 
Hohlformen  des  Tals  miteinander  wechselten.  Dadurch  wurde 
ein  terrassenförmiger  Bau  der  Talflanken  bedingt.    Die  einzelnen 


—     215     — 

Talstufen  lassen  sich  auf  weite  Strecken  verfolgen  und  sind  mit 
besonderen  Namen  belegt  worden.  Es  zeigt  sich,  daß  ähnliche 
Talstufen  auch  im  Gebiet  des  oberen  Rheintals  auftreten,  und 
daß  bei  der  Entstehung  einzelner  von  ihnen  ein  Zusammenfallen 
mit  bestimmten  Zeiten  der  diluvialen  Vergletscherung  zu  ver- 
folgen ist.  Die  Zahl  der  Stufen  innerhalb  des  Rheinischen  Schiefer- 
gebirges scheint  von  Norden  nach  Süden  zuzunehmen.  Während 
man  in  der  Gegend  von  Köln  nur  drei  Stufen  deutlich  von- 
einander unterscheiden  kann,  ist  ihre  Zahl  oberhalb  Koblenz 
am  Rhein  und  an  der  Mosel  scheinbar  sehr  viel  größer,  und 
gegen  den  Südrand  des  Rheinischen  Schiefergebirges  in  der 
Gegend  von  Bingen  scheint  eine  größere  Zahl  von  einzelnen 
Terrassen  am  Gehänge  aufzutreten.  Dabei  sind  die  gleichalt- 
rigen Terrassen  in  den  anstoßenden  Teilen  des  Oberrheintals 
in  einem  sehr  viel  tieferen  Niveau  abgesetzt,  so  daß  in  diesem 
Gebiet  besondere  tektonische  Bewegungen  angenommen  werden 
müssen,  die  ein  Absinken  des  Oberrheintals  auch  noch  in  jung- 
diluvialer  Zeit  bedingt  haben.  Damit  steht  eine  relative  Empor- 
hebung des  Rheinischen  Schiefergebirges  selbst  in  Zusammen- 
hang und  zwar  in  der  Weise,  daß  sein  südlicher  Teil  stärker, 
dabei  aber  nicht  gleichmäßig  sondern  in  Zwischenpausen  ge- 
hoben worden  ist.  Hiermit  hängt  auch  die  größere  Zahl  der 
Terrassen  im  Süden  zusammen. 

Auf  vulkanische  Erscheinungen  der  Tertiärzeit  sind  die 
Kuppen  zurückzuführen,  die  zu  den  Seiten  des  Rheintals  die 
Hochfläche  des  Schiefergebirges  überragen.  Auf  vulkanische 
Erscheinungen  der  Diluvialzeit  deuten  Schlackenkegel,  Lava- 
ströme und  Bimssteinüberschüttungen  hin,  die  namentlich  in 
der  weiteren  Umgebung  des  Laacher-See-Gebietes  auftreten. 

Abgesehen  von  diesen  jungen  vulkanischen  Aufschüttungen 
ist  die  Talbildung  innerhalb  des  Rheinischen  Schiefergebirges, 
also  etwa  von  Bingen  bis  Linz,  allein  ein  Werk  der  Erosion, 
des  Einschneidens  des  Flusses.  Die  Widerstandskraft  der  ver- 
schiedenartigen Gesteine  zeigt  sich  nur  in  der  Form  der  Tal- 
hänge, in  der  Enge  und  Weite  des  Tals.  Erst  weiter  draußen, 
von  Linz  an  rheinabwärts,  tritt  der  Rhein  in  das  Gebiet  der 
Niederrheinischen  Bucht  und  ist  hier  von  dem  tektonischen  Ein- 
brüche derselben  abhängig.  Er  verändert  aber  auch  hier  wieder 
durch  Erosion  seine  Lage  und  die  Form  der  Aufschüttung. 


—     216    — 

Der  Mensch  hat  den  größten  Teil  der  Talentwickelung  des 
Rheins  auch  hier  mitangeseheu,  zum  Teil  in  primitivstem  Natur- 
zustand, unter  wechselnden  klimatischen  Verhältnissen  und  von 
den  mannigfachsten  Naturerscheinungen  bedroht. 

10.  Sitzung  am  8.  Januar  1910. 

Prof.  Dr.  R.  Goldschraidt,  München: 
„Das  Problem  der  Geschlechtsbestimmung." 

Unter  Hinweis  auf  die  in  dem  Problem  selbst  liegenden 
Schwierigkeiten  erwähnt  der  Vortragende  kurz  die  zahllosen, 
vergeblichen  Versuche  zu  seiner  Lösung.  Wie  in  der  gesamten 
Biologie  können  auch  hier  nur  exakte  Beobachtung  und  ein- 
wandfreies Experiment  zum  Ziel  führen.  Der  Ausgangspunkt 
des  Organismus  ist  die  Eizelle.  Nun  wirft  sich  sofort  die  Frage 
auf:  ist  das  Geschlecht  des  zukünftigen  Individuums  schon  im 
unbefruchteten  Ei  festgelegt,  wird  es  erst  durch  die  Befruchtung 
bestimmt,  oder  ist  auch  noch  eine  nachträgliche  Geschlechts- 
bestimmung des  befruchteten  Eies  möglich?  Außerordentlich 
zahlreiche  Beobachtungen  und  die  sorgfältigsten  Experimente 
haben  seither  zu  keinem  sicheren  Entscheid  geführt;  vielmehr 
lassen  sich  für  die  Berechtigung  der  Annahme  sämtlicher  drei 
Möglichkeiten  gewisse  Gründe  anführen,  wenn  auch  die  Hypothese 
einer  nachträglichen  Bestimmung  des  Geschlechts  auf  den 
schwächsten  Füßen  steht. 

In  neuester  Zeit  hat  mau  das  schwierige  Problem  durch 
eine  sorgfältige  Anahse  der  Eigenschaften  der  Geschlechtszellen 
selbst  zu  klären  gesucht.  Unter  dem  Einfluß  der  modernen 
Vererbungsforschung,  die  in  dem  Mendelschen  Bastardierungs- 
gesetz gipfelt,  ist  man  dazu  gekommen,  „Männlichkeit"  und 
„Weiblichkeit"  als  zwei  Elementareigenschaften  der  Geschlechts- 
zellen und  die  Fortpflanzung  als  eine  Bastardierung  zu  betrachten, 
wobei  das  Ergebnis  der  Befruchtung  in  Bezug  auf  das  Geschlecht 
den  gleichen  Gesetzen  unterliegen  muß,  w^ie  sie  für  die  Bastar- 
dierung überhaupt  gelten.  Im  Gegensatz  zu  dieser  Anschauung,  die 
qualitative  Verschiedenheiten  in  den  Geschlechtszellen  annimmt, 
stehen  Vorstellungen,  die  aus  den  zellulären  Untersuchungen 
abgeleitet  werden.  Sie  scheinen  zu  zeigen,  daß  ein  Quantitäts- 
unterschied in  der  chemisch  wichtigsten  Substanz  der  Zelle, 
dem  Chromatin,   über  die  Frage  „männlich  oder  weiblich"  ent- 


—     217     — 

scheidet,  und  zwar  in  dem  Sinne,  daß  das  gewissermaßen  besser 
ausgestattete  Laboratorium  zu  einem  Weibchen,  das  weniger 
gut  eingerichtete  zu  einem  Männchen  führt. 

Mit  einem  bedeutungsvollen  Ausblick  auf  die  praktischen 
Konsequenzen  der  Lösung  des  Problems  der  Geschlechtsbe- 
stimmung schließt  der  Redner  seinen  interessanten  Vortrag. 

11.  Sitzung  am  15.  Januar  1910. 

Dr.  R.  Kahn : 

„Über   schlagende  Wetter." 

Die  erschreckende  Anzahl  von  Menschenleben,  die  alljähr- 
lich in  den  Kohlengruben  den  schlagenden  Wettern  zum 
Opfer  fällt,  rechtfertigt  das  große  Interesse,  das  diesen  Erschei- 
nungen allgemein  entgegengebracht  wird.  „Schlagende  Wetter" 
sind  ein  besonderer  Fall  der  in  der  Chemie  unter  dem  Namen 
„Knallgasexplosionen"  bekannten  Erscheinung.  Solche  Explo- 
sionen treten  immer  ein,  wenn  ein  brennbares  Gas  mit  einem 
Gase,  das  die  Verbrennung  zu  unterhalten  imstande  ist,  in  be- 
stimmten Verhältnissen  innig  gemengt  einer  Entzündung  unterliegt. 
In  den  Kohlenbergwerken  ist  natürlich  genügend  Luft  vorhanden, 
um  den  zu  einer  solchen  Verbrennung  notwendigen  Sauerstoff  zu 
liefern.  Das  brennbare  Gas  entsteht  aber  bei  dem  langsamen  Zer- 
setzungsprozeß, dem  die  Kohle  bei  ihrer  Umwandlung  aus  Holz  in 
Anthrazit,  die  älteste  bekannte  Form  der  Steinkohle,  unterliegt. 

Das  Gas,  das  sich  hauptsächlich  in  den  Kohlengruben  findet, 
ist  ziemlich  einheitlicher  Natur  und  wird  Gruben-  oder  Sumpf- 
gas genannt,  da  es  auch  häufig  in  Sümpfen  entsteht,  in  denen 
sich  Holz  unter  Luftabschluß  zersetzt.  Es  besteht  vorwiegend 
aus  dem  niedrigsten  Kohlenwasserstoff,  den  die  Chemiker  Methan 
nennen.  Dieses  Gas  verbrennt  angezündet  ruhig  an  der  Luft 
mit  schwach  leuchtender  Flamme,  mit  Luft  oder  Sauerstoff  ge- 
mengt aber  unter  heftiger  Detonation. 

Die  verheerende  Wirkung  der  schlagenden  Wetter  ist 
größtenteils  in  der  kolossalen  Hitze  zu  suchen,  mit  der  die 
Verbrennung  vor  sich  geht,  so  daß  alles,  was  sich  im  unmittel- 
baren Gebiet  der  Explosion  befindet,  verbrennen  muß.  Daß  die 
Wirkungen  gewöhnlich  noch  viel  weiter  greifen,  ja  öfters  das 
ganze  Bergwerk  umfassen,  liegt  zum  Teil  daran,  daß  durch  die 
Wärmeentwickelung  eine  plötzliche  und  außerordentlich  starke 


—     218     — 

Ausdehnung  der  Luft  stattfindet,  die  solche  Gewalt  ausüben  kann, 
daß  Menschen  direkt  weggeschleudert,  an  die  Wandungen  ge- 
worfen, zermalmt  und  erdrückt  werden.  Findet  die  sich  aus- 
breitende Luft,  wie  es  in  den  engen  Gängen  und  Winkeln  der 
Bergwerke  fast  immer  der  Fall  ist.  Widerstände,  die  sie  am 
raschen  Entweichen  nach  außen  hindern,  so  wird  die  Gewalt 
ihres  Stoßes  die  Holz-  und  Eisenstützen  einreißen,  durch  die 
die  Stollen  und  Gänge  gesichert  sind,  ja  das  Gebirge  selbst  kann 
unter  ihrem  Druck  zum  Einsturz  gelangen. 

Man  hat  natürlich  eine  Reihe  von  Mitteln  erdacht,  um  vor 
den  schlagenden  Wettern  zu  warnen  und  ihre  Entzündung  zu 
verhüten.  Hauptsächlich  kommt  ausgiebige  Berieselung  der  be- 
drohten Felder  mit  Wasser  in  Betracht,  wodurch  der  feine 
Kohlenstaub  aus  der  Luft  niedergeschlagen  wird,  so  daß  bei 
Eintritt  einer  Explosion  die  Flamme  keine  weitere  Nahrung 
finden  kann.  Denn  in  der  Regel  sind  die  schlagenden  Wetter 
mit  einer  Reihe  darauf  folgender  „Kohlenstaubexplosionen''  ver- 
knüpft, die  häufig  die  Ursache  der  großen  Ausdehnung  der 
Explosionen  bilden.  Gute  Dienste  können  der  auf  der  hohen  Dif- 
fusionsgeschwindigkeit des  Grubengases  beruhende  An  sei  Ische 
Gasindikator  und  die  verschiedenen  Formen  der  Grubenlampen 
leisten.  Daß  diese  Apparate  indessen  oft  versagen,  hat  seine 
Ursache  in  der  Unvollkommenheit  alles  Menschenwerks  und  in 
den  besonders  ungünstigen  Bedingungen,  die  derartige  empfind- 
liche Instrumente  im  Innern  der  Kohlengruben  finden. 

Wenn  die  kolossalen  Mengen  Grubengas,  die  täglich  den 
Kohlenflözen  entströmen,  aufgefangen  werden  könnten,  so  würde 
man  durch  ihre  Verbrennung  enorme  Kraftleistungen  vollbringen 
können.  Man  könnte  Gasmaschinen  mit  ihnen  treiben  und  Erze 
mit  ihrer  Hilfe  verhütten.  Auch  als  Ballongas  wäre  das  Gruben- 
gas verwendbar,  da  es  viel  leichter  als  Luft  ist.  Vielleicht  mag  es 
einer  fernen  Zukunft  gelingen,  die  schlagenden  Wetter  zu  bändigen 
und  sie  zugleich  unseren  Kulturzwecken  dienstbar   zu  machen. 

12.  Sitzung  am  22.  Januar  1910. 
Prof.  Dr.  G.  Greim,  Darmstadt: 

„Die  Zirkulation  der  Ozeane." 
Von  der  besonderen  Eigenart  der  Meeresströmungen  aus- 
gehend, die  sich  von  den  auf  dem  Festland  vorhandenen  Strö- 


—     219     — 

miingen  wesentlich  unterscheiden,  erwähnt  der  Vortragende  die 
in  dieser  Eigenart  begründeten  Methoden  zur  Untersuchung  der 
Oberflächeuströmungen,  um  sodann  die  Theorien  zur  Erklärung 
der  Strömungen  genauer  zu  erörtern.  Bis  vor  kurzem  galt, 
zwar  von  manchen  Seiten  widersprochen,  doch  bei  den  meisten 
Ozeanographen  fast  allgemein  anerkannt,  die  von  Zoeppritz 
1878  genauer  begründete  Wind- (Trift-)  theorie,  die  den  Wind 
(oder  besser  die  großen  Systeme  in  der  Zirkulation  der  Atmo- 
sphäre) als  Ursache  für  die  Entstehung  der  Meeresströmungen 
ansieht.  Zoeppritz  hatte  die  Fortpflanzung  der  Impulse  der 
Atmosphärenbewegung,  die  natürlich  nur  auf  die  Oberfläche 
wirken  können,  in  die  Tiefen  des  Wassers  sehr  plausibel  gemacht 
und  durch  Rechnungen  gestützt.  Dieser  Theorie  trat  in  den 
letzten  Jahren  eine  andere  gegenüber,  die  unter  Führung  Nansens 
von  einer  Reihe  hauptsächlich  nordischer  Forscher  auf  die  Ver- 
hältnisse in  den  Nordmeeren  und  die  Ergebnisse  ihrer  Unter- 
suchung gestützt  und  experimentell  und  rechnerisch  verfolgt 
wurde.  Sie  verneint  die  Atmosphärenbewegungen  als  Ursachen 
der  großen  Meeresströmungen  und  erklärt  die  Zirkulation  der 
Ozeane  für  einen  von  der  Atmosphäre  unabhängigen,  selb- 
ständigen Kreisprozeß  der  Wärme,  in  dem  die  warmen  Wasser 
der  tropischen  Meere  und  die  Eisschmelze  in  den  arktischen 
Gewässern  die  Hauptfaktoren  sind.  Durch  die  Eisschmelze 
werden  danach  in  erster  Linie  die  Strömungen  erzeugt  und  die 
Wärme  dadurch  in  Bewegung  verwandelt.  Über  beide  Theorien 
hat  sich  neuerdings  unser  deutscher  Ozeanograph  Krümmel 
geäußert,  der  insofern  einen  vermittelnden  Standpunkt  einnimmt, 
als  er  rät,  vorläufig  überhaupt  nicht  von  Ursachen,  sondern 
von  Konstituenten  der  großen  Strömungen  in  den  Ozeanen  zu 
sprechen. 

13.  Sitzung  am  29.  Januar  1910. 

Prof.  Dr.  H.  Sachs: 

„Die  Reaktionsfähigkeit  des  Organismus  gegenüber 

artfremden  Stoffen." 

Der  unermeßlichen  Mannigfaltigkeit  äußerer  Formen,  denen 

wir  in  der  belebten  Welt  begegnen,   steht  in  weiten   Grenzen 

eine  merkwürdige  Monotonie  gegenüber,  wenn  man  den  Aufbau 

der  einzelnen  Organe  und  Gewebe  sowie  ihre  Anordnung  verfolgt 


—     220     — 

oder  mit  den  Hilfsmitteln  der  Chemie  ihre  Bausteine  analysiert. 
Obwohl  man  bei  rationeller  Betrachtungsweise  aus  zahlreichen 
naheliegenden  Gründen  bereits  annehmen  mußte,  daß  mit  den 
auffälligen  Ähnlichkeiten  auch  tiefgreifende  Differenzen  gepaart 
sind,  ist  es  doch  erst  dem  letzten  Jahrzehnt  vorbehalten  ge- 
blieben, die  Mittel  und  Wege  aufzufinden,  durch  die  es  mit 
Sicherheit  gelingt,  die  Gewebsbestandteile  verschiedener  Tierarten 
zu  differenzieren. 

Die  hierzu  dienenden  Methoden  beruhen  auf  der  Reaktions- 
fähigkeit des  Organismus  gegenüber  artfremden  Stoffen.  Der 
Teil  der  biologischen  Wissenschaften,  der  sich  mit  dem  Studium 
dieser  Reaktionen  beschäftigt,  die  Immunitätsforschung,  trägt 
ihren  Namen  heute  nicht  mehr  ganz  zu  Recht.  Ursprünglich 
hatte  man  nämlich  diese  Reaktionsfähigkeit  des  Organismus  bei 
der  Einverleibung  von  krankheitserregenden  Bakterien  oder 
ihren  giftigen  Stoffwechselprodukten  entdeckt.  Man  hatte  fest- 
gestellt, daß  der  Organismus,  falls  es  nicht  zum  tödlichen 
Ausgang  kommt,  eine  Immunität  zurückbehält,  die  ihm  gegenüber 
dem  erneuten  Eindringen  der  gleichen  Krankheitsursache  einen 
Schutz  verleiht,  und  daß  die  Blutflüssigkeit  (das  Blutserum) 
dabei  eine  neue  Eigenschaft  gewinnt,  die  es  befähigt,  auf  die 
Bakterien  oder  ihre  Gifte  so  einzuwirken,  daß  sie  ihre  krankheits- 
erregende Funktion  einbüßen.  Man  nennt  daher  solche  Sera 
(Antisera)  „Immunsera".  Mit  der  Zeit  hat  sich  aber  immer 
allgemeiner  ergeben,  daß  die  nämliche  Reaktion sfähigkeit  des 
Organismus  nicht  nur  gegenüber  schädlichen  Agentien  besteht, 
sondern  gegenüber  artfremden   Stoffen  im  allgemeinsten  Sinne. 

Werden  z.  B.  einem  Kaninchen  menschliche  Eiweißbestand- 
teile, etwa  Blutserum,  eingespritzt,  so  erfolgen  im  Kaninchen- 
organismus tiefgreifende  Umwälzungen,  die  wir  daran  erkennen, 
daß  das  Kaninchenblutserum  neue  Eigenschaften  annimmt.  Diese 
Eigenschaften  können  wir  in  sinnfälliger  Weise  nachweisen. 
Mischt  man  nämlich  ein  derart  gewonnenes  „Anti" -serum  mit 
einer  Lösung  von  menschlichem  Eiweiß,  so  entsteht  ein  Nieder- 
schlag, der  beim  Mischen  des  gleichen  Antiserums  mit  einer 
andersartigen  Eiweißart  (etwa  Pferdeserum)  ausbleibt.  Man 
nennt  diesen  Vorgang  Präcipitation  und  die  im  Antiserum  ent- 
haltenen wirksamen  Stoffe  Präcipitine.  Ein  anderes  Verfahren, 
das  die  besondere  Beschafi'enheit  des  Antiserums  zum  sichtbaren 


—     221     — 

Ausdruck  bringt,  beruht  auf  dem  Prinzip  der  sogenannten 
„Komplementbindung".  Die  beim  Zusammentreffen  einer  eiweiß- 
haltigen Flüssigkeit  mit  dem  entsprechenden  Antiserum  erfolgende 
Reaktion  führt  nämlich  zu  einem  Produkt,  das  die  Fähigkeit 
besitzt,  gewisse  blutzerstörende  Stoffe,  die  Komplemente  genannt 
werden,  zu  binden.  Man  erkennt  also  die  stattgehabte  Wirkung 
daraus,  daß  schließlich  die  Zerstörung  (Hämolyse)  von  roten 
Blutkörperchen  ausbleibt,  während  sie  dann,  wenn  die  eine  der 
beiden  erforderlichen  Komponenten  fehlt,  eintritt. 

Das  Gemeinsame  beider  Methoden,  die  von  dem  Vortragenden 
demonstriert  werden,  ist  die  Spezifität  der  Wirkung.  Hierdurch 
unterscheiden  sich  die  in  den  Antisera  enthaltenen  Reagenzien, 
die  „Antikörper",  von  allen  anderen  bekannten  Stoffen.  Daher 
gelingt  es,  mit  diesen  Stoffen,  die  uns  die  Reaktionsfähigkeit 
des  Organismus  an  die  Hand  gibt,  die  Differenzen  in  der  Kon- 
stitution der  Materie  verschiedener  Arten,  die  man  früher  nicht 
nachweisen  konnte,  mit  Sicherheit  aufzudecken.  Andererseits 
ist  daraus  eine  erfolgreiche  Methode  entstanden,  um  die  Ver- 
wandtschaft im  Tierreich  zu  verfolgen  und  neues  Material  im 
Sinne  der  Deszendeuzlehre  aufzufinden. 

Die  Reagenzien,  welche  die  Antikörper  darstellen,  haben 
aber  auch  eine  vielseitige  praktische  Bedeutung.  So  sind  sie 
mit  größtem  Erfolg  der  gerichtlichen  Praxis  nutzbar  gemacht 
worden,  indem  es  auf  die  geschilderte  Weise  gelingt,  die  Herkunft 
von  Blutspuren  zu  bestimmen.  Das  Verfahren  kommt  ferner 
auch  in  der  Fleischbeschau  und  zum  Nachweis  von  Fleisch-  und 
Wurstverfälschungen  (Pferdefleisch)  zur  Anwendung.  Auch  zu 
zahlreichen  anderen  Zwecken  (Honigverfälschungen,  Unter- 
scheidung verschiedener  Milcharten,  Nachweis  von  Blut  in 
blutsaugenden  Insekten  usw.)  ist  die  Methode  herangezogen 
worden. 

Obwohl  man  das  Studium  der  Reaktionen  des  Organismus, 
die  zu  dem  Auftreten  der  Antikörper  im  Blutserum  führen, 
allgemein  als  Immunitätsforschung  bezeichnet,  ist  diese  Bezeich- 
nung für  die  hier  behandelten  Reaktionen,  wie  schon  anfangs 
erörtert,  nur  in  einem  stark  übertragenen  Sinne  zu  verstehen. 
Ja,  bei  geeigneter  Versuchsanordnung  tritt  sogar,  wie  die  Er- 
fahrungen der  letzten  Jahre  gezeigt  haben,  mit  großer  Regel- 
mäßigkeit  eine  Zustandsänderung  im  Organismus   ein,   die  das 


_     222     — 

Gegenteil  von  Immunität  darstellt.  Die  mit  artfremdem  uu- 
giftigem  Material  vorbehandelten  Tiere  werden  nämlich  „schutzlos" 
gegenüber  der  sonst  für  sie  gefahrlosen  Einverleibung  des  gleichen 
Materials,  indem  sie  nunmehr  mit  den  schwersten  Krankheits- 
erscheinungen reagieren.  Man  hat  die  derart  veränderte  Re- 
aktionsfähigkeit des  Organismus  „Anaph3iaxie''  genannt.  Da 
auch  die  Anapli3'laxie  spezifisch  ist,  hat  man  sie  ebenso  wie 
die  Antikörper  zu  praktisch -diagnostischen  Zwecken  heran- 
gezogen. 

Man  kann  also  in  diesem  Fall  nicht  mehr  von  Immunisierung 
und  Immunität  sprechen.  Wenn  trotzdem  nach  Einverleibung 
artfremder  Stoffe,  gleichgültig  ob  es  sich  um  Bakterien  oder 
völlig  uugiftiges  Material  handelt,  Reaktionsprodukte  im  Blut- 
serum, die  Antikörper,  entstehen,  die  im  Reagensglas  prinzipiell 
gleichartig  wirken,  so  ergibt  sich,  daß  die  Entstehung  von 
Immunsera,  die  wir  zu  Heil-  oder  Schutzzwecken  verwenden 
(wie  das  Diphtherieserum),  nur  den  Spezialfall  eines  allgemeinen 
biologischen  Grundgesetzes  darstellt,  das  in  der  Reaktionsfähigkeit 
des   Organismus   gegenüber    artfremden    Stoffen    begründet   ist. 

14.  Sitzung  am  5.  Februar  1910. 

F.  W.  Winter: 
„Neuere   Untersuchungen    über   Biologie    und   Fort- 
pflanzung   der    Foraminiferen.    ein    Bild    aus    der 
Kleinleb  e  weit." 

Die  Gruppe  von  Organismen,  die  der  Vortragende  bespricht, 
ist  ein  Seitenzweig  des  Stammes  der  Einzelligen,  der  an  dessen 
Basis  entsprungen  ist  und  sich  selbständig  weiter  entwickelt 
hat.  Bei  dem  hohen  Wert,  den  diese  schalentragenden  kleinen 
Organismen  für  die  Zusammensetzung  unserer  Erdkruste  gehabt 
haben  und  durch  ihr  massenhaftes  Auftreten  auch  für  die  Bil- 
dung der  Sedimente  und  den  Aufbau  unserer  Korallenbänke 
und  vieler  geologischer  Ablagerungen  heute  noch  besitzen,  ver- 
lohnt es  sich  wohl,  sich  in  das  Studium  ihrer  Gestalt,  ihrer 
Lebensweise  und  ihrer  Fortpflanzung  zu  vertiefen.  Es  über- 
rascht bei  näherer  Betrachtung,  wie  hier  vielfach  Gehäuseformen 
auftreten,  die  äußerlich  den  Schalen  der  verschiedensten  Or- 
ganismen aus  höhereu  Tiergruppen  ähnlich,  „konvergent"  sind. 
Wurmröhren   aus  Sand   gebildet    oder   die  Röhren  der  Köcher- 


—     223     — 

fliegenlarven  gleichen  auffällig  den  Gehäuseröhren ,  die  Fora- 
miuiferen  aus  Saud  aufbauen.  Die  langgezogenen,  spitzkegeligen, 
kalkigen  Schalen  dieser  Organismen  erinnern  an  manche  Schnecken- 
und  Belemnitenschalen ;  spiral  aufgerollt,  ähneln  sie  dagegen  ge- 
wissen Wurmschaleu,  von  denen  sie  sich  zum  Teil  äußerlich 
nur  bei  genauer  Untersuchung  unterscheiden  lassen.  Wenn  solche 
Röhren  durch  Querwände  in  einzelne  Kammern  geteilt  sind, 
erscheinen  Schalenformen,  die  ausgestorbenen  kleinen  Ammoniten- 
schalen  so  ähnlich  sind,  daß  die  Wissenschaft  eine  Zeitlang 
beide  Gruppen  zusammenfaßte.  Diese  Konvergenz  der  gleichen 
Reaktionen  auf  gleiche  äußere  Faktoren  zeigt  sich  weiter  bei 
den  vollständig  freischwebenden  Formen,  die  je  nach  ihrem 
Gewicht  und  der  Beschaffenheit  des  Meerwassers  wie  viele 
andere  planktonische  Organismen  verschieden  starke  Schwebe- 
strahlen  ausbilden. 

Die  Bedeutung  der  Foraminiferen  für  die  Geologie  und 
Paläontologie  ist  schon  lange  bekannt.  Schon  in  den  frühesten 
Zeiten  der  Erdgeschichte,  in  denen  lebende  Organismen  auf- 
treten, finden  sich  Vertreter  der  Gruppe,  die  nun  in  allen  marinen 
Ablagerungen  angetroffen  wird.  Eine  der  Perioden  ihrer  Haupt- 
entwickelung fällt  in  die  Kreidezeit,  wie  die  Zusammensetzung 
der  hoch  aufgetürmten  Gebirge  jener  Schichten  zeigt;  ihre 
Bezeichnung  „Kreidetierchen"  ist  diesem  Vorkommen  entnommen. 
Eine  weitere,  ganz  plötzliche  Eutwickeluug  zeigt  ein  Seitenzweig 
der  Foraminiferen,  die  Nummuliten,  zu  einer  Zeit,  als  die  Haupt- 
entwickelung der  Säugetiere  im  Früheozän  begann.  Während 
die  heutigen  Formen  höchstens  bis  zu  Zentimetergröße  heran- 
wachsen, besaßen  die  Nummuliten  Talergroße.  Das  Nummuliten- 
gebiet,  auf  das  wir  jetzt  in  den  Mittelmeerläudern  überall  bis 
in  hohe  Erhebungen  hinauf  stoßen,  zeigt  seine  westlichen  Spuren 
in  Amerika  und  erstreckt  sich  nach  Osten  an  dem  Südrande 
Asiens  hin  bis  nach  Java.  Während  die  Nummuliten  durch  ge- 
waltige Bodenerhebungen  rasch  untergehen,  schreiten  die  Ab- 
lagerungen der  Hochseeforaminiferen  seit  der  Kreideformation 
unabänderlich  und  gleichartig  weiter;  besonders  ist  hieran  die 
Gattung  Globigerina  beteiligt,  die  sich  bei  zunehmender  Kammer- 
zahl unter  Auflösung  der  übrigen  Kammern  in  eine  einzige 
Kugelschale,  Orbidma,  umwandelt  und  in  ungeheurer  Zahl  heute 
noch  alle  wärmeren  Meere  bewohnt.    Hier  haben  hauptsächlich 


—     224     — 

die  modernen  Tiefsee-Expeditionen  aufklärend  gewirkt  und  ge- 
zeigt, daß  der  Boden  des  Meeres  ein  getreues  Abbild  seiner 
an  der  Obertläche  lebenden  schalentragenden  Organismen  ist. 
In  größerer  Tiefe  lösen  sich  die  Globigeriuenschalen,  die  beim 
Sinken  immer  dünner  werden,  schließlich  mit  anderem  Material 
zu  einem  grauen  Kalkschlamm  auf,  den  wir  vielfach  auf  unserer 
Erde  antreffen. 

Das  Studium  der  Fortpflanzung  dieser  Organismen  erklärt 
die  Möglichkeit  ihrer  massenhaften  Entwickelung.  Im  Durch- 
schnitt betrachtet  zeigen  sich  die  Foraminiferen  einerseits  als 
Formen,  die  mit  einer  kleinen  Aufangskammer  beginnen,  anderer- 
seits als  solche  mit  einer  großen  Anfangskammer.  Von  außen 
gesehen  sind  die  Schalen  gleich.  Die  kleinkammerigen  Formen 
zerfallen  nach  Ende  des  Wachstums  unter  Verlust  der  Schalen 
in  über  hundert  Teilstücke,  die  der  Aufangskammer  der  groß- 
kammerigen  Formen  entsprechen  und  zu  solchen  heranwachsen. 
Ist  dies  geschehen,  so  bilden  die  großkammerigen  in  Form  von 
Gameten  die  Geschlechtsprodukte,  von  denen  sich  zwei  zu  einer 
amöbenähnlichen  Zelle  vereinigen,  die  sich  mit  einer  Hülle  um- 
gibt und  so  die  erste  Kammer  der  kleinkammerigen  Formen  dar- 
stellt. Von  Interesse  sind  im  besonderen  die  Verhältnisse  des  Kerns, 
der  wie  bei  allen  Organismen  auch  hier  aus  einem  absterbenden 
Ernährungschromatin  und  einem  Fortpflanzungschromatin  be- 
steht. Das  letztere  läßt  aus  sich  das  erstere  wieder  hervor- 
gehen. Sehr  merkwürdig  ist,  daß  viele  Foraminiferen  Parasiten 
enthalten,  von  denen  gewisse  kommensale  Algen  außerordentlich 
häufig  in  einer  einzigen  Foraminifere  vorkommen,  bis  über 
hunderttausend,  obwohl  das  Wirtstier  nur  2—3  Millimeter  groß  ist. 
Daß  eine  einzige  Zelle  an  sich  allerdings  unschädliche  Parasiten 
in  solcher  Menge  enthält,  steht  einzig  da.  Die  kommensalen 
Algen,  die  außerhalb  des  Wirtstieres  eine  andere  Lebensweise 
führen,  vererben  sich  bei  der  Zerfallsteilung,  so  daß  die  durch 
diese  Fortpflanzung  hervorgegangenen  Jugendformen  hierdurch 
infiziert  werden. 

15.  Sitzung  am  12.  Februar  1910. 
Prof.  Dr.  M.  Möbius: 
„Eine  botanische  Exkursion  nach  Algier  und  Tunis." 
(Siehe  diesen  Bericht,  Heft  1  u.  2  S.  76.) 


—     225     — 

16.  Sitzung  am  19.  Februar  1910. 
Prof.  Dr.  W.  Sc  häuf: 

„Über  den  Odenwald." 
Während  sich  die  Vorträge  vom  4.  und  11.  Dezember  1909 
mit  dem  Rheingraben  und  der  Entstehung  des  Rheindurchbruches 
beschäftigten,  bittet  der  Redner  die  Versammlung,  ihm  heute  auf 
einem  Ausflug  in  eins  der  Glieder  des  oberrheinischen  Gebirgs- 
systems,  in  den  Odenwald,  zu  folgen.  Das  alte  Faltengebirge 
hat  durch  Abtragung,  Auflagerung  von  Schichtgesteinen,  Ein- 
bruch des  Rheingrabens,  damit  in  Verbindung  stehende  Ver- 
werfungen und  weitere  Abhobelung  seinen  heutigen  Charakter 
erhalten.  Am  Bau  des  „kristallinen"  Odenwalds  beteiligen  sich 
außer  Eruptivgesteinen  (Granit,  Gabbro,  Diorit)  Reste  der  auf- 
gefalteten Schichten,  die  durch  den  Einfluß  der  Granite  usw.  in 
„kristalline"  Schiefer  übergeführt  worden  sind.  Ein  Teil  der 
sogenannten  „Gneiße"  ist  aber  durch  Gebirgsdruck  während  der 
Erstarrung  geschieferter  Granit.  Granite  und  ihre  Verwandten 
sind  aus  Schmelzmassen  hervorgegangen,  die  bei  ihren  Ausbruchs- 
versuchen in  der  Tiefe  stecken  blieben;  Quarzporphyre,  Mela- 
phyre,  Basalte  dagegen  haben  sich  über  die  Erdoberfläche  er- 
gossen, und  wir  treSen  sie  heute  als  Decken  oder  Kanalaus- 
füllungen an.  Staubstürme  haben  während  einer  Trockeuperiode 
der  Diluvialzeit  die  Täler  mit  Löß  angefüllt  und  die  Berge  bis 
zu  bedeutenden  Höhen  damit  bedeckt. 

17.  Sitzung  am  26.  Februar  1910. 
Dr.  F.  D  r  e  V  e  r  m  a  n  n  ; 

„Eine  geologische  Forschungsreise    in   die  Sierra 

More  na." 
(Siehe  diesen  Bericht,  Heft  1  u.  2  S.  123.) 

18.  Sitzung  am  5.  März  1910. 

Dr.  K.  Priem el: 

„Über  den  wissenschaftlichen  Wert  der  Pflege  und 

Schaustellung  lebender  Tiere." 

Zunächst   tritt   der   Redner    der   Meinung   entgegen ,    daß 

Beobachtungen    an   gefangengehaltenen    Tieren,    sofern  sie   bei 

einer  richtigen,  möglichst  naturgemäßen  Haltungsweise  angestellt 

15 


—     226     — 

werden,  Schlüsse  auf  deren  Freileben  nicht  zulassen,  und  führt 
als  Beispiel  die  Zuchtversuche  an,  die  Dr.  Heinroth-Berlin  mit 
empfindlichen,  wenig  bekannten  deutschen  Vögeln  im  Zimmer 
vorgenommen  hat.  Die  Zucht  des  Ziegenmelkers  (Caprinmkjiis 
europaeus)  wird  in  Lichtbildern  vorgeführt.  Auch  der  heutige 
Stand  der  Vivarienkunde  wird  eingehend  besprochen;  sie  geht 
von  dem  Grundsatz  aus,  den  gefangenen  Tieren  so  weit  als 
möglich  die  gleichen  Lebensbedingungen  zu  bieten,  wie  sie  in 
der  Natur  gegeben  sind,  die  Tiere  also  gewissermaßen  in  einem 
nachgeahmten  Naturausschnitt  zu  pflegen.  Die  Bedeutung  des 
Vivariums  als  Hilfsmittel  der  biologischen  Forschung  wird  durch 
Beispiele  aus  der  Entwickelungsmechanik ,  der  Vererbungs- 
forschung und  der  Tierpsychologie  dargelegt.  Auch  auf  den 
hohen  pädagogischen  Wert  des  Vivariums  wird  hingewiesen  und 
die  Anlegung  von  Schul-Aquarien  und  -Terrarien  zur  Ergänzung 
des  naturwissenschaftlichen  Unterrichts  empfohlen. 

Der  zweite  Teil  des  Vortrages  behandelt  die  wissenschaft- 
liche Bedeutung  der  zoologischen  Gärten  und  Tierparks.  Nach 
der  Ansicht  des  Redners  sollen  bei  der  Anlegung  eines  zoo- 
logischen Gartens,  der  Anspruch  auf  Wissenschaftlichkeit  machen 
will,  im  großen  und  ganzen  systematische  Grundsätze  leitend 
sein;  andererseits  sollen  überall  da,  wo  es  ungezwungen  möglich 
ist,  die  Gehege  „biologisch  eingerichtet",  also  den  Lebens- 
bedingungen ihrer  Bewohner  angepaßt  sein.  Das  Bestreben, 
den  gefangeneu  Tieren  im  zoologischen  Garten  soweit  als  möglich 
natürliche  Verhältnisse  zu  bieten,  ist  jedoch  keineswegs  neu,  wie 
in  den  letzten  Jahren  oft  behauptet  worden  ist.  Eingehend 
verbreitet  sich  der  Vortragende  über  die  Aufgaben  der  zoo- 
logischen Gärten  als  Volksbildungsstätten  und  als  wissenschaft- 
liche Institute  und  führt  an  zahlreichen  interessanten  Beispielen 
aus,  wie  ein  richtig  zusammengesetzter  Bestand  lebender  Tiere  mög- 
lichst nutzbringend  für  die  Wissenschaft  verwendet  werden  kann. 
Dem  vielfach  falsch  verstandenen  Begriff  „Akklimatisation" 
werden  längere  Ausführungen  gewidmet.  Als  völlig  „akklimati- 
siert" betrachtet  der  Keduer  nur  solche  fremdläudischeu  Tiere, 
die  sicii  in  unseren  Breiten  in  freier  Wildbahn  ohne  Zutun  des 
Menschen  durch  eigene  Nahrungssuche  selbst  erhalten,  wie  z.  B. 
von  alters  her  den  ursprünglich  ostasiatischen  Jagdfasan  und  neuer- 
dings den  sardiuisch-korsikanischen  Mufflon.  Als  „in  beschränktem 


—     227     — 

Maße  akklimatisationsfähig"  kann  z.  B.  der  afrikanische  Strauß 
gelten,  der,  wenn  er  in  unserem  Klima  zur  Fortpflanzung 
schreiten  soll,  sich  in  einem  gewissen  Abhängigkeitsverhältnis 
zum  Menschen  befindet,  von  dem  er  Pflege  und  Nahrung  erhält. 
Der  größte  Teil  der  Tiere  in  den  zoologischen  Gärten  ist  nicht  als 
„akklimatisiert",  sondern  als  „eingewöhnt"  zu  bezeichnen,  da 
ihnen  außer  einer  oft  recht  komplizierten  Ernährungsweise  zum 
dauernden  Wohlbefinden  auch  unbedingt  bestimmte  Temperaturen 
geboten  werden  müssen,  trotz  aller,  neuerdings  so  häufig  auf- 
gestellten gegenteiligen  Behauptungen.  Versuche  in  den  zoo- 
logischen Gärten  geben  den  besten  Aufschluß,  welche  fremd- 
ländischen Tiere  sich  für  eine  rationelle  Domestikation  durch 
den  Menschen  aus  volkswirtschaftlichen  Gesichtspunkten  und 
welche  sich  für  das  Leben  in  freier  Wildbahu  zur  Ergänzung 
unseres  Wildbestandes  eignen.  Voreiliges  Aussetzen  fremd- 
ländischer Tiere  kann  zu  einer  schweren  Plage  werden.  Da 
man  durch  Akklimatisation  fremdländischer  Tiere  gewissermaßen 
Fälschungen  vornimmt,  zu  denen  der  Rückgang  unseres  heimischen 
Wildbestandes  allerdings  nötigt,  ist  es  im  höchsten  Grade  zu 
wünschen ,  daß  die  heimische  Natur  wenigstens  in  genügend 
großen  Reservaten,  in  sog.  Naturschutzparks,  in  unverfälschter 
Reinheit  erhalten  werden  möge. 

Weiter  behandelt  der  Redner  die  Wichtigkeit  der  zoo- 
logischen Gärten  als  Lieferanten  von  frischem ,  häufig  mit 
wichtigen  biologischen  Notierungen  versehenem  Material  für 
anatomische,  histologische  und  embryologische  Studien.  Enge 
Zusammenarbeit  der  Gärten  mit  zoologischen  Museen  und  Labora- 
torien ist  in  jeder  Beziehung  zu  erstreben.  Beobachtungen  über 
Wachstumsverhältnisse  besonders  größerer  Tiere,  über  Balz- 
und  Begattungsvorgänge,  über  Bastardierungen  u.  a.  m.  sind  in 
den  zoologischen  Gärten  leicht  anzustellen.  Auch  manche  Frage 
der  zoologischen  Systematik  ist  in  den  zoologischen  Gärten  geklärt 
worden;  denn  lediglich  aus  der  dauernden  Beobachtung  des 
gefangenen  Tieres  lassen  sich  jahreszeitliche  Neufärbungen, 
Jugend-  und  definitive  Kleider  erkennen. 

Der  Redner  schließt  seine  interessanten  Ausführungen  mit 
dem  Wunsche,  daß  ein  gleich  gutes  Verhältnis  der  zoologischen 
Gärten  mit  den  naturwissenschaftlichen  und  medizinischen  In- 
stituten wie  hier  in  Frankfurt   auch  in  anderen  Städten  Platz 

15* 


—     228     — 

greif eu  möge,  und  mit  einer  kurzen  Vbersicht  über  die  während 
des  letzten  Jahres  im  hiesigen  Zoologischen  Garten  ausgeführten 
wissenschaftlichen  Arbeiten. 

19.  Sitzung  am  12.  März  1910. 

Dr.  E.  Wolf: 
„Die   Inseln   der   Süd  see   und   ihre   Bewohner." 

Der  Vortragende  hat  sich  im  verflossenen  Jahr  im  Auftrag 
der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft  als  Zoolog 
an  der  Hanseatischen  Südsee-Expedition  beteiligt.  Die  Reise 
führte  von  Singapore  aus  über  die  Molukken  nach  den  Palau- 
Inseln,  Neu-Guinea  und  dem  Bismarck- Archipel,  die  als  deutsche 
Besitzungen  besonders  eingehend  untersucht  wurden :  von  hier 
aus  erstreckte  sie  sich  über  die  Neu-Hebriden,  Fidji-  und  Tonga- 
Inseln,  Samoa,  Cook-  und  Austral-Inseln  und  Tahiti  bis  zu  den 
Niedrigen  Inseln  (Paumotus)  und  berührte  auf  dem  Rückwege 
nochmals  Samoa,  sowie  die  S.  Cruz-Gruppe,  die  Salomonen,  West- 
Karolinen  und  Philippinen,  um  schließlich  wieder  in  Singapore 
zu  endigen.  Die  geologischen  Verhältnisse  dieser  Gebiete  werden 
eingehend  erörtert ;  der  Vulkanismus  und  die  Tätigkeit  der 
Korallen  spielen  beim  Aufbau  dieser  Inselgruppen  die  Hauptrolle. 
Zahlreiche  Beobachtungen,  die  auf  der  Reise  gemacht  wurden, 
geben  der  Theorie  Darwins  von  der  Entstehung  der  Korallen- 
riffe eine  neue  Stütze.  Fauna  und  Flora  lassen  im  westlichen 
Teil  der  durchforschten  Gebiete  an  Üppigkeit  und  Schönheit 
nichts  zu  wünschen  übrig,  während  der  äußerste  Osten  als  sehr 
arm  an  Tieren  und  Pflanzen  angesprochen  werden  muß.  Immer- 
hin sind  gerade  die  deutschen  Gebiete,  namentlich  auch  Samoa, 
im  allgemeinen  sehr  fruchtbar,  so  daß  die  Arbeit  der  Ansiedler 
nach  einigen  Jahren  reich  belohnt  wird. 

Die  Bewohner  der  Südsee-Inseln  kann  man  als  Melanesier, 
Mikronesier  und  Pol3'nesier  auseinander  halten,  die  sich  in  der 
Hautfarbe,  dem  Haarwuchs,  der  Sprache,  in  Sitten  und  Gebräuchen 
deutlich  unterscheiden.  Von  den  Tausenden  von  Inseln  ist  bis 
jetzt  nur  ein  kleiner  Teil  der  Kultur  zugänglich  gemacht  worden, 
so  daß  hier  noch  weite  Gebiete  vorhanden  sind,  in  denen  uns 
Land  und  Leute  in  voller  Naturwüchsigkeit  entgegentreten. 


229     — 


Aus  dem  Leben  unserer  Zuckmücken 
(Cliironomiden). 


Mit  8  Abbildungen 
von 

P.  Sack. 


Bei  einem  Spaziergang,  den  man  an  einem  scliönen,  sonnigen 
Sommertag  in  die  Umgebung  Frankfurts,  etwa  nach  der  Königs- 
wiese, nach  Wilhelmsbad  oder  nach  den  sumpfigen  Wiesen  des 
Niddatals  unternimmt,  fallen  stets  größere  oder  kleinere  Schwärme 
von  Mücken  auf,  die  im  Sonnenschein  ihren  Reigen  aufführen. 
Über  Wiesengräben  tanzen  Scharen  langbeiniger  Tipuliden  und 
zarter  Limnobien;  an  Büschen,  die  recht  stark  von  der  Sonne 
beschienen  werden,  schweben  Tausende  von  plumpen  schwarzen 
oder  ziegelroten  Haarmücken  (Bibioniden),  und  über  sonnigen 
Wegen  schwärmen  an  schwülen  Tagen  winzige,  nur  1 — 2  mm 
große  Kribbel mucken  oder  Simuliden.  Die  großen  dichten  Schwär- 
me aber,  die  hauptsächlich  in  den  Strahlen  der  Abendsonne 
„geigen"  und  durch  ihren  stoßweise  auf-  und  abwiegenden  Flug 
auffallen,  bestehen  aus  Zuckmücken  oder  Chironomiden.  Es  sind 
fast  ausschließlich  die  mit  mächtigen  Federbüschen  geschmückten 
Männchen,  die  sich  zum  Hochzeitstiuge  zusammenfinden,  während 
die  trägen  schmucklosen  Weibchen  in  der  Nähe  an  Baumstämmen, 
auf  Blättern  oder  au  Grashalmen  des  Gemahles  harren.  Nach 
einer  Reihe  von  Regentagen  kann  die  Zahl  der  ausgeschlüpften, 
hochzeitsfähigen  Männchen  eine  ungeheure  werden,  so  daß  sich 
unter  besonders  günstigen  Bedingungen  turmhohe  Säulen  bilden 
können,   wie  von  einwandfreien  Biologen  wiederholt  beobachtet 


—     230     — 

worden  ist.  Schöne  geschlossene  Mückenschwärrae  werden  im 
Volke  als  Verkünder  guten  Wetters  angesehen  und  daher  von 
alt  und  jung  freudig  begrüßt. 

Die  Zuckmücken  sind  den  Stechmücken  (Culiciden)  sehr 
ähnlich  und  müssen  wohl  auch  als  deren  nächste  Verwandte 
angesehen  werden.  Gleich  diesen  besitzen  die  Männchen  piusel- 
oder  büschelförmige  Fühler  (Fig.  1  u.  2),  die  die  Träger  eines 
außerordentlich  scharfen  Geruchsinnes  sind  und  den  Tieren  das 


Fig.  1.     Chironomus  spec.    .^,    (Dorsalansichtj.     Vergr.  A^>-A. 


Aufsuchen  der  Weibchen  ermöglichen.  Diese  können  einen 
Kopfschmuck  leicht  entbehren,  da  weder  die  Sorge  um  Nahrung 
noch  um  die  Nachkommenschaft  eine  feinere  Ausbildung  der  Sinne 
erfordert;  sie  tragen  daher  nur  schlichte  geißeiförmige  Fühler. 
Auch  in  ihrer  ganzen  Tracht  stimmen  die  Chironomiden  mit  den 
Culiciden  so  überein,  daß  beide  Familien  für  den  Laien  nur 
schwer  voneinander  zu  unterscheiden  sind.  Der  kurze,  auffallend 
hoch  gewölbte  Mittelleib  (Thorax)  und  der  schlanke  achtringelige 
Hinterleib  machen  die  meisten  Arten  beider  Gruppen  zum  Ver- 
wechseln ähnlich.  Die  Chironomiden  kann  man  daran  erkennen, 
daß  sie  im  Sitzen  nur  auf  den  beiden  letzten  Beinpaaren  ruhen, 
dabei  die  Vorderbeine  über  den  Kopf  emporstrecken  und  damit 


—     231     — 

ohne  Unterlaß  zuckende  Bewegungen  ausführen  (Fig.  2).  Die 
Stechmücken  dagegen  stützen  sich  auf  die  beiden  vorderen  Bein- 
paare und  strecken  die  Hinterbeine  in  die  Höhe.  Für  die  toten 
Tiere  liefern  die  Flügel  das  beste  Unterscheidungsmerkmal. 
Während  sie  bei  den  Chironomiden  nur  ein  sehr  blasses  zartes 
Geäder  zeigen,  besitzen  die  Culicidenflügel  sehr  kräftige  Adern, 
die  durch  die  reihenweise  augeordneten  Schuppen  noch  besonders 
auffallen  (Fig.  3). 


Fig.  2.    Chirononms  S  JQ  sitzender  Stellung'.     Vergr.  4x1. 


Fig.  3.     Culex,  Flügel.    Vergr.  8x1. 


Unsere  einheimischen  Chironomiden  sind  zum  größten  Teil 
recht  harmlose  Tieie,  da  ihr  Rüssel  meist  sehr  kurz  oder  rudi- 
mentär und  zum  Stechen  ungeeignet  ist.  Eine  Ausnahme  bilden 
nur  die  kleinen  Ceratopogonarten,  die  stets  einen  etwas  ver- 
längerten Rüssel  haben  und  gelegentlich  recht  lästig  werden 
können.  Wer  im  EMihsommer  auf  dem  Lande  bei  offenem 
Fenster  schläft,  wird  häufig  durch  ein  Kribbeln  und  Jucken 
auf  der  Haut ,  besonders  im  Gesicht  und  an  den  Händen , 
im  Schlafe  gestört  werden.  Die  Ruhestörer  sind  am  Morgen 
an  den  oberen  Fensterscheiben  zu  finden.  Es  sind  winzig  kleine, 
oft  nur  1  mm  große  Mücken  aus  der  Gattung  Ceratopogon,  die 
nachts  von  einer  benachbarten  Wiese  durch  die  offenen  Fenster 
in  die  Wohnräume  gekommen  sind.  Da  diese  Tiere  mit  ihrem 
kurzen  Rüssel  nicht  tief   stechen  können,   sind  die  Folgen  des 


—     232     — 

Stiches  meist  nach  kurzer  Zeit  wieder  verschwundeu.  In  den 
wärmeren  Ländern  gibt  es  aber  unter  den  Chironoraiden  auch 
echte  Blutsauger,  die  wegen  ihrer  Blutgier  eine  Plage  für  Men- 
schen und  Tiere  sind.  Manche  Ceratopogonarten  sind  dort 
mehr  gefürchtet  als  die  Moskitos  (Culiciden),  da  sie  infolge 
ihrer  Kleinheit  durch  die  feinmaschigen  Moskitonetze  schlüp- 
fen, so  daß  man  sich  gegen  diese  Quälgeister  überhaupt 
nicht  schützen  kann.  Berüchtigt  ist  der  in  Italien  lebende 
Myctei'otiipiis  Noe. 

Die  Larven  und  Puppen  der  Chironomideu  leben  fast  alle 
im  Wasser.  Daher  trifft  man  auch  die  entwickelten  Tiere  im 
Freien  vorwiegend  in  der  Nähe  von  Gewässern  an.  Da  die 
meisten  das  helle  Licht  scheuen,  sieht  man  nur  wenige  in  der 
Sonnenhitze  fliegen  und  kann  sie  deshalb  am  besten  in  den 
Morgen-  und  Mittagstunden  in  ihren  Verstecken  aufsuchen.  In 
feuchten  Gebüschen  findet  man  den  großen  CJtironomus  plumostis 
und  seine  Verwandten,  ferner  den  durch  eine  Flügelbiude  aus- 
gezeichneten Ch.  flexills  und  den  grün  und  schwarz  gebänderten 
Ch.  pedeUus,  der  ebenso  wie  der  hellgrüne  Ch.  rindis  abends 
nach  dem  Lichte  fliegt  und  oft  in  unglaublicher  Zahl  unter  der 
Lampe  auf  dem  Tische  gefunden  wird.  Auf  der  Unterseite  von 
Blättern,  namentlich  in  der  Nähe  kleiner  Tümpel,  trifft  man  die 
sammetschwarz  und  zitronengelb  gebänderten  Cricotopusarten ; 
an  Sumpfrändern  streift  man  Arten  der  Gattung  Tanypus,  die 
durch  ihre  schwarz-weiß  geringelten  Beine  und  ihre  gescheckten 
Flügel  auffallen.  An  Grashalmen  sitzen  meist  die  kleinen  ein- 
farbigen (schwarzen  oder  braunen)  Camptocladiusarten  {aterrimus 
und  byssus),  die  dann  beim  Schöpfen  massenhaft  in  das  Netz 
geraten.  Über  Waldbächen  schwebt  im  Spätherbst  eine  unserer 
kleinsten  Mücken,  Coryoneura  atra,  die  massenhaft  von  den 
Fischen,  namentlich  von  den  jungen  Forellen,  weggeschnappt 
werden.  Die  größeren  Arten  werden  in  Unzahl  von  insekten- 
fressenden Vögeln  verzehrt  und  von  Fröschen  erbeutet,  und  da 
die  Zuckmücken  zuweilen  in  unglaublicher  Menge  vorkommen, 
so  ist  es  leicht  begreiflich,  daß  viele  Fische  und  Frösche  zu 
gewissen  Zeiten  sich  fast  ausschließlich  von  Chironomideu 
ernähren.  Die  Zuckmücken  sind  demnach  als  Nahrung  für 
kleine  Nutztiere  von  nicht  zu  unterschätzender  wirtschaftlicher 
Bedeutung. 


—     233     — 

In  viel  höherem  Maße  gilt  dies  aber  für  die  Larven  und 
Puppen  dieser  Insekten,  deren  Entwickelung  für  jeden  Natur- 
freund recht  viel  Interessantes  und  Merkwürdiges  bietet.  Nur 
verhältnismäßig  wenig  Cliironomidenlarven  leben  außerhalb  des 
Wassers.  Die  Larven  der  schwarzen  Camptocladiusarten  hat 
man  z.  B.  im  Dung  und  in  faulendem  Laube  gefanden.  Einige 
Ceratopogonarten  leben  als  Larven  bei  Ameisen.  Auch  unter 
der  Rinde  abgestorbener  Äste,  in  verwesenden  Pilzen,  im  Moose 
und  in  feuchter  Erde  trifft  man  die  charakteristischen  Larven 
von  Zuckmücken  an;  eine  Art  (Ceralopogo)i  resinicola)  lebt 
sogar  im  flüssigen  Harze  unserer  Kiefer.  Die  bei  weitem  über- 
wiegende Zahl  der  Arten  bewohnt  jedoch  das  Wasser.  Fast 
in  keiner  Wasseransammlung,  sei  sie  noch  so  klein,  fehlen  die 
Chironomiden.  Jeder  Teich,  jed^r  Bach,  der  kleinste  Wasser- 
tümpel, ja  jede  Pfütze  in  der  Umgebung  Frankfurts  enthält 
solche  Larven.  Die  Schlammbänke  des  Luderbaches  und  des 
Metzgerbruches  wimmeln  oft  von  diesen  Geschöpfen;  in  den 
Wiesengräben  bei  Ginnheira  und  Seckbach  ist  der  Grund  zu- 
weilen wie  eine  Bienenwabe  von  den  Gängen  dieser  Larven 
durchlöchert.  Die  Algenpolster  in  den  Enkheimer  Sümpfen  und 
im  südlichen  Teile  des  Buchrainweihers  sind  oft  dicht  mit  ihnen 
besetzt.  Und  da  mehrere  Generationen  während  eines  Jahres  zur 
Entwickelung  kommen,  trifft  mau  sie  im  Februar  ebenso  häufig 
wie  in  den  Sommermonaten.  Unglaublich  geradezu  ist  die  Menge, 
in  der  sie  vorkommen  können.  Thumm  berichtet,  daß  er  ein- 
mal aus  12  Liter  Bodenschlamm  fast  3  Liter  reine  Mückeularven 
aussieben  konnte.  Dabei  ist  ihr  Vorkommen  nicht  etwa  auf 
die  Ebene  beschränkt ;  in  den  Wasseransammlungen  der  uns 
umgebenden  Mittelgebirge,  vor  allem  in  denen  des  Vogelsberges, 
fehlen  sie  ebensowenig  wie  in  den  Alpenseen,  wo  sie  noch  in 
einer  Höhe  von  2000  m  in  Menge  gefunden  werden. 

Daß  die  fetten,  nur  schwach  chitinisierten  Larven  der 
Zuckmückeu  für  unsere  Wassertiere  ein  recht  willkommener 
Leckerbissen  sind,  ist  längst  bekannt ;  aber  erst  in  neuerer  Zeit 
hat  man  die  Bedeutung  der  Chironomiden  als  Fischnahrung  richtig 
erkannt.  S3'stematische  Untersuchungen  des  Mageninhaltes  haben 
gezeigt,  daß  über  die  Hälfte  unserer  deutscheu  Nutzfische  sich  aus- 
schließlich oder  fast  ausschließlich  von  Chironomuslarven  nährt. 
Für  viele  Hj'drobiologen  ist  daher  die  Quantität  der  im  Grund- 


—     234     — 

schlämm  vorkommenden  Zackmückenlarven  geradezu  ein  Grad- 
messer für  die  Nutzfähigkeit  des  betreffenden  Gewässers. 

In  den  letzten  Jahren  hat  man  auch  gelernt,  die  C'hirono- 
midenlarven  als  Nahrung  für  Aquarienfische  zu  verwenden. 
Seitdem  einzelne  Handlungen  diese  Tiere  das  ganze  Jahr  über 
lebend  versenden,  hat  dieses  billige  „lebende  Fischfutter"  die 
Daphnien  zum  großen  Teil  verdrängt,  da  diese  nur  einen  Teil 
des  Jahres  über  in  genügender  Menge  zu  erhalten  sind.  In 
dem  Aquarium  unseres  Zoologischen  Gartens  kann  man  beobachten, 
mit  welcher  Gier  die  Fische  sich  auf  die  blutroten  Mückenlarven 
stürzen,  die  ihnen  als  Futter  gereicht  werden.  Auch  die  Aktinien 
nehmen  dieses  Nahrungsmittel  gerne  an,  so  daß  auch  sie  jetzt 
vorwiegend  damit  gefüttert  werden. 

Es  ist  erstaunlich,  wie  lange  die  Mückenlarveu,  die,  nur 
wenig  befeuchtet,  in  kleinen  Kästchen  verschickt  werden,  am 
Leben  bleiben.  Viele  von  ihnen  zeigen  allerdings  auch  in  der  freien 
Natur  ein  außerordentlich  zähes  Leben.  Einzelne  Arten  sind 
Bewohner  von  Abwässern,  denen  durch  Fäulnisvorgänge  fast 
aller  Sauerstoff  entzogen  wird,  und  die  oft  einen  so  hohen 
Chlorgehalt  zeigen,  daß  fast  alles  organische  Leben  in  ihnen 
erloschen  ist.  Im  Luderbach  haben  sich  zwischen  der  Königs- 
wiese und  Neu-Isenburg  an  vielen  Stellen  schwarze  Schlammbänke 
gebildet,  die  beim  Umrühren  sehr  stark  nach  Schwefelwasserstoff 
riechen.  Dort  findet  man  das  ganze  Jahr  hindurch  gewisse 
Arten  von  Chironomidenlarven  in  großer  Zahl.  Da  sie  zu  Gattungen 
gehören,  von  denen  man  nur  pflanzenfressende  Arten  kennt, 
kann  man  wohl  mit  Recht  annehmen,  daß  sie  fortgesetzt  an 
der  Beseitigung  der  verwesenden  Stoffe  im  Wasser  arbeiten 
und  mithin  für  die  Reinigung  der  übelriechenden  Abwässer  von 
größter  Wichtigkeit  sind. 

Nachdem  man  erkannt  hat,  welche  wirtschaftliche  Be- 
deutung die  Larven  der  Zuckmücken  für  die  biologischen  Ver- 
hältnisse unserer  Binnengewässer  besitzen,  beginnt  man  jetzt 
auch,  die  Ent Wickelung  dieser  Tiergruppe  genauer  zu  beobachten. 
Man  weiß  allerdings  noch  herzlich  wenig  davon ;  aber  dieses 
Wenige  enthält  so  interessante  Tatsachen,  daß  es  sich  wohl 
verlohnt,  näher  auf  sie  einzugehen. 

Die  kleinen  zigarrenförmigen  Eier  der  Chironomiden  werden 
von  den  wasserbewohnenden  Arten  —  es  ist  im  folgenden  aus- 


—     235     — 

schließlich  von  diesen  die  Rede  —  in  oder  unmittelbar  an  das 
Wasser  gelegt.  Sie  bilden  entweder  Schnüre,  in  denen  die  Eier 
in  einer  oder  in  mehreren  Reihen  nebeneinander  angeordnet 
und  durch  eine  gallertartige  Masse  miteinander  verbunden 
sind,  oder  sie  werden  ungeordnet  in  Klumpen  abgesetzt.  Nach 
ein  paar  Tagen  schlüpfen  die  kleinen  wurmförmigen  Larven,  die 
sich  von  den  köpf-  und  fußlosen  Maden  der  Fliegen  dadurch 
unterscheiden,  daß  sie  einen  deutlichen  Kopf  und  ein  bis  zwei 
Paar  Fußstummel  besitzen,  von  denen  das  erste  Paar  an  dem 
vordersten   der    zwölf    Körpersegmeute,    das    zweite   Paar    am 


Fig.  4.     Chironoiims-Lavve.     Vergr.  3x1. 

letzten  Körperring  sitzt  (Fig.  4).  Am  Kopfe  lassen  sich  schon 
bei  schwacher  Vergrößerung  zwei  AugenÜecken,  ein  Paar  Fühler 
und  beißende  Mundwerkzeuge  erkennen.  Ein  Unterschied  zwischen 
Brust-  und  Hinterleibsringen,  den  die  Culicidenlarven  zeigen, 
ist  bei  den  Larven  der  Zuckmücken  nicht  wahrzunehmen.  Sehr 
deutlich  ist  dieser  Unterschied  dagegen  bei  den  Puppen,  deren 
Kopf  meist  durch  ein  Paar  auffallender,  heller  Kiemenbüschel 
geziert  ist  (Fig.  5).  Die  Puppe  schwimmt  entweder  frei  umher, 
oder  sie  hält  sich  in  dem  von  der  Larve  verfertigten  Gehäuse  ver- 
borgen, das  sie  dann  erst  unmittelbar  vor  dem  Ausschlüpfen 
der  Imago  verläßt. 

Den  merkwürdigen  Bauten  der  Chironomidenlarven  haben 
in  den  letzten  Jahren  die  Biologen  ihre  Aufmerksamkeit  mehr 
und  mehr  zugewendet,  nachdem  hauptsächlich  Thienemann*) 
darauf  hingewiesen  hat,  daß,  von  den  Trichopteren  abgesehen, 
keine  Insektengruppe  eine  solche  Mannigfaltigkeit  von  Bautypen 
aufweist  wie  die  Larven  der  Zuckmücken.  Aber  nicht  alle 
Arten  bauen  Gehäuse ;  den  räuberischen  Tanypusarten,  die  sich 
vorwiegend  von   kleinen  Krustern  und  Würmern  nähren,   wäre 


*)  Thienemann  „Die  Metamorphose  der  Chironomiden".  Zeitschr.  f. 
wissensch.  Insektenbiologie.  4.  Bd.,  S.  95.  1908.  —  „Die  Bauten  der  Chirono- 
miden''.  Zeitschr.  f.  d.  Ausbau  der  Entwickelungslehre.  3.  Bd.,  S.  1.  1909. 


—     236     — 

ein  Kücher  bei  der  Jagd  nur  hinderlich.  Diese  Larven  besitzen 
ebensowenig  wie  die  fleischfressenden  Trichopteren  ein  Gehäuse. 
Nur  diejenigen  Formen,  die  sich  von  Detritus  oder  von  Pflanzen 
nähren,  bauen  zum  Schutze  ihres  weichen  Körpers  ein  Gespinst. 
Den  Baustoff  liefern   zwei  Spinndrüsen,   die   in   der  Mundhöhle 


Fig.  5.     Chrrononms-I'\iT^i>e.     Vergr.  6x1. 

münden  und  ein  dickflüssiges  klebriges  Sekret  absondern,  dessen 
chemische  Zusammensetzung  man  noch  nicht  kennt.  Bei  der 
Berührung  mit  Wasser  erhärtet  dieses  Drüsensekret,  so  daß  die 
Larve  aus  den  entstandenen  Fäden  ein  regelrechtes  Gespinst 
herstellen  kann,  das  oft  noch  durch  die  Aufnahme  von  Fremd- 
körpern, wie  Sandkörnchen  oder  Diatomeenschalen,  verstärkt 
wird.  Das  Sekret  scheint  nicht  bei  allen  Arten  von  derselben 
chemischen  Beschaffenheit  zu  sein.  Bei  einer  kleinen  Gruppe 
von  Zuckmücken  erhärtet  es  nämlich  nicht  vollständig,  sondern 
quillt  zu  einer  gallei'tartigen  Masse  auf,  die  keiu  festes  Gehäuse 
bildet. 

Dem  verschiedenartigen  Baumaterial  entsprechend  ist  auch 
die  Form  der  Gehäuse  eine  verschiedene;  die  Gallertgehäuse 
weichen  in  ihrem  Bau  von  den  Gespinstgehäusen  nicht  unbe- 
deutend ab.  Die  einfachste  Form  der  Gehäuse  ist  eine  an  beiden 
Enden  offene,  überall  gleichweite  Röhre,  die  entweder  ihrer 
ganzen  Länge  nach  auf  einer  Unterlage  angeheftet  oder  so  in 
den  Schlamm  eingebettet  ist,  daß  nur  die  beiden  aufwärts  ge- 
bogenen Enden  etwas  über  dem  Boden  liegen  (Fig.  6).  In  solchen 


—     237     — 

Röhren  leben  z.  B.  die  bekannten  roten  Mückenlarven  aus  der 
Gattung  Chironomiis.  In  den  langsam  fließenden  Gewässern  sind 
die  Bauten  so  angelegt,  daß  der  Wasserstrom  durch  die  Rühre  hin- 
durch fließt.  Durch  fortwährendes  Schwingen  des  Körpers  können 


Fig.  6.     Längsschnitt  durch  ein  Larvengehäuse 
von  Chironomus.     Natürliche  Grijße. 

die  Larven  aber  auch  einen  künstlichen  Strom  erzeugen,  der 
ihnen  frisches  Atemwasser  und  neue  Nahrung  zuführt.  Das 
Gewebe  dieser  Röhren  ist  so  locker,  daß  die  Larve  die  Röhre 
jederzeit  erweitern  und  ausbessern  kann.  Daher  kommt  es, 
daß  diese  überall  gleich  weit  sind.  Ganz  anders  ist  dies  bei 
Röhren,    die   ein   sehi-   festes  Gefüge   besitzen.     Bei  ihnen  muß 


Fig.  7.     Larvengehäuse   von  Tanytarsus.     Vergr.  1^2x1- 

naturgemäß  der  Teil,  den  die  junge  Larve  gebaut  hat,  am  eng- 
sten sein,  so  daß  das  Gehäuse  sich  ganz  allmählich  erweitert. 
Diesen  Bautypus  finden  wir  z.  B.  bei  den  Tanytarsuslarven. 
Ihre  Röhren  sind  in  der  Regel  nicht  der  ganzen  Länge  nach 
festgewachsen,  sondern  am  freien  Ende  etwas  aufgebogen.  Die 
Wände  der  Röhren  sind  außerdem  durch  ein  Gerüst  von  starken 
Längsfäden,  die  noch  über  die  Mündung  hinausragen,  und  durch 
eingelagerte  Fremdkörper  gefestigt;  das  ganze  Gebilde  sieht 
deshalb  einer  Hydra,  die  ihre  Tentakeln  ausstreckt,  nicht  un- 
ähnlich (Fig.  7).  In  den  klaren  Bächen  des  Odenwaldes  und  des 
Vogelsberges  kann  man  oft  ganze  Kolonien  solcher  Röhren  zu- 
sammen mit  den  Bauten  der  Kribbelmücken  mitten  in  der  Strö- 


—     238     ~ 

mung  au  Steinen  sitzen  sehen.  Das  festsitzende  Gehäuse  gibt  diesen 
Tieren  offenbar  einen  sicheren  Halt  gegeu  die  reißende  Strömung. 
Es  hindert  sie  aber  daran,  bei  der  Nahrungssuche  freiwillige 
Ortsbewegungen  auszuführen;  die  Tiere  müssen  vielmehr  mit 
dem  vorlieb  nehmen,  was  ihnen  das  Wasser  zuführt.  In  stehenden 
Gewässern  fällt  natürlich  der  Vorteil,  den  das  festsitzende  Haus 
gewährt,  weg;  dagegen  kann  unter  Umständen  die  freie  Orts- 
beweguug  vorteilhaft,  ja  unentbehrlich  sein.  Hier  linden  wir 
deshalb  auch  Larvenformen  mit  frei  beweglichen  Gehäusen.  So 
trifft  mau  im   dichten  Algengewirre  der  Enkheimer  Sümpfe  ge- 


Fig.  8.     Larvengehäuse  von  Fsectrodadius.     Vergr.  3\'2><1. 

legentlich  Gallertröhren,  die  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  einer 
Tonne  besitzen  und  an  ihrer  Oberfläche  ganz  mit  Algenfäden 
besetzt  sind  (Fig.  8).  Die  Bewohner  dieser  Röhren  (Psectro- 
cladius-  und  Trichocladiusarten)  nähren  sich  von  den  Algen, 
zwischen  denen  sie  mit  Hilfe  ihrer  Fußstummel  ganz  geschickt 
umherklettern,  wobei  sie  nach  Art  der  Trichopterenlarven  das 
Gehäuse   stets  mit  sich  herumschleppen. 

Die  kleine  Gruppe  der  blattminieren  den  Chironomidenlarven 
bedarf  natürlich  keines  besonderen  Köchers ;  die  zähe  Oberhaut 
der  Blätter,  in  denen  sie  leben,  bietet  ihnen  genügend  Schutz 
gegen  Feinde.  Bis  jetzt  kennt  man  nur  wenige  Formen.  Die 
Blätter  des  Laichkrautes  (Poiamogetoti  natans),  das  in  den  Ab- 
wässern der  Nied  nicht  selten  vorkommt  und  an  einzelnen 
Stellen  die  ganze  Oberfläche  des  Wassers  bedeckt,  zeigen  oft 
recht  merkwürdige  Fraßgänge,  die  von  kleinen  grünen  Chiro- 
nomidenlarven {Cricotopus  brevipalpis)  verursacht  werden.  Die 
junge  Larve  dringt  von  der  Unterseite  in  das  Blatt  und  frißt 
sich  allmählich  in  raäanderartigen  Windungen  durch  das  Mesophyll 
des  Blattes,  wobei  die  Oberhaut  sorgfältig  geschont  wird.  Auch 
die  Längsrippen  des  Blattes  werden  nicht  durchgefressen.  Da- 
her können  mehrere  Larven  nebeneinander  in  demselben  Blatte 


—     239     — 

miniereD  und  dieses  ganz  und  gar  zerfressen.  Eine  zweite 
Cliironomidenlarve  (Tamjtarsus  stratiotis)  wurde  in  der  Wasser- 
aloe (Stratioies  aloides)  gefunden.  Die  Minen  haben  die  Form 
langgestreckter  Höhlen,  die  mit  ihrer  Längsachse  parallel  zur 
Blattachse  gerichtet  und  mit  kleinen  blutroten  Larven  besetzt 
sind.  Auch  aus  den  Blättern  der  Wasserschwertlilien  und  aus 
Sargcmium  ramosmn,  sowie  aus  den  Blattstielen  der  Wasser- 
rosen sind  minierende  Chironomidenlarven  bekannt  geworden. 
Jedenfalls  aber  ist  damit  die  Zahl  der  blattminierenden  Zuck- 
mücken bei  weitem  nicht  erschöpft;  denn  wie  bereits  oben 
erwähnt  wurde,  ist  die  Kenntnis  dieser  biologisch  so  interessanten 
Larven  bis  jetzt  überhaupt  nur  eine  sehr  lückenhafte.  Nur 
von  etwa  ö^o  aller  beschriebenen  Chironomiden  ist  die  Eut- 
wickelung  genau  bekannt:  von  vielen  Larven  weiß  man  nicht 
einmal,  zu  welcher  Gattung  sie  gehören.  In  jüngster  Zeit  hat 
sich  nun  Dr.  A.  Thienemann  in  Münster  in  Westfalen  ein- 
gehender mit  dem  Studium  dieser  Tiergruppe  befaßt  und  bereits 
für  eine  Reihe  von  Arten  die  Entwickelung  festgestellt.  Aber 
in  der  richtigen  Erkenntnis,  daß  nur  das  Zusammenarbeiten 
vieler  in  absehbarer  Zeit  ein  befriedigendes  Ergebnis  liefern 
kann,  hat  er  sich  in  einem  Aufrufe*)  an  alle  Biologen  mit  der 
Bitte  um  Unterstützung  gewendet.  Yor  allem  gilt  es,  die 
Metamorphose  unserer  einheimischen  Chironomiden  durch  Zucht 
festzustellen,  und  dies  ist  nicht  schwer,  wenn  sich  viele  in  die 
Arbeit  teilen ;  denn  die  Aufzucht  der  Zuckmücken  ist  eine 
verhältnismäßig  recht  einfache  Sache.  Die  Larven  findet  man 
ja  überall  im  Wasser  und  meist  in  großer  Zahl.  Da  aber  oft 
mehrere  Arten  zusammen  leben,  muß  man  natürlich  zunächst 
die  einzelnen  Arten,  die  sich  meist  durch  Form,  Farbe  und 
Größe  sehr  gut  unterscheiden,  voneinander  trennen.  Einen  Teil 
der  Larven  wird  man  durch  Übergießen  mit  kochendem  Wasser 
und  Überführen  in  Alkohol  konservieren,  die  übrigen  aber  in 
ein  Zuchtglas  bringen.  Recht  gut  eignen  sich  hierzu  niedrige 
Einmachgläser,  die  so  weit  sein  müssen,  daß  man  bequem  mit 
der  Hand  hineinfassen  kann.  Am  besten  gedeihen  die  Tiere, 
wenn  man  in  das  Glas  etwas  von  dem  einoetragenen  Schlamm 


*)  Thienemann  „ Die  Metamorphose  der  Chironomiden  (Zuckmücken). 
Eine  Bitte  um  Mitarbeit.''  Verhandl.  d.  Naturhist.  Ver.  d.  preuß.  Rheinlande 
u.  Westfalens.     65.  Jahrg.,  1908. 


~     240     — 

bringt  und  diesen  mit  einer  etwa  5  cm  hohen  Wasserschicht 
bedeckt.  Einige  Wasserpflanzen  verhüten  das  Faulen  des 
Wassers.  Man  hat  dann  die  Gläser  nur  noch  mit  einem  Gaze- 
oder Mullstück  zuzubinden  und  vor  allzu  starker  Erwärmung 
zu  schützen ;  im  übrigen  kann  man  die  Zucht  sich  selbst  über- 
lassen. Bald  werden  sich  auch  die  Puppen  zeigen,  von  denen 
man  gleichfalls  mehrere  in  Alkohol  konserviert.  Männchen  und 
Weibchen  einer  Art  schlüpfen  oft  zu  verschiedenen  Zeiten  aus: 
man  wird  daher  die  Zucht  so  lauge  fortsetzen,  bis  man  von 
jedem  Geschlecht  mehrere  ausgefärbte  Stücke  erhalten  hat,  die 
man  dann  ebenso  wie  Gehäuse  und  Puppenhüllen  in  Alkohol 
konserviert.  Entomologen  werden  wohl  stets  eine  Anzahl  Tiere 
nadeln,  um  sie  trocken  aufzubewahren.  Damit  ist  für  gewöhnlich 
eine  Zucht  beendet,  denn  die  Entwickelung  aus  dem  Ei  wird 
nur  in  den  seltensten  Fällen  gelingen.  Für  die  wissenschaftliche 
Verarbeitung  solcher  Zuchtergebnisse  ist  natürlich  eine  genaue 
Buchführung  nötig.  Sie  soll  in  Form  kurzer  Notizen  Angaben 
über  Fundort,  Datum  des  Einsetzens  in  das  Zuchtglas,  Farbe 
der  Larve,  Geliäusebilduug  und  das  Datum  des  Ausschlüpfens 
der  Mücke  enthalten. 

Diese  einfachen  Zuchtversuche,  die  jedem  Laien  Gelegenheit 
zu  wissenschaftlicher  Betätigung  geben,  können  dem  Naturfreund 
ebensoviel  Vergnügen  bereiten  wie  die  oft  recht  schwierige 
und  langweilige  Aufzucht  exotischer  Aciuarientiere.  Für  die 
wissenschaftliche  Erforschung  unserer  einheimischen  Süßwasser- 
fauna aber  wäre  es  von  größter  Bedeutung,  wenn  recht  viele 
Einzelbeobachtungen  eine  systematische  Durchforschung  unserer 
Chironomidenfauua  ermöglichten.  Die  Senckenbergische  Natur- 
forschende Gesellschaft  wird  gern  die  Bestimmung  und  wissen- 
schaftliche Bearbeitung:  von  solchem  Material  vermitteln. 


—     241 


Neues  aus  der  Scliausammlung. 


Im  Grröuläudischeu  Eismeer. 

Zur  Erläuterung  der  „Arktischen  Gruppe". 

Mit  8  Abbildungen. 

Nachstehende  Schilderung  soll  kurz  erklären,  wie  unsere 
arktische  Gruppe  entstanden  ist,  und  wo  die  darin  ausgestellten 
Stücke  erlegt  worden  sind.  Eine  kurze  Beschreibung  meines 
Jagdausflugs  nach  Ostgrönland  habe  ich  in  der  Zeitschrift 
„Wild  und  Hund"  vom  11.  Juni  1909  veröffentlicht.  In  den  fol- 
genden Zeilen  möchte  ich  versuchen,  einen  arktischen  Sommer- 
monat zu  schilderu,  wie  ihn  Kunstmaler  Nebel  in  dem  Bilde, 
das  uns  jetzt  die  fertige  Koje  zeigt,  vortrefflich  wiederzugeben 
verstanden  hat  (Fig.  1  und  2).  Als  ich  im  Frühjahr  1908  den 
leider  allzufrüh  verstorbenen  Prof.  Römer  im  Museum  auf- 
suchte, um  ihm  meinen  Reiseplan  mitzuteilen,  war  er  es,  der 
schon  damals  den  Gedanken  angeregt  hat,  in  unserem  Museum 
eine  arktische  Gruppe  als  Gegenstück  zu  der  ostafrikanischen 
aufzustellen,  vorausgesetzt,  daß  es  mir  gelingen  sollte,  das  nötige 
Tiermaterial  zu  erlegen  und  in  präparierbarem  Zustande  zu- 
rückzubringen. Prof.  Römer  selbst  ist  auf  Tiefseeforschungen 
im  hohen  Norden  gewesen  und  hat  mir  noch  manchen  guten 
Rat  mit  auf  die  Reise  gegeben. 

So  geschah  es,  daß  ich  am  21.  Juni  1908  von  dem  kleinen 
norwegischen  Hafenstädtchen  Tromsö  aus  meine  Fahrt  nach 
der  Küste  Ostgrönlands  antrat.  Nach  fürchterlichem  Sturm, 
wobei  unser  Segelschiff,  das  für  das  Eismeer  noch  eine  kleine 
Hilfsmaschine  führte,  stark  aus  dem  vorgeschriebenen  Nord- 
westkurs  getrieben  wurde,   kam   erst   am   fünften   Tage  nach 

16 


^ 


o 


S 


—     244     — 

unserer  Abfahrt  von  Tromsü  das  Treibeis  in  Sicht.  Das  Meer 
wurde  ruhiger,  sobald  wir  uns  dem  Eise  näherten,  und  schon 
am  folgenden  Tage  war  es  spiegelglatt.  Die  Sonne  schien  präch- 
tig, und  weiß  glitzernd  gaben  die  schneebedeckten  Eisschollen 
ihren  strahlenden  Schein  wieder. 

Wie  oft  bin  ich  gefragt  worden,  ob  es  nicht  recht  kalt 
„dort  oben"  gewesen  sei;  ich  kann  darauf  nur  antworten,  daß 
ich  Kälte  nicht  empfunden  habe.  Während  der  Sommermonate 
geht  ja  bekanntlich  im  hohen  Norden  die  Sonne  nicht  unter 
und  erwärmt  die  Luft  ununterbrochen,  wenn  nicht  gerade  Nebel 
oder  Schneewehen  von  kurzer  Dauer  auftreten.  Von  den  sechs 
Wochen,  die  ich  im  Eismeer  gekreuzt  habe,  waren  nur  drei  bis 
vier  Tage  ungünstig,  der  Nebel  so  dicht,  daß  unser  SchiS  an 
einer  Eisscholle  verankert  werden  mußte  und  an  ein  Jagen 
nicht  zu  denken  war.  Freilich  war  es  unter  solchen  Umständen 
draußen  sehr  ungemütlich ;  doch  gegen  diese  feuchte  Kälte  konnte 
man  sich  durch  warme  Kleidung  schützen,  auch  ließ  sich  unser 
kleiner  Schiffssalon  recht  gut  heizen. 

Ende  Juli  war  ich  bereits  wieder  im  Hafen  von  Tromsö. 
Aber  ich  hörte  von  einer  Expedition,  die  im  Jahre  vorher  bis 
gegen  den  25.  August  im  Eise  nahe  der  Grönlandküste  kreuzte 
und,  durch  Nebel  festgehalten,  langsam  von  den  Eisschollen 
eingeschlossen  wurde,  bis  sich  endlich,  kurz  vor  dem  Beginn 
der  ewigen  Nacht  des  arktischen  Winters,  das  Eis  noch  einmal 
teilte  und  der  wackere  Kapitän  das  offene  Meer  zu  erreichen 
vermochte. 

Wenn  heute  unser  Blick  auf  die  sonnige  Sommerlandschaft 
der  arktischen  Koje  fällt,  will  es  uns  kaum  glaublich  scheinen, 
daß  es  nicht  immer  gelingt,  die  Küste  Grönlands  zu  erreichen. 
Und  doch  ist  dies  oft  genug  der  Fall,  und  die  Rückkehr  von 
dort  ist  manchmal  mit  noch  größeren  Schwierigkeiten  verbunden 
als  die  Hinfahrt.  Manche  Stunde  habe  ich  auf  dem  Festland 
an  der  Küste  Ostgrönlands  verbracht,  doch  lange  durfte  man 
nie  ausbleiben ;  immer  mußte  das  Schiff  zwischen  den  Eisschollen 
hin  und  her  kreuzen,  um  das  Eingeschlossenwerden  zu  vermei- 
den. Treibende  Eismassen  können  auch  dem  auf  dem  Lande 
Weilenden  gar  leicht  den  Rückweg  zum  Schiff  abschneiden. 

Auf  meiner  Expedition  habe  ich  eine  ganze  Anzahl 
Eisbären   erlegt    (Fig.  8),  auch  zwei  Junge  lebend   gefangen 


—     245     — 

und  mitgebracht.  Sie  sind  in  unserem  Zoologischen  Garten 
untergebracht  worden  und  haben  sich  inzwischen  prächtig  weiter- 
entwickelt. 

Was  das  Tiermaterial  unserer  Koje  anbelangt,  so  ist  von 
den  Robben  die  große  Klappmütze,  Cystophora  cristata  Erxl., 
die  zahlreich  nur  noch  in  der  Danemark-Straße  zwischen  der 
Westküste  Islands  und  der  Südostküste  Grönlands  vorkommt, 
durch  ein  recht  gutes  Exemplar  vertreten  (Fig.  1).  Es  ist  ein 
erwachsenes  altes  Männchen,  das  unweit  der  Insel  Jan  Mayen 


Fig.  3.    Eisbär  auf  einer  Scholle  treibend. 


ungefähr  auf  74"  nördlicher  Breite  und  15 '^  westlicher  Länge 
erbeutet  wurde.  Es  lag  auf  einem  mächtigen  Eisblock,  als  sich 
das  Schiff  näherte,  und  sicherte  bereits,  als  ich  ihm  die  tötliche 
Kugel  gab. 

Die  Klappmütze  nährt  sich  hauptsächlich  von  Fischen, 
und  ihre  starken  Raubtierzähne  und  kräftigen  Kieferladen 
zeigen  deutlich,  daß  sie  sich  auch  großer  Exemplare  bemäch- 
tigen kann.  Die  eigentümliche  Kappe  mit  ihrem  samtartigen 
Überzug,  der  die  Art  ihren  Namen  verdankt,  sitzt  über  der 
Nase  und  dient  dazu,  Luft  einzunehmen,  damit  das  Tier  beim 
Tauchen  in  die  Tiefe  (manchmal  bis  zu  300  m)  lange  genug 
mit  Sauerstoff  versorgt  bleibt.     Bei  jugendlichen  Individuen  ist 


—     246     — 

die  Kappe  noch  nicht  entwickelt;  auch  weichen  die  Jungen 
während  der  ersten  drei  Jahre  ihres  Lebens  in  der  Färbung 
von  den  erwachsenen  Tieren  wesentlich  ab.  Sie  sind  gelblich- 
grau gefärbt  mit  einem  schwärzlichen  Streifen  auf  dem  Rücken, 
während  das  Fell  der  erwachsenen  Klappmütze  zahlreiche  gelb- 
schwarze Flecken  aufweist  (Fig.  1).  Die  jungen  Tiere  sind  wegen 
des  Specks  und  des  weichen  Fells  besonders  gesucht.  Sie  sind 
auch  viel  leichter  zu  erlegen  als  die  Erwachsenen,  die  mit  der  Zeit 
vorsichtiger  geworden  sind  und  selten  etwas  Fremdes  wie  ein 
Schiff  oder  Ruderboot  an  sich  herankommen  lassen,  ohne  rasch 
in  der  Meerestiefe  zu  verschwinden.  Die  jungen  Tiere  dagegen 
erkennen  in  ihrem  jugendlichen  Leichtsinn  oftmals  zu  spät  das 
Raubtier  „Mensch "^  und  machen  gar  keinen  Versuch,  der  drohen- 
den Gefahr  zu  entrinnen. 

Die  Jagd  auf  alle  Seehunde  hat  ihren  besonderen  Reiz; 
—  die  Annäherung  ist  schwierig  und  kann  nur  unter  Be- 
rücksichtigung des  Windes  und  bei  Vermeidung  möglichst 
jeden  Geräusches  geschehen ;  gut  treffen  muß  man  auch  — 
doch  entbehrt  sie  meist  jeglicher  Gefahr,  wie  ich  dies  später 
bei  meinem  Zusammentreffen  mit  Walrossen  empfunden  habe. 
Wie  zäh  und  wild  jedoch  die  Klappmütze  unter  Umständen 
sein  kann,  beweist  mir  ein  Erlebnis,  das  einer  der  Matrosen 
meiner  Besatzung  aus  seinen  Erfahrungen  erzählt  hat.  Das  Tier 
wurde  von  dem  Matrosen  eines  Fangschift'es  schwer  angeschossen, 
und  als  dieser  sich  anschickte,  seine  Beute  mittels  eines  kräftigen 
Stockes  vom  Eise  in  das  Ruderboot  zu  befördern,  fuhr  die 
Robbe  plötzlich  mit  letzter  Kraft  auf  und  riß  dem  Matrosen 
mit  ihren  starken  Fängen  die  Eingeweide  aus  dem  Leibe,  worauf 
derselbe  alsbald  verstarb. 

Am  nächsten  in  der  Größe  kommt  der  Klappmütze  die 
Grönländische  Bartrobbe,  Phoca  harhata  Fabr.,  die  gleich- 
falls bis  zu  3  m  Länge  erreicht.  Ihr  graubraunes  Fell  ist  sehr 
gesucht,  und  besonders  der  Speck  wird  bewertet.  Ich  habe  mehrere 
Exemplare  dieser  Art  erlegt,  eins  davon  ist  in  unserer  Koje  aus- 
gestellt (Fig.  4  und  5).  Die  Bartrobben  leben  nie  in  allzu  großer 
Entfernung  von  der  Küste,  wohl  weil  sie  dort  am  leichtesten  ihre 
Nahrung  an  kleinen  Fischen  finden.  Bei  schönem  Wetter  sieht 
man  sie  gelegentlich  auf  Eisschollen  gelagert  sich  sonnen.  Eine 
solche  Situation  muß  der  Jäger  ausnützen,  um  sich  seine  Beute 


247 


durch  einen  Kopfschuß  zu  sicliern ;  sonst,  wenn  auch  schwer 
getroffen,  rutscht  sie  vom  Rand  des  Eises  ins  Wasser  und  ver- 
sinkt. Auf  diese  Weise  sind  aucli  mir  einige  schöne  Exemplare 
verloren  gegangen.  Überhaupt  ist  es  ein  recht  unsicheres 
Schießen  aus  schwankendem  Boote  und  weiter  Entfernung,  wenn 
man  keinen  größeren  Zielpunkt  hat  als  den  Kopf  der  Bart- 
robbe.   Oft  sieht  man  auch  die  Robben  im  Wasser  schwimmen, 


Fig.  4.    Arktische  Gruppe:   Grönländische  Bartrobbe. 


zeitweilig  mit  dem  Kopfe  untertauchend  und  dann  in  weiter 
Entfernung  unverhofft  wieder  über  der  Wasserfläche  erscheinend. 
Ich  habe  diese  Tiere  immer  nur  einzeln  gesehen,  während  die 
anderen  Seehunde  gewöhnlich  in  größerer  Anzahl  auftreten  und 
namentlich  die  Walrosse  nur  in  Herden  vorzukommen  pflegen. 
Für  meinen  Geschmack  ist  die  schönste  Seehundsart  der  ge- 
fleckte „Snad",  wie  er  allgemein  von  den  Norwegern  genannt 
wird,  oder  die  Ringel  rob  be,  Phoca  foetida  Fabr.  (Fig.  1).  Der 
Snad  dient  besonders  den  Eisbären  als  Nahrung.  Er  lebt  unter 
den  großen  Eisschollen,  die  sich  auf  Kilometer  hinaus,  nur  durch 
kleine  Rinnen  unterbrochen,  auf  dem  Meere  hinstrecken.     Die 


—     248     — 

Oberfläche  einer  solchen  endlosen  Eismasse  ist  von  zahllosen 
Eis-  und  Schneehügeln  bedeckt  und  insbesondere  voll  kleiner 
Löcher,  durch  die  der  Snad  auftaucht,  um  Luft  zu  schöpfen 
oder  um  auf  das  Eis  zu  gelangen  und  dort  ausgestreckt  sich 
der  Sonne  zu  erfreuen.  Dies  ist  jedoch  oft  sein  Verderben; 
denn  der  Bär  lauert  vor  solchen  Löchern  auf  das  plötzliche 
Auftauchen  des  nichts  ahnenden  Seehundes  und  erfaßt  ihn  mit 
seinen  Zähnen  oder  Pranken.  Auch  von  den  Robben  Jägern  wird 
diesen  Tieren  wegen  ihres  schönen  Fells  eifrig  nachgestellt. 

Der  Riese   der   nordischen   Tierwelt  ist    nicht,    wie    viel- 
fach geglaubt  wird,  der  Eisbär  sondern   das  Walroß,  Triche- 
chus  rosmarns  L.,   das   sich   hin  und  wieder  noch  in   größeren 
Herden    vorfindet,   wenn  auch  seine   Existenz   durch   die   zahl- 
reichen  Fangschiffe    immer   mehr   bedroht   wird.     Eines  Tages 
kreuzten    wir   auf    75*^   nördlicher   Breite    und    14°    westlicher 
Länge    ganz    nahe    der    Küste    entlaug    und    waren    bei    der 
Claverings    Bay    angelangt,    als    der   Kapitän    mit   aufgeregter 
Miene  in  meine  Kabine  stürzte  und  meldete,   er  habe  Walrosse 
gesehen.      Als   ich   mit   dem   Fernglas   in  der   Hand   auf   Deck 
eilte  und  den  Horizont  in  der  Richtung  der  Bai,    wo  nach  den 
Angaben   des  Kapitäns  die  Walrosse   liegen  sollten,   nach  allen 
Richtungen   hin   musterte,    konnte    ich    nichts  von   den   Tieren 
entdecken,  wie  sehr  ich  auch  den  flachen  Küsteurand   und   die 
dahinter   liegenden    E'elsklippen   abspähte.     Nur    einige   braune 
Felsmassen  sah  ich  nahe  am  Wasser,  wo  der  Küstensaum  sich 
im  Meere  verläuft.     Die  Küste   war   an   dieser  Stelle   ziemlich 
eisfrei,    nur   einige   größere   Schollen   trieben   umher.      Als   der 
Kapitän  immer  erregter  nach  der  Stelle  hinwies,   wo  die  Fels- 
massen lagen,   erkannte   ich   schließlich   diese   Gebilde,    die   ich 
vorher   für   Felsen   gehalten   hatte,    als   eine   Herde   mächtiger 
Walrosse.    Das  Schiff   wurde   sofort   gestoppt   und   zwei   Boote 
ausgelassen;   laugsam  ruderten   meine  Leute  der  etwa  1  Va  km 
entfernt  liegenden  Herde  zu.   Je  näher  wir  kamen,  um  so  laut- 
loser   wurden    die   Ruderschläge ;    fast    unhörbar    tauchten    die 
Riemen   ins  Wasser.     Ein  Gefühl   von  Machtlosigkeit   überkam 
mich,  als  ich   mich   auf  150  m  vierzehn   dieser  Kolosse   gegen- 
über sah.    Sie  lagen  eng  beieinander  und  schienen  zu  schlafen, 
ein  Bild  der  Ruhe  und  des  E'riedens,   bis  plötzlich   ein   starker 
Bulle  uns  bemerkte  und  sofort  durch  einen  mächtigen  Trompeten- 


Fig.  5.    Arktische  Gruppe,  rechte  Seite. 
Walroß   und  Bartrobbe,   Lummen   und  Krabbentaucher. 


—     250    — 

stoß  die  ganze  Herde  in  Bewegung  brachte.  Doch  in  diesem 
Augenblick  hatte  ich  bereits  geschossen,  und  des  Mächtigen 
Haupt,  der  eben  noch  den  Warnungsruf  ausgestoßen  hatte,  sank 
nach  vorn,  und  seine  Hauer  gruben  sich  in  den  weichen  Sand. 
Jetzt  hieß  es  schießen ;  das  Wasser  spritzte  hoch  empor,  als 
die  auf  dem  Lande  so  unbeholfenen  Tiere  das  Meer  erreichten. 
Rings  um  unsere  Boote  tauchte  Kopf  auf  Kopf  auf,  mit  den 
langen  weißen  Hauern  und  dem  wilden  Blick,  und  immer  wieder 


Fig.  (j.    JJer  Verfasser  mit  dem  erlegten  Walruß. 


gaben  die  wutschnaubenden  Tiere  ihrem  Zorn  über  die  Störung 
ihres  friedlichen  Zusammenseins  in  trompetenartigen  Tönen 
Ausdruck.  Was  mich  jedoch  besonders  wunderte,  war,  daß 
keins  der  Walrosse  unsere  Boote  angriff,  daß  sie  sich  vielmehr 
eiligst  zur  Flucht  wandten,  wohl  durch  das  Schießen  und  den 
Verlust  ihres  Anführers  erschreckt  und  entmutigt.  Schneller, 
als  ich  imstande  bin,  die  Lage  zu  beschreiben,  hatte  ich  zwei 
der  in  nächster  Nähe  meines  Bootes  auftauchenden  Tiere  er- 
legt ;  doch  gab  ich  bald  die  Verfolgung  der  nach  allen  Richtungen 
hin  flüchtenden  Herde  auf. 


—     251     — 

24  Stunden  verbrachten  wir  an  der  Stelle,  wo  die  bei- 
den gesunkenen  Walrosse  mit  großer  Mühe  ans  Land  gezogen 
wurden  (Fig.  6).  Obwohl  ich  dem  Kapitän  und  der  Besatzung 
des  Schiffes  ganz  besonders  ans  Herz  legte,  die  Häute  gut 
einzusalzen  und  recht  sorgfältig  mit  Alaun  einzureiben ,  ist 
doch  nur  einer  der  Kolosse  leidlich  unversehrt  zurückgebracht 
worden,  und  dieses  Exemplar  ist  der  Stolz  unserer  Koje.     Die 


Fig.  7.    Arktische  Gruppe:  Lummen. 


Decken  der  anderen  Tiere  erwiesen  sich  leider  als  unbrauchbar. 
An  denjenigen  Stellen,  au  denen  sie  nicht  genügend  mit  Salz 
und  Alaun  eingerieben  worden  waren,  sind  sie  gefault  und  wie 
ein  von  Motten  zerfressener  Teppich  auseinander  gefallen.  Die 
Sonne  brannte  freilich  in  vollster  Kraft,  und  es  ist  nicht  zu 
verwundern,  daß  damals  bei  der  Riesenarbeit  —  dem  Abziehen 
der  Walroßhäute  und  dem  Abspecken  dieser  kolossalen  Decken 
—  die  Mannschaft  nicht  gewissenhaft  genug  eingesalzen  hat. 
Immerhin  war  es  mir  eine  große  Befriedigung,  wenigstens  eins  der 
Walrosse  unserem  Museum  erhalten  zu  haben. 


—     252     — 

An  manchen  Tagen,  an  denen  wenig  jagdbares  Wild  zu 
sehen  war,  habe  ich  auch  einige  Vögel  erbeutet.  Am  zahl- 
reichsten ist  die  B  ü  r  g  e  r  m  e  i  s  t  e  r  m  ö  V  e ,  Lariis  gJaucus 
Brunn,  die  unserer  Move  ähnelt.  Eine  interessante  Jagd  gab 
es  bei  Gelegenheit  einer  Landung  auf  der  Sabineninsel,  wo 
Tausende  von  Eissturmvögeln,  Fulmarus  glacialis  L.,  ihre 
Brutstätten  haben.  Wir  erklommen  einen  steilen  Felsen,  dessen 
Wände  senkrecht  in  das  Meer  abfallen.     Ein  Ruderboot  mußte 


FlL^  8.    Der  Verfasser  niic  dem  erlegten  Muschusochseii. 


tief  unten  die  Felswand  umfahren,  und  während  wir  hoch  oben 
standen,  flogen  die  durch  die  Störung,  die  das  Ruderboot 
verursachte,  erregten  Vögel  auf,  so  daß  wir  manches  gute 
Exemplar  erlegen  konnten.  Die  geschossenen  Möven  wurden 
sodann  von  dem  Boote  aufgelesen.  Auch  einige  Eiderenten, 
Somatcria  nwUissima  L.,  kamen  zur  Strecke ;  doch  sind  diese 
Vögel  besonders  vorsichtig  und  deshalb  schwierig  zu  erlegen. 
Je  mehr  man  sich  dem  Lande  nähert,  um  so  zahlreicher  um- 
fliegen die  verschiedenartigsten  Vögel  das  Schiff,  verfolgen  es 
stundenlang;  und  stürzen  mit  Gier  auf  die  Abfälle,  die  ins  Meei- 


—     253     — 

geworfen  werden.  Kaum  daß  man  einen  Seehund  erlegt  hat 
und  sich  entfernt,  den  Kadaver  auf  dem  Eise  zurücklassend,  so 
sieht  man  schon  in  kurzer  Zeit  die  schneeweiße  Elfenbein- 
möve,  Pagophila  eburnea  (Phipps),  wegen  ihres  lichten  Gefieders 
kaum  vom  Eis  zu  unterscheiden,  sich  gierig  dem  Aase  nähern. 
Gelegentlich  kann  man  auch  einen  Raubfalken,  Hierofalco  candi- 
cans  Gmel,  sehen;  doch  gelang  es  mir  nicht,  ein  Stück  zu  erlegen. 
An  der  Küste  Grönlands  selbst  habe  ich  einige  Schwalben- 
möven,  Xema  sahhiei  Sab.,  erbeutet;  sie  haben  ihre  Brut- 
stätten an  den  steilen  Felswänden  der  Küste  ebenso  wie  der 
Seepapagei,  Fratercula  ardica  (L.),  und  die  zahllosen  Alken, 
Älca  torda  L.,  T  eis  ten,  Cepphus  gnjUe  L.,  und  L  um  men, 
JJria  lomvia  (L.),  von  denen  die  letzteren  zum  Brüten  bis  nach 
Helgoland   herabziehen  (Fig.  1,  5  und  7). 

Der  von  mir  besuchte  Teil  Grönlands  ist  unbewohnt,  da 
wegen  des  Polarstromes  die  Küste  vom  Eisgürtel  nie  ganz  frei 
wird.  Eskimos  leben  nur  an  der  West-  und  Südküste  und  an 
der  Nordostküste  bis  zum  70.  Breitengrad. 

Das  einzige  jagdbare  Wild  des  Festlandes  ist  der  Moschus- 
ochs, Ovibos  moschatus  Blainville,  von  dem  ich  auch  ein  Exem- 
plar erlegt  habe  (Fig.  8).  Er  lebt  auf  den  öden  Bergen,  die 
im  Sommer  von  etwas  spärlichem  Gras,  von  Moos  und  verein- 
zelten Blumen  bewachsen  sind.  Doch  mit  dem  Beginn  des 
langen  Winters  schwindet  auch  dieses  ewige  Einerlei  der  Vege- 
tation, und  es  ist  mir  ein  Rätsel  geblieben,  wie  diese  stattlichen 
Tiere  während  des  langen  Winters  ihr  Dasein  fristen. 

Wer  nach  dem  Lesen  dieser  kurzen  Schilderung  die  ark- 
tische Gruppe  in  unserem  Museum  betrachtet,  wird  es  empfinden, 
welch  eigener  Reiz  in  dieser  schimmernden  Eismeerlandschaft 
liegt :  ein  mächtiger  Zauber,  der  alle,  die  dort  gewesen,  wieder 
hinlockt,  ebenso  wie  die  Buschsteppe  Afrikas  mit  ihrem  Tro- 
penzauber jeden  umfangen  hält,  der  einmal  davon  ergriffen 
worden  ist. 

R.  von  Goldschmidt-Bothschild. 


—     254     — 

Geschenke  aus  der  Ausbeute  der  ersten  Deutschen 
Tiefsee-Expedition. 

Mit  6  Abbildungen. 

Von  der  seitens  des  Reiclisamts  des  Innern  im  Jahre  1898/99 
ausgesandten  ersten  Deutschen  Tiefsee-Expeditiou  ^)  ist  durch 
ihren  Leiter,  Geh.  Rat  Prof.  Dr.  Carl  Chun  in  Leipzig,  unserem 
Museum  vor  einiger  Zeit  eine  Auswahl  der  heimgebrachten  Tief- 
seeorgauismen,  soweit  ihre  Bearbeitung  schon  in  den  „Wis- 
senschaftlichen Ergebnissen"  vorliegt,  überwiesen  worden.  Die 
geschenkten  Objekte  stellen  für  unser  Museum  eine  solche  Be- 
reicherung an  auserlesenen  und  seltenen  Stücken  dar,  daß  es  an- 
gebracht ist.  wenigstens  die  Hauptschaustücke  mit  einigen  Worten 
zu  charakterisieren. 

Es  sind  1918  hundert  Jahre,  seitdem  bei  einer  Lotung 
in  der  Bafiinsbai  Sir  John  Ross  rein  zufällig  aus  1500  m  Tiefe 
einen  Schlangenstern  emporbrachte  und  damit  zum  ersten  Male 
in  gewichtiger  Weise  der  damals  herrschenden  Ansicht  von  dem 
Fehlen  jeglicher  Lebewesen  in  tieferen  ozeanischen  Wassermassen 
Abbruch  tat.  Wenn  auch  einige  Forscher  später  gelegentlich 
den  Nachweis  erbracht  haben,  daß  in  mehreren  hundert  Metern 
der  Boden  des  Meeres  eine  reiche  Lebewelt  enthält,  so  setzt 
doch  die  systematische  Erschließung  der  abj'ssaleu  Gründe  des 
Meeres  erst  mit  der  Legung  der  submarinen  Kabel  ein,  die, 
aus  tausenden  von  Metern  zur  Reparatur  gehoben,  sich  reich 
besetzt  mit  Organismen  fanden,  teils  mit  fremdartigen  Lebewesen, 
teils  mit  solchen,  deren  Verwandten  längst  geologisch  eingebettet 
sind.  Rasch  trat  eine  ungeahnte  Begeisterung  für  die  marine 
Forschung  ein,  und  seit  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts 
mehren  sich  größere  und  kleinere  Expeditionen  von  Forschern 
vieler  Nationen  und  hochgesinnter  Privater.  Bald  galt  es  nicht 
mehr,  den  Boden  des  Meeres  abzudredgen,  sondern  die  ganzen 
Wassermassen  vertikal  zu  durchfischen.  Heute  wissen  wir.  daß 
das  gewaltige  Gebiet,  das  Dreiviertel  unseres  Planeten  bedeckt, 
und  dessen  größte  Tiefe  9644  m  beträgt,  nicht  azoisch  sondern 
überrall  belebt  ist.    Den  tiefsten  Dredgezug  führte  Alexander 

^)  F.  W.  Winter ,  „Einiges  über  die  Deutsche  Tiefsee-Expedition". 
Bericht  der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft.  1900,  S.  45. 
Frankfurt  a.  M.  (Selbstverlag  der  Gesellschaft)  1900. 


—     255     — 

Agassiz  aus:  in  über  7000  m  konnten  lebende  Seesterne  nach- 
gewiesen werden.  Es  ist  nicht  das  geringste  Verdienst  der 
Deutschen  Tiefsee-Expedition,  gezeigt  zu  haben,  daß  auch  eine 
reiche  und  vielfältig  geartete  pelagische  Fauna  in  größeren 
Tiefen,  tausende  von  Metern  über  dem  Boden,  lebt.  Dank  der 
bevorzugten  Verwendung  großer  Vertikalnetze,  die  von  dem 
Leiter  der  Expedition  auf  Grund  seiner  früheren  Erfahrungen 
besonders  zweckmäßig  konstruiert  waren  und  eine  gute  Er- 
haltung der  heraufgezogenen  Organismen  sicherten,  ist  die  Aus- 
beute gerade  dieser  in  mittleren  Tiefen  schwebenden  Lebewelt 
eine  besonders  reiche  und  wertvolle  geworden. 

Das  uns  bis  jetzt  überwiesene  Material  besteht  vorzugs- 
weise aus  Schwämmen  und  Fischen. 

Unter  den  sessilen  Formen  der  Tiefsee  sind  es  vorwiegend 
die  Glasschwämme  [Hexactinellidae),  deren  duftig  zarte, 
zierlich  gebaute  Kieselgerüste  schon  von  Anbeginn  der  Forschung 
immer  wieder  das  Erstaunen  der  Zoologen  erweckten.  Lange 
dünne  Glasfäden,  die  zu  kleineren  oder  größeren  Schöpfen  ver- 
einigt im  Bodenschlamm  wurzeln,  verfilzen  sich  dicht  aber 
gesetzmäßig  zu  einem  engmaschigen  Netzwerk,  das,  durch 
modifizierte  und  mikroskopisch  kleine  Nadelgebilde  gestützt  und 
vom  Weichkörper  umspannt,  den  Schwamm  aufbaut.  Immer 
aber  sind  die  Grundformen  der  Nadeln,  wenn  auch  noch  so 
mannigfaltig  ausgebildet,  Sechsstrahler,  denen  die  Gruppe  ihren 
Namen  verdankt.  Unter  den  Hexactiuelliden  aus  362 — 4990  m 
Tiefe  war  es  der  Expedition  vorbehalten,  nicht  nur  von  bereits 
bekannten  Formen  ungleich  mächtigere  und  außerordentlich  gut 
erhaltene  Exemplare  zu  erbeuten,  sondern  auch  Vertreter  ganz 
neuer  Familien  aufzufinden.  Wir  führen  einige  der  selten 
schönen  Exemplare  an,  die  jetzt  in  unseren  Besitz  gelangt  sind. 

Aus  der  Unterordnung  der  Ämphidiscophora^  ausgezeichnet 
durch  zierliche,  mikroskopisch  kleine  Doppelanker,  verdienen 
besondere  Beachtung  je  ein  prächtiges  Exemplar  der  verwandten 
Formen  Pheronema  raphanus  F.  E.  Schulze  und  Platylistrum 
platessa  F.  E.  Seh.  Sie  gehören  zu  den  schönsten  der  Aus- 
beute. Pheronema  besitzt  eine  gedrungene  rettigartige  Ge- 
stalt, deren  Breitendurchmesser  ungefähr  der  Höhe  von  15  cm 
entspricht.  Von  der  Basis  geht  ein  mächtiges,  leicht  verfilztes 
Nadelbüschel  von  etwas  geringerer  Breite  zur  Bodenverankerung 


~     256     — 

ab,  während  das  obere  Ende  mit  der  quergestellten  Siebplatte 
abschließt,  die  peripher  von  fünf  bis  sechs  Büscheln  linear  an- 
geordneter Marginalnadelschöpfe  von  IV2— 2  cm  Höhe  eingefaßt 
ist.  Unser  unverletztes  Exemplar  stammt  von  der  Südwest- 
küste der  Nikobaren  aus  805  m.  Bei  dem  ebenso  schönen, 
in  Eig.  1  abgebildeten  Exemplar  aus  863  m  bei  Sansibar, 
dem  Genus  Flatj/listrtim  mit  der  Schöpflöffelgestalt  zugehörig 
—  daher  der  Name  — ,  steht  die  Siebplatte  vertikal,  und  der 
Nadelschopf  bildet  die  Verlängerung  des  Stieles.  Eine  wahre 
Überraschung  bot  die  neue  Gattung  Monorhaphis  F.  E.  Schulze, 
gleichfalls  ein  Amphidiscophore,  deren  annähernd  zylindrischer 
Körper  der  Länge  nach  durchzogen  wird  von  einer  etwas  exzen- 
trisch gelegenen  „Pfahhiadel"  von  einer  Größe,  wie  man  sie  nicht 
im  entferntesten  erwarten  würde.  Die  beiden  sich  laugsam  ver- 
jüngenden Enden  der  Nadel  ragen  über  den  Schwaramkörper 
hinaus;  von  dem  unteren  Ende  nimmt  man  an,  daß  es  tief  in 
den  Meeresboden  eingegraben  ist.  Begreiflicherweise  erreichten 
die  gefischten  Schwämme  mit  ihren  gebrechlichen  Nadeln  fast 
niemals  ganz  unversehrt  die  Oberfläche;  doch  messen  die  längsten 
Pfahlnadel-Bruchstücke  von  M.  chuni,  wie  die  Art  zu  Ehren 
des  Expeditionsleiters  genannt  wurde,  bis  70  cm  bei  einem  Durch- 
messer von  0,6  —  8,5  mm,  und  bei  der  nahestehenden  M.  dives 
ist  eine  Nadel  von  1,50  m  erhalten,  die  nur  4,5  mm  Dicke  zeigt. 
Die  Rekonstruktionen  lassen  vermuten,  daß  die  Pfahlnadelu  über 

3  m  lang  werden,  der  Schwamm  selbst  1,50  m  hoch.  Fig.  2  zeigt 
das  uns  überwiesene  Stück:  das  obere  Ende  eines  Schwammes 
mit  der  Pfahlnadel  und  den  sie  umgebenden  Komitalien,  den 
schwächeren  Begleitnadeln.  Das  Gitternetz  g,  das  die  großen 
inneren  Lakunen  ähnlich  einer  Siebplatte  gegen  die  sogenannten 
Nischen,  große  modiflzierte  Osculaöffnungen,  abschließt,  kommt 
neben  den  eigentlichen  Osculis  0  deutlich  zum  Ausdruck.  Weiter 
sind  wir  in  den  glücklichen  Besitz  einer  80  cm  langen  und  etwa 

4  mm  dicken  Pfahlnadel  von  M.  dives  gekommen :  ein  Schau- 
stück, das  neben  so  manchen  anderen,  die  uns  jetzt  zuge- 
gangen sind,  außer  dem  Berliner  Museum  kein  anderes  Museum 
der  Welt  aufweist.  In  unserer  Schausammlung  werden  diese 
Schenkungen  durch  wohlgelungene,  früher  erworbene  Photo- 
graphien ergänzt:  die  des  größten  gefundenen  Schwammbruch- 
stückes, das  das  spiralige  Wachstum  um  die  70  cm  lange  Nadel 


Fig.  1.  PJati/listruin.  pla- 
tessa  F.  E.  Schulze,  An- 
sicht auf  die  Siebplatte 
^5  n.  Gr.). 


Fig.  2.  Monorhaphis 
cliuni  F.  E.  Schulze,  obe- 
rer Teil,  seitlich  geöffnet 
C/ö  n.  Gr.)  g  =  Gitternetz, 
0  =  Oscula. 


—     258     — 

zeigt,  ferner  durch  die  Photographie  einer  kräftigen  Glasnadel, 
die  von  einer  Amphihelia  umwachsen  ist,  wodurch  der  Eindruck 
erweckt  wird,  die  Nadel  sei  die  zentrale  Ausscheidung  der  stark- 
kalkigen weißen  Koralle. 

Südwestlich  von  der  Insel  Groß-Nikobar  aus  296  und 
362  m  sind  von  der  Expedition  sechs  Exemplare  der  dem  vor- 
erwähnten Schwämme  nahestehenden  SempereUa  cucumis  F.  E. 
Schulze  gedredgt  worden,  wovon  uns  eins  überwiesen  ist,  das 
neben  der  guten  Abbildung  in  unserem  Hexactinellidenschranke, 
nach  dem  einzig  existierenden  vollständigen  Exemplar  von  62  cm 
Höhe  aus  den  „Ergebnissen",  uns  ein  deutliches  Bild  dieses 
prächtigen  Glasschwammes  abgibt. 

Wir  übergehen  die  interessanten  neuartigen  Vertreter 
gestielter  Polypen,  sowie  schöner  Gorgoniden  und  er- 
wähnen von  den  am  Boden  lebenden  Formen  der  Tiefsee  aus 
der  Gruppe  der  kurzschwänzigeu  Krebse  (Brachyuren)  drei 
schöne  Vertreter,  die  jetzt  in  unserem  Besitz  sind.  Zwei  Geryon 
afflnis  Milne  Edwards  u.  Bouvier,  im  Leben  stark  rot  gefärbt,  ent- 
stammen einer  von  der  Expedition  aufgefundenen  Untiefe  von 
936  m  im  südatlautischen  Ozean,  zur  Erinnerung  an  den  Expe- 
ditionsdampfer „Valdivia-Bank"  genannt,  8  Breitengrade  von  der 
Walfischbai  entfernt.  Die  neue  Spezies  hertivigi  Doflein  des  Genus 
Scyramathia,  von  der  zahlreiche  männliche  und  weibliche  Indi- 
viduen vorliegen,  ist  in  300  bis  500  m  auf  der  Agulhas-Bank  sehr 
verbreitet,  und  was  schließlich  die  uns  überwiesene  Platymaia 
wyvüle-thomsoni  Miers  betrifft,  so  handelt  es  sich  wohl  um  die 
interessanteste  der  uns  bekannten  Tiefsee-Krabben.  Die  außer- 
ordentlich hochbeinig  gestelzte  Form  zeichnet  sich  durch  Scheren- 
finger aus,  die  messerartig  schmal  und  nach  innen  gebogen  sind  ; 
aber  vor  allem  imponieren  uns  die  furchtbaren  Waffen  des  Tieres 
in  Gestalt  langer  dornartiger  Stacheln,  die  mehrreihig  an  den 
vorderen  Extremitäten  sitzen  und  dem  erbeuteten  Opfer  ein 
Entrinnen  unmöglich  machen. 

Nicht  unwesentlich  tragen  bei  zur  Charakterisierung  der 
auf  dem  Boden  oder  wenig  darüber  lebenden  benthonischen 
Lebewelt  neben  anderen  noch  nicht  in  unserem  Besitz  befind- 
lichen Formen  die  meisten  Arten  der  Macruren,  jene  auffallend 
langgeschwänzten  Fische,  die  vorwiegend  in  dem  warmen 
Gürtel  weitverbreitete  Tiefseefische  darstellen.    Der  dicke  Kopf 


—     259     — 

mit  einem  kurzen  Körper  wirkt  fremdartig  durch  die  gewaltig 
vergrößerten  Augen;  das  gelegentlich  weit  unterständige  quer- 
gestellte Maul  mit  einem  stark  verlängerten  Rostrum  zum  Auf- 
wühlen des  Schlammes,  auf  dem  die  Fische  leben,  läßt  auf  eine 
ähnliche  Lebensweise  schließen,  wie  sie  unsere  Acipenseriden 
führen,  was  auch  der  Mageninhalt,  bestehend  aus  Echinodermen- 
resten,  kleinen  Schnecken,  Foraminiferenschalen  u.  a.,  verrät. 
Zufolge  ihrer  Lebensweise  fangen  sich  die  Macruren  fast  aus- 
schließlich in  dem  Trawl,  auch  gelangen  sie  leicht  in  die  Netze. 
Unsere  Expedition  brachte  205  Exemplare  in  16  Arten  an  die 
Oberfläche,  von  denen  10  Arten  aus  Tiefen  von  178,  465,  628 
und  900 — 1134  m  in  unser  Museum  gekommen  sind.  Fünf  Arten 
kommen  der  Hauptgattung  Macrurus  zu,  die  übrigen  den  Sub- 
genera Coelorhi/nchus,  Whjstaconums  und  Malacocephalus.  Die 
Exemplare  sind  meist  sehr  gut  erhalten;  dasjenige  von  Malaco- 
cephalus laevis  (Lowe)  besitzt  eine  Länge  von  40  cm.  Unsere  Schau- 
sammlung enthält,  beiläufig  bemerkt,  einen  schönen  Macrurus 
von  etwa  70  cm  Länge,  rupestris  Gunner,  aus  dem  unteren 
Litoral,  der  von  Prof.  Römer  1904  bei  der  Insel  Alvaerströmmen 
mit  der  Grundangel  erbeutet  worden  ist. 

Neben  diesen  Macruren  sind  uns  weiter  einige  Vertreter 
aus  verschiedenen  Familien  und  Unterordnungen  übermittelt,  so 
daß  jetzt  die  Hauptrepräsentanten  der  benthonischen  Tiefen- 
fischfauna  unserer  Sammlung  einverleibt  sind.  Sie  entstammen 
Tiefen  um  1000  m  und  sind  meist  dem  nordwestlichen  indischen 
Ozean  entnommen.  Es  seien  hervorgehoben  Bathygadus  longi- 
filis  Goode  u.  Bean,  dessen  erster  Strahl  der  Rücken-,  Brust- 
und  Bauchflossen  zu  einem  laugen  dünnen  Faden  ausgezogen 
ist;  die  dunkelblaue  Färbung  der  Bauchseite,  der  Kiemen  und 
des  Maules  kontrastiert  auffällig  gegen  das  grünlich  schillernde 
Auge.  Ferner  Bathygadus  melanobranchus  Vaillant  von  der  deutsch- 
ostafrikanischen  Küste,  noch  erheblich  dunkler  gefärbt  mit  tief- 
schwarzen Kiemen ;  seine  Überführung  aus  1289  m  an  die  Ober- 
fläche ging  so  rasch  vonstatten,  daß  durch  die  plötzliche  Druck- 
verminderung bei  unserem  Exemplar  der  Magen  weit  in  den 
gewaltigen  Rachen  vorgepreßt  worden  ist.  Eine  ähnliche  Tinten- 
farbe, aber  noch  mehr  nach  blau  über  den  ganzen  Körper 
ziehend,  zeigen  Lampogrammus  ?iiger  Alcock  aus  1024  m  bei 
den  Nikobaren  und  die  neue  Art  Aleposomus  lividus  A.  Brauer, 

17* 


—     260     — 

von  der  nur  fünf  Exemplare  heimgebracht  wurden.  Diese  Form 
erhebt  sich  schon  weit  über  den  Boden  und  tritt  in  die  pela- 
gische  Lebensweise  ein. 

Eine  ähnliche  Teilung  der  Lebensweise  hat  unter  der 
Gruppe  der  Pediculaten  stattgefunden ,  die  sich  teils  in  den 
Schlamm  einwühlen,  teils  aber  eine  bathypelagische  und  pela- 
gische  Lebensweise  angenommen  haben.  Zu  den  Pediculaten 
zählen  höchst  merkwürdige  Formen :  es  isolieren  sich  bei  einigen 
die  ersten  Strahlen  der  Rückenflosse  und  rücken  nach  der 
Schnauze  zu  vor,  um  Funktionen  als  Lockaugeln  anzunehmen. 
Das  knopfförmige  Ende  kann  außerdem  noch  ein  Leuchtorgan 
und  Tastfäden  enthalten.  Die  Herkunft  eines  solchen  Tentakels 
und  seines  Endorgans  verrät  jedoch  der  an  der  Spitze  des 
Tentakels  sich  aufsplitternde  Nerv,  der  weit  hinten  als  dorsaler 
Ast  eines  Spinalnerven  entspringt.  Von  den  interessantesten 
dieser  Familien,  den  Ceratiiden,  konnte  die  Expedition  kein 
Exemplar  abgeben,  da  von  den  einzelnen  Arten  höchstens  zwei 
Tiere  gefangen  wurden.  Um  so  freudiger  begrüßen  wir  es,  daß 
uns  von  den  übrigen  vier  Familien  der  Pediculaten  Vertreter 
überwiesen  worden  sind :  zunächst  ein  neuer  Lophius  quinquera- 
diatus  A.  Brauer;  diese  Gattung  kann  gewissermaßen  als 
die  Stammform  der  verschiedenen  Pediculaten -Familien  ange- 
sehen werden.  Weiter  gehören  hierher  Aceratias,  der  Vertreter 
einer  Familie,  bei  der  der  Tentakel  zwar  wieder  verschwunden, 
seine  Rudimente  aber  innerlich  noch  nachzuweisen  sind ;  ferner 
die  Antennariiden,  repräsentiert  durch  C/immax  pictus  Lowe 
und  die  Malthiden  mit  der  vielseitig  interessanten  Form  Haliemetus 
ruber  Alcock,  die  im  Leben  eine  schöne  rosa  Färbung  zeigt. 
Diese  beiden  Familien  besitzen  Tentakel  höchst  merkwürdiger 
Gestalt;  bei  Chaimax  ist  das  Organ  troddelartig,  bei  dem  ab- 
geplatteten Haliemetus   ist   es   flach   und   liegt  in  einer  Nische. 

Ehe  wir  in  einige  Bemerkungen  über  die  rein  pelagischen 
Fische  eintreten,  wollen  wir  zwei  Arten  derjenigen  Formen 
berücksichtigen,  die  voraussichtlich  eine  große  vertikale  Ver- 
breitung besitzen  und  gelegentlich  benthonisch  sich  finden,  wenn 
sie  auch  bis  jetzt  selten  erbeutet  wurden.  Zunächst  das  un- 
versehrte prächtige  Exemplar  von  Avocettina  infans  (Günther) 
von  30  cm  Länge,  das  mit  dem  bis  8070  m  hinuutergesenkten 
Vertikalnetz    zwischen     Sierra    Leone    und    Kamerun    gefischt 


s 


m 


a  '^ 


5s 


Ö   &2 


tq 


1^ 


3  o 


M 


-     262     - 

wurde,  zuzuzählen  den  bandartigen  Kemtchthyidae,  Formen,  die 
bei  2  cm  Höhe  und  60  cm  Länge  nur  wenige  Millimeter  Dicke 
erreichen.  Der  Körper  verjüngt  sich  gleichmäßig  bis  zur  faden- 
dünnen Schwanzspitze,  die  Brustflossen  sind  klein,  Bauchflossen 
fehlen,  die  Rückenflosse,  die  mit  der  Afterflosse  in  die  Schwanz- 
flosse ohne  Unterbrechung  übergeht,  besitzt  325 — 340  Flossen- 
strahlen, die  Afterflosse  240—260.  Langgezogen,  wie  der  ganze 
Fisch,  stellen  sich  auch  die  Kiefer  dar  (Fig.  3);  beide  ziehen 
sich  fadenartig  aus  und  gleichen  divergierenden,  sehr  elastischen 
Spangen.  Ihre  Innenseiten  sind  mit  scharfen,  nach  hinten  ge- 
richteten, in  rhombischen  Feldern  angeordneten  Zähnchen  besetzt, 
ebenso  die  knopffürmigen  Enden ;  vergrößert  erscheinen  die 
Innenseiten  der  Kiefer  wie  kreuzweise  aufgeschlagene  E'eilen. 
Der  funktionelle  Wert  dieser  Widerhaken  für  den  Nahrungs- 
erwerb leuchtet  ohne  weiteres  ein. 

Die  andere  Art,  die  noch  erwähnt  sein  mag,  Neoscopelus 
macrolepidotus  Johnson  (Fig.  4),  gehört  zu  einer  großen  Gruppe 
von  Leuchtflschen,  den  Scopeliden,  die  eine  fast  durchaus  pela- 
gische  Lebensweise  führen.  Neben  der  prachtvollen  Färbung 
im  Leben  —  rote  Flossen,  grüne  Augen,  zart  rosavioletter 
Körper  mit  silberglänzenden  großen  Schuppen  —  fallen  vor 
allem  auf  die  ventralen  und  lateralen,  auf  starkpigmentiertem 
Hintergrund  hell  aufblitzenden  großen  Leuchtorgaue,  deren 
Leuchtwirkung  durch  einen  mächtigen  silberglänzenden  Reflektor 
erhöht  wird.  In  Reihen  ziehen  sie  sich  auf  Bauch  und  Seiten 
hin  bis  auf  den  Isthmus  und  seltsamerweise  auch  auf  die  Unter- 
seite  der  Zunge  (Fig.  5),   eine  Erscheinung,   die  für  sich  steht. 

Weitaus  die  interessantesten  Formen  kommen  den  unend- 
lichen Wassermassen  des  Pelagials  zu,  dem  größten  belebten 
Raumgebiet  unserer  Erde. 

Durch  die  erwähnte  reichliche  Verwendung  der  großen 
Vertikalnetze  hat  die  Kenntnis  auch  der  dem  Boden  vollständig 
fremden  Fische  der  Tiefsee  eine  überraschende  Erweiterung 
erfahren.  Diese  mehr  oder  weniger  bathypelagisch  lebenden 
Fische  zeichnen  sich  vielfach  aus  durch  die  hohe  Zahl  von  Leucht- 
organen und  die  oft  gewaltige  Vergrößerung  der  Augen,  deren 
schrittweise  zu  verfolgende  Ummodelung  zu  der  höchst  aberranten 
gestreckten  Form  der  „Teleskopaugen"  führt,  eine  Umwandlung, 
die  konvergent  nicht  nur  bei  verschiedenen  Familien  der  Fische 


—     2G3     — 

sondern  auch  in  anderen  Tiergruppen  ganz  unabhängig  wieder- 
kehrt, z.  B.  bei  Zephalopoden.  Dabei  verlagert  sich  die  Linse 
des  Auges  mehr  und  mehr  rostrad  oder  dorsad,  gleichzeitig 
tritt  eine  Verlängerung  des  Augapfels  und  unter  Umständen  auch 
eine  funktionelle  Teilung  der  Netzhaut  ein.  Ausgebildete  Tele- 
skopaugen können  rein  nach  vorn  oder  nach  oben  gerichtet  sein. 
Die  Befunde  der  Expedition  haben  hier  ganz  neuartige  Familien 
zu  unserer  Kenntnis  gebracht.  Unser  Museum  ist  in  den  Besitz 
von  drei  Arten  der  Gattung  Argyropelecus  gekommen,  die  zum 
teil  die  Träger  typischer,  dorsad  gerichteter  Teleskopaugen  sind. 
A.  affin/s  (Garman),  bei  den  Chagos-Iuseln  im  indischen  Ozean 
aus  1900  m  gehoben,  zeigt  die  dorsale  Ausbildung,  während 
sein  Verwandter  olfersi  (Cuvier)  aus  2200  m  des  südlichen  in- 
dischen Ozeans  nur  die  dorsale  Verschiebung  der  Linse  erkennen 
läßt,  ein  fertiges  Teleskopaug-e  also  noch  nicht  besitzt.  Eine 
Form,  die  ebenfalls  auf  einer  Zwischenstufe  dieser  Bildungsrich- 
tung steht,  zeigt  uns  ein  kleines  Exemplar  aus  dem  südatlan- 
tischen Ozean,   Dissomma  anale  A.  Brauer. 

Von  Fischen  mit  Leuchtorganen  besitzen  wir  nun  eine 
stattliche  Reihe  in  Vertretern  der  Stomiatiden,  Sternoptychiden 
und  Scopeliden.  Während  aus  dem  Formenkreis  der  Stomiatiden 
die  Repräsentanten  meist  einzeln  erbeutet  wurden  —  wir  sind 
nur  im  Besitz  eines  Cliaidiodus  slouaei  Bloch  u.  Schneider  ge- 
kommen — ,  sind  die  Sternoptychiden  an  Individuenzahl  und 
die  Scopeliden  an  Artenzahl  sehr  reich  vorhanden.  Von  ersteren 
besitzen  wir  ein  größeres  Exemplar  von  Sternoptijx  diaplmna 
Herrmann ;  ebenso  wie  sein  schon  genannter  naher  Verwandter 
Argyropelecus  zeichnet  sich  diese  Form  durch  beilförmige  Gestalt, 
prächtigen  Silberglauz  und  außerordentlich  große  Leuchtorgane 
aus,  die  aus  mehreren  zusammengelegten  Leuchtdrüsen  aufgebaut 
sind.  Unter  allen  Tiefseefischen  ist  die  hierher  gehörige  Gattung 
Cydotlione  mit  ihren  sieben  zum  Teil  kosmopolitischen  Arten 
wohl  die  verbreitetste ;  auf  der  Valdivia-Expedition  wurden  etwa 
2000  Stücke  erbeutet.  Jede  Art  ist  unserem  Museum  in  mehreren 
Exemplaren  zugekommen.  Von  der  ebenso  bedeutenden  Familie 
der  Scopeliden  haben  wir  den  prächtigen  Neoscopelus  schon  ange- 
führt, den  Verwandten  der  umfassenden  Hauptgattung  M/yc/o/^/mw. 
Von  den  31  von  der  Expedition  heimgebrachten  Arten  der  ins- 
gesamt 52  Spezies  der  Untergattungen  Myctophum^  Lampadeiia, 


—     264     — 

JDiaphns  und  Lawpanycies  sind  uns  die  überwiesenen  deshalb 
besonders  interessant,  weil  es  sich  hier  um  Fische  handelt, 
deren  Einordnung  in  das  System  sich  bei  großer  äußerlicher 
Ähnlichkeit  wesentlich  auf  die  Konstanz  der  Leuclitorgane, 
deren  Stelhing  zu  einander,  das  Auftreten  von  Leuchtplatten 
und  Leuchtschuppen  als  Artcharaktere  stützt. 

Diese  Andeutungen  über  die  pelagischen  Fische  wären 
indessen  unvollständig,  wenn  wir  die  merkwürdigen  Funde  der 
Expedition  mit  der  ansprechenden  Bezeichnung  „Stielaugeufische" 
übergehen  wollten.  Hier  handelt  es  sich  um  Larven,  die  in 
älteren  Stadien  Leuchtorgane  zeigen.  Brauer  hat  diesen  Jiigend- 
formen  den  Namen  Stißophthahmis paradoxus  g%gt\)Q\\\  vermutlich 
kommen  sie  Stomiatiden  zu.  Das  unserem  Exemplar  entsprechende 
Stadium  ist  in  Fig.  6  abgebildet. 

Vergegenwärtigen  wir  uns  die  Art  der  Bedingungen,  unter 
denen  pelagische  und  benthonische  Organismen  leben,  so  sind 
sie  wohl  eigen  und  fremdartig.  Sie  sind  indessen,  namentlich  in 
dem  Pelagial.  erheblich  gleichmäßiger  als  diejenigen  der  uns 
umgebenden  Organismenwelt.  Wir  lernen  daher  verstehen,  daß 
an  den  Tiefseeorganismen,  wohin  wir  auch  blicken,  immer  wieder 
konvergente  Anpassungen  der  Organe,  vor  allem  der  Sinnes- 
apparate, auftreten  und  zu  einem  Grade  der  Vollkommenheit 
gelangen,  die  die  übrige  Lebewelt  nicht  erreicht.  Die  hoch- 
gradige Adaption  an  eigenartige  Bedingungen  ist  es,  die  den 
Tiefseeorganismen  und  Dämmerungsformen  die  fremdaiiige  Ge- 
stalt gibt.  Trotz  der  großen  Fortschritte  auf  diesem  Gebiet 
der  Forschung  sind  wir  jedoch  auch  heute  noch  weit  davon 
entfernt,  ihre  Biologie  restlos  zu  erkennen. 

Wenn  wir  jetzt  den  Besuchern  unseres  Museums  und  den 
Hörern  unserer  Vorlesungen  von  diesen  so  abseits  stehenden 
Naturobjekten  prächtige  Exemplare  vor  Augen  führen  können, 
so  verdanken  wir  dies  dem  Geschenk  der  Deutschen  Tiefsee- 
Exp  edit  ion.  Daß  durch  diesen  köstlichen  Schatz  eine  empfind- 
liche Lücke  unserer  Sammlung  ausgefüllt  worden  ist,  wollen 
wir  gern  und  dankbar  hervorheben. 

F.  ir.  Winter. 


—     265     — 


Fossile  Wespennester 

Mit  einer  Abbildung 
von 

Anton  Handlirsch  (Wien). 


Im  Oberoligozän  von  Flörsheim  wurden  zusammen  mit 
Landschnecken,  Insektenlarven,  Eidechseneiern  und  Säugetier- 
resten einige  Gebilde  gefunden,  die  auf  den  ersten  Blick  eine 
auffallende  Ähnlichkeit  mit  den  bekannten  kugelförmigen  Lehra- 


Fossile  Wespennester  aus  Flörsheim  (natürliche  Größe). 

nestern  der  solitären  Vespiden  aus  der  Gattung  Eumenes  zeigen. 
Friese,  der  diese  Objekte  gesehen,  hat  keinen  Augenblick  an 
ihrer  Eumenidennatur  gezweifelt. 

Nachdem  jedoch  einige  Paläontologen,  denen  diese  Gebilde 
vorgelegt  wurden,  meinten,  es  sei  doch  möglich,  daß  es  sich  um 
Spongien  handle,  und  nachdem  ich  selbst  ein  äußerlich  ganz  ähn- 
liches miozänes  Fossil  gefunden  habe,  das  dem  Bryozoon  CeUepora 


—     266     — 

rjlohdaris  (det.  TIi.  Fuchs)  angehitrt.  liabe  ich  eine  chemische 
und  mikroskopische  Untersuchung  der  fraglichen  Gebilde  vor- 
genommen, durch  die  nun  wohl  alle  Zweifel  behoben  werden. 

Es  sind  Hohlkugeln  von  18—22  mm  Durchmesser  und 
2 — 3  mm  Wandstärke.  Sie  tragen  an  der  oberen  Seite  das 
charakteristische  Flugloch  und  bestehen  aus  Lehm,  in  dem  Kalk- 
sandkörnchen eingebettet  sind.  An  manchen  Stellen  sind  in  der 
Wand  kleine  Hohlräume  sichtbar.  Von  geformten  Hartgebilden 
(Kalk-  oder  Kieselnadeln)  ist  keine  Spur  zu  finden,  und  das 
Material  entspricht  vollkoramem  jenem  rezenter  £'?</«enes-Nester. 

Nach  der  Größe  der  Nester  zu  schließen,  muß  die  Wespe 
zwei-  bis  dreimal  so  groß  gewesen  sein  wie  die  heute  in  Mittel- 
europa verbreitete  E.  pomiformis;  so  große  Arten  leben  jetzt 
nur  in  heißen  Ländern.  Ich  schlage  für  die  oligozäne  Art  von 
Flörsheim  den  Namen  Eiauenes  römeri  m.  vor,  zur  Erinnerung 
an  Prof.  Dr.  F.  Römer,  der  mir  diese  interessanten  Objekte 
vor  längerer  Zeit  zur  Untersuchung  vorgelegt  hat. 


—     267 


Die  Darstellung  der  Tiere  in  der  antiken 

Kunst. 

Vortrag  bei  der  Jahresfeier  am  29.  Mai  1910. 

Mit  11  Abbildungen 
von 

Julius  Ziehen. 


„Wenn  Sie,  hochverehrte  Anwesende,  bei  den  Betrachtungen, 
die  Ihnen  im  folgenden  vorgeführt  werden  sollen,  nicht  ganz 
auf  Ihre  Rechnung  kommen,  so  müssen  Sie  darüber  zum  Teil 
mit  dem  verehrten  Vorstande  unserer  Gesellschaft  abrechnen; 
denn  er  ist  schuld  daran,  daß  sich  in  diesen  der  Naturforschuug 
gewidmeten  Räumen  an  dem  heutigen  festlichen  Tage  die  Wissen- 
schaft der  Kunst-  und  Kulturgeschichte  eindrängt  und 
Gehör  erbittet  für  eine  Reihe  von  Erörterungen,  bei  denen  sie 
zwar  vorwiegend  der  empfangende  Teil  ist,  aber  vielleicht  doch 
auch  ihrerseits  einiges  zu  geben  vermag.  Nur  wenn  letzteres 
wirklich  der  Fall  ist,  darf  der  Eindringling  es  wagen,  hier  zu 
erscheinen;   sehen  wir  zu,  was  er  zu  bieten  hat! 

Von  den  Tierdarstellungen  der  antiken  Kunst ^)  soll 
hier  die  Rede  sein ;  denn  auf  dieses  engere  Gebiet  der  Kunst- 
und  Kulturgeschichte  wollen  wir  unser  Thema  von  vornherein 
beschränken  und  nur  in  gelegentlichen  Seitenblicken  auch  Kunst- 
werke aus  anderen  Kulturepochen  heranziehen.  Was  kann  Ihnen, 
den  Naturforschern  und  Freunden  der  Naturforschung,  eine 
solche  Betrachtung  bieten,  da  doch  Ihr  Interesse  den  Natur- 
objekten selbst  gewidmet  ist  und  die  Art  der  künstlerischen 
Wiedergabe  der  Objekte  für  Sie  an  dieser  Stelle  kein  unmittel- 


—     268     — 

bares  Interesse  haben  kann?  Lassen  Sie  uns  die  Antwort  auf 
diese  Frage  nicht  in  langen  theoretischen  Erörterungen  suchen, 
sondern  sie  lieber  gleich  dadurch  geben,  daß  wir  aus  einigen  prak- 
tischen Beispielen  die  leitenden  Gesichtspunkte  gewinnen. 

Kein  von  Künstlerhand  illustriertes  antikes  Lehrbuch  der 
Zoologie  hat  unseres  Wissens  jemals  bestanden ;  auch  ist  es 
mehr  als  zweifelhaft,  ob  die  zoologischen  Werke  des  Aristoteles, 
des  Meisters  der  antiken  Tierforschuug,  des  Begründers  der 
noch  heute  festgehaltenen  Tierklassiflkation,  überhaupt  in  illu- 
strierten Ausgaben,  wie  etwa  die  des  Ptlanzenbuches  von  Dios- 
korides,  existiert  haben.  Aber  wenn  auf  antiken  Bildwerken 
wie  dem  berühmten  „Nilmosaik"  von  Präneste  (Fig.  1  — 3j^) 
den  einzelnen  Tierbildern  die  Namen  der  Tiere  beigeschriebeu 
sind,  so  war  dafür  sicherlich  unter  anderem  auch  ein  gewisser 
Lehrzweck  maßgebend,  und  die  Freude  an  der  künstlerischen 
Darstellung  der  Tiere  ist  im  Altertum  ganz  allgemein  gewesen. 
Es  würde  eine  erstaunlich  reichhaltige  Sammlung  geben,  wollte 
man  die  Schätze  der  Autikensammluugen,  die  sich  auf  die  Tier- 
welt beziehen,  übersichtlich  zusammenstellen  zu  einer  ,,  Sala 
degli  animali"  großen  Stiles,  von  der  der  Eaum  des  vatikanischen 
Museums,  der  diesen  Namen  trägt ^j,  nur  eine  sehr  bescheidene 
Teilvorstellung  geben  kann.  Auch  große  Künstlernamen,  die 
Gegenstücke  zu  den  großen  Namen  der  Neuzeit,  eines  Rubens, 
P  0 1 1  e  r ,  C  u  3^  p ,  R  i  e  d  i  u  g  e  r ,  B  a  r  y  e ,  würden  in  diesem  Saale 
vertreten  sein,  sie  freilich  nur  als  Namen,  denn  die  sonst  so 
identifikationsfrohe  und  identifikatiousfähige  Kunstarchäologie 
hat  auf  dem  Gebiete  der  Zurückführung  erhaltener  Bildwerke 
auf  berühmte  Originale,  was  die  Tierdarstelluug  anbetrifft,  bis 
jetzt  noch  recht  wenig  sichere  Ergebnisse  zeitigen  können^). 

Freude  an  der  \A'iedergabe  der  charakteristischen  Tier- 
formen und  eine  oft  bewundernswerte  Kunst  der  Tierbeobachtuug 
würde  das  erste  sein,  was  wir  festzustellen  haben ;  wir  finden 
beide  in  reichem  Maße  au  den  köstlicii  uaturwahren  Köpfen 
eines  Kamels  und  eines  Esels  in  der  eben  genannten  Sala 
degli  animali  des  Vatikans  und  sehen  mit  gleichem  Verständnis 
für  die  Naturformen  auch  den  Gesamtkörper  der  Tiere  wieder- 
gegeben in  Werken  wie  der  schönen  Windhundgruppe  der- 
selben  Sammlung   (Fig.  4),    der    sich    eine   ganze   Reihe   gleich 


269 


vortrefflicher  Windhundskulpturen  mit  den  verschiedensten  Mo- 
tiven aus  anderen  Antikenmuseen  anreihen  ließe.  Nur  eine 
scharfe  Naturbeobachtung,  von  einer  genauen  Kenntnis  des 
Tierkörpers  und  seiner  Struktur  unterstützt,  vermag  Werke  von 


Fig.  1.   Mosaik  im  Palazzo  Barberini  zu  Palestrina.    Nach  Pieralisi  (s.  Anm.  2). 

so  ruhiger  Sicherheit  der  Naturwiedergabe  hinzustellen;  es  ge- 
sellt sich  dazu  eine  Kenntnis  der  „Tierseele",  die  auch  der 
humoristischen  Seite  des  Tierlebens  gerecht  zu  werden  imstande 
ist:  in  der  Sala  degli  auimali  ist  die  Gruppe  eines  Mutter- 
schweines mit  12  Ferkeln  zu  finden,  die  mit  köstlichem  Behagen 
das  Familienidyll  der  Rüsseltiere  festgehalten  hat,  und  jede 
genauere  Betrachtung  größerer  Antikeusammlungen  zeigt  deutlich, 


a  I 

< 


eu 


M 


a  a 


m 


—     272     — 

in  wie  weitem  Umfang  Grolokunst  und  Kunsthandwerk  sich  mit 
glücklichen  Schöpfungen  auf  dem  Gebiete  der  TierdarsteUung 
betätigt  haben  '"). 

Erwähnen  wir  wenigstens  noch  einige  Meisterwerke.  Als 
ein  wundervolles  Zeugnis  solcher  Kunst  der  Tierbeobachtung 
mag  zunächst  der  bekannte  ßronzewidder  des  Museums  von 
Palermo  genannt  sein.  Goethe  fand  ihn  „einen  Phrixus  und 
eine  Helle  zu  tragen  würdig"'  und  rechnete  ihn  aus  diesem 
Gefühl  heraus  der  „mythologischen  Familie"  zu;  aber  die  un- 
bestreitbare Großzügigkeit  der  Formgebung  schließt  nicht  aus, 
daß  Körperbau  und  Sinnesart  des  Tieres  mit  vollendeter  Natur- 
wahrheit wiedergegeben  sind.  Alles  ist  an  dem  Kunstwerke 
wohl  erwogen,  die  Haltung  der  Beine,  die  Art  der  Wiedergabe 
des  Pelzes,  die  mit  verhältnismäßig  wenigen  treffsicheren  Strichen 
das  Zusammenkleben  der  einzelnen  Partien  des  Wollhaares  zum 
Ausdruck  bringt,  und  nicht  in  letzter  Linie  die  Öffnung  des 
Maules,  das  sich  zum  Blöken  anschickt.  Die  Volksmeinung 
fand  gerade  dieses  letztgenannte  Motiv  der  Darstellung  offenbar 
besonders  bezeichnend:  der  Widder  soll,  mit  einem  Gegenstück 
am  Hafeneingang  von  S3'rakus  aufgestellt,  durch  sein  Blöken 
die  Stärke  des  Windes  angegeben  haben ;  in  Wirklichkeit  diente 
dieses  Bildwerk  wohl  als  Brunnenfigur. 

Stellen  wir  dem  Palermitaner  Bronzewidder  gleich  ein 
zweites  Tierbild  zur  Seite,  das  dem  Bereiche  der  großen  Kunst 
angehört  und  sich  mit  dem  Widderbilde  in  bezug  auf  Groß- 
zügigkeit wie  Naturtreue  der  Formgebung  wohl  messen  kann: 
es  ist  die  Statue  eines  Ebers  (Fig.  5),  in  mehreren  Repliken 
eines  offenbar  beliebten  Originals  auf  uns  gekommen,  von  denen 
die  Statue  des  Florentinischen  Museums,  wie  es  scheint,  die 
beste  ist.  Auch  hier  dieselbe  Treffsicherheit  in  der  Auffassung 
des  Wesentlichen  der  Naturformen,  dazu  die  glückliche  Beob- 
achtung eines  charakteristischen  Bewegungsmotivs,  und  wir 
dürfen  dem  Origiualwerk,  von  dem  wir  ja  nur  die  Kopien  vor 
uns  haben,  gewiß  eine  noch  weit  feinere  Wiedergabe  der  Details 
der  Körperformen  zuschreiben.  Auch  ein  Haupivorzug  des  Bild- 
werkes wird  in  dem  Original  noch  mehr  hervorgetreten  sein, 
als  es  bei  den  Kopien  der  Fall  ist :  ich  meine  die  sichere  An- 
deutung der  gewaltigen  Kraft,  die  in  dem  ruhenden  Tierkörper 
latent  enthalten  ist  '■). 


—     273     — 

Ob  sich  solchen  Werken  gegenüber  wohl  wirklich  das 
scharfe  Verdikt  aufrecht  erhalten  läßt,  das  vor  einiger  Zeit  von 
beachtenswerter  Seite  über  die  Tierplastik  des  Altertums  aus- 
gesprochen ^vorden  ist?    In  einem  sehr  lehrreichen  Aufsatz,  den 


Fig.  4.     Windhundgruppe  ira  Vatikan.     Nach  Photographie. 

Friedrich  Fuchs  über  „Moderne  Tierplastik"  vor  kurzem  in 
Velliagen  und  Klasings  Monatsheften  hat  erscheinen  lassen ''), 
ist  ein  rascher  Überblick  über  die  Tierdarstellung  des  Altertums 
in  dem  Resultat  zusammengefaßt,  „daß  der  Antike  das  Organ 
für  die   selbständige  Lebendigkeit  der  Lebewesen  gefehlt   hat. 

18 


ta5 


w 


fe; 


1 

1 

^^H 

^1 

HjHppnr^  -'*" , 

^^^^I^^^^^^^^^^^H 

H 

1^^ 

'.  IJI^^^^^^^^^H 

1 

KT 

>M,. //-«^^^^^^H^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^H 

1 

k"- 

1 

\  nT^H^^^H^^^^^H 

■H 

V  _-.<Nf%.\    .  l^lv^^^^^H 

1 

"«6, 

£^1 

I^^^^H^f 

1 

r  ' 

^ 

—     275     — 

Das  lag  an  der  Weltanschauung."  Mir  scheint  dieses  Urteil 
selbst  ebenso  anfechtbar  wie  seine  Begründung;  die  letztere 
schon  darum,  weil  schon  durch  die  Beziehung  der  Tiere  zu  dem 
Götterkultus  das  Altertum  mehr  als  irgend  eine  spätere  Epoche 
der  Geschichte  mit  der  Tierwelt  in  beständige  unmittelbare 
Berührung  kam  und  dabei  Gelegenheit  fand,  die  Formen  und 
die  Lebensäußerungen  der  Tiere  von  immer  neuen  Seiten  kennen 
zu  lernen. 

Es  gibt  allerdings  eine  Gruppe  von  Tierdarstellungen,  für 
die  das  vorhin  erwähnte  harte  Urteil  über  die  Tierbildnerei  des 
Altertums  bis  zu  einem  gewissen  Grade  zutrifft.  Mit  der  Dar- 
stellung der  See  tier  e  sieht  es,  wenn  man  die  naturwissen- 
schaftliche Seite  in  Betracht  zieht,  in  der  antiken  Kunst 
nicht  eben  günstig  aus;  phantastische  Seetiere  —  Seelöwen, 
Seestiere,  Seepanther  und  dergl.  mehr  —  haben  die  Künstler 
des  Altertums  mit  wundervollem  Schwung  der  Formgebung  und 
immer  neuer  Fülle  sinnreicher  Motive  zur  Darstellung  gebracht ; 
aber  die  wirklichen  Seetiere  haben  sie  in  merkwürdig  weit- 
gehendem Maße  stilisiert.  Sehen  wir  ab  von  dem  Wappentier 
auf  den  Münzen  der  „Robbenstadt"  Phoköa,  so  bleibt  kaum 
eine  nach  zoologischer  Naturtreue  strebende  und  sie  erreichende 
Darstellung  eines  Seetieres  in  der  antiken  Denkmälerwelt  übrig ; 
insbesondere  sind  die  überaus  zahlreichen  Delphindarstellungen 
der  antiken  Kunst  meist  ebenso  graziös  wie  unrealistisch.  Auch 
die  wunderlichen  Gestalten  des  Elefanten  und  noch  mehr  des 
Nashorns  hat  ein  gewisser  Mangel  an  Impressionismus  in  der 
antiken  Kunst  nur  selten  wirklich  naturgetreu  wiederzugeben 
vermocht ;  einige  vortreffliche  Münzbilder  von  Elefanten  müssen 
dabei  als  rühmliche  Ausnahmen  erwähnt  werden  ^). 

Wir  wissen  von  den  meisten  der  bisher  betrachteten  Tier- 
flguren  nicht,  welchem  Zweck  sie  ursprünglich  gedient  haben, 
ob  sie  freie  Schöpfungen  eines  künstlerischen  Interesses  an  der 
Naturform  gewesen  sind  oder  bestimmten  Aufträgen  ihre  Ent- 
stehung verdankten;  jedenfalls  aber  hat  die  antike  Kunst  mehr 
als  die  Kunst  irgend  einer  späteren  Kulturepoche  immer  aufs 
neue  die  vielseitigsten  Impulse  zur  Darstellung  von  Tieren 
empfangen,  die  nachhaltigsten  einerseits  durch  die  bereits  vor- 
her erwähnten  Kultbeziehuugen  der  Tiere  und  andererseits  — 
iiuf    einem    besonderen   Einzelgebiete  —  durch    die   Sitte    oder 

18* 


—     276     — 

Unsitte,  die  der  Widmung  von  Reiterdeukmälern  oder  von  Qua- 
drigen im  Altertum  einen  für  unseren  Geschmack  unbegreiflichen 
Umfang  gab.  Sehr  vielfach  —  so  gewiß  bei  dem  Pferde  der 
Marc -Aurel- Statue  des  Kapitols  —  ist  anzunehmen,  daß  ein 
bestimmtes  Tier  mit  allen  seinen  individuellen  Eigentümlichkeiten 
von  dem  Künstler  dargestellt  ist;  der  Verfasser  des  Cicerone 
hat  das  eben  erwähnte  Kaiserpferd  „an  sich  ein  widerliches 
Tier"  genannt,  der  Kunstleistung  als  solcher  läßt  er  mit  Recht 
alle  Ehre  widerfahren. 

Eins  dieser  Bildwerke  mag  hier  besonders  erwähnt  sein, 
sowohl  wegen  seiner  Schönheit  an  sich  als  auch  deshalb,  weil 
es  auf  einen  der  großen  Tierbildner  des  Altertums  stilistisch 
zurückgeführt  werden  darf:  das  große  ßronzepferd  im  Kon- 
servatorenpalast zu  Rom  zeigt  in  seiner  ganzen  Formgebung 
die  Spuren  einer  Meisterhand,  deren  Original  werk  gewiß  getrost 
dem  berühmten  Pferdekopf  des  Partheuongiebels  an  die  Seite 
gestellt  zu  werden  verdiente.  Es  ist  Lysippos,  der  Lieblings- 
künstler Alexanders  des  Großen,  auf  den  aller  Wahrschein- 
lichkeit nach  das  Original  der  meisterhaft  durchgeführten  Pferde- 
figur zurückgeht.  Der  Künstler  hat,  wie  hier  gleich  miterwähnt 
sein  mag,  seinen  königlichen  Gönner  wiederholt,  unter  anderem 
auch  einmal  auf  der  Löwenjagd,  dargestellt;  ein  Nachklang  der 
letzteren  Komposition  findet  sich  vielleicht  auf  einem  leider 
stark  zerstörten  Relief  im  Louvre  zu  Paris''). 

Leicht  ließe  sich  den  oben  erwähnten  Tierfiguren  aus  dem 
Bereich  der  großen  Plastik  eine  Masse  von  Werken  der  Klein- 
kunst anreihen,  die  uns  die  verschiedensten  Tierarten  in  mehr 
oder  weniger  naturgetreuer  Nachbildung  zeigen;  fast  jede  größere 
Antikensammlung  enthält  in  ihren  Bronzebeständen  ein  reich- 
haltiges, vom  zoologisch-tiergeschichtlichen  Standpunkt  aus  aber 
noch  wenig  durchforschtes  Material.  Am  meisten  zu  Ehren  ist 
von  allen  diesen  Tierbronzen  die  kleine  Figur  einer  Kuh  ge- 
kommen, die  sich  im  Cabinet  des  medailles  zu  Paris  befindet: 
sie  soll  auf  die  berühmte  Kuh  des  Myron  von  Athen  zurück- 
gehen und  trägt  allerdings  entschieden  den  Stempel  eines  Meister- 
werkes an  sich^");  doch  dürfen  wir  ihr,  was  frische  Naturauf- 
fassung anbelangt,  mehr  als  ein  Bildwerk  anreihen,  wie  es  unter 
anderen  die  Bronze-Menagerie  des  Britischen  Museums  au  antiken 
Fundstücken  bietet  ^^). 


277 


Naturgemäß  begegnen  uns  unter  den  Kleinbronzen  auch 
am  ehesten  Darstellungen  von  niederen  Tieren  und  Tieren  unter- 
geordneter Art ;  die  S  k  o  r  p  i  o  n  e  n  b  r  o  n  z  e  n ,  die  aus  Karthago 
nach  Paris  und  London  gekommen  sind,  mögen  als  ein  Beispiel 
hier  wenigstens  kurz  erwähnt  sein,  und  es  mag  daran  gleich 
ein  Hinweis  angeschlossen  werden  auf  die  schier  unabsehbare 
Reihe  antiker  Bildwerke,  auf  denen  Tiere  aller  Art  —  nicht  in 
letzter  Linie  die  Vogel  weit  —  uns  in  ornamentaler  oder  sinn- 
bildlicher Verwendung  entgegentreten.   Wir  müßten  zurückgehen 


i'F    ^ 


ä/f/tmj^^:-: 


Fig.  6.     Römische  Meerkatze.    Relief  im  Museum  zu  Kopenhagen. 
Nach  Arndt-Amelung  (s.  Anm.  5). 

bis  auf  die  kretisch-mykenische  Kunst  mit  ihren  Schmetter- 
lingen, Tintenfischen,  fliegenden  Fischen,  wenn  wir 
einen  auch  nur  annähernd  vollzähligen  Überblick  über  die  Fülle 
der  Erscheinungen  bieten  wollten.  Die  zoologische  Forschung 
hat  für  einige  Gruppen  dieser  Tierdenkmäler  —  vor  allem  für 
die  Vogelwelt  —  noch  fast  alles  zu  leisten;  sie  muß  dabei 
natürlich  um  so  behutsamer  vorgehen,  je  weiter  sie  in  das  Ge- 
biet der  ornamentalen  Verwendung  des  Tieres  —  den  Bereich 
von  Büchern  wie  M.  P.  Verneuils  „L'animal  dans  la  deco- 
ration"   —  vordringt  ^^). 

Wir  verdanken  dieser  Kunst  der  Tierdarstellung  aber  nicht 
nur    einen    Kunstgenuß,    sondern    in    vielen   Fällen    auch    eine 


—     278     — 

naturwissenschaftliche  Belehrung,  deren  Wert  durch  die  Treue 
und  Zuverlässigkeit  dieser  antiken  Tierbilder  durchaus  gesichert 
ist.  Es  treten  uns  nämlich  in  diesen  Kunstwerken  gelegentlich 
Tierrassen  bezw.  Tierforraen  entgegen,  die  uns  ohne  sie  unbe- 
kannt oder  wenigstens  nicht  ausreichend  bezeugt  sein  würden, 
und  man  darf  wohl  sagen,  daß  für  die  rassenge  schicht- 
liche Forschung  noch  uugehobene  Schätze  gerade  in  diesen 
Kunstwerken  zu  finden  sind,  die  der  Altertumsforscher  in  dieser 
Richtung  naturgemäß  nur  unvollkommen  zu  verwerten  weiß,  er 
müßte  denn  wie  der  hochverdiente  Hauptvertreter  dieses  For- 
schungsgebietes Otto  Keller  in  jahrelanger  Bemühung  auch 
die  nötige  naturwissenschaftliche  Fachkenntnis  dazu  erworben 
haben  ^^).  Vorsicht  bei  der  Verwendung  der  Bildwerke  ist  hier 
vor  allem  insofern  geboten,  als  die  älteren  Antikensammlungen 
in  bezug  auf  Ergänzung  an  Tiertorsen  und  Zusammensetzung 
der  Reste  von  verschiedenen  Figuren  das  Unglaublichste  ge- 
leistet haben  und  darum  manche  Tierabnormität  bei  genauerem 
Zusehen  rasch  in  Wegfall  kommt. 

Ich  muß  mir  leider  versagen,  in  diesem  Zusammenhange 
näher  einzugehen  auf  das  w^ite  und  schwierige  Gebiet  rassen- 
geschichtlicher Probleme,  das  uns  durch  die  antiken  Pferde - 
dar  Stellungen  erschlossen  wird.  Sie  alle  kennen  schon  oder 
werden  gewiß  mit  großem  Interesse  die  fesselnden  „Plaudereien 
über  ein  Pferd  des  Phidias"  lesen,  in  denen  der  feinsinnige 
Viktor  Cherbuliez,  auch  als  Verfasser  eines  guten  Buches 
über  „Die  Kunst  und  die  Natur"  um  unser  ganzes  heutiges 
Betrachtungsgebiet  verdient,  die  Pferderasse  der  Parthenon- 
skulpturen zum  Ausgangspunkt  hippologischer  und  sportlicher 
Betrachtungen  in  novellistischem  Gewände  gemacht  hat.  Die 
wissenschaftliche  Bearbeitung  des  ga'nzen  umfangreichen  Ma- 
terials über  das  Altertum  hinaus  hat  in  neuerer  Zeit  vor  allem 
R.  Schoenebeck  an  der  Hand  eines  reichen  Apparates  von 
Abbildungen  sehr  gefördert;  es  fehlt,  so  weit  ich  sehe,  vor  allem 
an  eiuer  eingehenden  kritischen  und  erläuternden  Behandlung 
des  literarischen  Quellenmaterials. 

Ein  nicht  ganz  leichtes  Problem  der  rassengeschichtlichen 
Forschung  stellt  uns  die  wundervolle  Figur  des  sog.  Molosser- 
hundes,  von  der  sich  je  ein  Exemplar  im  Vatikan  und  in  den 
Uffizien  zu  Florenz  befindet,  die  aber  schwerlich  mit  Collignou 


—    279    — 

auf  ein  Original  des  Lj^sipp  zurückzuführen  ist.  Ein  echter 
Molosserhund  ist  in  dem  prachtvoll  wiedergegebenen  Tiere 
keinesfalls  zu  erkennen ;  denn  die  echte  Molosserrasse,  von  der 
eiu  lebensvoll  dargestelltes  Exemplar  unter  dem  Stuhle  der 
Torloniaschen  Olympias- Statue  erscheint,  stimmt  mit  unseren 
Bullenbeißern  in  allen  wesentlichen  Zügen  überein,  während  wir 
in  dem  Florentiner  Bildwerk  und  seinen  Gegenstücken  eine 
andere  Hunderasse  vor  uns  haben.  0.  Keller  hat  jedenfalls 
recht,  wenn  er  mit  dem  statuarischen  Typus  den  einer  Mamer- 
tiuermünze  von  Messana  zusammenstellt  und  Spuren  der  in 
beiden  Brüllen  dargestellten  Rasse  in  Sizilien  nachweisen  zu 
können  glaubt.  Zu  einem  positiven,  sicheren  Ergebnis  über  die 
Herkunft  und  Weiterentwicklung  der  Rasse  ist  leider  zur  Zeit 
noch  nicht  zu  gelangen  ^^). 

Mit  einer  Fülle  interessanter  Tierkreuzungen  macht  uns 
auch  die  Betrachtung  der  Kunstdarstellung  katzen artiger 
Tiere  bekannt.  Die  naturwissenschaftliche  Kritik  muß  auch 
auf  diesem  Gebiete  der  Altertumsforschung  noch  sehr  unter  die 
Arme  greifen ;  aber  einige  klare  Resultate  sind  wohl  schon  jetzt 
gewonnen :  ein  pompejanisches  Mosaik  zeigt  uns  z.  B.  ein  katzen- 
artiges Tier  (Fig.  7),  das  ohne  Zweifel  mit  Recht  als  Kreuzung 
des  Sumpfluchses  mit  der  Falbkatze  bezeichnet  wird  und 
so  den  Darstellungen  des  Sumpf  luchses  selbst  (Fig.  8)  in  inter- 
essanter Weise  zur  Seite  tritt.  Ebenso  erhalten  wir  den  Ein- 
druck mannigfacher  Tierkreuzungen,  wenn  wir  die  Masse  antiker 
„Panther"- Darstellungen  nebeneinander  halten;  wenigstens 
halte  ich  es  für  unzweifelhaft,  daß  die  großen  Veischiedenheiten 
dieser  Darstellungen  zum  guten  Teil  nicht  auf  Küustlerlaune 
oder  Künstlerkönneu  zurückgehen,  sondern  daß  auch  verschie- 
dene Rassen  uud  Kreuzungsergebnisse  zugrunde  liegen.  Eine 
kleine  Gruppe  der  Pantherdarstellungen  des  Altertums  ist  aus 
der  übrigen  Masse  der  Bildwerke  von  vornherein  deutlich  aus- 
zuscheiden, indem  sie  den  afrikanischen  oder  den  indischen 
Gepard  darstellt  ^^). 

Fast  noch  unklarer  ist  die  Sachlage  in  bezug  auf  die 
rassengeschichtliche  Forschung  für  die  antiken  Darstellungen 
des  Hirsches  und  seiner  Verwandten.  Der  Damhirsch  ist 
im  europäischen  Altertum  stets  eine  importierte  Rarität  ge- 
blieben, wenn  anders  wir  mit  Recht  annehmen,  daß  mit  dem  als 


—     280    — 

„dama"  bezeichueteu  Tier  der  autikeu  Schriftsteller  eine  Auti- 
lopenart  gemeint  ist,  und  wenn  wir  den  Denkmälern  Glauben 
schenken,  auf  denen  der  Damhirsch  nur  innerhalb  des  asia- 
tischen Denkmälerkreises  erscheint.  Der  Künstler,  dem  wir  die 
wundervolle  Bronzegruppe  des  Herkules  mit  dem  heiligen  Hirsche 
der  Diana  zu  Palermo  verdanken,  gibt  uns  das  Bild  des 
Hirsches  ^^),  der  in  den  westlichen  Mittelmeerländern  offenbar 
allein  verbreitet  gewesen  ist;  doch  zeigen  die  autiken  Denk- 
mäler auch  in  ihren  Darstellungen  dieses  Hirsches  im  einzelnen 


-  Fig.  7.     Luchskatze.     Pompejanisches  Mosaik    im  Museum    zu  Neapel. 
Nach  Photographie. 

große  Verschiedenheiten  der  Formgebung,  die  nicht  allein  auf 
Stilrichtung  und  künstlerisches  Können  zurückzuführen  sind. 
Auch  hier  kann  nur  eine  eingehende  Untersuchung  an  der  Hand 
der  Originale  oder  genauer  photographischer  Reproduktionen 
über  das  Gebiet  bloßer  Vermutungen  hinaushelfen. 

Eine  ganze  Reihe  interessanter  tiergeschichtlicher  Fragen 
knüpft  sich  auch  au  die  Darstellungen  der  Rinder  in  der 
antiken  Kunst,  und  zwar  interessieren  uns  hier  weniger  die 
Verschiedenheiten  der  Rassen,  wie  sie  sich  in  der  Form 
des  Kopfes  oder  der  Horner  kundgeben,  sondern  in  erster  Linie 
die  Frage,  wie  weit  sich  auf  den  Bildwerken  noch  Spuren 
der  wilden  Rinderarten  nachvi^eisen  lassen,  die  einst  in  Europa 


281 


bis  weit  hinein  in  die  südlichen  Halbinseln   verbreitet   gewesen 
sein  müssen. 

Die  uenere  Forschung  hat  ja  den  großen  Fortschritt  ge- 
macht, den  geschichtlichen  Kern  mehr  als  einer  Sage  anzuer- 
kennen, die  von  Ungeheuern  der  Heldenzeit  zu  erzählen  weiß. 
Wir  lächeln  nicht  mehr  stolz  von  oben  herab,  wenn  die  Skylla 
des  Od  Jessens  auf  eine  besonders  große  Krakenart  der  ältesten 
Zeiten  zurückgeführt  und  wenn  in  den  Lindwurm-  und  Drachen- 
sagen der  unbewußte  Nachklang   der  Eindrücke   erkannt  wird, 


Fig.  8.    Sumpflachs.    Pompejanisches  Mosaik  im  Museum  zu  Neapel. 
Nach  Photographie. 

die  die  ausgestorbenen  Riesensaurier  der  Vorwelt  auf  längst 
dahingegangene  Generationen  ausgeübt  haben.  So  darf  es  denn 
heute  als  ausgemacht  gelten,  daß  den  Sagen  von  dem  Stier- 
kampf des  Herakles  und  des  Theseus  wohl  die  Erinnerung 
an  eine  Wildstierrasse  zu  Grunde  liegt,  die  dereinst  auf  dem 
griechischen  Boden  gehaust  haben  mag  und  bereits  in  der  vor- 
geschichtlichen Zeit  ausgestorben  ist.  Begreiflicherweise  haben 
die  Verfertiger  der  überaus  zahlreichen  Kunstdarstellungen  der 
Herakles-  und  der  Theseustat  tiergeschichtliche  Betrachtungen 
dieser  Art  nicht  angestellt ;  aber  es  ist  bemerkenswert,  daß  sie 
sich  kaum  bemüht  haben,  in  der  Darstellung  des  marathonischeu 
und  des  kretischen  Stieres  auch  nur  annähernd  etwas  von  be- 


—     282     — 

sonderer  Furchtbarkeit  der  Formen  zum  Ausdruck  zu  bringen. 
Die  Größenverhältnisse  des  Tieres  sind  gegenüber  denen  des 
Zuchtstieres  wohl  gelegentlich  gesteigert,  und  seine  Wildheit  ist 
durch  die  Art  seines  Dahinstürmens  angedeutet;  aber  der  Kreis  der 
den  Künstlern  vertrauten  Tierrasse  ist  weder  durch  phantastische 
Zutaten  noch  durch  Verwendung  älterer  Darstellungen  wirklicher 
Wildstiere  verlassen.  Und  doch  hat  die  griechische  Kunst  wenig- 
stens in  ihren  Anfängen  Darstellungen  solcher  Wildstiere  ohne 
Zweifel  hervorgebracht:  wir  haben  einen  Beweis  dafür  in  den 
Reliefs  der  berühmten  Goldbecher  von  Vaphio,  die  uns  zeigen,  wie 
eine  Reihe  mächtiger  Stiere  in  ausgespannten  Netzen  eingefangen 
und  sodann  —  vielleicht  in  den  Wildpai-k  eines  Herrschers  — 
eingebracht  wird.  Die  Bäume,  unter  denen  diese  Szenen  vor  sich 
gehen,  sind  allerdings  wahrscheinlich  Palmen  und  weisen  so  auf 
eine  orientalische  Herkunft  der  Darstellung  hin;  doch  haben  wir 
keinen  Grund  zu  bezweifeln,  daß  ähnliche  Wildstiere  auch  auf  dem 
Boden  Griechenlands  und  seiner  Inseln  vorgekommen  sein  mögen. 
Die  beiden  Sagen,  von  denen  wir  ausgegangen  sind ,  sprechen 
jedenfalls  sehr  entschieden  zugunsten  dieser  Annahme  "}. 

Und  dieser  rassengeschichtlichen  Belehrung  treten  wert- 
volle Aufschlüsse  über  die  Geschichte  der  Tierwelt  und  ihrer 
geographischen  Verbreitung  zur  Seite.  Vorsichtige  Verwendung 
der  Denkmäler  ist  dabei  allerdings  naturgemäß  geboten ;  denn 
sehr  viele  Tierdarstellungen  auf  antiken  Denkmälern  erklären 
sich  durch  den  ungeheueren  Tierimport,  von  dem  wir  später 
noch  zu  reden  haben  werden,  andere  aber  durch  die  Nach- 
ahmung von  Werken  fremder  Kunstkreise,  so  vor  allem  des 
ägyptisch -assyrischen  sow^ohl  in  der  älteren  griechischen  wie  z.T. 
auch  in  der  hellenistisch  -  römischen  Kunst.  Zum  Beispiel  sind 
dieViverre  einer  mykenischen  Dolchklinge  und  der  Serval  eines 
altkretischen  Wandbildes  ohne  Zweifel  nicht  als  Zeugnisse  des 
Vorkommens  dieser  Tiere  in  Hellas  oder  auf  der  griechischen 
Inselwelt  zu  betrachten,  und  auch  das  mehrfach  erörterte  Pro- 
blem der  Bildwerke  des  sogenannten  „mykenischen  Schafes" 
mit  seinen  dem  Halse  fast  anliegenden  Zackelhörnern  wird  wohl 
so  zu  beurteilen  sein,  daß  die  Modelle  ausländischer,  nicht 
griechischer  Kunstübung  in  ihnen  zu  erkennen  sind  '^). 

Pausanias,  der  Perieget,  sah  zu  Delphi  den  ehernen 
Kopf  eines  Wisent,  den  ein  thrakischer  Häuptling  nach  Delphi 


—     283     —  • 

als  Weihgeschenk  gestiftet  hatte.  Das  Werk  ist  nicht  auf  uns 
gekommen,  aber  die  Notiz  an  sich  von  großem  Interesse.  Sie 
bestätigt  aufs  beste  die  aus  anderen  Umständen  vermutungs- 
weise erschlossene  Annahme,  daß  der  Wisent  im  Altertum  ziem- 
lich weit  in  die  Balkanhalbinsel  hinein  verbreitet  gewesen  ist. 
Von  dem  Auerochsen  mag  ebenfalls  anzunehmen  sein,  daß 
er  früher  weit  verbreitet  gewesen  ist  —  sein  Vorkommen  auf 
einem  Relief  mit  Elefant  und  Panthern  in  der  Sala  degli  animali 
(No.  109  Taf.  31  bei  Am e lung)  beruht  allerdings  so  gut  wie 
sicher  auf  moderner  Ergänzung  ^^). 

Unmittelbare  tiergeographische  Schlußfolgerungen  gestatten 
uns  dagegen  z.  B.  die  Darstellungen  des  Zebus,  die  uns  auf 
antiken  Münzen  und  Reliefs  ziemlich  zahlreich  erhalten  sind. 
Das  Tier  ist  nach  Ausweis  dieser  Denkmäler  im  Altertum  bis 
nach  Vorderasien  und  dem  östlichen  Teil  des  griechischen  Insel- 
meeres hin  ganz  allgemein  als  Haustier  verwendet  worden;  es 
erscheint  als  Opfertier  auf  der  berühmten  Homerapotheose  des 
Archelaos  von  Priene,  die  wir  jetzt  dank  Watzingers 
scharfsinnigen  Forschungen  ziemlich  genau,  auf  etwa  210  n.  Chr., 
datieren  können,  und  ist  auch  seiner  Verwendung  für  Münz- 
typen nach  im  Altertum  weit  nach  Westen  vorgedrungen  ^"j. 

Auch  für  die  Verbreitung  des  Bären  ist  aus  den  antiken 
Bildwerken  vielleicht  einige  Belehrung  zu  gewinnen.  Ein  Relief 
aus  Vienne  in  Südfrankreich  stellt  uns  dar,  wie  Meister  Petz  sich 
an  einen  Weinstock  herangemacht  hat,  von  wo  ihn  der  Weinbergs- 
besitzer mit  einem  Stein  zu  vertreiben  sucht.  Es  wird  wohl  ein 
Genrebild  aus  dem  Leben  der  Gegend  sein,  das  da  in  handwerks- 
mäßiger Ausführung  festgehalten  ist,  und  vielleicht  entstammt 
auch  die  —  künstlerisch  unbedeutende  —  Gruppe  eines  Bären, 
der  einen  Stier  überfallen  hat,  in  der  Sala  degli  animali  nicht 
sowohl  der  Arena,  von  der  wir  später  hören  werden,  als  vielmehr 
den  Eindrücken,  die  das  Landleben  nicht  nur  in  den  Alpen- 
gegenden sondern  in  fast  allen  Gebirgsgegenden  Mittel-  und  Süd- 
europas genugsam  bieten  mochte.  Die  schöne  Bronzefigur  eines 
Bären,  die  von  dem  Schloßberge  zu  Muri  in  das  Berner  Museum 
gekommen  ist,  kann  sehr  wohl  das  Werk  eines  nordischen  Pro- 
vinzialkünstlers  gewesen  sein,  und  die  eherne  Bärin  am  Münster 
zu  Aachen,  die  die  alte  Münstersage  zu  einer  Wölfin  umge- 
deutet hat,  braucht  keineswegs  aus  Italien  zu  stammen^*). 


—     284     - 

Ein  Problem  der  Tiergeographie  des  Altertums,  bei  dessen 
Lösung  die  Denkmäler  jedenfalls  mitzusprechen  haben,  will  ich 
hier  wenigstens  noch  kurz  streifen:  war  der  Löwe  in  geschicht- 
licher Zeit  noch  in  Griechenland  zu  finden?  Die  Heraklessage 
fixiert  das  Tier  in  Nemea  und  dürfte  für  die  vorgeschichtliche 
Zeit  eine  gewisse  Bew'eiskraft  haben.  Aus  historischen  Zeiten 
sind  uns  mehrere  Zeugnisse  erhalten,  die  für  das  wenn  auch 
vereinzelte  Vorkommen  des  Tieres  im  Norden  der  Balkanhalb- 
insel sprechen,  und  ich  halte  es  nicht  für  rätlich,  diese  Berichte 
kurzweg  ins  Gebiet  der  Fabeleien  zu  verweisen.  Die  Kunst- 
darstellungen des  Löwen  in  der  Zeit  bis  etwa  herab  auf  Augustus 
zeigen,  von  wenigen  Ausnahmen  abgesehen,  eine  starke  Stili- 
sierung, die  mit  auf  mangelnde  Autopsie  zurückzuführen  sein 
dürfte ;  erst  die  römische  Kaiserzeit  mit  ihren  Venationen  (s.  u.) 
machte  die  Kenntnis  der  wirklichen  Formen  des  Tieres  wieder 
ziemlich  allgemein  —  ein  Verlauf,  dessen  Einfluß  selbst  in  so 
ungeschickten  Produkten  der  provinzialen  Handwerkskunst  wie 
etwa  den  Löwenfiguren  des  Antikenmuseums  zu  Regensburg 
sich  geltend  macht  ^^). 

Wir  haben  bisher  fast  ausschließlich  von  den  Tier  formen 
gesprochen ;  es  ist  Zeit,  daß  wir  uns  dem  zweiten  Teile  unserer 
Betrachtung  zuwenden  und  fragen,  was  uns  die  antiken  Kunst- 
denkmäler von  dem  Tierleben  zu  erzählen  wissen. 

Betrachten  wir  zunächst  die  Tiere  im  friedlichen  Verhältnis 
zu  ihrer  Umgebung;  der  Landschaftssinn  der  antiken  Völker, 
der  nicht  selten  allzu  gering  veranschlagt  worden  ist,  ist  in 
der  griechisch-römischen  Kunst  genug  zum  Ausdruck  gekommen, 
um  uns  eine  ganze  Reihe  von  Gemälden  und  Mosaiken  zu  liefern, 
die  das  Tier  im  Rahmen  seiner  Umgebung  zeigen. 

Es  ist  die  hellenistische  Kunst,  die  zunächst  in  ihren 
malerischen  Reliefs,  den  sogenannten  „Relief bildern",  alte 
Darstellungsgegenstände  der  altägyptischen  Kunst  mit  den  Mit- 
teln griechischer  Formgebung  wieder  aufleben  läßt.  Mit  sehr  viel 
Sinn  für  das  Charakteristische  der  Erscheinung,  aber  z.  T.  in 
starker  Gebundenheit  des  Stils  —  namentlich  in  bezug  auf  die 
räumlichen  Verhältnisse  —  hatten  die  Bildhauer  und  Maler 
der  Pharaonenzeit  das  Tierleben  des  Nillandes  und  der  an- 
grenzenden Wüstengebiete  in  sachlich  sehr  interessanten,  künst- 


—     285     — 

lerisch  überraschend  geschickten  Darstellungen  festgehalten. 
Sie  wissen,  wie  vielfach  diese  altägyptischen  Urkunden  der 
Tiergeschichte  von  Brehm  und  anderen  Gelehrten  mit  Glück 
haben  verwendet  werden  können.  Im  alexandrinischen  Zeitalter 
fand  dies  Vorgehen  der  Künstler  und  Kunsthandwerker  des 
Pharaonenreiches  eifrige  Nachahmung,  und  eine  ganze  Reihe 
von  glücklichen  Darstellungen  zahmer  wie  wilder  Tiere  ist  uns 
aus  dem  hellenischen  Kunstkreise  erhalten.  Theodor  Schrei- 
bers Sammlung  der  hellenistischen  Reliefbilder^^)  bietet  in  vor- 
trefflichen Reproduktionen,  zu  denen  auch  die  modernen  Zutaten 
überall  kenntlich  gemacht  sind,  zahlreiche  Beispiele  von  z.  T. 
nicht  geringem  Kuustwert. 

Und  mehr  noch  natürlich  als  die  Reliefplastik  konnte  auf 
diesem  Gebiete  die  Malerei  zu  naturgetreuen,  das  Bild  der 
Wirklichkeit  annähernd  erschöpfenden  Darstellungen  gelangen. 
Fehlen  uns  auch  die  großen  Originalwerke,  so  können  wir  doch 
aus  ihren  Nachklängen  in  der  kampanischen  Wandmalerei  und 
aus  den  erhaltenen  Mosaikgeraälden  in  Italien  und  anderswo 
von  dem  vielseitigen  Reichtum  der  Motive  wie  auch  von  der 
Naturwahrheit  dieser  hellenistischen  Tier-  und  Landschaftsbilder 
eine  ausreichende  Vorstellung  gewinnen.  Ein  pompejanisches 
Mosaik  ist  darum  interessant,  weil  es  uns  die  Tierwelt  des 
Nils  mit  naivem  Vollständigkeitsbedürfnis  ohne  allzuviel  Rück- 
sicht auf  die  relativen  Größenmaße  der  Tiere  vorführt:  der 
Ichneumon  erscheint  seiner  Hauptfeindin,  der  Aspisschlange, 
gegenüber;  ein  Krokodil  schließt  die  Szene  nach  rechts  ab; 
Wasser  Vögel  beleben  die  Oberfläche  des  mit  Schilf  be- 
wachsenen Flusses.  Und  ganz  ähnlich  stellt  ein  Wandbild  von 
Pompeji  die  Tierwelt  des  inneren  Afrika  in  halb  lehrhaftem 
Nebeneinander  dar;  mehr  noch  als  Elefant,  Schlange, 
Schakal,  Rind  und  die  sonstigen  Tiere  dieses  Bildes  verdient 
die  Säbel  an  tilope  Beachtung,  deren  Körperbau  auch  in  dem 
handwerksmäßigen  Bilde  nicht  übel  getroffen  ist-^j. 

Einen  Höhepunkt  in  dieser  Entwickelung  des  antiken 
Landschaftsbildes  mit  Tierstaffage  bezeichnet  das  berühmte 
Mosaik  von  Präneste,  auf  das  wir  zu  Anfang  schon  einmal  kurz 
hingewiesen  haben  (Fig.  1 — 3).  Wie  ein  wunderbares  Mittel- 
ding von  Idyll  und  Lehrgedicht  in  Farben  stellt  es  sich  dem 
Auge  dar,  und  wenn  wir  das  eigenartige  Werk  vom  zoologischen 


d5' 


CG 


—     287     — 

Standpunkte  aus  betrachten,  so  tritt  uns  sofort  eine  Fülle  von 
Problemen  entgegen,  die  allerdings  bei  dem  Mangel  einer  zu- 
verlässigen, echte  und  unechte  Bestandteile  des  Bildwerkes 
scharf  scheidenden  Publikation  und  auch  bei  der  sichtlichen 
Ungeschicklichkeit  der  handwerksmäßigen  Arbeit  mit  ihren  offen- 
bar groben  Formfehlern  schwer  zu  lösen  sind.  Welche  Affenart 
haben  wir  vor  uns  in  den  als  Sphinxe  bezeichneten  Tieren,  die, 
von  Negern  gejagt,  im  Hintergrunde  des  Bildes  erscheinen 
(Fig.  2)?  Dies  ist  nur  eine  von  den  vielen  Fragen,  die  erst 
nach  genauer  Feststellung  des  wirklichen  Aussehens  der  antiken 
Mosaikteile  mit  Aussicht  auf  Erfolg  erörtert  werden  können. 
Das  Bild  als  Ganzes  mit  seinem  sichtlichen  Trachten  nach  Dar- 
stellung einer  vielseitig  belebten,  auch  ihrem  Gesamtcharakter 
nach  z.  T.  nicht  übel  wiedergegebeneu  Landschaft  können  wir 
auch  angesichts  der  bis  jetzt  vorliegenden  mangelhaften  Repro- 
duktionen schon  bewundern.  Eine  ganze  Anzahl  ähnlicher, 
wenn  auch  minder  umfangreicher  Bildwerke  läßt  sich  dem  Mosaik 
von  Präneste  zur  Seite  stellen:  wir  nennen  nur  ein  Mosaik  des 
Museo  delle  Terme,  das  uns  mit  liebenswürdigem  Humor  das 
Flußpferd  und  andere  Lebewesen  der  Nilgegenden  vor  Augen 
stellt,  und  die  Landschaft  mit  Tierstaffage  auf  einem  Mosaik 
der  Vatikanischen  Bibliothek,  die  uns  an  eine  Tränke  führt, 
zu  der  ein  Löwe,  ein  Elefant,  ein  Wildschwein,  ein 
Hirsch  und  eine  Hirschkuh  in  verschiedener  Weise  in  Be- 
ziehung gesetzt  sind.  Auch  friedlichere  Landschaften  mit  Tier- 
staffage wie  das  Mosaik  der  Sala  degli  animali  (No.  llSaTaf.  31 
bei  Amelung)  ließen  sich  der  Aufzählung  zugesellen;  doch 
können  sie  uns  in  diesem  Zusammenhange  weniger  inter- 
essieren^^). 

Ob  sie  dem  Leben  abgelauscht  sind,  diese  antiken,  gewiß 
recht  primitiven  Gegenstücke  zu  den  Schillings-Aufnahmen, 
die  wir  heutzutage  mit  Recht  als  neue  Offenbarungen  über  das 
Tierleben  bewundern?  Wir  wissen  urkundlich  von  keinem 
Fromentin  des  Altertums,  der  mit  Palette  und  Schreibtafel  die 
tierreichen  Länder  Nordafrikas  bereist  hätte;  aber  selbst  die 
bescheidenen  Reste  dieser  Tier-  und  Landschaftsmalerei,  die 
auf  uns  gekommen  sind,  zwingen  uns,  mehr  als  einen  antiken 
Vorgänger  des  französischen  Maler-Schriftstellers  und  seiner 
modernen  Genossen  anzunehmen.    Mit  der  Erschließung  Afrikas 


—     288     — 

sowie  der  östlichen  Gebiete  Vorderasiens  war  der  zoologischen 
Forschung  wie  auch  der  Tiermalerei  der  Hellenen  eine  neue 
Welt  aufgetan.  Man  darf  wohl  sagen,  daß  die  Künstler  sich 
diesen  Umstand  besser  zunutze  gemacht  haben  als  die  Gelehrten, 
wenngleich  ich  bezüglich  dieser  letzteren  nicht  ohne  weiteres 
dem  absprechenden  Urteil  zustimmen  möchte,  das  heutzutage 
über  die  nacharistotelische  Zoologie  in  Geltung  ist.  Doch  ist 
systematische  wissenschaftliche  Forschung  jedenfalls  in  den 
Hintergrund  getreten;  mit  die  meiste  Belehrung  über  die  Tier- 
welt geben  uns  unter  den  Späteren  die  Verfasser  von  Jagd- 
büchern in  Poesie  und  in  Prosa. 

Und  dies  führt  uns  zu  einer  zweiten,  reich  vertretenen 
Klasse  von  Kunstdarstellungen  aus  dem  antiken  Tierleben,  zu 
den  Jagd bil dem.  Mit  wundervollem  Realismus  und  einer 
Kühnheit  der  Konzeption,  die  nur  einem  mit  den  Vorgängen 
durchaus  vertrauten  Künstlerauge  möglich  ist,  haben  schon  die 
assyrischen  und  ägyptischen  Künstler  und  Kunsthandwerker 
auch  stark  bewegte  Jagdszenen  dargestellt:  es  ist  zum  Staunen, 
wie  auf  den  Reliefbildei-n  von  Kujundschik  und  in  den  ägyp- 
tischen Wandgemälden,  man  möchte  sagen  „Momentaufnahmen 
aus  dem  Jagdleben"  versucht  werden  und  über  alles  Erwarten 
gut  gelingen.  Und  schon  die  älteste  griechische  Kunst  hat  sich 
in  gleichen  Aufgaben  mit  kaum  geringerem  Glück  versucht :  wir 
haben  schon  früher  von  den  Reliefs  der  Goldbecher  von  Vaphio 
gesprochen,  auf  denen  der  E^ang  wilder  Stiere  mit  einem  Natura- 
lismus von  erstaunlicher  Treffsicherheit  dargestellt  ist,  und  wollen 
hier  noch  kurz  an  die  oft  abgebildete  Klinge  mit  der  eingelegten 
Darstellung  einer  Löwenjagd  erinnern.  Im  hellenistisch- 
römischen Zeitalter  folgte  nach  langer  Pause  dieser  ersten  Blüte 
des  Jagdbildes  eine  zweite,  die  durch  vorgeschrittene  Technik 
der  Landschaftsdarstellung  ihrer  Vorgängerin  entschieden  über- 
legen ist.  Soweit  diese  Jagdbilder  sich  als  Reliefdarstellungen 
an  Sarkophagen  und  Grabsteinen  finden,  vermögen  sie  uns 
freilich  verhältnismäßig  wenig  zu  bieten.  Es  fehlt  ihnen  eben 
vor  allem  das  landschaftliche  Element  und  diejenige  Gruppierung 
der  Figuren,  die  die  Darstellung  über  eine  konventionelle  An- 
deutung zu  wirklicher  Wiedergabe  des  Vorganges  erhebt;  um  so 
mehr  bieten  uns  auch  hier  die  Wandbilder  und  die  Mosaiken 
der  hellenistischen  und  römischen  Zeit. 


—    289    — 

Es  würde  natürlich  zu  weit  führen,  wollte  ich  versuchen, 
Ihnen  unter  Mitheranziehung  der  antiken  Jagdschriftsteller  an 
diesen  Bildern  zu  zeigen,  mit  welchen  Mitteln  und  auf  welche 
Art  das  edle  Waidwerk  im  Altertum  betrieben  wurde.  Betrachten 
wir  nur  einige  Bildwerke,  die  auch  vom  zoologischen  Stand- 
punkt aus  unser  Interesse  in  Anspruch  nehmen.  Da  sehen  wir 
zunächst  auf  einem  Mosaik  aus  Utica,  jetzt  im  Britischen  Museum 
zu  London  (Fig.  10),  ein  eigenartiges  Treibjagen  am  See-  oder 
Meeresstrand:  ein  netzartiges  Gehege  zieht  sich  um  eine  Anzahl 
verschiedener  Jagdtiere  herum ;  die  Leute  in  den  beiden  Booten 
sollen  das  Netz  offenbar  enger  zusammenziehen  und  die  Tiere 
in  das  Wasser  treiben,  damit  sie  eine  leichte  Beute  der  Jäger 
werden.  Es  ist  recht  ungeschickte,  mäßige  Handwerksarbeit, 
die  wir  vor  Augen  haben,  und  doch  sind  wesentliche  Züge  in 
der  Erscheinungsform  und  in  den  Bewegungen  der  Tiere  auch 
in  dieser  bescheidenen  „Kunstleistung"  erstaunlich  gut  getroffen. 
Dasselbe  läßt  sich  bis  zu  einem  gewissen  Grade  dem  Fisch- 
fangmosaik nachrühmen,  das  auf  alle  Perspektive  verzichtet, 
um  die  Formen  der  verschiedenen  Fischarten  in  flächenhafter 
Weise  recht  deutlich  darstellen  zu  können  ^'^). 

Wir  wollen  hier  gleich  ein  drittes  Mosaik  aus  Utica  an- 
schließen, das  uns  den  Fang  des  Hirsches  mit  dem  Lasso  vor 
Augen  führt.  Die  Bescheidenheit  der  Kunstleistuug  reicht  auch 
hier  immerhin  aus,  um  die  Tierart  erkennen  zu  lassen :  es  ist  ein 
Edelhirsch  und  zwar  wahrscheinlich  der  Berberhirsch,  der 
der  nordafrikanischen  Küstenlandschaft  eigentümlich  ist;  für 
den  Fang  mit  dem  Lasso  ist  mir  sonst  kein  antikes  Denkmal 
als  Beleg  bekannt.  Die  Beliebtheit  des  Jagdsports  im  römischen 
Nordafrika  aber  zu  belegen,  mögen  hier  noch  die  zahlreichen 
Mosaiken  des  Bardo -Museums  von  Tunis  angeführt  sein,  die 
einen  merkwürdigen  Reichtum  mannigfacher  Tiere  in  den  ver- 
schiedensten Situationen  der  Jagd  darstellen.  Es  sind  die  Kreise 
dieser  Jagdliebhaber,  für  die  noch  im  3.  Jahrhundert  n.  Chr.  der 
Karthager  N  e  m  e  s  i  a  n  u  s  in  Anlehnung  an  ältere  Vorbilder  sein 
Lehrgedicht  von  der  Jagd  geschrieben  hat^'). 

Brehm  hat  mit  Recht  gelegentlich  davor  gewarnt,  diese 
antiken  Berichte  über  eigenartige  Jagdmethoden  ohne  weiteres 
als  törichte  Fabeleien  zu  verwerfen.  Soweit  mir  ein  Urteil  zu- 
steht, bin   ich  geneigt,   die  Glaubwürdigkeit  eines  Op planus 

19 


—     290     — 

und  seiner  Genossen  in  sehr  weitgehendem  Maße  anzunehmen, 
und  scheue  den  Vorwurf  der  Leichtgläubigkeit  u.  a.  nicht  gegen- 
über zunächst  so  wunderlichen  Berichten  wie  denen,  daß  man 
sich  den  Fang  der  Panther  erleichterte,  indem  man  ihnen,  wie 
übrigens  auch  den  größereu  Affenarten,  die  Tränke  mit  Wein 
untermischte,  oder  daß  man  Glaskugeln  benutzte,  um  die  den 
Jäger  verfolgenden  wilden  Tiere  irre  zu  machen  und  aufzu- 
halten, oder  dem,  daß  die  Äthiopier  an  die  Höhle  des  Löwen 
in  dicken  Wollenpanzern  und  Helmmasken  herangeschlichen  seien 
und  das  Tier  durch  vergebliches  Ankämpfen  gegen  die  große 
Zahl  der  so  gegen  seine  Bisse  geschützten  Angreifer  schließlich 
matt  und  unfähig  zum  Widerstände  gemacht  hätten;  ein  wahrer 
Kern  liegt  gewiß  allen  diesen  Angaben  zugrunde. 

Es  ist  ein  eigenartiger  Zufall,  daß  uns  gerade  eine  dieser 
zunächst  angefochtenen  Jagdgeschichten  auf  einer  bildlichen 
Darstellung  aus  dem  Altertum  wenigstens  einem  Hauptzuge 
nach  wiederbegegnet.  Im  Wandschmuck  des  Grabmals  der  Na~ 
sonen  zu  Rom  sind  zwei  Jagdszenen  enthalten,  die  eine  Treib- 
jagd auf  Tiger  und  Panther  darstellen;  sie  wirken  z.  T. 
geradezu  wie  eine  Illustration  zu  den  Schilderungen  der  antiken 
Schriftsteller,  indem  sie  uns  die  Flucht  der  berittenen  Jäger 
zu  bereitgehaltenen  Schiffen  und  das  Heranlocken  der  wilden 
Tiere  an  besonders  für  die  Jagd  konstruierte  Käfige  zeigen  ^^). 

Ebenso  überraschend  ist  eine  Notiz  des  jagdkundigen 
Xenophon  über  eine  zunächst  wunderliche  Methode  der  Eber- 
jagd vor  einigen  Jahren  durch  einen  glücklichen  Denkmalfund 
unerwartet  bestätigt  worden.  Auf  dem  sogenannten  „lykischen 
Sarkophag",  der  gleichzeitig  mit  dem  berühmten  „Alexander- 
sarkophag" zu  Sidon  gefunden  und  von  dort  in  den  Tschinli- 
Kiosk  zu  Konstantinopel  gebracht  worden  ist,  finden  wir  nämlich 
deutlich  und  ganz  der  xenophontischen  Schilderung  entsprechend 
dargestellt,  wie  ein  Eber  von  einer  Reihe  berittener  Jäger  um- 
stellt und  mit  den  Lanzen  bedroht  wird.  Es  steht  außer  Zweifel, 
daß  diese  Szene  dem  Leben  entnommen  ist,  und  dies  gibt  viel- 
leicht auch  gegenüber  den  Anfechtungen  zu  denken,  die  das 
Relief  der  anderen  Seite  desselben  Sarkophags  neuerdings  er- 
fahren hat:  vier  Gespanne,  von  Frauen  gelenkt,  haben  einen 
Löwen  (?)  gestellt,  der  sich  scheu  unter  den  Pferden  des  vorderen 
Wagens  zu  Boden  duckt.   Ich  sehe  nicht  den  mindesten  Grund, 


—     292     — 

der  uns  zwingen  könnte,  hier  an  bloße  Phantastereien  eines 
ungeschickten  Künstlers  zu  glauben  —  eine  Annahme,  die  zu 
dem  Wirklichkeitssinn,  der  in  den  Sarkophagen  von  Sidon  sonst 
zutage  tritt,  von  vornherein  nicht  recht  passen  will  -■'). 

Nicht  alle  diese  Jagden  haben  die  Tiere  in  der  Wildnis 
aufgesucht,  die  ihre  Heimat  ist;  vielleicht  spielt  sich  sogar  die 
Mehrzahl  von  ihnen  in  den  großen  Tierparks  ab,  die  die  asia- 
tischen Herrscher  von  alters  her  unterhalten  und  die  Alexander 
der  Große  und  seine  Nachfolger  ihnen  nachgemacht  haben. 
Ein  solcher  Tierpark  ist  z.  B.  ohne  Zweifel  der  Schauplatz  der 
Jagdszene,  die  wir  auf  der  einen  Langseite  des  berühmten 
Alexandersarkophags  von  Sidon  dargestellt  finden.  Die  Kom- 
position dieses  Farbenreliefs  ist  vor  kurzem  von  einem  gelehrten 
üntersucher  der  ganzen  Denkmälerklasse  bemängelt  worden : 
es  sei  bloßes  Flick  werk,  das  mit  dem  Bilde  der  Lövvenjagd  die 
Szene  des  Hirschfanges  in  Verbindung  bringe;  inhaltlich  lägen 
zwei  getrennte  Szenen  vor.  Ich  glaube,  dieses  Bedenken  kommt 
in  Wegfall,  wenn  man  an  der  oben  vorgeschlagenen  Annahme 
festhält;  ich  kann  übrigens  auch  in  sonstiger  Beziehung  die 
Komposition  des  Reliefs  nicht  so  wenig  einheitlich  fiuden,  wie 
es  dieser  Kritiker  tut^*^). 

Unter  den  Jagdbildern,  die  wir  bisher  besprochen  haben, 
tritt  schon  bei  flüchtiger  Betrachtung  in  bezug  auf  die  Art  der 
Jäger  und  hinsichtlich  des  Zweckes  der  Jagd  ein  bezeichnender 
Unterschied  ziemlich  deutlich  zutage :  auf  den  sidonischen  Reliefs 
ist  es  der  Graudseigneur,  der  zu  seinem  Vergnügen  im  Tierpark 
oder  im  Freien  dem  Waidwerk  obliegt;  die  Jagdszenen  des 
Nasonengrabes  und  der  Mosaiken  von  Utica  schildern  eine  ge- 
werbsmäßige Jägerei,  wie  sie  von  etwa  100  v.  Chr.  an  in  allen 
Teilen  des  römischen  Reiches  in  immer  zunehmendem  Umfange 
betrieben  wurde  im  Dienste  von  Veranstaltungen,  die  wir  nun- 
mehr noch  mit  einigen  Beispielen  ins  Auge  fassen  wollen. 

Das  römische  Altertum  bezeichnete  mit  dem  Namen  „Jagd" 
(venatio)  auch  eine  E'orm  der  Tierbekämpfung,  die,  als  Kultur- 
erscheinung überaus  traurig,  unter  dem  Gesichtspunkt,  der 
uns  hier  beschäftigt,  von  größtem  Interesse  ist.  Bekanntlich 
haben  in  den  Amphitheatern  des  römischen  Reiches  die  ver- 
schiedensten Arteu  von  Tierhetzen  stattgefunden,  bei  denen 
sowohl  die  Tiere  gegeneinander  ihre  Kraft  und  Geschicklichkeit 


—     293     — 

zu  messen  hatten,  wie  auch  bezahlte  oder  „ehrenamtliche"  Tier- 
kämpfer  einen   mehr  oder  minder  todbringenden  Jagdsport  vor 
den  Augen   des   schaulustigen  Publikums   ausübten.  Wir   finden 
die   letztere   Art   der  Kämpfe   sowohl  in   einfacher  Wiedergabe 
des   wirklichen  Vorgangs   dargestellt   wie   auch  in  genrehafter 
Umdeutung,  indem  kleine  Eroten  oder  Putten  an  die  Stelle  der 
Tierkämpfer  treten ;  die  unabsehbare  Zahl  der  einschlägigen  Denk- 
mäler aber,  die  uns  erhalten  sind,  zeigt  deutlich  genug,  welche 
Rolle   diese  Venationen   im  antiken  Kulturleben  gespielt  haben. 
Zoologische  Raritäten  bei  dieser  Gelegenheit  dem  Publikum 
vorzuführen,   war  natürlich   ein   besonderer  Wunsch   der   Fest- 
veranstalter.  Aus  solchen  Bestreben  heraus  wurden  u.  a.  in  den 
Amphitheatern   gelegentlich   der  Elch   und  der  Hirscheber 
(Sus  babirusa)  gezeigt;  das  Nashorn  und  das  Nilpferd  ge- 
hörten zeitweise  kaum  noch  zu  den  Seltenheiten  ersten  Ranges, 
während  das  ,, Tigerpferd",    das   Zebra,   wie  es  scheint,  erst 
spät   und   auch   dann   nur  selten  nach  Rom  gekommen  ist  und 
auch   die   Giraffe    oifenbar   zu   den   Ausnahmeerscheinungen 
gehörte.    Der  Ehrgeiz  der  Spielgeber  suchte  sich  in  der  Selten- 
heit wie  auch  in  der  Zahl  der  Tiere  immer  aufs  neue  zu  über- 
bieten,  und  wir  lesen  in  letzterer  Hinsicht  von  Ziffern,   die  an 
das  Unglaubliche  grenzen,  die  zu  bezweifeln  wir  aber  nicht  den 
geringsten  Anlaß   haben.     Dabei   ergab  sich  natürlich  die  Not- 
wendigkeit  eines   Handels   mit   wilden   Tieren,   dem  gegenüber 
alles,   was  unsere  Tage  in  den  Leistungen  Hagenbecks  und 
seiner  Genossen  aufweisen,  der  Quantität  nach  nur  ein  ziemlich 
bescheidenes  Gegenstück  darstellt.    Hätte  uns  nur  einer  dieser 
antiken  Hagenbecke  ein  Memoirenbuch  hinterlassen,  wie  wir  es 
von   dem   Führer   der   modernen   Tiereinfuhr   kürzlich   erhalten 
haben!      Leider    müssen    wir    uns   die   Niederschläge   aller   der 
Jagderfahrungen   und   Tierbeobachtungen   jener  Leute  mühsam 
zusammensuchen    aus    den    kunterbunten    Sammelnotizen    eines 
Buches   wie  der  oft  über  Gebühr  gescholtenen  Naturgeschichte 
des  Plinius,  in  der  neben  den  wissenschaftlichen  zoologischen 
Forschungen   eines   Aristoteles  und  Theophrast  auch  das 
Jägerlatein   der   Amateur-   und   der  berufsmäßigen  Jäger   eine 
ziemliche  Rolle  spielt. 

Wir  dürfen  annehmen,  daß  die  Käfige,  deren  Reste  noch 
an  zahlreichen  Amphitheatern  festzustellen  sind,  bereits  vor  den 


—     294    — 

Spieltagen  dem  Besuch  des  Publikums  zugäuglich  waren ;  auch 
wissen  wir  wenigstens  von  einem  Gemälde,  das  ein  von  einem 
Kaiser  des  dritten  nachchristlichen  Jahrhunderts  dem  Volk  ge- 
gebenes Festspiel  nicht  nur  darstellte,  sondern  auch  durch  die 
Namensbeischriften  der  Tiere  und  durch  Angaben  über  die  Zahl 
der  vorgeführten  Exemplare  erläuterte.  Eine  Erweiterung  des 
tierkundlichen  Horizonts,  wie  sie  das  römische  Weltreich  infolge 
aller  dieser  Bestrebungen  dem  Publikum  gebracht  hat,  hat  die 
Geschichte  nur  noch  einmal  aus  späterer  Zeit  zu  verzeichnen, 
wenn  sie  von  der  Entdeckung  Australiens  berichtet.  Leider  hat 
die  gelehrte  Forschung  gefehlt,  die  in  der  Kaiserzeit  alle  diese 
neuen  Eindrücke  hätte  klar  fassen  und  wissenschaftlich  ver- 
werten können.  Der  ordnende  Geist  eines  Aristoteles  hätte 
reichlich  zu  tun  gefunden;  statt  seiner  aber  finden  wir  nur 
einen  Populärschriftsteller  wie  den  Sophisten  Äliauus  tätig, 
der  —  auch  dies  immerhin  ein  Verdienst  —  das  Wissen  von 
den  Tieren  und  ihrer  Eigenart  in  mehr  oder  minder  anekdoten- 
hafter Weise  zu  verallgemeinern  suchte,  und  begegnen  hin  und 
wieder  im  Zusammenhang  anderweitiger  Schriftstellerei  den 
Spuren  des  gewaltigen  Eindrucks,  den  das  Auftauchen  immer 
neuer  wunderbarer  Tierarten  —  darunter  manchmal  künstlich 
zurechtgemachter  —  bei  den  staunenden  Besuchern  der  Amphi- 
theater erregte.  Es  ist  uns  ein  klassisches  Zeugnis  für  diese 
Stimmung  in  einem  Exkurs  erhalten,  den  der  brave  Pausa- 
nias  seiner  Beschreibung  des  griechischen  Landes  eingelegt  hat 
(IX  21);  er  glaubt,  vor  allzu  großer  Leichtgläubigkeit  ebenso 
sehr  wie  vor  zu  weit  gehender  Skepsis  warnen  zu  sollen,  und 
hält  der  letzteren  die  unwahrscheinlichen  Tierformen  entgegen, 
die  er  selbst  gesehen  oder  durch  die  Berichte  von  —  seiner  An- 
sicht nach  glaubwürdigen  —  Augenzeugen  kennen  gelernt  hat. 

Es  ist  ganz  natürlich,  daß  solche  Tierzufuhr  auch  die 
Künstler  zu  neuen  Aufgaben  führte;  wir  wissen  von  Pasiteles, 
daß  er  zu  Rom  an  den  Schiffshäusern,  wo  die  Tiersendungen 
aus  Afrika  untergebracht  waren,  Studien  an  einem  Löwen  machte 
und  dabei  durch  Ausbrechen  eines  Panthers  aus  einem  Käfig  in 
ernste  Gefahr  geriet.  Doch  sehr  viel  wichtiger  als  die  Studien 
vor  dem  Käfig,  die  auch  die  heutigen  zoologischen  Gärten  den 
Künstlern  ermöglichen,  war  natürlich  die  immer  erneute  Gelegen- 
heit zur  Beobachtung  der  in  freie  Bewegung  gesetzten  und  zur 


—     295    — 

vollen  Betätigung  ihres  Wesens  gebrachten  Tiere.  Daß  die  Künstler 
diese  Gunst  der  Verhältnisse  genutzt  haben,  ist  an  sich  zu  er- 
warten und  wird  uns  durch  eine  Menge  antiker  Bildwerke  von 
mehr  oder  weniger  künstlerischer  Ausführung  deutlich  bewiesen. 
Fassen  wir  einige  dieser  antiken  Darstellungen  von  Tierhetzen 
näher  ins  Auge,  um  sowohl  die  Art  der  Veranstaltung  wie  auch 
den  Grad  der  Naturbeobachtung  kennen  zu  lernen,  der  den 
Künstlern  infolge  der  häufigen  Wiederkehr  solcher  Schaugelegen- 
heit mehr  oder  weniger  in  Fleisch  und  Blut  übergegangen  ist. 
Die  Stuckreliefs  eines  Grabmals  von  Pompeji  zeigen  neben  ande- 
ren Kämpfen  der  Arena  auch  verschiedene  Szenen  der  Venationen, 
aus  deren  Programm  uns  bekanntlich  in  einer  pompejanischen 
Inschrift  auch  ein  Bruchstück  erhalten  ist.  Es  sind  nur  flüch- 
tige Erzeugnisse  des  Kunsthandwerks,  die  wir  da  vor  Augen 
haben;  aber  sie  reichen  vollkommen  aus,  um  uns  inhaltlich  sehr 
wertvolle  Aufschlüsse  zu  geben.  Etwas  besser  in  der  Komposi- 
tion und  Ausführung,  aber  weniger  reich  an  Inhalt  ist  das  Bild 
einer  Bären  hetze  im  Zirkus,  das  wir  auf  einer  Terrakotta- 
platte des  Museo  Kircheriauo  finden ;  diese  Platte  gehörte  offen- 
bar einer  Serie  von  fabrikmäßig  hergestellten  Reliefs  an,  die 
zur  Ausschmückung  der  Amphitheaterbauteu  oder  der  Gladia- 
torenkasernen verwendet  worden  sind^'). 

Weit  mehr  als  diese  bescheidenen  Bruchstücke  von  Araphi- 
theaterszenen  bieten  uns  die  Bilder  eines  großen  Mosaiks,  das, 
1834  in  einer  antiken  Villa  bei  Tiisculum  gefunden,  jetzt  in  der 
Villa  Borghese  zu  Rom  aufbewahrt  wird.  Wir  finden  zwei  Epi- 
soden der  Tierhetze  dargestellt :  in  der  einen  treten  neben  Stieren 
verschiedene  afrikanische  Tiere,  ein  Löwe  und  ein  Strauß, 
und  außerdem  —  nach  einer  allerdings  nicht  sicheren  Annahme  — 
ein  Tier  germanischer  Herkunft,  das  Elen  tier,  auf;  die  andere 
Episode  zeigt  uns  eine  Panther  hetze  großen  Stils,  von  der 
acht  Tiere  erhalten  sind^^).  Und  vielleicht  noch  wertvoller  als 
dieses  Mosaikbild  ist  für  unsere  Kenntnis  des  antiken  Venations- 
wesens  ein  Relief,  das  Hum  an n  und  seine  Genossen  seinerzeit 
in  dem  phrygischen  Hierapolis  gefunden  haben  ^^).  Mit  äußerst 
lebendiger  Formgebung  führt  uns  der  Verfertiger  dieses  Reliefs, 
zu  dem  sich  hoffentlich  noch  weitere  Stücke  finden  werden,  ver- 
schiedene Tierkärapfe  vor :  ein  P  a  n  t  h  e  r  (oder  eine  Löwin)  ist 
einem  Strauß   an   den  Hals  gesprungen,   ein  Bär  ist  im  Be- 


—     296     — 

griff,  einen  Stier  zu  überwältigen;  daneben  sehen  wir  einen 
vom  Speer  durchbohrten  Bären  an  der  tödlichen  Waffe  zerren, 
einen  anderen  über  einen  rücklings  hingestürzten  Gladiator  her- 
fallen. Die  zweite  Platte  bietet  uns  das  Kuriosum  eines  auf 
einem  Stiere  reitenden  Bestiarius,  der  mit  einer  ganzen  Anzahl 
von  Bären  kämpft. 

Wir  versetzen  uns  in  das  Rheinland  und  finden  in  den 
dortigen  antiken  Denkmälern  die  Spuren  ganz  der  gleichen  Vor- 
liebe für  Szenen  aus  dem  Amphitheater  mit  seinen  Tierhetzen : 
Mosaikbilder  wie  die  von  Nennig  könnten  wir  als  Beleg  dafür 
anführen,  wählen  aber  lieber  ein  neuerdings  veröffentlichtes 
kleines  Bildwerk,  das  mit  der  unglaublichen  Ungeschicklichkeit 
seiner  Figuren  allerdings  wie  eine  Karikatur  wirkt,  aber  so  ernst 
wie  nur  möglich  gemeint  ist  und  inhaltlich  unser  Interesse  wohl 
beanspruchen  darf :  ein  Glasbecher  des  Trierer  Museums  ist  von 
seinem  Verfertiger  mit  Szenen  aus  der  Arena  geschmückt  worden ; 
wir  sehen,  wie  ein  mit  köstlicher  Mischung  von  zeichnerischem 
Tatendrang  und  manuellem  Ungeschick  dargestellter  Panther 
einem  Gladiator  nachsetzt,  der  ihn  von  seinem  Wagen  herab 
angegriffen  hat.  Das  Bild  ist  dem  Leben  abgelauscht  und  als 
Kulturdokument  ebenso  interessant,  wie  es  als  Kunstwerk  wertlos 
ist^^).  Ein  gemaltes  Venationsprogramm  wie  das  oben  erwähnte 
des  Kaisers  Gor  di  an  us  wird  von  der  Hand  wirklicher  Künstler 
gewiß  ein  wirkliches  Kunstwerk  geboten  haben. 

Und  nun  das  Kämpfen  der  Tiere  gegeneinander!  Am 
eindrucksvollsten  ist  wohl  das  pompejanische  Bild  des  Museums 
zu  Neapel,  auf  dem  der  wilde  Kampf  eines  Löwen  mit  einem 
Panther  dargestellt  ist,  und  das  ich  hier  einreihe,  obwohl  es 
einer  verhältnismäßig  frühen  Zeitepoche  der  kampanischen  Wand- 
malerei anzugehören  scheint  (Fig.  11).  Vor  allem  überrascht 
uns  hier  die  Kühnheit,  mit  der  der  Maler  die  Tiere  in  verkürzter 
Ansicht  wiedergegeben  hat;  es  ist  dasselbe  Verfahren,  das  wir 
an  dem  Pferde  im  Mittelpunkt  des  berühmten  Alexandermosaiks 
zu  bewundern  haben.  Der  Meister  des  Tierkampfbildes  zeigt 
auch  in  anderer  Hinsicht  eine  merkwürdige  Sicherheit  der  Form- 
gebung und  der  Charakteristik :  es  ist  bewundernswert,  mit 
welcher  Feinheit  bis  in  die  Einzelheiten  hinein  die  Bewegungen 
der  beiden  Tiere,  vor  allem  die  des  unterliegenden  Panthers, 
zum  Ausdruck  gebracht  sind^'').    Gar  viele,  freilich  künstlerisch 


—     297     — 

weniger  eindrucksvolle  Tierkampf  bilder  ließen  sich  diesem  Meister- 
werk der  Beobachtung  wildbewegten  Lebens  anreihen.  Ein 
Relief   der  Sala   degli   animali   führt   uns    vor  Augen,   wie    ein 


Fig.  11.    Lüwe  und  Panther  im  Kampf.     Wandgemälde  im  Museum  zu  Neapul 
Nach  Hermann    (s.  Anm.  36). 


Elefant  sich  mehrerer  auf  ihn  gehetzter  Panther  erwehrt: 
auf  einem  Mosaikbild  von  Westerhofen  —  ich  wähle  absichtlich 
öfters  Beispiele  aus  der  Provinzialkunst,  um  die  enorme  Ver- 
breitung  dieser  Tierbilder   zu   erweisen  —  ist   ein   Bär   einem 


—     298     — 

Stier  zum  Kampfe  gegenübergestellt  und  zögert  mit  gut  wieder- 
gegebenem Gemisch  von  Scheu  und  Kampf  es  wut  eben  noch,  an 
seinen  Gegner  heranzugehen.  Dann  finden  wir  wieder  im  Museum 
des  Konservatorenpalasts  zu  Rom  eine  freilich  mangelhaft  aus- 
geführte Gruppe,  die  uns  darstellt,  wie  ein  Eber  einen  Panther 
überrannt  hat,  der  sich  nun  von  unten  her  in  den  Hals  des 
Gegners  eingebissen  hat.  Vielleicht  entstammt  dem  Amphitheater 
und  seinen  Eindrücken  auch  die  großzügig  erdachte  Gruppe 
eines  von  einem  Löwen  niedergerissenen  Pferdes,  die  in 
derselben  Sammlung  aufgestellt  ist  und  mit  ihrem  packenden 
Realismus  trotz  geringer  Feinheit  der  Arbeit  geradezu  über- 
raschend wirkt. 

Nicht  immer  aber  wurden  Gegner  von  gleicher  Art  und 
Kraft  einander  gegenübergestellt.  Ein  pompejanisches  Wandbild, 
von  0.  Keller  mit  Unrecht  als  bloßes  Phantasiestück  beurteilt, 
zeigt  uns  einen  Tiger  gegen  einen  Affen  kämpfend;  vielleicht 
haben  wir  auch  in  einem  Bilde  gleicher  Herkunft,  das  einen 
Panther  im  Kampf  mit  einer  Schlange  darstellt^'),  eine 
Szene  aus  dem  Amphitheater  zu  erkennen,  obwohl  sich  das 
natürlich  nicht  beweisen  läßt  —  auch  dies  ein  Bild  von  großer 
Feinheit  der  Beobachtung  und  voll  dramatischen  Lebens.  Von 
der  Zusammenstellung  eines  Bären  und  eines  Seehundes  als 
Kämpferpaar  wissen  wir  nur  durch  die  literarische  Überlieferung; 
doch  liegt  kein  Grund  vor,  au  der  Richtigkeit  der  Notiz  zu 
zweifeln.  Gerade  bei  so  eigenartiger  Zusammenstellung  der 
Kämpferpaare  bot  sich  den  Zuschauern  Gelegenheit,  von  der 
Verschiedenheit  der  Tierformen  und  auch  der  Tiercharaktere 
ein  deutliches  Bild  zu  gewinnen,  —  und  dieser  letztere  Gewinn 
stellt  vielleicht  eine  kleine  Lichtseite  dar  in  dem  sonst  so  ab- 
stoßenden Gesamtbilde  dieses  massenhaften,  in  erster  Linie  der 
niedrigsten  Sensationslust  dienenden  Tierverbrauchs. 

Damit  könnten  wir  dem  Kreis  der  antiken  Bilder  aus  dem 
Tierleben  Valet  sagen  und  unsere  Betrachtungen  schließen,  wenn 
nicht  noch  eine  Gruppe  von  Bildwerken  zu  erwähnen  wäre,  an 
die  sich  ein  eigenartiges  Interesse  anknüpft :  ich  meine  die 
Kunstdarstellungen  gezähmter  Tiere  aller  Art,  die  in  unserem 
Antikenbestande  einen  überraschend  großen  Raum  einnehmen. 
Allerdings  wird  die  große  Anzahl  der  einschlägigen  Bildwerke 
sofort  verständlich,    wenn   wir   uns  vor  Augen  halten,  daß  das 


—     299     — 

Altertum  iu  der  Züchtung  und  in  der  Dressur  der  Tiere  er- 
staunlich viel,  wahrscheinlich  noch  mehr  als  die  heutige  Zeit, 
geleistet  hat,  wenn  auch  die  literarischen  Zeugnisse  über  diese 
augewandte  Tierpsychologie  ziemlich  dürftig  sind  und  vor 
allem  von  theoretischer  Begründung  des  praktisch  Geleisteten 
so  gut  wie  nichts  bieten  ^^). 

Auch  die  Kunstdenkmäler  wissen  von  dieser  Tierdressur 
nach  den  verschiedensten  Seiten  hin  zu  erzählen:  die  große 
Anzahl  der  Reliefs,  die  den  Festzug  des  Dionysos  und  seines 
Gefolges  darstellen,  geht  gewiß  nicht  bloß  auf  rein  phan- 
tastische Gebilde  ihrer  Verfertiger  oder  des  Erfinders  der 
gemeinsamen  Vorlage  der  Hauptzüge  dieser  Darstellungen  zu- 
rück. Es  sind  offenbar  in  der  hellenistischen  und  römischen 
Zeit  solche  Aufzüge  mit  gezähmten  Tieren  veranstaltet  worden, 
und  aus  der  Annahme,  daß  solche  Triumphzüge  des  Dionysos 
gelegentlich  in  Pantomimen  dargestellt  wurden,  erklärt  sich 
vielleicht  auch  am  ehesten  das  tiergeographische  Kuriosum, 
daß  auf  einem  Relief  des  lateranischen  Museums  unter  den 
asiatischen  Tieren  dieses  Festzuges  auch  die  Giraffe  er- 
scheint^''). 

Dieser  einen  Denkmälerklasse  reiht  sich  hier  sofort  eine 
zweite  an :  auf  einem  Sarkophag  des  lateranischen  Museums  ist 
ein  Wettreiten  von  Eroten  auf  allerhand  wilden  Tieren  in 
humoristischer  Weise  dargestellt;  es  ist  nicht  bloße  Künstler- 
laune, die  dieser  Darstellung  zugrunde  liegt,  vielmehr  sind 
auch  hier  die  Eroten  —  ähnlich  wie  bei  den  Venationsszenen  — 
ledighch  an  die  Stelle  der  Erwachsenen  getreten,  und  das  Relief 
gibt  im  übrigen  einen  wirklichen  Vorgang  wieder,  der  in  der 
Rennbahn  gar  nicht  selten  gewesen  sein  mag.  Ganz  das  gleiche 
gilt  von  den  Wettfahrten  von  Eroten  auf  Wagen,  vor  denen  aller- 
hand wilde  Tiere  vorgespannt  sind;  „parodierend"  sind  diese 
Darstellungen  nur  in  so  weit,  als  sie  die  Putten  an  die  Stelle 
der  wirklichen  Wagenlenker  setzen.  Ein  Relief  des  Louvre 
zeigt  uns  zum  Glück  sogar  in  einer  knappen  Andeutung  den 
Schauplatz  der  Handlung,  den  der  Verfertiger  des  Bildwerkes 
gemeint  hat:  ein  von  Delphinfiguren  gekrönter  Bogen  stellt  die 
Mittelwand  des  Zirkus,  die  Spina,  dar  und  gibt  von  der  Art  der 
Ausschmückung  dieses  Teiles  der  Rennbahn  eine  wenn  auch 
nur  andeutende  Vorstellung  *•'). 


—     300     —  » 

Als  dritte  Denkmälerreihe  tritt  zu  den  beiden  oben  be- 
sprocheneu die  niclit  geringe  Anzahl  solcher  Bildwerke  hinzu, 
die  uns  Szenen  aus  dem  Affentheater  und  ähnlichen  Schau- 
stellungen dressierter  Tiere  zeigen.  Das  bedeutendste  Beispiel 
dieser  Reihe  führt  uns  in  das  Gebiet  der  Mythologie  hinein: 
auf  einem  Wandgemälde  aus  Herculanum  erscheint  die  im  Alter- 
tum weitverbreitete  Gruppe  des  seinen  Vater  Anchises  aus 
dem  Brande  von  Troja  heraustragenden  Äneas  auf  hundsküpfige 
Aifen  übertragen^').  Das  Bild  ist  köstlich  erdacht  und  gibt  die 
stillergebene  Würde  des  Alten  ebenso  gut  wieder  wie  das  un- 
bewußte Nebenhertrotten  des  vom  Vater  an  der  Hand  geführten 
Askanius.  Daß  das  Bild  auf  parodische  Aufführungen  im 
Tiertheater  zurückgeht,  kann  kaum  bezweifelt  werden;  wohl 
nur  der  Tendenz  nach  gehört  das  herkulanische  Bild  in  die 
Richtung  des  ägyptischen  Malers  Antiphilos,  der  ein  Neben- 
buhler des  Apelles  gewesen  sein  und  die  sogenannte  Bildart 
der  Grylli  erfunden  haben  soll. 

Es  ist  vielleicht  unvorsichtig,  hochverehrte  Anwesende, 
daß  ich  unsere  heutigen  Betrachtungen  gerade  mit  dieser  an 
Spielerei  erinnernden  Gruppe  von  Tierdenkmälern  geschlossen 
habe,  und  Sie  werden  sich  vielleicht,  wenn  nicht  schon  früher, 
so  doch  beim  Anblick  dieser  Äneasgruppe  gefragt  haben,  ob 
denn  wirklich  in  diesen  der  ernsten  naturwissenschaftlichen 
Forschung  gewidmeten  Räumen  alle  diese  Kuriositäten  aus  dem 
Bereiche  der  Archäologie  überhaupt  zu  erscheinen  berechtigt 
sind.  Solchen  Zweifeln  gegenüber  möchte  ich  noch  einmal  be- 
tonen, was  allein  der  Zweck  unserer  heutigen  Betrachtungen 
sein  konnte:  wir  wollten  an  der  Hand  der  Kunstdenkmäler 
einen  kurzen  Einblick  gewinnen  in  die  verschiedensten  Seiten 
des  antiken  Tierlebens,  wollten  mit  der  Kulturgeschichte  als 
Hilfswissenschaft  einige  bescheidene  Materialien  vorführen  zu 
einem  der  schwierigsten,  aber  auch  interessantesten  Kapitel  der 
Tiergeschichte,  das  in  erschöpfender  Weise  nur  geschrieben 
werden  kann,  wenn  Zoologen  und  Altertumsforscher  sich  die 
Hand  reichen,  —  der  Tiergeschichte  des  Altertums". 


—     301     — 


Anmerkung  en. 

^)  Vergl.  vor  allem  Otto  Keller,  Tiere  des  Altertums  in  naturge- 
schichtlicher Beziehung  (Innsbruck  1887) ,  und  denselben,  Antike  Tierwelt 
Bd.  I.  Säugetiere  (Leipzig  1909) ;  in  beiden  Werken  sind  unter  Verwendung 
eines  reichhaltigen  Abbildungsmaterials  auch  die  antiken  Kunstdarstellungen 
der  Tiere  in  weitem  Umfang  mit  herangezogen.  Keller  hat  auch  zusammen 
mit  Imhof-Blumer  eine  wertvolle  Publikation  der  Tier-  und  Pfianzenbilder 
auf  antiken  Münzen  und  Gemmen  veranstaltet. 

-)  Eine  urkundliche  genaue  Publikation  des  Mosaiks  im  Palazzo  Bar- 
berini  zu  Palestrina  liegt  noch  nicht  vor;  wir  sind  zurzeit  noch  vor  allem 
auf  Pieralisi,  Osservazioni  sul  Musaico  di  Palestrina  (Rom  1858)  angewiesen; 
vergl.  auch  W.  Engelmaun,  Archäol.  Zeitung  1875  S.  127  ff.  und  über  die 
ganze  Denkmälergattung  G  i  a  c.  L  u  m  b  r  o  s  o ,  L'  Egitto  al  tempo  dei  Greci 
e  dei  Romani  (Rom  1882). 

^)  Vergl.  über  sie  vor  allem  W.  A  m  e  1  u  n  g  ,  Skulpturen  des  Vatika- 
nischen Museums  Bd.  II   (Berlin  1908)  S.  324—101  mit  Atlas  Taf.  30—44. 

*)  Unter  den  Künstlern  des  Altertums  scheinen  vor  allem  M  y  r  o  u , 
Lysipp  und  P  as  i  teles  als  Tierbildner  berühmt  gewesen  zu  sein;  ein 
besonderes  Wort  wie  das  französische  „animalier"  hat  die  griechische  Sprache 
für  diese  Kunstgattung  nicht  geschaffen.     Über  A  n  t  i  p  h  i  1  o  s  s.  S.  300. 

^)  Der  Kamelkopf  bei  Amelung  Nr.  202  und  Taf.  41;  der  Eselskopf 
ebenda  Nr.  182  c  Taf.  30.  Die  vatikanische  Windhundgruppe  bei  Amelung 
Nr.  116  und  Taf.  31;  andere  Windhunddarstellungen  ebenda  u.  a.  Nr.  114  und 
117  (Taf.  31)  und  (laufend)  Nr.  169  (Taf.  37).  Eine  andere ,  sehr  schöne 
Windhundfigur  enthält  die  Sammlung  Baracco  in  Rom ;  vergl.  Kollektion 
Baracco  (München  1892).  —  Das  Mutterschwein  mit  den  12  Ferkeln  bei 
Amelung  Nr.  194  (Taf.  40).  Ein  Aöenrelief  des  Kopenhagener  Thorwaldsen- 
museums,  Arndt-Amelung,  Einzelverkauf  Nr.  148,  stellt  sehr  launig  eine 
Fütterungsszene  dar;  s.  auch  Keller,  Antike  Tierwelt  I.  S.  4  Fig.  1  (Fig.  6). 
Bequeme  Zusammenstellungen  über  antike  Tierskulpturen  bietet  S.  Rein  ach 
im  Repertoire  de  la  Statuaire  Grecque  et  Romaine,  3  Bde.,  Paris  1897  ff. ;  s.  vor 
allem  Band  III  S.  285  ff.  und  die  Angaben  des  sehr  ausführlichen  Inhalts- 
verzeichnisses. Vergl.  auch  R.Piper,  Das  Tier  in  der  Kunst  (München  1910) 
S.  40ff. 

^)  Über  den  Bronzewidder  von  Palermo  vergl.  E.  Heydemann, 
Archäolog.  Zeitung  1870  zu  Taf.  25.  Von  der  Gruppe  einer  Ziege,  die  ihr 
Zicklein  säugt,  im  Vatikan  (Nr.  238  Taf.  39  bei  Amelung),  ist  nur  der  Leib 
des  größeren  Tieres  mit  Stammansatz  antik.  Das  vatikanische  Exemplar  des 
Ebers  bei  Amelung  Nr.  206  (Taf.  41),  das  florentiner  bei  Amelung, 
Führer  durch  die  Antiken  von  Florenz  Nr.  9.  Ein  schönes  Eberrelief  der 
Madrider  Antikensammlung  (Nr.  337  bei  Hübner,  Antike  Bildwerke  in 
Spanien)  ist  bei  Keller,  Antike  Tierwelt  I  S.  405  Fig.  141  abgebildet;  s. 
auch  A  r  n  d  t  -  A  m  e  1  u  n  a:  Einzelverkauf  Nr.  1699. 


—     302     — 

7)  Jahrg.  XXir  (1908)  S.  681  ff.  Dürers  Pflanzen-  und  Tierzeich- 
nungen und  ihre  Bedeutung  für  die  Naturgeschichte  hat,  wie  hier  erwähnt 
sein  mag,  Seb.  Killermann  in  den  Studien  zur  deutschen  Kunstgeschichte 
Heft  119  (Straßburg  1910)  sorgsam  und  mit  wertvollen  Ergebnissen  behandelt. 
Als  Äußerung  eines  Künstlers  zur  Zoologie  ist  interessant  die  Vorrede 
Q.  Gardets  zu  E.  Bayards  Animaux  d'apres  nature. 

*)  Über  die  Seetiere  vergleiche  Keller,  Antike  Tierwelt  I  S.  4U7ff. 
und  die  dort  angeführte  Fachliteratur.  Die  Nashorndarstellung  des  pompe- 
janischen  Reliefs  Museo  Borbon.  XIII  22  beurteilt  Keller  S.  387  (mit 
Fig.  135  auf  S.  388)  zu  günstig;  freilich  ist  sie  als  Versuch  der  Wiedergabe 
der  wirklichen  Hautfalten  dem  mit  bloßen  Schuppen  bedeckten  Nashornkopf 
bei  Amelung,  Vatikan.  Museum  Nr.  227  (Taf.  43)  bei  weitem  vorzuziehen; 
ob  der  Verfertiger  des  vatikanischen  Kopfes  nie  ein  Nashorn  gesehen  haben 
kann,  bleibt  vielleicht  besser  offen. 

'■>)  Vergl.  M.  Collignon,  Lysippe  (Paris  v.  I.)  S.  93 f.  mit  Fig.  22  auf 
S.  113;  Heibig,  Führer  durch  die  Antikensammlung  in  Rom  II  Nr.  G09,  der 
mit  Recht  das  Pferd  der  Reiterstatue  Alexanders  des  Großen  aus  Herculanum 
im  Neapler  Museum  zum  Vergleich  heranzieht.  —  Über  das  von  Löschcke 
zuerst  in  seiner  Bedeutung  erkannte  Relief  des  Lonvre  s.  Collignon  S.  59f. 
mit  Fig.  12  auf  S.  57. 

"^)  Vergl.  Collignon,  Histoire  de  la  Sculpture  Grecque  Bd.  I  (Paris 
1892)  S.  475  f.  mit  Fig.  245. 

")  Vergl.  H.  B.  Walters  Catalogue  of  the  Bronzes  Greek,  Roman 
and  Etruscan,  in  the  British  Museum  (London  1899),  vor  allem  Nr.  1751  —  1928. 
Über  die  Tierbilder  der  römischen  Feldzeichen,  von  denen  der  Wüstenroder 
Leopard  mit  das  beachtenswerteste  ist,  vergl.  die  Zusammenstellungen  bei 
A.  V.  Domaszewski,  Religion  des  Römischen  Heeres. 

'2)  Eine  Kröte  in  Rosso  antico  bei  Amelung  Nr.  105  (Taf.  30),  ein 
Taschenkrebs  ebenda  Nr.  229  (Taf.  43).  Aus  dem  Kreise  der  neueren  Funde 
von  Kreta  soll  wenigstens  auf  die  Fische  der  Fayenceplatte  aus  Knossos  und 
auf  ein  ähnliches  Wandbild  aus  Phylakopi  hingewiesen  werden ;  beide  sind 
gut  abgebildet  bei  E.  Per  nice  in  G.  Lehner  ts  Illustrierter  Geschichte 
des  Kunstgewerbes  Bd.  I  zu  S.  70. 

'ä)  Es  mag  hier  der  Wunsch  ausgesprochen  werden,  daß  die  Kataloge 
der  Antikensammlungen  einmal  von  selten  eines  Zoologen 
systematisch  einer  gründlichen  Revision  unterzogen  werden 
möchten,  die  die  vielen  Fragezeichen  und  zweifelhaften  Benennungen  tun- 
lichst beseitigt.  Die  Sala  degli  animali  enthält  u.  a.  die  plastische  Wiedergabe 
eines  Fettschwanzschafes  (Nr.  118,  Taf.  31  bei  Amelung):  der  weiße  Kopf 
des  Tieres  ist  zoologisch  unrichtig ;  einen  genau  entsprechenden  Kopf  von 
der  geforderten  schwarzen  Farbe  hat  Amelung  in  Florenz  (Nr.  129  seines 
Katalogs  der  Florentiner  Antiken)  nachgewiesen. 

!■*)  Vergl.  Keller ,  Antike  Tierwelt  I  S.  113.  Collignon,  Lysippe 
8.84  f.  mit  Fig.  23  auf  S.  117.  Über  das  Gesamtgebiet  s.  B.  Beckmann, 
Geschichte  und  Beschreibung  der  Rassen  des  Hundes,  II.  Bd.  mit  Illustration, 
Braunschweig  1894.  Wir  bedürfen  einer  eingehenden,  mit  dem  vollen  antiken 
Material    arbeitenden    Monographie    für    die    Hunde    des    Altertums    in    ganz 


—     303     — 

besonderem  Maße.  Bemerkenswert  wegen  des  Materials,  aus  dem  er  her- 
gestellt ist,  ist  u.  a.  der  Hund  aus  Serpentin  im  Konservatorenpalast  (Heibig  I 
Nr.  575). 

^^)  Über  den  Luchs  und  den  Sumpfluchs  s.  Keller,  Tiere  des  Alter- 
tums I.  S.  71f.  und  81  f.  mit  Fig.  21  und  27.  Zum  Panther  und  Gepard 
vergl.  Keller,  Antike  Tierwelt  I  S.  62  ff.  und  Tiere  des  klassischen  Alter- 
tums S.  147  ff.  Schon  für  das  Tier  des  Dionysos  auf  dem  Relief  des  Lysikrates- 
Denkmals  ist  die  Frage  aufgeworfen  worden,  ob  der  unbekannte  Künstler 
einen  Panther  oder  einen  Löwen  hat  darstellen  wollen.  Gelegentlich  benützte 
man  die  Naturfarbe  des  Steines,  um  auch  die  Färbung  der  Tiere  wiederzu- 
geben oder  wenigstens  anzudeuten ;  eine  Ibisfigur  der  Villa  Albani  in  Rom 
besteht  aus  Rosso  antico  (Heibig,  Führer  II  Nr.  842  [682]).  Am  bedeut- 
samsten ist  der  aus  Alabaster  mit  eingelegtem  nero  antico  und  giallo  antico 
bestehende  „Leopard"  der  Sala  degli  animali,  Nr.  154  (Taf.  36)  bei  Ame- 
lung  (Fig.  9). 

^^)  Abbild,  u.a.  bei  Colli  gnon  (Lysippe  S.  84),  der  schwerlich  mit 
Recht  an  Lysipp  als  Schöpfer  des  Originals  denkt  (S.  76)  und  dem  Kopisten 
die  Wahl  eines  Hirsches  statt  der  Hindin  zuzuschreiben  geneigt  ist. 

")  Die  Becher  von  Vaphio  sind  außer  bei  Keller,  Antike  Tierwelt I 
S.  344  Fig.  121  abgebildet  u.  a.  bei  Collignon,  Sculpture  Grecque  I  S.  47f., 
ebendort  S.  53  Fig.  28  das  Wandgemälde  des  fälschlich  so  genannten  Stier- 
bändigers aus  Tiryns  und  S.  28  Fig.  10  der  silberne  Stierkopf,  den  S ch He- 
rn a  n  n  in  Mykenä  gefunden  hat. 

'^)  Über  die  Viverre  s.  Keller,  Antike  Tierwelt  I.  S.  157  Fig  55,  über 
den  Serval  ebenda  I  S.  66  Fig.  17,  über  die  Frage  des  mykenischen  Schafes 
ebenda  I  S.  310. 

^^)  Paus  an.,  X  13,  f. ;  ein  Exkurs  über  die  „Bison"- Jagd  ist  aus  un- 
bekannter Quelle,  vielleicht  nach  der  Erzählung  des  Fremdenführers  von 
Delphi,  beigefügt. 

^°)  Den  Zebu  behandelt  eingehend  Keller,  Tiere  des  klassischen 
Altertums  S.  66 — 72. 

"^)  Vergl.  Keller ,  Tiere  des  klassischen  Altertums  S.  106 ff.  Über  das 
Relief  von  Vienne  Stark,  Städteleben  und  Altertum  in  Südfrankfeich  S.  578. 
Die  Bärengruppe  der  Sala  degli  animali  bei  Amelung  Nr.  108  (Taf.  39) ; 
die  Berner  Bronze  ist  abgebildet  bei  J.  Bachof  en ,  Der  Bär  in  den  Religionen 
des  Altertums  (Basel  1863)  Taf.  I  Fig.  1.  Zur  Aachener  Bärin  s.  Friederichs- 
Wolters  Gipsabgüsse  des  Berliner  Museums  Nr.  1702. 

^^)  Vergl.  im  allgemeinen  Keller,  Tiere  des  Altertums  I  S.  24ff. 
Die  Monographie  von  J.  B.  N  o  r  d  h  o  f  f ,  Über  den  Gebrauch  und  die  Bedeutung 
des  Löwen  in  der  Kunst,  vorzüglich  in  der  christlichen  (Münster  1864, 
Freiburger  Dissertation)  bedarf  sehr  der  Erneuerung.  Keller  ist  geneigt, 
auch  in  den  Löwendarstellungen  der  späteren  antiken  Kunst  im  wesentlichen 
die  Nachahmung  des  altorientalisch-asiatischen  Löwentypus  zu  erkennen ;  ich 
glaube  nicht,  daß  sich  diese  Anschauung  bei  genauerer  Prüfung  der  ein- 
schlägigen Bildwerke  aufrecht  erhalten  läßt.  Über  die  Löwen  des  Regens- 
burger St.  ülrichsmuseums ,  schlechte  Provinzialarbeit,  s.  0  r  t  n  e  r ,  Das 
römische  Regensburg. 


—     304     — 

^')  Th.  Schreiber,  Die  hellenistischen  Reliefbilder  (Leipzig  1894), 
dort  vor  allem  Taf.  1  Säugende  Löwin  ;  Tai.  2  Säugendes  Mutterschaf ;  Taf.  74 
Bauer  und  Kuh  am  Brunnen ;  Taf.  75  Rinderherde ;  Taf.  77  Hirt,  eine  Ziege 
melkend ;  Taf.  78  Löwe,  einen  Stier  zerfleischend ;  Taf.  108  a  Elefant  und 
Panther  (s.  S.  305  Anm.  36). 

2*)  Das  Nilmosaik  bei  Keller,  Antikes  Tierleben  I  S.  158  Fig.  57, 
das  Wandbild  mit  den  Wüstentieren  ebenda  I  S.  293  Fig.  96. 

-'")  Das  Mosaik  der  Vatikan.  Bibliothek  bei  Hei  big,  Führer  II  955. 
t'Jber  farbige  Terrakottaplatten  mit  Nillandschaften  Hei  big,  Führer  II 
S.  368  und  die  dort  angeführte  Literatur.  Die  vatikanische  Nilstatue 
(Heibig  I  Nr.  47)  zeigt  auf  ihrem  ßasisrelief  Kämpfe  zwischen  Krokodilen 
und  Nilpferden,  zwischen  Krokodil  und  Ichneumon,  außerdem  Wasservögel, 
darunter  vielleicht  den  viel  umfabelten  Trochilos. 

^*)  Das  Treibjagdmosaik  von  Utica  ist  farbig  abgebildet  bei  Th.  Morgan, 
Romano-British  Mosaic  Pavements  (London  1886)  auf  Taf.  zu  S.  247 ;  ebenda, 
gleichfalls  farbig,  zu  S.  275  das  Fischfangmosaik.  Mit  dieser  Darstellung  des 
Fischfanges  läßt  sich  am  ehesten  vergleichen  das  kleine  Silberrelief  bei 
Th.  Schreiber,  Alexandrinische  Toreutik  (S.  325  Fig.  63),  wo  neben  den 
Fischen  ein  Seepolyp  erscheint,  der  von  einem  Fischer  mit  der  dreizackigen 
Gabel  durchbohrt  wird,  ferner  Seekrebse  und  ein  Seevogel  (schwerlich  eine 
Ente,  wie  Schreiber  annimmt). 

-'•)  S.  Keller,  Tiere  des  klassischen  Altertums  S.  82  Fig.  24.  Über 
die  Mosaiken  des  Bardo  -  Museums  berichtet  an  der  Hand  des  Supplement- 
bandes zum  Musee  Alaoui  A.  Schulten  im  Archäol.  Anzeiger  1909  S.  190 ff. 
mit  Abbildungen  1  und  2. 

'-**)  Abbildungen  bei  Keller,  Tiere  des  klassischen  Altertums  S.  133 
Fig  30  und  S.  145  P'ig.  32,  doch  steht  meines  Wissens  leider  nicht  fest,  wie 
weit  das  Spiegelbild  des  Panthers,  das  in  dem  Käfig  des  letzteren  Bildes 
erscheint,  auf  richtiger  Wiedergabe  des  Originals  beruht.  Den  Bericht  Allans 
(Nat.  anini.  XIII  10)  kann  man  jedenfalls  nur  den  Hauptzügen  nach  zum  Ver- 
gleich heranziehen. 

29)  Vergl.  J.W  a  cht  1er,  Die  Blütezeit  der  griechischen  Kunst  im 
Spiegel  def  Reliefsarkophage  (Leipzig  1910),  der  S.  59f.  die  Eberjagdszene 
gut  erörtert,  dagegen  in  bezug  auf  die  Längsseite  mit  der  Löwenjagd  m.  E. 
nicht  im  Recht  ist. 

^°)  Auch  hier  wende  ich  mich  gegen  W  a  c  h  1 1  e  r  s  Ausführungen  a.  a.  0. 
S.  91  f.  Als  Lockspeise  für  den  Löwen  ist  der  Hirsch  allerdings  nicht  zu 
denken.  Die  Äußerung  gegen  die  unwaidmännische  Rohheit,  mit  der  der 
Perser  mit  der  Axt  auf  das  geängstigte  Tier  losschlägt,  trägt  wohl  ein  kaum 
dazu  gehöriges  Moment  in  die  Interpretation  des  Bildwerkes  hinein. 

^1)  Über  die  pompejanischen  Reliefs  s.  Overbeck-Mau,  Pompeji 
(Leipzig  1884)  S.  191  ff.  mit  Fig.  110—114  und  H.  Lamer,  Die  Römische 
Kultur  im  Bilde  (Leipzig  1910),  S.  18.  Die  Terrakottaplatte  des  Museo 
Kircheriano  bei  Hol  big  11  S.  368.  Als  Beispiel  für  den  Jagdsport  als 
integrierenden  Bestandteil  im  Leben  des  vornehmen  Römers  mag  der  Sar- 
kophag im  vatikanischen  Cortile  del  Belvedere  Nr.  93  Taf.  7  bei  A  m  e  I  u  n  g 
antjeführt  sein. 


—     305     — 

3^)  Vergl.  Hei  big  II  S.  134 ff.  und  besonders  W.  Henzen,  Expli- 
catio  rausivi  in  Villa  Borghesiana  asservati  (Rom  1845);  der  letztere  hat  auch 
ein  Relief  der  Sammlung  Torlonia  mit  Tierkämpfen  gelehrt  erläutert  in  Annal. 
deir  Instituto  Archeologico  XIV  (1842)  zu  Monum.  dell'  Inst.  Taf.  XXXVIII. 

33)  Vergl.  K.  Humann,  Altertümer  von  Hierapolis  (Berlin  1898), 
S.  63 ff.  mit  Fig.  12  und  13.  Ein  Stier  im  Kampfe  mit  einer  Bärin  (?)  er- 
scheint auf  einem  Gemälde  der  Brüstungsmauer  des  Amphitheaters  von  Pom- 
peji, s.  0  V  e  r  b  6  c  k  -  M  a  u  a.  a.  0.  S.  181  f.  mit  Fig.  105. 

^^)  Der  römische  Mosaikfußboden  in  Westerhofen  (vergl.  I.  von  H  e  f  - 
n  e  r  in  dem  Oberbayer.  Archiv  Bd.  XIII  Heft  1)  zeigt  uns,  wie  ein  Bär  an 
einen  Stier  heranschleicht.  Das  Mosaik  von  Nennig  (s.  Springer- Michaelis, 
Handbuch  der  Kunstgeschichte  7  I  S.  437  Abb.  768)  zeigt  u.  a.  einen  vom 
Bestiarius  erlegten  Panther,  der  mit  der  linken  Vordertatze  den  einen  Speer, 
der  ihn  durchbohrt  hat,  herauszureißen  sucht.  Den  Trierer  Glasbecher  hat 
herausgegeben  und  interessant  erläutert  E.Krüger  in  den  Bonner  Jahr- 
büchern Heft  118  (Bonn  1910)  S.  353  ff.  mit  Taf.  XXV— XXVII.  Das  Eich- 
hörnchen auf  dem  Bilde  ist  gewiß  nicht  bloße  Füllfigur;  vergl.  den  Hasen 
des  Reliefs  bei  U  verbeck- Mau  a.  a.  0.  S.  192  f  mit  Fig.  114.  Die  Gruppe 
des  Ebers  mit  dem  Panther  bei  H  e  1  b  i  g  I  Nr.  558. 

^^)  Eine  gute  Wiedergabe  bei  P.  Hermann,  Denkmäler  der  Malerei 
des  Altertums  (München  1906  ff.)  Taf.  9. 

*')  Den  Panther  mit  der  Schlange  hat  Keller,  Tiere  des  Altertums 
S.  152  Fig.  34  abgebildet. 

^^)  Zur  Zähmung  der  Tiere  vergl.  u.  a.  P.  Hachet-Souplet,  Dres- 
sur der  Tiere  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Hunde,  Affen,  Pferde, 
Elefanten  und  wilden  Tiere,  deutsch  von  Marschall  von  Bieber stein 
(1898).  Eine  erschöpfende  Bearbeitung  des  antiken  Materials  fehlt  meines 
Wissens  noch. 

^^)  Über  die  Kunstdarstellungen  des  Dionysossiegeszuges  vergl.  Hel- 
bigs  Führer  I  Nr.  676  und  Benndorf-Schoene,  Katalog  des  laterani- 
schen Museums  (Leipzig  1867)  Nr.  408.  Über  Eros  auf  dem  Panther  s.  u.  a. 
Hei  big  I  Nr.  137,  auf  der  Bärin  I  Nr.  678. 

*")  Der  lateranische  Sarkophag  in  Benndorf-Schoenes  Katalog 
Nr.  421;  eine  Abbildung  u.  a.  bei  R.  Garrucci,  Monumenti  del  Museo  La- 
teranense  (Rom  1861)  I  2 — 4 ;  Wettfahrten  von  Eroten  auf  Wagen,  die  mit 
wilden  Tieren  bespannt  sind,  z.  B.  bei  Reinach,  Repertoire  I  S.  57. 

•* ')  Vergl.  S  p  r  i  n  g  e  r  -  M  i  c  h  a  e  1  i  s  ,  Handbuch  der  Kunstgeschichte  7  I ' 
S.  292  f.  mit  Fig.  517.  Exemplare  der  nicht  travestierten  Grappe   finden  sich 
z.  B.  im  Rheinland  (Kölner  Museum),  siad  aber  auch  sonst  offenbar  zahlreich 
zu  finden  gewesen. 


20 


—     306 


Robert  Kocli 

geb.  11.  XII.  1843  zu  Clausthal,  gest.  27.  V.  1910  zu  Baden- Baden. 


Mit  Porträt 
von 

A.  Libbertz. 


Robert  Koch  ist  auf  Grund  seiner  epochemachenden 
Arbeit  „Die  Ätiologie  der  Tuberkulose"  am  10.  März  1883  Träger 
des  Tiedemann-Preises  und  korrespondierendes  Mitglied  unserer 
Gesellschaft  geworden.  Als  erste  von  einer  wissenschaftlicheu 
Korporation  ihm  zuteil  gewordene  öffentliche  Anerkennung  wurde 
diese  Auszeichnung  von  ihm  stets  besonders  hoch  gehalten. 

Zwei  Jahre  zuvor  hatte  Koch  seine  Methode  zur  Unter- 
suchung von  pathogenen  Mikroorganismen  bekannt  gegeben.  Die 
von  ihm  beschriebene  Kultur  auf  festem  durchsichtigem  Nähr- 
boden war  allen  anderen  Methoden  der  Reinkultur  an  Sicher- 
heit und  leichter  Handhabung  überlegen.  Für  die  Reinzüchtung 
der  Tuberkelbazillen  hatten  indessen  die  bisher  bewährten  Nähr- 
böden versagt.  Da  fand  Koch,  daß  Blutserum  bei  längerer 
Erwärmung  auf  65'^  fest  wird  und  durchsichtig  bleibt.  Auf 
diesem  Nährboden  gelang  es,  die  Stäbchen  in  Reinkultur  zu 
züchten,  und  durch  die  Wiedererzeuguug  der  Krankheit  mit  der 
gewonnenen  Reinkultur  war  die  ätiologische  Bedeutung  der  ge- 
fundenen Bazillen  erwiesen.  Es  war  zum  ersten  Male  gelungen. 
den  Beweis  für  die  parasitische  Natur  einer  menschlichen  In- 
fektionskrankheit, und  zwar  der  wichtigsten  von  allen,  voll- 
ständig zu  liefern. 

„Meine  Untersuchungen,"  sagte  Koch,  „habe  ich  im  Inter- 
esse der  Gesundheitspflege  unternommen,  und  dieser  wird  auch, 
wie  ich  hoffe,  der  größte  Nutzen  daraus  erwachsen".     Und  in 


—     309     — 

der  Tat,  von  der  Entdeckung  Kochs  datiert  die  neue  Ära  der 
Gesundheitspflege,  die  ihre  Maßnahmen  auf  die  Erkenntnis  der 
Biologie  der  Krankheitserreger  und  deren  Verbreitnngsweise 
mit  glänzendem  Erfolge  zu  basieren  vermochte.  Das  Vorbild 
für  die  Bekämpfung  aller  anderen  Krankheiten  ist  die  von 
Koch  in  die  Wege  geleitete  zielbewußte  Bekämpfung  der  Tuber- 
kulose geblieben. 

Mitten  aus  dieser  so  viel  versprechenden  Tuberkulosearbeit 
wurde  Koch  im  Jahre  1883  zur  Erforschung  der  Cholera  ab- 
gerufen, die  in  Ägypten  ausgebrochen  war  und  Europa  bedrohte. 
Die  Seuche  war,  bald  nachdem  die  von  Koch  geführte  Kom- 
mission ihre  Arbeit  begonnen  hatte ,  in  Ägypten  erloschen ; 
aber  Koch,  der  bereits  in  einigen  Fällen  wichtige  Beobach- 
tungen in  den  Darmausleerungen  Kranker  gemacht,  folgte  ihr 
.nach  Indien,  ihrem  Heimatlande,  und  fand  dort  ihren  Erreger, 
ein  schraubenförmiges  Stäbchen,  den  sogenannten  Kommabazillus. 
Die  Studien  über  die  Biologie  des  in  Reinkultur  gewonnenen 
Mikroorganismus  führten  zum  klaren  Verständnis  der  Verbrei- 
tungsweise dieser  wegen  ilires  akuten  Verlaufs  so  gefürchteten 
Krankheit  und  damit  zur  Erkenntnis  der  zu  ihrer  erfolgreichen 
Bekämpfung  notwendigen  praktischen  Maßnahmen.  Der  kranke 
Mensch  ist  der  Träger,  Vermehrer  und  Verbreiter  der  Cholera- 
keime: die  ersten  Krankheitsfälle  müssen  daher  rechtzeitig  er- 
kannt, isoliert  und  unschädlich  gemacht  werden,  um  eine  Ver- 
breitung der  Krankheit  wirksam  zu  verhüten.  Die  hierauf 
gerichteten  Vorschläge  Kochs  wurden  von  der  internationalen 
Sanitätskonferenz  zu  Dresden  1883  angenommen  und  bewährten 
sich  1893  beim  Ausbruch  der  Cholera  in  Hamburg  in  glänzender 
Weise.  Ihnen  verdankt  es  Deutschland,  daß  es  damals  von  einer 
allgemeinen  Epidemie  verschont  geblieben  ist. 

Nachdem  die  Cholerauntersuchungen  zum  Abschluß  gelangt 
waren,  wandte  sich  Koch  wieder  seinen  Tuberkulosestudien 
zu.  In  jahrelangen  Versuchen  war  er  bemüht,  ein  Mittel  zu 
finden,  um  die  außerhalb  des  Körpers  leicht  zu  tötenden  Para- 
siten auch  innerhalb  des  lebenden  Organismus  zu  vernichten. 
Auf  dem  X.  internationalen  Kongreß  zu  Berlin  1890  machte  er 
die  Mitteilung,  daß  dieses  Mittel  von  ihm  gefunden  sei,  und  bald 
darauf  folgte  seine  grundlegende  Publikation  über  das  Tuber- 
kulin, mit  Hilfe  dessen  die  Tuberkulose  in  ihren  ersten  Stadien 


—     310     — 

nicht  nur  erkannt,  sondern  auch,  wie  er  hoffte,  geheilt  werden 
könne.  Diese  Veröffentlicliung  wurde  von  Ärzten  und  Laien 
mit  beispiellosem  Enthusiasmus  aufgenommen,  und  überall  wurden 
die  übertriebensten  Hoffnungen  an  das  neue  Wundermittel  ge- 
knüpft. Die  notwendig  folgenden  Enttäuschungen  wären  der 
Welt  erspart  geblieben,  hätte  man  sich  nur  an  das  gehalten, 
was  Koch  versprochen  hat,  und  wäre  das  Mittel  nicht  in  zahl- 
losen gänzlich  ungeeigneten  Fällen  zur  Anwendung  gebracht 
worden.  Als  nun  die  übertriebenen  Hoffnungen  sich  nicht  ver- 
wirklichten, als  sogar  manche  der  mit  Tuberkulin  behandelten 
Kranken  infolge  zu  heftiger  Reaktion  zugrunde  gingen,  war 
Robert  Koch,  der  gefeierte  Forscher,  der  Wohltäter  der 
Menschheit,  bald  einer  der  bestgehaßten  Männer  des  In-  und 
Auslandes.  Und  doch  hatte  er  recht  und  hat  recht  belialten! 
Das  Tuberkulin  hat  sich  bewährt  als  das  beste  Diagnostikum. 
der  Tuberkulose  in  ihren  ersten  Stadien :  es  hat  auch  als  Heil- 
mittel gehalten,  was  Koch  von  ihm  gesagt,  und  sich  bewährt 
in  der  Hand  sorgsamer  Ärzte. 

Die  Ungerechtigkeit  der  Welt  hat  Koch  mit  Gleichmut 
getragen,  und  unentwegt  hat  er  an  der  Vervollkommnung  seiner 
Tuberkulinpräparate  weiter  gearbeitet.  Er  erkannte,  daß  die 
Leiber  der  Tiiberkelbazillen  das  heilende  Agens  darstellen,  und 
um  sie  aufzuschließen,  unternahm  er  das  gefährliche  Experiment, 
die  scharf  getrockneten  lebenden  Kulturen  im  Achatmörser  zu 
zerreiben.  In  Emulsion  gebracht  stellt  dieses  Präparat  das 
„neue  Tuberkulin"  dar. 

Abermals  wurden  diese  Studien  unterbrochen.  „Gerade 
jetzt,"  schrieb  mir  Koch  im  November  1896,  „wo  ich  mich 
ausschließlich  mit  der  Ausarbeitung  des  neuen  Verfahrens  für 
die  Praxis  beschäftigen  möchte,  wird  mir  ein  Strich  durch  die 
Rechnung  gemacht.  Die  Regierung  der  Kapkolonie  hat  sich 
an  unser  Auswärtiges  Amt  mit  dem  Ersuchen  gewendet,  mich 
zur  Untersuchung  der  Rinderpest  nach  Südafrika  zu  senden. 
Anfangs  verhielt  ich  mich  ablehnend ;  aber  die  Sache  gestaltete 
sicli  immer  mehr  zu  einer  Art  Ehrensache,  der  ich  mich  nicht 
mehr  entziehen  konnte,  namentlich  da  auch  politische  Gründe 
ins  Feld  geführt  wurden."  Am  1.  Dezember  1896  traf  Koch 
in  Kapstadt  ein,  und  Ende  März  1897  konnte  er  seine  Unter- 
suchungen in  Kimberley  abschließen,   die  zwar   nicht   zur  Ent- 


—     311     — 

deckling  des  Erregers  der  Rinderpest,  wohl  aber  zur  Auffindung 
eines  Verfahrens  geführt  hatten,  um  die  Tiere  gegen  die  Seuche 
zu  immunisieren.  Die  Gallenimpfung  wurde  zum  größten  Segen 
für  Südafrika. 

Inzwischen  war  in  Bombay  die  Bubonenpest  ausgebrochen, 
und  die  deutsche  Regierung  hatte  beschlossen,  eine  wissen- 
schaftliche Mission  dorthin  zu  entsenden ;  es  war  selbstverständ- 
lich, daß  Koch  zu  ihrem  Führer  ernannt  wurde.  Da  aber  die 
direkten  Dampferlinien  wegen  der  Pestquarantäne  die  Fahrten 
eingestellt  hatten,  konnte  Koch  nur  auf  Umwegen  über  Ost- 
afrika und  Aden  nach  Bombay  gelangen.  So  kam  es,  daß  er 
erst  im  Mai  B(jmbay  erreichte,  wo,  wie  er  in  seinem  Bericht 
bescheiden  sagte,  die  deutsche  Pestkommission  unter  Führung 
seines  Stellvertreters  Gaffky  den  größten  Teil  ihrer  Arbeiten 
bereits  erledigt  hatte.  Indessen  waren  sehr  wichtige  Fragen 
offen  geblieben,  insbesondere  die  Fragen  der  künstlichen  Immuni- 
tät gegen  Pest  und  der  Verwendbarkeit  des  von  hochimmuni- 
sierten Tieren  gewonnenen  Serums  zu  Schutz-  und  Heilzwecken. 
Koch  ging  von  Indien  wieder  nach  Afrika  zurück  und  zwar 
nach  Ostafrika  zur  Untersuchung  einer  westlich  vom  Viktoria- 
Njansa  im  Sultanat  Kisiba  ausgebrochenen  pestartigen  Krankheit. 
Dort  bot  sich  ihm  ein  reiches  Feld  der  Tätigkeit.  Während 
sein  Assistent  Zupitza  den  Herd  der  Seuche  aufsuchte,  um 
das  erforderliche  Untersuchungsmaterial  zu  beschaffen,  konnte 
Koch  sich  ungestört  den  Studien  über  tropische  Malaria,  über 
Texasfieber,  über  Tsetse-  oder  Surrakrankheit  der  Rinder  und 
über  die  sanitären  Verhältnisse  des  für  Besiedelungszwecke  und 
zur  Anlage  eines  Sanatoriums  in  Aussicht  genommenen  Usam- 
baragebirges  widmen.  Die  Untersuchung  des  von  Zupitza  ge- 
sandten Pestmaterials  führte  zu  dem  einwandfreien  Ergebnis, 
daß  die  fragliche  pestartige  Krankheit  echte  Bubonenpest  war. 
Auch  hier  wie  in  Indien  erkannte  Koch  die  Ratten  als  Haupt- 
überträger der  Seuche. 

Vor  allem  war  es  die  Malaria,  die  wichtigste  Menschen- 
krankheit der  Tropen,  deren  Studium  Koch  mit  gewohnter 
Energie  in  Angriff  nahm,  und  deren  Entstehung  und  Verbreitung 
trotz  Laver  ans  Entdeckung  in  Dunkel  gehüllt  war.  Koch 
neigte  sich  schon  damals  der  Ansicht  zu,  daß  die  Übertragung 
der  Infektionskeime  durch  Moskitos  wahrscheinlich   die  einzige 


—     312     — 

sei.  „Wohin  man  sich  auch  wendet,  überall  findet  man  ein 
örtliches  und  zeitliches  Zusammentreffen  in  bezug  auf  das  Vor- 
handensein der  tropischen  Malaria  und  der  Moskitos."  Den 
Beweis  für  die  Moskitotheorie  als  erster  zu  führen,  war  ihm 
indessen  nicht  vergönnt.  Der  indische  Militärarzt  Ross  war 
ihm  zuvorgekommen,  eben  als  er  auf  Grund  eigener  Unter- 
suchungen zu  beweisenden  Ergebnissen  gelangt  war.  Die  Be- 
stätigung durch  Koch  verschaffte  der  Entdeckung  von  Ross 
sogleich  die  weiteste  Verbreitung  und  Anerkennung. 

Ganz  hervorragende  Verdienste  erwarb  sich  Koch  nicht 
nur  um  die  Erkenntnis  der  Malaria  sondern  vor  allem  auch  um 
ihre  Bekämpfung.  Er  stellte  fest,  daß  es  drei  Malariaarten 
gibt:  die  Tertiana,  die  Quartana  und  die  von  ihm  so  benannte 
Tropica,  deren  jede  durch  einen  wohl  charakterisierten  Parasiten 
hervorgerufen  wird.  Zum  Nachweis  der  Malariaverhältnisse  einer 
Gegend  bewährte  sich  Koch  die  Untersuchung  der  Kinder,  die 
später  in  Batavia  in  großem  Maßstabe  angestellt  wurde.  „Wir 
brauchen  nur  ein  Blutpräparat  anzufertigen",  sagt  Koch,  „dann 
finden  wir  die  Malariaparasiten  darin  und  haben  damit  den  un- 
umstößlichen Beweis  dafür,  daß  der  betreffende  Mensch  den 
Infektiousstoff  in  sich  trägt.  Auch  das  Unscliädlichmachen  der 
Malariakranken  ist  nicht  schwierig.  Wir  haben  im  Chinin  ein 
ausgezeichnetes  Blutdesinfektionsmittel,  und  wir  sind  imstande. 
mit  demselben  die  Parasiten  zu  beseitigen.  Werden  nun  alle 
Parasitenträger  an  einem  Orte  von  ihren  Malariaparasiten  be- 
freit, dann  ist  derselbe  malariafrei  gemacht."  Dies  war  das 
Prinzip,  nach  dem  Koch  in  Batavia,  Neu-Guinea,  auf  den  brio- 
nischen  Inseln  und  an  anderen  Orten  erfolgreich  die  Malaria 
bekämpfte. 

In  Ostafrika  waren  es  außer  der  Malaria  die  seuchen- 
artigen Rinderkrankheiten,  die  durch  Trypanosomen  verursachte 
Surrakrankheit  und  das  Texasfieber,  dessen  Erreger  ebenfalls 
ein  Blutparasit,  das  Pt/rosot/ia  bnieminiini^  ist,  denen  Koch  seine 
Studien  widmete.  Vom  Texasfieber  stellte  er  fest,  daß  es  mit 
der  in  Amerika  von  Smith  und  Kilborne  sorgfältig  studierten 
Viehseuche  übereinstimmt.  Sie  wird  durch  die  Rinderzecke 
übertragen,  aber  nicht  direkt,  sondern  durch  die  Nachkommen 
der  infizierten  Zecke.  Dies  war  bereits  von  Smith  behauptet 
worden,   aber  den  Beweis  dafür  hat  erst  Koch  durch  sein  be- 


—     313     — 

rühmt  gewordenes  Experiment  erbracht.  In  Daressalam  wurden 
Rinderzeeken  von  einem  texasüeberkranken  Kalbe  abgenommen 
und  in  Gläsern  unter  Watteverschluß  aufbewahrt.  Die  Zecken 
legten  ihre  Eier  ab,  und  bald  entwickelten  sich  daraus  die 
jungen  Zecken.  Diese  brachte  Koch  auf  einem  zwei  Wochen 
dauernden  Steppeumarsch  nach  W^estusambara  an  einen  Ort,  wo 
niemals  Texasfleber  vorgekommen  war,  und  setzte  dort  die 
jungen  Zecken  auf  gesunde  Tiere  aus.  Zweiuudzwanzig  Tage 
später  fanden  sich  bei  der  Blutuntersuchung  zum  ersten  Male 
Pyrosomeu  in  den  roten  Blutkörperchen  der  Versuchstiere.  Durch 
weitere  Versuche  stellte  Koch  fest,  daß  das  Überstehen  des 
Texasfiebers  in  der  leichtesten  Form  vollkommene  Immunität 
gegen  eine  Infektion  mit  erheblichen  Mengen  von  Texasfieber- 
blut verleiht. 

Im  Jahre  1908  folgte  Koch  noch  einmal  einer  Einladung 
der  englischen  Regierung  nach  Rhodesia  in  Südafrika  zur  Er- 
forschung und  Bekämpfung  einer  dort  die  Rinderherden  dezi- 
mierenden Seuche.  Er  erkannte  sie  als  das  durch  einen  Blut- 
parasiten —  Pyrosoma  —  erzeugte  Küstenfieber.  „Es  war", 
schrieb  er  mir  aus  Bulawayo  (Rhodesia)  im  Oktober  1903,  „eine 
recht  schwierige  Aufgabe;  die  ich  hier  zu  bewältigen  hatte,  und 
ich  bin  auch  jetzt  eigentlich  noch  nicht  damit  fertig.  Das 
Schutzimpfungs verfahren,  welches  ich  herausgefunden  habe,  hat 
auf  unserer  Versuchsstation  recht  gute  Erfolge  gegeben ;  aber 
es  fragt  sich  nun,  wie  es  sich  in  der  Praxis  bewähren  wird. 
Auf  jeden  Fall  hat  es  zwei  ausgezeichnete  Eigenschaften:  es 
ist  ganz  ungefährlich  und  kostet  so  gut  wie  nichts.  Anfangs 
hatte  ich  meine  ganze  Hoffnung  auf  Serum  und  Korabination 
von  Serum  und  Infektion  gesetzt ;  aber  die  Verluste  sind  dabei 
zu  groß.  Jetzt  lasse  ich  das  Blut  der  immun  gewordenen  oder 
auch  der  künstlich  immunisierten  Tiere,  welches  regelmäßig  eine 
geringe  Anzahl  von  Parasiten  enthält,  wiederholt  einspritzen. 
Es  folgen  dann  kaum  merkliche  Reaktionen  und  eine  mit  der 
Zahl  der  Einspritzungen  immer  höher  und  fester  werdende 
Immunität.  Es  ist  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  der  Malaria- 
immunität. Überhaupt  sind  mir  bei  diesen  und  anderen  zu 
gleicher  Zeit  in  Angriff'  genommenen  Untersuchungen,  welche 
sich  alle  auf  Protozoeninfektionen  beziehen,  meine  Kenntnisse 
der  Malaria  außerordentlich  zugute  gekommen." 


—     314     — 

Zum  weiteren  Studium  der  Protozoenkranklieiten  ging 
Koch  1905  abermals  nacli  Ostafrika.  Diesmal  galten  seine 
Studien  besonders  dem  afrikanischen  Rekurrens ,  einer  dem 
europäischen  Riickfalltieber  nahestehenden  Krankheit.  Beide 
werden,  wie  bekannt,  durch  Spirochäten  verursacht.  In  Ost- 
afrika erkrankten  fast  alle  Europäer,  welche  die  Karawanen- 
straße benutzten,  an  Rekurrens,  und  besonders  infektiös  schien 
die  Strecke  von  Daressalam  bis  nach  Morogoro  zu  sein.  Als 
Überträger  der  Krankheit  erkannte  Koch  eine  besondere  Zecken- 
art, Ornithodotus  moubata.  Die  Übung  im  Päpariereu  der  Zecken, 
die  er  sich  bei  seinen  Untersuchungen  über  Texasfieber  erwor- 
ben hatte,  kamen  ilim  hier  ausgezeichnet  zustatten.  Er  ließ 
sich  aus  verschiedenen  Ortschaften  der  Karawanenstraße  Zecken 
kommen  und  zerlegte  sie,  ihre  Organe  einzeln  mit  verdünntem 
Serum  auf  Deckgläser  ausgestrichen,  jedes  für  sich,  also  den 
Magen,  auch  den  Inhalt  des  Magens,  dann  die  Malpighischen 
Körper,  die  Speicheldrüse,  die  Ovarien,  die  Ovidukte  usw.  Als 
Koch  die  nach  Giemsa  gefärbten  Präparate  mikroskopisch 
durchsah,  fand  er  in  einigen  von  diesen  Zecken  Spirochäten, 
und  was  besonders  merkwürdig  war :  sie  befanden  sich  nur 
an  den  Ovarien.  Die  Zecke  lebt  ausschließlich  in  menschlichen 
Wohnungen ;  sie  findet  sich  auch  regelmäßig  in  den  Rasthäusern 
der  Karawauenstraße  und  lebt  ausschließlich  von  Menschenblut. 
Den  Tag  über  tief  in  der  Erde  versteckt  kommt  sie  nachts 
hervor,  saugt  sich  am  schlafenden  Menschen  voll  und  geht 
dann  schleunigst  wieder  in  die  Erde  hinein. 

Kochs  Forschungen  wurden  für  die  Prophylaxe  auch 
dieser  Kranklieit  maßgebend.  Es  genügt,  daß  man,  namentlich 
zur  Nachtzeit,  von  den  Stellen  entfernt  bleibt,  von  denen  man 
weiß,  daß  sich  dort  Zecken  aufhalten.  So  schützten  sich  Koch 
und  seine  ihn  begleitenden  Europäer  auf  iliren  Märschen  nach 
Morogoro  und  Iringa  durch  diese  einfache  Vorsichtsmaßregel, 
während  die  eingeborenen  Diener,  die  mit  den  Trägern  zu- 
sammen unter  Schutzdächern  schliefen,  an  Rekurrens  erkrankten. 

Im  August  1905  schrieb  mir  Koch:  „Nun  bin  ich  doch 
eher  zu  einem  Abschluß  meiner  Arbeiten  gekommen,  als  ich 
erwartet  hatte,  und  ich  kann  an  die  Rückreise  denken.  Vorher 
will  ich  aber  noch  einen  Abstecher  an  den  Viktoria -Njansa 
machen,  in  das  von  der  Schlafkrankheit  verseuchte  Gebiet.  Ich  muß 


—     315     — 

diese  Reise  machen,  weil  ich  in  bezug  auf  die  Eutwickelung 
der  Trypanosomen  in  der  Tsetsefliege  so  interessante  Dinge 
gefunden  habe,  daß  ich  daraufhin  noch  die  Glossina  palpalis, 
die  Überträgerin  der  Schlafkrankheit,  untersuchen  muß." 

Diese  Studien  waren  die  Vorbereitung  zu  der  großen  Ex- 
pedition Kochs  zur  Bekämpfung  der  Schlafkrankheit,  die  der 
62jährige  im  nächsten  Jahre  (1906)  ausgeführt  hat.  Nach 
mehrmonatlichem  Aufenthalt  in  Amani,  der  biologischen  Ver- 
suchsstation in  Ostusambara,  begab  sich  die  Expedition  auf  die 
im  Viktoria-Njansa  gelegenen  Sese-Inseln,  den  schlimmsten  Herd 
der  Schlafkrankheit.  Hier  beständig  bedroht  von  der  Gefahr, 
infiziert  zu  werden,  verbrachte  Koch  über  ein  Jahr.  Von  den 
Schwierigkeiten,  mit  denen  dieses  Leben  verbunden  war,  mögen 
Stellen  aus  seinen  Briefen  ein  Bild  geben.  Er  schrieb:  Sese 
bei  Entebbe,  November  1906  „Ich  wohne  in  einer  Grashütte, 
die  mein  Zelt  einschließt,  in  fortwährendem  Kampf  mit  Moskitos 
und  Ameisen.  Die  Verpflegung  ist  jämmerlich.  Ziegenfleisch, 
Hühner  und  gedämpfte  Bananen  bilden  den  Grundstock.  Aber 
in  welcher  Zubereitung!  Ich  kann  schon  viel  vertragen,  aber 
das  geht  auch  über  meine  Nerven."  Und  aus  einem  späteren 
Briefe:  Sese  bei  Entebbe,  August  1907  „Unterbrochen  wurde 
dieses  Einsiedlerleben  durch  eine  fast  füufwöchentliche  Krank- 
heit, die  in  einer  Lymphangitis  bestand,  von  vernachlässigten 
Sandflohwunden  an  den  Füßen  ausgehend,  und  die  mich  zwang, 
den  ganzen  Tag  sitzend  oder  liegend  zuzubringen.  Es  war  eine 
gräßliche  Zeit." 

Die  mit  Trypanosomen  behafteten  Menschen  wurden  in 
Lagern,  die  ein  großes  Krankendorf  bildeten  und  natürlich  frei 
von  Glossinen  waren,  konzentriert;  dann,  für  ihre  Umgebung 
ungefährlich  gemacht,  wurden  sie  zum  großen  Teil  durch  Atoxyl 
von  ihrer  absolut  tödlichen  Krankheit  befreit.  Für  den  oft  sehr 
schwierigen  Nachweis  der  Trypanosomen  im  Blut  und  im  Drüsen- 
saft mußten  besondere  Methoden  ausgearbeitet  werden.  Die 
Untersuchungen  über  die  Lebensweise  und  die  Lebensbedingungen 
der  Glossina  yalpaUs  forderten  eingehende  Beschäftigung.  Es 
wurde  festgestellt,  daß  außer  den  Menschen  die  Krokodile  die 
wichtigsten  Blutlieferanten  für  die  Glossina  sind,  und  daß  viel- 
leicht auch  das  Flußpferd  in  Frage  kommt.  Bei  keiner  anderen 
der   verschiedensten   darauf   untersuchten  Tierarten  —  bis   auf 


—    316     — 

einen  Affen  —  wuideu  Trypanosomen  gefunden;  bei  Hunden  blieb 
das  Ergebnis  der  Untersuchung  zweifelhaft.  Die  Olossina  palpulis 
ist  die  alleinige  Verbreiterin  der  Schlafkrankheit,  und  zu  ihrer 
Bekämpfung  wurden  die  energischsten  Maßregeln  ergriffen.  Da 
ihr  Vorkommen  an  das  Wasser  gebunden  ist  —  so  zwar,  daß 
oft  schon  in  einer  Entfernung  von  hundert  Metern  vom  Ufer  der 
vSeen  und  Flüsse  keine  einzige  Glossina  mehr  gefunden  wird  — 
und  auch  hier  nur  an  Stellen,  wo  Buschwerk  die  Ufer  umsäumt, 
so  wurde  dieses  in  großer  Ausdehnung  durch  Abholzen  entfernt, 
besonders  an  den  Plätzen,  die  den  Menschen  als  Zugang  zum 
Wasser  dienten.  Eine  weitere  Maßregel,  den  Glossinen  Ab- 
bruch zu  tun,  besteht  darin,  daß  die  Tiere,  deren  Blut  sie  saugen, 
die  ihnen  also  die  unentbehrliche  Nahrung  liefern,  beseitigt 
werden.  Durch  die  Untersuchung  des  im  Magen  der  Glossinen 
befindlichen  Bluts  ist  leicht  zu  ermitteln,  welche  Tiere  dies  sind. 
Für  den  Viktoria- Njansa  kommt,  wie  erwähnt,  vorwiegend  das 
Krokodil  in  Betracht,  und  dessen  Vernichtung  wird  nach  Kochs 
Ansicht  durch  die  von  ihm  vorgeschlagenen  Maßregeln  (Aufsuchen 
der  Nester,  Zerstörung  der  Eier  usw.)  zu  erreichen  sein. 

Im  Oktober  1907  kehrte  Koch,  nachdem  er  seine  Auf- 
gaben mit  glänzendem  Erfolg  zu  Ende  geführt,  nach  Deutsch- 
land zurück.  „Ich  habe  mich  gleich  nach  meiner  Rückkehr", 
schrieb  er  mir,  „daran  begeben,  die  Tuberkulosestudien,  welche 
ich  nun  schon  jahrelang  wegen  der  Auslandsreisen  liegen  lassen 
mußte,  wieder  aufzunehmen.  Es  war  dies  dringend  notwendig, 
weil  inzwischen  manche  Dinge  entdeckt  und  namentlich  neue 
Untersuchungsmethoden  entstanden  sind,  mit  deren  Hilfe  man 
voraussichtlich  ein  ganzes  Stück  weiter  kommen  wird."  Diese 
Tuberkulosestudien  beschäftigten  Koch  in  unermüdlichster  Ar- 
beit, die  es  dem  Jüngsten  zuvortat,  bis  seine  letzte  Krankheit 
ihn  niederwarf.  Und  auch  da,  als  er  schwer  krank,  verließen 
ihn  die  Gedanken  daran  nicht.  Noch  an  seinem  Todestage 
setzte  er  mir  ausführlich  auseinander,  was  er  mit  seinen  letzten 
Tuberkulosearbeiten  erreicht  und  welche  Fragen  er  noch  zu 
lösen  hoff'te. 

Das  Bild,  welches  ich  von  Robert  Koch  zu  entwerfen 
versuchte,  konnte  nur  sehr  unvollkommen  wiedergeben,  was  er 
für  die  Wissenschaft  und  für  die  Menschheit  gewesen  ist.  Die 
unendliche  Arbeit,   die  in  seinen  wissenschaftlichen  Leistungen 


—     317     ~ 

steckt,  wurde  nur  angedeutet,  und  Großes,  was  er  zur  Be- 
kämpfung der  Seuchen  getan,  wie  die  bewundernswerte  Organi- 
sation und  Leitung  des  Kampfes  gegen  den  Typhus  an  Deutsch- 
lands westlicher  Grenze,  die  den  Erfolg  hatten,  daß  die  Zahl 
der  Erkrankungen  auf  Va  gesunken  ist,  fand  keine  Erwähnung. 
Es  wurde  nicht  davon  gesprochen,  daß  er  uns  die  Unterscheidung 
der  menschlichen  Tuberkulose  von  der  Rindertuberkulose  gelehrt 
hat,  die  nach  hartnäckigem  Kampf,  insbesondere  gegen  die 
Tierärzte,  jetzt  fast  allgemein  anerkannt  ist.  Auch  seine  Stu- 
dien über  Lepra,  bei  der  Koch  die  für  ihre  Verbreitung  wich- 
tige Tatsache  festgestellt  hat,  daß  die  Leprabazillen  vorzugs- 
weise durch  die  Absonderung  der  Nase  und  des  Rachens  nach 
außen  entleert  werden,  seine  Studien  über  die  sogenannte  ägyp- 
tische Augenkrankheit,  deren  Erreger  er  entdeckte,  über  die 
tropische  Dysenterie,  als  deren  Erreger  er  Amöben  erkannte, 
—  alle  diese  Ergebnisse  seiner  Arbeiten  sollen  nur  genannt 
werden. 

Die  Zahl  der  Auszeichnungen,  die  Robert  Koch  zuteil 
wurden,  war  eine  große.  Er  war  Ritter  des  Ordens  pour  le 
merite,  der  höchsten  Auszeiclmung,  die  einem  Gelehrten  für 
wissenschaftliche  Leistungen  verliehen  werden  kann.  Für  seine 
Forschungen  über  die  Ätiologie  und  Bekämpfung  der  Cholera 
erhielt  er  als  ersten  Orden  überhaupt  den  Krouenorden  II.  Klasse 
am  schwarz-weißen  Band  mit  dem  Stern,  eine  nur  ihm  zuteil 
gewordene  Auszeichnung,  und  eine  Dotation  vom  Deutscheu 
Reich.  Füi-  seine  Tuberkuloseforschungeu  wurde  ihm  das  Groß- 
kreuz des  roten  Adlerordens  verliehen,  zu  welcher  Auszeichnung 
ihn  Minister  von  Goßler  mit  den  Worten  beglückwünscht 
hat,  daß  diese  bisher  nur  einem  Gelehrten,  Alexander  von 
Humboldt,  zuteil  geworden  sei.  Koch  besaß  den  Wilhelms- 
orden und  verschiedene  ausländische  Ordenssterne.  1905  er- 
hielt er  den  Nobelpreis,  1907  wurde  er  Wirklicher  Geheimer 
Rat  mit  dem  Titel  Exzellenz.  Koch  war  Mitglied  des  Staats- 
rates und  der  Akademie  der  Wissenschaften ;  er  war  Ehren- 
bürger von  Berlin  und  gehörte  der  Armee  als  Generalarzt  ä  la 
suite  an. 

Ich  kann  die  Erinnerungen  an  Robert  Koch  nicht 
schließen,  ohne  der  Persönlichkeit  gerecht  zu  werden.  Was 
soll  man  au  diesem  einzigen  Manne  mehr  bewundern"?    War  es 


—     318     ~ 

sein  durchdringender  Verstand,  mit  dem  er  oft  die  scheinbar 
schwierigste  Frage  mit  einem  Schlage  zu  der  denkbar  einfachsten 
gestaltete?  War  es  seine  große  Beobachtungsgabe,  der  auf 
dem  Wege  seiner  Forschungen  nichts  entging,  die  ihn  scheinbar 
wenig  Wichtiges  verfolgen  ließ  und  zu  unerwarteten  Eutdek- 
kungen  führte?  Waren  dies  seine  größten  Eigenschaften,  oder 
war  es  seine  Herzensgüte,  mit  der  er  die  Verdienste  anderer 
stets  neidlos  anerkannte  und  für  die  ihm  erwiesene  Freund- 
schaft dankbar  blieb  sein  Leben  lang?  War  es  seine  große 
Einfachheit,  die  er  sich  bei  allen  Erfolgen  bewahrte?  Seine 
Unersclirockenheit  vor  Gefahren?  Koch  war  ein  außerordent- 
lich fleißiger  Arbeiter,  der  an  seine  Körper-  und  Geisteskräfte 
Anforderungen  stellte,  die  seine  Begleiter  und  Mitarbeiter  oft 
erlahmen  ließen.  Wenn  er  unter  den  drückendsten  Einflüssen 
der  Tropensonue  von  früh  bis  spät  tätig  war,  dienten  ihm  die 
Werke  Kants  und  der  höheren  Mathematik,  ständige  Begleiter 
auf  seinen  Reisen,  zur  Erholung. 

Koch  hatte  in  seinem  ersten  Universitätsjahr  Mathematik 
und  Naturwissenschaften  studiert,  und  er  ist  ein  sehr  fleißiger 
Student  gewesen.  Dies  hat  ihm  die  sichere  Grundlage  für  sein 
späteres,  so  außerordentliches  Wissen  auf  allen  naturwissen- 
schaftlichen Gebieten  gegeben. 

Was  Robert  Koch  geworden  ist,  verdankte  er  seinem 
Genie;  andere  haben  ihn  wenig  gefördert.  Sohn  eines  höheren 
Bergbeamten  in  Clausthal  wurde  er  praktischer  Arzt,  ein  un- 
gemein beliebter  Arzt,  und  ist  es  geblieben  sein  ganzes  Leben. 
Die  Schwierigkeiten,  die  sich  seinen  Arbeiten  im  Anfang  ent- 
gegenstellten, waren  groß ;  er  hat  sie  mit  eiserner  Energie  über- 
wunden. 

Nun  ist  er  dahingegangen;  seine  Werke  aber  sind  un- 
sterblich. 


—     319     — 


Besprecliungen. 


Neue  Veröffeutlichiingeii  der  Gesellschaft. 

Abhandlungen  der  Senckenbergischeu  Natuif ersehenden  Ge- 
sellschaft in  Frankfurt  a.  M.  Band  31,  Heft  1,  Seite  21—72. 
„Die  Farnpflauzen  in  der  Umgegend  von  Frank- 
furt a.  M."  von  I.  Müller-Knatz.  4^  Frankfurt  a.  M. 
(Selbstverlag  der  Gesellschaft)  1910.  Preis  broschiert  M.  3,50. 

Der  hiesige  Kaufmann  I.  Müller-Knatz,  ein  ausgezeichneter  Kenner 
der  heimischen  Gefäßliryptogamen,  hat  in  zwanzigjähriger  eigener  Sammel- 
tätigkeit und  durch  regen  Austausch  mit  anderen  Sammlern  ein  ungewöhnlich 
reichhaltiges  Herbarium  dieser  formenreichen  Gruppe  blütenloser  Pflanzen 
zusammengebracht,  das  nach  seinem  am  5.  Mai  1909  erfolgten  Tode  gemäß 
letztwilliger  Verfügung  von  seiner  Witwe  dem  Senckeubergischen  Museum 
überwiesen  worden  ist.  Das  Herbar  enthält  in  25  Faszikeln  nahezu  sämtliche 
in  der  näheren  und  weiteren  Umgebung  Frankfurts  vorkommende  Farn- 
pflanzen  nebst  zahlreichen  Monstrositäten  und  zwar  die  meisten  Arten 
nicht  nur  in  einzelnen  Exemplaren  sondern  in  großen  Reihen,  aus  denen  ihre 
Variabilität  und  ihr  außerordentlicher  Formenreichtum  aufs  deutlichste  zu 
erkennen  sind.  Manche  von  ihnen,  z.  B.  der  gemeine  Rippenfarn,  BJechnum 
Spicant,  und  der  Tüpfelfarn,  jfolypodiiDn  vulgare,  sind  in  ganz  verschiedeneu 
Formen  vertreten ,  von  denen  man  kaum  glauben  sollte,  daß  sie  zu  der 
gleichen  Art  gehören,  wenn  nicht  eine  große  Anzahl  von  Zwischenformen 
den  fließenden  Übergang  der  extremen  Formen  ineinander  illustrieren  würde. 

In  seiner  hinterlassenen,  erst  wenige  Monate  vor  seinem  Tode  abge- 
schlossenen Arbeit  zählt  Müller-Knatz  die  von  ihm  beobachteten  und 
in  seinem  Herbar  enthaltenen  Arten,  Formen  und  Mißbildungen  der  Farnpflanzen 
auf ;  er  beschreibt  sie  kurz  unter  Hinweis  auf  die  in  der  Literatur  enthaltenen 
Abbildungen  und  gibt  ihren  Standort  an,  ohne  sich  mit  Mutmaßtingen  über 
die  Ursachen  der  Variation  der  Arten  aufzuhalten.  Man  wird  dem  Verfasser 
hieraus  keinen  A^orwurf  machen,  zumal  unsere  Kenntnisse  über  diese  Dinge 
noch  nicht  über  die  ersten  Anfänge  hinausgekommen  sind.  Nachdem  aber 
neiterdings,  besonders  nach  den  Untersuchungen  von  Klebs,  die  Forschung 


—     320     — 

auch  in  dieser  Richtung  fortschreitet,  läßt  sich  hoffen,  daß  durch  eine  Arbeit 
wie  die  vorliegende  das  wissenschaftliche  Studium  über  den  entwickelungs- 
mechanischen  Zusammenhang  der  Variation  der  Arten  mit  den  Faktoren  der 
Außenwelt  angeregt  und  gefördert  werde.  Denn  gerade  eine  erschöpfende 
Zusanuiienstelluiig  der  verschiedenen  Formen  einer  Art,  wie  sie  Müller- 
Knatz  in  seinem  Herbarium  und  in  seiner  Arbeit  für  die  Farnpflanzeii 
eines  umschriebenen,  aber  in  klimatischer  und  geologischer  Hinsicht  in  seinen 
einzelnen  Bezirken  sehr  verschiedenen  Gebietes  gegeben  hat,  liefert  wichtiges 
]^Iaterial  zur  Bearbeitung  der  Frage.  So  ist  die  vorliegende  Schrift 
weit  mehr  als  von  rein  deskriptivem  Wert  und  lokalflori- 
s  t  i  s  c  h  e  r  Bedeutung. 

Ihre  Veröffentlichung,  durch  die  der  Verstorbene  jüngere  Sammler  zur 
Furtsetzung  der  von  ihm  begonnenen  Studien  anregen  wollte,  ist  auf  seinen 
Wunsch  in  den  Abhandlungen  der  Gesellschaft  erfolgt ;  die  Kosten  ihrer 
Drucklegung  sind  aus  den  Zinsen  der  Askenasy-Stiftung  für  Botanik 
und  von  Herrn  Ingenieur  Alexander  Askenasy  bestritten  worden. 

Das  Müller- K  n  atzsche  Pteridophyten-Herbarium  ,  durch  das  die 
botanische  Sammlung  eine  wichtige  Bereicherung  erfahren  hat,  kann 
im  Museum  zur  Besichtigung  vorgelegt  werden. 

A.  Kiioblaiidi. 


Die  Verfasser  sind  für  den  Inhalt  ihrer  Arbeiten  allein  verantwortlich. 

Für  die  Redaktion  verantwortlich:  Prof.  Dr.  A.  Knoblauch  in  Frankfurt  am  Main. 

Druck  von  Gebrüder  Knauer  in  Frankfurt  am  Main. 


41.  Bericht 

der 


Senckenbergischen  llaturforschenden  Gesellschaft 


in 
Frankfurt  am  Main 


Heft  1  n.  2  :ai  Ans^egeben 

mit  20  Abbildungen  SU      ^"^^BF  März  1910 


Inhalt:  g^.,^ 

Vorwort III 

Neues  aus  der  Schausammlung 1 

Verteilung  der  Ämter  im  Jahre  1910 12 

Verzeichnis  der  Mitglieder 14 

Rückblick  auf  das  Jahr  1909  (Mitteilungen  der  Verwaltung)    ....  35 

Kassenbericht  über  das  Jahr  1909 41 

Museumsbericht  über  das  Jahr  1909 44 

Lehrtätigkeit  im  Sommerhalbjahr  1909 68 

M.  Möbius:  Eine  botanische  Exkursion  nach  Algier  und  Tunis     .     .  76 
A.  Knoblauch:   Unsere  einheimischen   Salamander   und  Molche    im 

Kreislauf  des  Jahres 104 

F.  Drevermann:  Eine  geologische  Forschungsreise  in  die  SierraMorena  123 

P.  Prior;  Die  Diamanten  Deutsch-Südwestafrikas 133 

F.  W.  W  i  n  t  e  r :   Anton  Dohrn  und   die  Zoologische  Station  in  Neapel  142 

F.  Kinkelin:  Ludwig  Becker  f 152 

Besprechungen  : 

I.  Neue  Veröffentlichungen  der  Gesellschaft 155 

II.  Neue  Bücher 158 


Nachdruck  nar  mit  Qaellenangabe  gestattet,  Übersetznngsreeht  vorbehalten. 


Frankfurt  am  Main 
1910 

Selbstverlag  der  Senckenbergi  sehen  Naturforschenden  Gesellschaft. 


Preis  des  Jahrgangs  (4  Hefte)  M.  6. — .    Einzelpreis  des  Doppelhefts  M.  4. — . 


Seockeobergische  Natnrforschcude  Gesellschaft. 

(Gegründet  22.  November  1817) 
Viktoria-Allee  7,  Tel,  No.  1054  —  ab  1.  April  1910  Amt  II  No.  954. 


Direktion  für  das  Jahr  1910. 

I.  Direktor San.-Rat  Dr.  Ernst  Roediger 

II.  Direktor Dr.  Arthur  von  Weinberg 

I.  Schriftführer Dipl.-Ing.  Paul  Prior 

II.  Schriftführer Gartenbaudirektor  August  Siebert 

Direktor  des  Museums:  Prof.  Dr.  Otto  zur  Strassen 

(Sprechstunde  im  Museum  an  Wochentagen  von  11  bis  1  Uhr.) 

Öffnungszeiten  des  Maseums. 

Sonntags  von  11 — 1,  am  ersten  Sonntag  eines  jeden  Monats  auch  nach- 
mittags im  Sommer  (April  bis  September)  von  2 — 5,  im  Winter  (Oktober  bis 
März)  von  2—4  Uhr, 

Dienstags  von  10—1  Uhr, 

Mittwochs  im  Sommer  von  3 — 5,  im  Winter  von  2 — 4  Uhr, 
Donnerstags  von  10—1  Uhr, 
Freitags  von  11 — 1  Uhr, 

Samstags  im  Sommer  von  3^5,  im  Winter  von  2 — 4  Uhr. 
(Montags  und  an  den  hohen  Feiertagen  bleibt  das  Museum  geschlossen.) 

Mitgliedschaft. 

Der  jährliche  Mitgliedsbeitrag  beträgt  mindestens  M.  20. — ;  durch  die 
einmalige  Zahlung  eines  entsprechenden  Kapitals  wird  die  ewigeMitglied- 
schaft  erworben. 

Die  Mitglieder  und  ihre  Angehörigen  haben  freien  Zutritt  zu  dem 
Museum,  zu  den  Vorlesungen,  praktischen  Kursen  und  Vorträgen  (wissen- 
schaftlichen Sitzungen) ;  doch  wird  von  den  Teilnehmern  am  Zoologischen 
Praktikum  eine  Gebühr  von  M.  10. —  für  Materialverbrauch  erhoben.  Die 
Mitglieder  erhalten  ferner  von  den  Veröffentlichuugen  der  Gesellschaft  den 
„Bericht"  unentgeltlich  und  gelegentlich  erscheinende  Beihefte  zu  demselben 
sowie  die  „Abhandlungen"  und  Kataloge  zu  ermäßigten  Preisen. 

Nichtmitglieder  zahlen  am  Dienstag,  Donnerstag  und  Samstag 
50  Pf.  Eintritt  in  das  Museum,  für  den  Besuch  jeder  Vorlesung  M.  5. —  im 
Halbjahr,  für  die  Teilnahme  am  Zoologischen  Praktikum  M.  20. —  einschließ- 
lich der  Gebühr  für  Materialverbrauch.  In  den  wissenschaftlichen  Sitzungen 
können  Nichtmitglieder  als  Gäste  eingeführt  werden. 


Abhandlungeil. 

Nachstehende  Arbeiten  aus  den  „Abhandlungen  der  Sencken- 
bergischen  Naturforschendeu  Gesellschaft"  können  zu  den  bei- 
gefügten ermäßigten  Preisen  von  dem  Bureau,  Viktoria-Allee  7, 
bezogen  werden.  Daselbst  ist  auch  das  vollständige  Verzeichnis 
der  „Abhandlungen"  vom  XIII.  Band,  1883,  an  erhältlich. 

Ley  dig,  Über  die  einheimischen  Schlangen  (mit  2  Tafeln).    1883  M.  3. — 

Probst,  Natürliche  Warmwasserheizung  als  Prinzip  der  klima- 
tischen Zustände  der  geologischen  Formationen.    1884    .     .  ,    2. — 

fleichenbach,  Studien  zur  Entwickelungsgeschichte  des  Fluß- 
krebses (mit  19  Tafeln).    1886 „  15.— 

Mö schier,  Beiträge  zur  Schmetterlingsfauna  von  Jamaica  (mit 

1  Tafel).     1886     . „3.— 

—  Beiträge  zur  Schmetterlingsfauna  der  Goldküste  (mit  1  Tafel). 

1887 „    3.— 

Blum,  Die  Kreuzotter  und  ihre  Verbreitung  in  Deutschland  (mit 

9  Textfiguren  u.  1  Karte).     1888 „    2.— 

Möschler,  Die  Lepidopterenfauna  von  Portorico  (mit  Porträt  u. 

1  Tafel).    1890 «    5-— 

Saalmüller,  Lepidopteren  von  Madagaskar  I  (mit  7  Tafeln).  1884  \ 

—  und  V.  H  e  y  d  e  n ,  Lepidopteren  von  Madagaskar  II  (mit  Porträt  [  »  30. — 

u.  8  Tafeln).    1891 J 

Andreae,  Zur  Kenntnis  der  fossilen  Fische  des  Mainzer  Beckens 

(mit  1  Tafel).    1894 »    1 — 

K  i  n  k  e  1  i  n ,  Einige  seltene  Fossilien  des  Senckenbergischen  Museums 

(mit  2  Textfiguren  u.  6  Tafeln).    1896 ,    3.— 

Küken  thai,   Ergebnisse  einer  zoologischen  Forschungsreise   in 

den  Molukken  und  in  Borneo,  Reisebericht  (mit  63  Tafeln). 

1896 „  25.— 

Möbius,   Der  Japanische  Lackbaum,  Ehus  vernicifera  D.  C.  (mit 

29  Textfiguren  u.  1  Tafel).  1899 »  2.— 
H  a  g  e  n  ,  Schmetterlinge  von  den  Men tawej -Inseln  (mit  2  Tafeln). 

1902 „    3.— 

Bösenberg  und  Strand,  Japanische  Spinnen  (mit  14  Tafeln). 

1906 „  32.— 


Ferner  sind  erschienen  und  von  dem  Bureau  zu  beziehen : 

K  0  b  e  1 1 ,  Reiseerinnerungen  aus  Algerien  und  Tunis  (mit  13  Voll- 
bildern u.  11  Abbildungen  im  Text).    1885 M.  3.— 

V.  Hey  den,  Katalog  der  Käfer  von  Nassau  und  Frankfurt  a.  M. 

2.  Auflage.    1904 ,    6  — 


Vorlesungen  und  praktische  Kurse 

im  Sommerhalbjahr  1910. 


Prof.  Dr.  0.  zur  Strassen: 

1)  Vergleichende  Anatomie  des  Skelettsystems 

Montag  und  Donnerstag  abend  von  6—6^/4  Uhr, 
Beginn:  Montag,  den  25.  April  1910  (großer  Hörsaal). 

2)  Tierpsychologie 

Dienstag  abend  7 — 7^/4  Uhr, 

Beginn:  Dienstag,  den  26.  April  1910  (großer  Hörsaal). 

3)  Leitung  wissenschaftlicher  Arbeiten  für  Vorgeschrittene 

Täglich  vor-  und  nachmittags, 

Beginn:  Montag,  den  25.  April  1910. 
Dr.  E.  Wolf:  Zootomisches  Praktikum  über  Wirbeltiere 

Mittvi'och  und  Samstag  nachmittag  4—6  Uhr, 

Beginn:  Mittwoch,  den  27.  April  1910  (großes  Laboratorium). 
Dr.  P.  Sack:  Entomologische  Exkursionen 

Sonntag  vormittag  (etwa  alle  drei  Wochen), 

Beginn:  wii'd  den  Teilnehmern  bekannt  gegeben. 
Prof.  Dr.  W.  Seh  auf :    Geometrische    und    physikalische   Eigenschaften   der 
Kristalle 

Mittwoch  abend  6V4— 7  Uhr,  . 

Beginn :  Mittwoch,  den  27.  April  1910  (kleiner  Hörsaal). 
Dr.  F.  Drevermann: 

1)  Die  Entwickelung  der  Säugetiere  im  Laufe  der  Erdgeschichte 

Donnerstag  abend  7 — 7^/4  Ubr, 

Beginn :  Donnerstag,  den  28.  April  1910  (kleiner  Hörsaal). 

2)  Geologische  Exkursionen  in  die  nähere  und  fernere  Umgebung  Frankfurts 

Samstags  oder  Sonntags  nach  Vereinbarung 

Begleitworte  zu  den  Exkursionen 
Montag  abend  7—73/4  Uhr, 

Beginn :  Montag,  den  25.  April  1910  (kleiner  Hörsaal). 
Prof.  Dr.  M.  M  ö  b  i  u  s  (im  Auftrag  des  Dr.  Senckenbergischen  Medizinischen 
Instituts) : 

1)  Ausgewählte  Pflanzenfamilien 

Dienstag  und  Freitag  abend  6 — 6^/4  Uhr, 

Beginn:  Dienstag,  den  26.  April  1910  (kleiner  Hörsaal). 

(Im  Anschluß  an  die  Vorlesung  Exkursionen  am  Samstag). 

2)  Botanisch-mikroskopisches  Praktikum  (für  Anfänger) 

Donnerstag  nachmittag  3—6  Uhr, 

Beginn :  Donnerstag,  den  28.  April  1910  (großes  Laboratorium). 

(Bei  Kursen  und  Exkursionen  vorherige  persönliche  Anmeldung  beim 
Dozenten  erbeten). 


Die  Verfasser  sind  für  den  Inhalt  ihrer  Arbeiten  allein  verantwortlich. 

Für  die  Redaktion  verantwortlich:  Prof.  Dr.  A.  Knoblauch  in  Frankfurt  am  Main. 

Druck  von  Gebrüder  Knaner  in  Frankfurt  am  Main. 


41.  Bericht 


der 


Senckenbergischen  Naturforsctienden  Gesellschaft 


m 


Frankfurt  am  Main 


Heft  3 
mit  27  Abbildungen 


Ausgegeben 
Jnni  1910 


Inhalt:  s,i^ 

Neues  aus  der  Schausammlung: 

Das  indische  Nashorn       161 

Der  afrikanische  Elefant 171 

Der  Kiesenalk 184 

Ein  fossiler  Hai 191 

Lehrtätigkeit  im  Winterhalbjahr  1909/10 194 

P.  Sack:  Aus  dem  Leben  unserer  Zuckmücken  (Chironomiden)    .    .    .  229 

Naohdmck  nnr  mit  Qaellenangabe  gestattet,  Übersetzungsrecbt  vorbehalten. 

Frankfurt  am  Main 
1910 

Selbstverlag  der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft. 


Preis  des  Jahrgangs  (4  Hefte)  M.  6.—.    Preis  des  einzelnen  Hefts  M.  2.—. 


Senckenbergische  Naturforsclieude  Gesellschaft. 

(Gegründet  22.  November  1817) 
Viktoria-Allee  7,  Telephon  Amt  11  No.  954. 


Direktion  für  das  Jahr  1910. 

I.  Direktor San.-Rat  Dr.  Ernst  Boediger 

II.  Direktor Dr.  Arthur  Ton  Weinberg 

I.  Schriftführer Dipl.-Ing.  Paul  Prior 

II.  Schriftführer Gartenbaudirektor  August  Siebert 

Direktor  des  Museums:  Prof.  Dr.  Otto  zur  Strassen 
(Sprechstunde  im  Museum  an  Wochentagen  von  11  bis  1  Uhr.) 

Öffnungszeiten  des  Museums. 

Sonntags  von  11 — 1,  am  ersten  Sonntag  eines  jeden  Monats  auch  nach- 
mittags im  Sommer  (April  bis  September)  von  2 — 5,  im  Winter  (Oktober  bis 
März)  von  2 — 4  Uhr, 

Dienstags  von  10—1  Uhr, 

Mittwochs  im  Sommer  von  3 — 5,  im  Winter  von  2 — 4  Uhr, 
Donnerstags  von  10 — 1  Uhr, 
Freitags  von  11 — 1  Uhr, 

Samstags  im  Sommer  von  3 — 5,  im  Winter  von  2 — 4  Uhr. 
(Montags  und  an  den  hohen  Feiertagen  bleibt  das  Museum  geschlossen.) 

Mitgliedschaft. 

Der  jährliche  Mitgliedsbeitrag  beträgt  mindestens  M.  20. — ;  durch  die 
einmalige  Zahlung  eines  entsprechenden  Kapitals  wird  die  e  w  i  g  e  M  i  t  g  1  i  e  d- 
schaft  erworben. 

Die  Mitglieder  und  ihre  Angehörigen  haben  freien  Zutritt  zu  dem 
Museum,  zu  den  Vorlesungen,  praktischen  Kursen  und  Vorträgen  (wissen- 
schaftlicheu  Sitzungen);  doch  wird  von  den  Teilnehmern  am  Zoologischen 
Praktikum  eine  Gebühr  von  M.  10. —  für  Materialverbrauch  erhoben.  Die 
Mitglieder  erhalten  ferner  von  den  Veröffentlichungen  der  Gesellschaft  den 
»Bericht"  unentgeltlich  und  gelegentlich  erscheinende  Beihefte  zu  demselben 
sowie  die  „Abhandlungen"  und  Kataloge  zu  ermäßigten  Preisen. 

Nichtmitglieder  zahlen  am  Dienstag,  Donnerstag  und  Samstag 
50  Pf.  Eintritt  in  das  Museum,  für  den  Besuch  jeder  Vorlesung  M.  5.—  im 
Halbjahr,  für  die  Teilnahme  am  Zoologischen  Praktikum  M.  20,—  einschließ- 
lich der  Gebühr  für  Materialverbrauch.  In  den  wissenschaftlichen  Sitzungen 
können  Nichtmitglieder  als  Gäste  eingeführt  werden. 


Abhandlungen. 

Nachstehende  Arbeiten  aus  den  „  Abhandlungen  der  Sencken- 
bergischen  Naturforschendea  Gesellschaft"  können  zu  den  bei- 
gefügten ermäßigten  Preisen  von  dem  Bureau,  Viktoria-Allee  7, 
bezogen  werden.  Daselbst  ist  auch  das  vollständige  Verzeichnis 
der  „Abhandlungen"  vom  Xni.  Band,  1883,  an  erhältlich. 

Ley  dig,  Über  die  einlieimischen  Schlangen  (mit  2  Tafeln).    1883     M.  3. — 

Probst,  Natürliche  Warmwasserheizung  als  Prinzip  der  klima- 
tischen Zustände  der  geologischen  Formationen.     1884    .     .       „    2. — 

ßeichenbach,  Studien  zur  Entwickelungsgeschichte  des  Fluß- 
krebses (mit  19  Tafeln).     1886 „  15.— 

Mö schier,  Beiträge  zur  Schmetterlingsfauna  von  Jamaica  (mit 

1  Tafel).    1886 „3.— 

—  Beiträge  zur  Schmetterlingsfauna  der  Goldküste  (mit  1  Tafel). 

1887 „    3.— 

Blum,  Die  Kreuzotter  und  ihre  Verbreitung  in  Deutschland  (mit 

9  Textfiguren  u.  1  Karte).    1888 „    2.— 

Möschler,  Die  Lepidopterenfauna  von  Portorico  (mit  Porträt  u. 

1  Tafel).    1890 ,    5.— 

Saalmüller,  Lepidopteren  von  Madagaskar  I  (mit  7  Tafeln).  1884  ] 

—  und  V.  H  e  y  d  e  n ,  Lepidopteren  von  Madagaskar  II  (mit  Porträt  [  »  30. — 

u.  8  Tafeln).     1891 J 

Andreae,  Zur  Kenntnis  der  fossilen  Fische  des  Mainzer  Beckens 

(mit  1  Tafel).    1894 »    1  — 

K  i  n  k  e  1  i  n ,  Einige  seltene  Fossilien  des  Senckenbergischen  Museums 

(mit  2  Textfiguren  u.  6  Tafeln).    1896 ,    3.— 

Kükenthal,   Ergebnisse  einer  zoologischen  Forschungsreise   in 

den  Molukken  und  in  Borneo,  Reisebericht  (mit  63  Tafeln). 

1896 „  25.— 

M  ö  b  i  u  s ,   Der  Japanische  Lackbaum,  Bhtis  vernicifera  D.  C.  (mit 

29  Textfiguren  u.  1  Tafel).    1899 n    ^^— 

Hagen,  Schmetterlinge  von  den  Mentawej-Inseln  (mit  2  Tafeln). 

1902 „    3.— 

Bösenberg  und  Strand,  Japanische  Spinnen  (mit  14  Tafeln). 

1906 ,  32.— 


Ferner  sind  erschienen  und  von  dem  Bureau  zu  beziehen : 

K  0  b  e  1 1 ,  ßeiseerinnerungen  aus  Algerien  und  Tunis  (mit  13  Voll- 
bildern u.  11  Abbildungen  im  Text).    1885 M.  3.— 

V.  H  e  y  d  e  n ,  Katalog  der  Käfer  von  Nassau  und  Frankfurt  a.  M. 

2.  Auflage.    1904 ,6.— 


V.  Reinach-Preis  für  Mineralogie 


Ein  Preis  von  M.  1000  soll  der  besten  Arbeit  zuerkannt 
werden,  die  einen  Teil  der  Mineralogie  des  Gebietes  zwischen 
Aschaffenburg,  Heppenheim,  Alzey,  Kreuznach,  Koblenz,  Ems, 
Gießen  und  Büdingen  behandelt;  nur  wenn  es  der  Zusammen- 
hang erfordert,  dürfen  andere  Landesteile  in  die  Arbeit  ein- 
bezogen werden. 

Die  Arbeiten,  deren  Ergebnisse  noch  nicht  anderweitig 
veröffentlicht  sein  dürfen,  sind  bis  zum  1.  Oktober  1911  in  ver- 
siegeltem Umschlage,  mit  Motto  versehen,  an  die  unterzeichnete 
Stelle  einzureichen.  Der  Name  des  Verfassers  ist  in  einem  mit 
gleichem  Motto  versehenen  zweiten  Umschlage  beizufügen. 

Die  Senckenbergische  Naturforschende  Gesellschaft  hat  die 
Berechtigung,  diejenige  Arbeit,  der  der  Preis  zuerkannt  wird, 
ohne  weiteres  Entgelt  in  ihren  Schriften  zu  veröffentlichen,  kann 
aber  auch  dem  Autor  das  freie  Verfügungsrecht  überlassen. 
Nichtpreisgekrönte  Arbeiten  werden  den  Verfassern  zurück- 
gesandt. 

Über  die  Zuerteilung  des  Preises  entscheidet  bis  spätestens 
Ende  Februar  1912  die  unterzeichnete  Direktion  auf  Vorschlag 
einer  von  ihr  noch  zu  ernennenden  Prüfungskommission. 

Frankfurt  a.  M.,  April  1910. 

Die  Direktion 

der 

Senckenbergisehen  Naturforsclienden  Gesellschaft. 


Die  Verlasaer  sind  für  den  Inhalt  ihrer  Arbeilen  allein  verantwortlich. 

Für  die  Redaktion  verantwortlich:  Prof.  Dr.  A.  Knoblauch  in  Frankfort  am  Hain. 

Druck  von  Oebrüder  Knaner  in  Frankfurt  am  Main. 


41.  Bericht 


der 


Senckenberpclien  Naturforschenden  Geseliscliaft 


m 


Frankfurt  am  Main 


Heft  4 
mit  27  Abbildungen 


Ausgegeben 
September  1910 


Inhalt:  s^.,^ 

Neues  aus  der  Schausammlung  : 

Im  Grönländischen  Eismeer       241 

Geschenke  aus  der  Ausbeute  der  I.  Deutschen  Tiefsee-Expedition  254 

A.  Handlirsch:  Fossile  Wespennester 265 

J.  Ziehen:  Die  Darstellung  der  Tiere  in  der  antiken  Kunst      .     .     .  267 

A.  Libbertz:  Bobert  Kochf 306 

Besprechungen  : 

Neue  Veröffentlichungen  der  Gesellschaft 319 

Nachdruck  nur  mit  Quellenangabe  gestattet,  Übersetzungsrecht  vorbehalten. 

Frankfurt  am  Main 
1910 

Selbstverlag  der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft. 


Preis  des  Jahrgangs  (4  Hefte)  M.  6.—.    Preis  des  einzelnen  Hefts  M.  2. — . 


Senckenbergische  Naturforscheude  Gesellschaft. 

(Gegründet  22.  November  1817) 
Viktoria-Allee  7,  Telephon  Amt  II  No.  954. 


Direktion  für  das  Jahr  1910. 

I.  Direktor San.-Rat  Dr.  Ernst  Roediger 

II.  Direktor Dr.  Arthur  von  Weinberg 

I.  Schriftführer Dipl.-Ing.  Panl  Prior 

II.  Schriftführer Gartenbaudirektor  Augnst  Siebert 

Direktor  des  Museums:  Prof.  Dr.  Otto  zur  Strassen 

(Sprechstunde  im  Museum  an  Wochentagen  von  11  bis  1  Uhr.) 

Öffnungszeiten  des  Museums. 

Sonntags  von  11 — 1,  am  ersten  Sonntag  eines  jeden  Monats  auch  nach- 
mittags im  Sommer  (April  bis  September)  von  2 — 5,  im  Winter  (Oktober  bis 
März)  von  2 — 4  Uhr, 

Dienstags  von  10—1  Uhr, 

Mittwochs  im  Sommer  von  3 — 5,  im  Winter  von  2 — 4  Uhr, 
Donnerstags  von  10 — 1  Uhr, 
Freitags  von  11 — 1  Uhr, 

Samstags  im  Sommer  von  3—5,  im  Winter  von  2 — 4  Uhr. 
(Montags  und  an  den  hohen  Feiertagen  bleibt  das  Museum  geschlossen.) 

Mitgliedschaft. 

Der  jährliche  Mitgliedsbeitrag  beträgt  mindestens  M.  20. — ;  durch  die 
einmalige  Zahlung  eines  entsprechenden  Kapitals  wird  die  e  w  i  g  e  M  i  t  g  1  i  e  d- 
schaft  erworben. 

Die  Mitglieder  und  ihre  Angehörigen  haben  freien  Zutritt  zu  dem 
Museum,  zu  den  Vorlesungen,  praktischen  Kursen  und  Vorträgen  (wissen- 
schaftlichen Sitzungen) ;  doch  wird  von  den  Teilnehmern  am  Zoologischen 
Praktikum  eine  Gebühr  von  M.  10. —  für  Materialverbrauch  erhoben.  Die 
Mitglieder  erhalten  ferner  von  den  Veröffentlichungen  der  Gesellschaft  den 
„Bericht"  unentgeltlich  und  gelegentlich  erscheinende  Beihefte  zu  demselben 
sowie  die  „Abhandlungen"  und  Kataloge  zu  ermäßigten  Preisen. 

Nichtmitglieder  zahlen  am  Dienstag,  Donnerstag  und  Samstag 
50  Pf.  Eintritt  in  das  Museum,  für  den  Besuch  jeder  Vorlesung  M.  5. —  im 
Halbjahr,  für  die  Teilnahme  am  Zoologischen  Praktikum  M.  20. —  einschließ- 
lich der  Gebühr  für  Materialverbrauch.  In  den  wissenschaftlichen  Sitzungen 
können  Nichtmitglieder  als  Gäste  eingeführt  werden. 


Abhandlungen. 

Nachstehende  ältere  Arbeiten  aus  den  „Abhandlungen  der 
Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft"  können  zu 
den  beigefügten  Preisen  von  dem  Bureau,  Viktoria- Allee  7, 
bezogen  werden.  Daselbst  ist  auch  das  vollständige  Verzeichnis 
der  „Abhandlungen"  vom  XIII.  Band,  1883,  an  erhältlich. 

Ley  dig,  Über  die  einheimischen  Schlangen  (mit  2  Tafeln).    1883  M.  3. — 

Probst,  Natürliche  Warmwasserheizung  als  Prinzip  der  klima- 
tischen Zustände  der  geologischen  Formationen.    1884    .     .  „    2. — 

Reichenbach,  Studien  zur  Entwickelungsgeschichte  des  Fluß- 
krebses (mit  19  Tafeln).     1886 „  15.— 

Möschler,  Beiträge  zur  Schmetterlingsfauna  von  Jamaica  (mit 

1  Tafel).     1886 »3.— 

—  Beiträge  zur  Schmetterlingsfauna  der  Goldktiste  (mit  1  Tafel). 

1887 ,    3.— 

Blum,  Die  Kreuzotter  und  ihre  Verbreitung  in  Deutschland  (mit 

9  Textfiguren  u.  1  Karte).     1888 „    2.— 

Möschler,  Die  Lepidopterenfauna  von  Portorico  (mit  Porträt  u. 

1  Tafel).    1890 ,    5.— 

Saalmüller,  -Lepidopteren  von  Madagaskar  I  (mit  7  Tafeln).  1884  1 

—  und  V.  H  e  y  d  e  n ,  Lepidopteren  von  Madagaskar  II  (mit  Porträt  \   »  30. — 

u.  8  Tafeln).    1891 J 

Andreae,  Zur  Kenntnis  der  fossilen  Fische  des  Mainzer  Beckens 

(mit  1  Tafel).     1894 »    1 — 

K  i  n  k  e  1  i  n ,  Einige  seltene  Fossilien  des  Senckenbergischen  Museums 

(mit  2  Textfiguren  u.  6  Tafeln),    1896 »    3.— 

Kükenthal,   Ergebnisse  einer  zoologischen  Forschungsreise   in 

den  Molukken  und  in  Borneo,  Reisebericht  (mit  63  Tafeln). 

1896 „  25.— 

Möbius,   Der  Japanische  Lackbaum,  BMis  vernicifera  D.  C.  (mit 

29  Textfiguren  u.  1  Tafel).     1899 «    2.— 

Hagen,  Schmetterlinge  von  den  Mentawej -Inseln  (mit  2  Tafeln). 

1902 „    3.— 

Bösenberg  und  Strand,  Japanische  Spinnen  (mit  14  Tafeln). 

1906 „  32.— 


Ferner  sind  erschienen  und  von  dem  Bureau  zu  beziehen : 

K  0  b  e  1 1 ,  Reiseerinnerungen  aus  Algerien  und  Tunis  (mit  13  Voll- 
bildern u.  11  Abbildungen  im  Text).    1885 M.  3.— 

V.  H  e  y  d  e  n ,  Katalog  der  Käfer  von  Nassau  und  Frankfurt  a.  M. 

2.  Auflage.    1904 »6  — 


R.  June,  HEIDELBERG 


6.  m.  b.  H. 


MIKROTGME 

•-•  Paraffin-Gefen  v 
ThermostatE 

sowie  alle  sonstigen 

npperete  und  Instrumente 

für  Mikroskopie 

U/achspIatten- 
apparate 
ZEntriTugen 
:  HämokoIorimEter 

m    nacti  Prot,  flutenrieth  und 
Prot.  Königsbergep 

MIRROSKQPE 

jeder  flrl,  Grö&e  u.  flusstattung 

Kataloge  kostenfret 


Mikroskope  •.•  Mikrotome 

neue  Spiegel-Kondensoren  und  UltFa- 

Kondensoren   *.*   MikFoptiotographisctie 

und  Projektions-fippaFate 


E.  LeitZ  Optische  U/eFke  WetzIOF 

Berlin,  Luisenstrahe  45 
Frankfurt  a.  M.,  neue  I^ainzerstrabe  24 
London,  St.  Petersburg,  Hew  York,  Chicago 


Die  Verfasser  sind  für  den  Intialt  ihrer  Arbeiten  allein  verantwortlioh. 

Für  die  Redaktion  verantwortllcli:  Prof.  Dr.  A.  Knoblanch  in  Frankfort  am  Hftin. 

Dmck  von  Gebrüder  Knaaer  in  Frankfort  am  Main. 


MBL  WHOI   Librarv   -  Senals 


5  VVHSE  00195